Читать книгу "Und jetzt, kommen Sie!" - Dieter Gronau - Страница 5
Kapitelüberschrift 3
Оглавлениеzweihundertfünfzig Mal, das einsteigen und am Zielort aus oder in eine U-Bahn umsteigen oder vielleicht womöglich noch einmal ein- und umsteigen, um dann irgendwo wieder auszusteigen. Bei so viel Übung könnte man das ein- und aussteigen schon förmlich mit geschlossenen Augen bewerkstelligen. Also doch nicht so ungewöhnlich mein Lieber,“ erklärte ich den Sachverhalt meinem Ich.
„Wenn ich so über deine Rechnung nachdenke, muss ich dir tatsächlich auch zu stimmen,“ bestätigte mein Ich. Bei so viel konnte man schon alles im Schlaf und somit in aller Ruhe in einem Buch weiterlesen ohne eine Unterbrechung.
Es gab ja noch in und wieder mal die noch älteren Busmodelle, da musste man beim Einsteigen drei Stufen hochklettern. Was wäre dann mit der lesenden Frau passiert? Vermutlich wäre sie dann mit ihrer Lektüre in der rechten Hand in voller Länge in den Bus gestolpert und gefallen. Beim Aussteigen dann ein Sturz auf den Gehweg mit schlimmstenfalls einem oder mehreren Knochenbrüchen an Armen und Beinen. Dann könnte sie in aller Ruhe im Krankenwagen uns anschließend in einem Krankenhaus und einem Krankenbett auf einer Station weiterlesen.
„Oh je, ich dachte wieder einmal schlecht und merkwürdig über meine Mitmenschen. Wenn die das wüssten, sie würden mich aus den morgendlichen Bus prügeln und mich die Straße hinunter jagen.. als unmöglicher Mensch, der nichts in ihren Kreises mehr zu suchen hatte und den der Teufel holen sollte,“ murmelte ich leise vor mich hin.
„Du hast wirklich Recht, du bist manchmal ein merkwürdiger Mensch,“ schimpfte das ich.
Der dritte in diesem Quartett an dieser Bushaltestelle, war ein kleinerer, hagerer etwas gebückter Mann so um die sechszig Jahre schätzte ich ihn. Er hatte es immer sehr eilig beim einsteigen und versuchte sich jedes Mal an. dem Mann mit dem Aktenkoffer vorbei zu drängeln und quetschte sich förmlich in den Bus.
„Du da, der da! Der hat doch etwas auf dem Kerbholz. Das sieht doch schon ein Blinder. Wenn der mal nicht irgendwas und irgendwo angestellt hatte. Autos aufbrechen, durch eine aufgeschnittene Fensterscheibe irgendwo eingestiegen, einen Überfall aus dem Hinterhalt zu morgendlichen Stunde usw.
Wie der sich immer aufführte! Die Busfahrerin blickte immer sehr neugierig durch ihren Rückinnenspiegel und beobachtete ihn aufmerksam und misstrauisch. Man oh man, das war mehr als verdächtig! Stellte ich mit Bestimmtheit fest. Nur komisch war, der Mann stieg jeden Morgen immer in unseren Bus, dem Bus der ehrlichen und schaffenden Steuerzahler ein. Hatte er kein Auto und einen Führerschein, um so unbemerkt und ungesehen seine kriminellen Schweinereien nach Hause zu fahren.
Ich hatte jedes Mal ein verdammt ungutes Gefühl. Der hagere und gebückte Mann schlich flink an mir vorbei und verkroch sich hinter mir in den Sitzreihen. Blickte ich in die gegenüberliegende Busfensterscheibe, konnte ich ihn gut beobachten wie er da gebückt und hinter der Rückenlehne kauernd in seinem mitgeführten Rucksack kramte und nach etwas zu suchen schien. Er wühlte die ganze Busfahrt in seinem Rucksack herum, zog etwas hervor, drehte und wendete es und ließ es schnell im Inneren seines Rucksackes wieder verschwinden. Was er da in den Fingern hielt und wendete, konnte ich nie entdecken, es ging alles zu schnell in seinen Fingern. Ich konnte nur entziffern, das es mal größere, dann mal wieder irgendwelche kleinen Teile oder Gegenstände waren.
„Auf den sollte man die Polizei aufmerksam machen. Das ist doch eindeutig, dass er ein ungewöhnliches Hobby hatte. Sollte ich dem Mann mal heimlich folgen und ihn beschatten, wie ein Spitzel? So wüsste ich, wo er heute und an jedem Morgen einen Teil seines Weges mit uns gemeinsam im Bus verbrachte. Vielleicht könnte ich der Menschheit und der Polizei einen guten Dienst erweisen und bekam womöglich eine und schon seit langer Zeit ausgesetzte Belohnung? Das wäre doch eigentlich eine ganz tolle Sache. Es würde mir bestimmt gewissen Spaß bereiten, mich wie ein Geheimdienstler an die Fersen eines zu höchst Verdächtigen zu heften und ihn anschließend auch noch zur Strecke zu bringen und für ein gerechtes Urteil zu sorgen, diesen Gedanken,“ schmiedete ich halblaut vor mich hin.
„Mensch, nicht so laut! Für das, was du vorhast und planst, bist du viel zu laut und auffällig. Das musst du viel geschickter abwickeln. Das läufst du noch Gefahr, von dem hageren und gebückten Mann ein paar Sitzreihen hinter dir im Bus entdeckt und enttarnt zu werden. Du würdest ein großes Risiko eingehen und Gefahr laufen und eventuell von dem Kerl noch eins auf die Rübe bekommen. Vielleicht auch nicht schlecht, es soll manchmal nichts schaden, so zur rechten Zeit. Bestimmt bist du danach ein ganz brauchbarer und friedlicher, Mitbürger und denkst nicht mehr so eigenartig über deine Mitmenschen an deiner Seite.“ ermahnte mich das Ich.
„Eigentlich könnte ich ruhig mal einen halben oder ganzen Tag blau machen aus irgendwelchem triftigem Grund. Was viele meiner Kollegen machten, durfte ich bestimmt auch mal. Die rufen morgens beim Chef an und sagen, sie können heute leider nicht aus den und den Gründen kommen und entschuldigen sich höflich. Was soll der arme Chef da schon machen, schlucken und zusehen, wie er mit einem tüchtigen Mitarbeiter weniger über die Stunden des Tages kommt., dafür war er Chef, trug viel Verantwortung und wurde für alles mehr oder weniger gut entlöhnt. Ich, als Arbeitnehmer, hatte da eben meine kleinen Freiheiten nach Lust und Laune.,“ stellte ich zufrieden fest.
Zwei Haltestellen rauschte unser Bus jetzt durch, ohne anzuhalten, denn es wollte keiner aussteigen, noch zu uns einsteigen.
Dann aber, an der vorletzten Bushaltestelle vor der Endhaltestelle und der U-Bahnhaltestelle, bremste unser Bus scharf und schwenkte in die Haltebucht vor der überdachten Haltestelle. Beide Türen flogen krachend auf, ein kleiner obeiniger, schwarzhaariger Mann in einer viel zu großen Hose steigt ein. Er grüßte unsere Busfahrerin überschwenglich und dankte ihr vermutlich, das sie ihn noch eine Station mitnahm und er nicht noch weiter laufen musste. An einem Gürtel hatte er sich eine lederne braune Aktentasche über die Schulter gehängt. Geschwind zwängte er sich durch den Mittelgang im Bus und setzte sich auf einen der vielen freier Sitzplätze. Er streift den Gürtel mit der Tasche von seiner Schulter, versucht die Tasche auf den freien Sitzplatz neben sich zu stellen, die Tasche kippt sofort um, fällt ein paar Mal beinahe auf den Fußboden wird dann der Länge nach von ihm wieder auf den Sitz gelegt. Schließlich lehnt er sich an seine wichtige Aktentasche und streift den Gürtel über sein Knie. Das geht solange hin und her, bis wir endlich an der Busendhaltestelle ankommen.
Kurz nach der vorletzten Haltestelle, steht der Bartstreichler von seinem Sitzplatz auf, klemmt sich seinen schwarzen Lederkoffer unter den rechten Arm und hangelt sich mit der linken freien Hand in Richtung vom mittleren Busausgang. Er muss wohl immer der Erste sein, beim Aussteigen. Der Erste, hier im Bus, oder auch an seiner Arbeitsstelle bei seiner Tätigkeit? Das wüsste ich zu gerne! Es soll ja meist genau das Gegenteil von Privat und Beruf sein. Das würde jetzt bei ihm bedeuten, im Beruf rangiert er unter den letzten. Deswegen auch der schöne elegante schwarze Aktenkoffer, wie bei einem Supermanager. Er musste in seinem Leben wenigstens einmal, morgens und auf dem Weg zur und von seiner Arbeit, für alle seine Bekannten und Nachbarn, einmal der Erste und mit dem entsprechenden Statussymbol ausgerüstet zu sein. Welch ein für keinem nachvollziehbares Glücksgefühl! Er war wer! Er war der unter den Besten an seinem Arbeitsplatz, einfach himmlisch! Und sei dieses Gefühl auch nur während der Fahrt zu Arbeitsplatz. Aber auf dem Weg dorthin und wieder zurück, gab es viele Menschen, die ihn aufgrund seiner edlen Aktentasche in schwarzem glänzenden Leder, das sah man sofort, das sie einige hundert Deutsche Mark gekostet hatte, grenzenlos beneideten.
Unsere Busfahrerin trat ungewöhnlich stark auf die Bremse, als sie in die Haltebucht an der Endhaltestelle einfuhr. Alle Köpfe der Fahrgäste schwangen nach vorn und wieder zurück, die beiden Bustüren flogen mit einem Ruck auf und mit einem Riesenschritt sprang der Bartstreichler aus dem Bus auf den Gehweg und verschwand mit komischen kurzen Schritten um die Ecke in die U-Bahnstation. Ein ungewöhnliches Tempo legte er vor. Richtig, er durfte heute der erste aus unserem Bus sein, der auf dem U-Bahnsteig ankam. Das war für ihn das zweite Erfolgserlebnis des Tages, der Erste aus dem Bus, der Erste auf dem Bahnsteig vor allen anderen Busfahrgästen. Er brauchte dafür heute gar nicht zu kämpfen, denn meist gab es weitere Fahrgäste mit ähnlichen Aktionen. Heute war er weit und breit wirklich der Erste und der Einzigste. Was für eine Leistung! Ob er es heute seiner Frau erzählte?
„Das hast du aber nur erträumt, schau da, fast hätte die ständig lesende Frau aus dem gleichen Bus ihn doch beinahe noch eingeholt. Es lag wohl heute daran, das sie heute Sandalen und wollene Socken an den Füßen anhatte, so waren ihre Fußmuskeln ständig besser durchgewärmt für so einen kurzen Sprint bis auf den U-Bahnsteig., als die des Bartstreichlers. Vielleicht hatte die Frau, die Buchleserin, auch tatsächlich längere Beine unter ihrem faltigen Rock, somit hätte sie ihn beinahe eingeholt und auch noch überholt.,“ so machte mich mein Ich auf einige wichtige Punkte aufmerksam. Das wäre eine fürchterliche Niederlage für den Bartstreichler geworden. Der ganze Tag würde ihn jetzt bestimmt schieflaufen, nach so einer peinlichen Niederlage, noch dazu gegen eine Frau. Er hätte sich bestimmt beide Beine sprichwörtlich ausgerissen, die Schrittzahl