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Persönliche Importe Eingeschleppte Unarten
ОглавлениеVon Jens Jessen
ZEIT CAMPUS 3/2008
Zu den drängenden Etikette-Fragen im Büro gehört ohne Zweifel, was der Angestellte von zu Hause mitbringen darf, um es sich am Arbeitsplatz netter zu machen. Von Pin-up-Girls oder einer Colaflaschensammlung würde ich persönlich abraten; aber letztlich ist das eine Sache der Firmenkultur.
Es gibt größere Tabus. Manch kleiner Betrieb etwa ist schon abgebrannt, weil der eingeschmuggelte Wasserkocher zu viel für das betagte Stromnetz war. Es kann aber auch die Blankwaffensammlung aus dem vorletzten Weltkrieg zu viel für das Nervenkostüm des Chefs sein; ganz zu schweigen von der Galerie Überraschungseier, die zu Tauschobjekten der gesamten Abteilung werden. Apropos: Auch das Mitbringen von Hühnereiern aus heimischer Produktion zwecks Verkaufs an die Mitarbeiter kann, als ungenehmigter Nebenerwerb betrachtet, zu Kündigungen führen.
Insofern ist es unverständlich, warum immer nur darüber diskutiert wird, was man aus dem Büro mitnehmen darf, also ab welcher Menge Bleistifte von Diebstahl gesprochen werden muss. Die Gegenstände, die ins Büro eingeschleppt werden, können viel verhängnisvoller sein. Was etwa ist von den Quelle-Sammelbestellern unter den Kollegen zu halten - verbessern sie das Arbeitsklima oder führt das periodische Auspacken von Großpaketen zu Störungen des Workflows? Der Kollege jedenfalls, der mit dem ferngesteuerten Modellhubschrauber den Luftraum des Flurs beherrschte, war allseits beliebt; während der Controller, der sich eine Calvin- Klein-Unterhose als Ikone an die Wand nagelte, fortan gemieden wurde.
Es ist alles eine Frage des Taktgefühls und des Augenblicks. Dieselbe großvolumige Stereoanlage, die monatelang für Kopfschütteln sorgte, kann anlässlich eines improvisierten Flurfestes zum Knaller werden. Selbst eine Überlastung des Stromnetzes könnte in diesem Fall geduldet werden.