Читать книгу "Und jetzt, kommen Sie!" - Dieter Gronau - Страница 6

Kapitelüberschrift 4

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erhöht, die Beinlänge verlängert und geatmet wie bei einem Langstreckenlauf, zehn Atemzüge eingeatmet und zwölf wieder aus. Das müsste doch alles für ihn ein leichtes sein! Für ihn den Mann. Er käme dann fast erschlagen und am Rande seiner körperlichen Kräfte an seinem Arbeitsplatz an, aber er hätte heute einen wichtigen Sieg errungen, einen Sieg gegen eine Frau, eine langberockte! Keiner seiner Arbeitskollegen wüsste, was heute mit ihm los wäre. Keiner würde ihn danach fragen, aber alle würden im Stillen spekulieren und so ihre eigenen Vermutungen haben. Außerdem könnte er doch keinem von seiner peinlichen Niederlage erzählen, welche Blamage, alle würden ihn für einen Schwächling oder ein Weichei halten. Er wurde im Sprint von einer Frau, einer vollkommen fremden Frau geschlagen, die er nicht einmal mit Namen nennen könnte, oh nein!

Außerdem hätte er sich bei der Erhöhung womöglich überschlagen, wäre gestolpert und gefallen und lang auf dem Bahnsteig hingeschlagen, auf seinen schwarz glänzenden Aktenkoffer gestürzt, ihn verschrammt und verbeult, in trauter Zweisamkeit mit seiner zerbrochenen und verbeulten Brille, alles hätte liebevoll mit ihm gemeinsam auf dem Bahnsteig gelegen. Vermutlich hätte er seine Weiterfahrt ins Büro abrupt abgebrochen und wäre verschämt, verletzt und gekränkt mit einer Taxe nach Hause gefahren und hätte sich einige Tage bei seinem Arbeitgeber Krank gemeldet, mit oder ohne triftigem Grund, der Wahrheit, es wäre ihm jetzt alles egal gewesen. Nur um seine peinliche Niederlage und sich selber ausgiebig zu bemitleiden.

Vor dem Bus an der Haltestelle im Dämmerlicht der Straßenlaternen, standen zwei dunkel gekleidete muskulöse Männer in einer Betriebsuniform der U-Bahnwache von Hamburg. Sie traten schnell an den kleinen Buckligen Mann mit dem Rucksack heran, nahmen ihn in die Mitte, stoppten ihn bei seinem Versuch, schnellen Schrittes und teilnahmslos hinter dem Bus in der Dunkelheit des Morgens zu verschwinden. Der etwas größere der beiden Männer sprach ihn an und hielt ihn an seinem Arm fest. Sie gingen mit ihm in den an drei Seiten mit Glas verkleideten Bushaltstellenunterstand., zwängten ihn in eine Ecke und redeten auf ihn ein.

„Siehste, es ist heute nichts mit deiner Idee, dir einen arbeitsfreien Tag zu genehmigen, um diesem kleinen gebeugten Mann mit dem Rucksack zu folgen, um rauszufinden, wo er heute Morgen noch hinwollte und was er so vielleicht noch so trieb. Die U-Bahnwache war schneller. Die Busfahrerin hatte vermutlich alles über Funk an ihre Zentrale weitergeleitet und die hatten sich für diese Kontrolle, wozu sie auch berechtigt waren, entschieden,“ jubelte mein Ich. Der größere hielt noch immer den etwas gebeugten Mann aus unserem Bus in Schach, der ständig noch immer versuchte, den beiden irgendwie zu entwischen, während der andere ihm den Rucksack von der Schulter nahm, ihn vorsichtig öffnete und in ich hineinsah, so gut es bei dem schwachen Lampenlicht am Morgen möglich war. Er holte einige Gegenstände hervor, die aussahen wie ein Autoradio und, so konnte ich weiter erkennen, einen Gegenstand, der aussah, wie eine Pistole. Danach telefonierte er kurz über sein Handy und nicht einmal drei Minuten später hielt ein Streifenwagen der Polizei in der Bushaltestelle. Der Mann wurde von einem Polizeibeamten ergriffen und in den hinteren Teil des Streifenwagens verfrachtet. Er wehrte sich zwar heftig, konnte sich aber aus dem Polizeigriff nicht befreien und in der Dunkelheit entkommen.

„Donnerwetter, unsere Busfahrerin war heute Morgen aber wirklich auf Zack hatte die richtige Vermutung und hatte sofort richtig gehandelt. Mensch ein Mann mit einer Pistole bei uns im Bus, zwei Reihen hinter mir, hinter meinem Nacken, unmöglich. Ich, und alle Fahrgäste schwebten die ganze Zeit über in akuter Lebensgefahr. Unmöglich, was hätte alles geschehen können, wenn? Man hatte ich heute Morgen mal wieder Glück! Wenn ich das heute Abend meiner Frau erzähle,“ platzte es halblaut aus mir hervor.

Der Zweizentner Mann trat mir beinahe beim Aussteigen in die rechte Ferse. Er ratschte mit seiner Schuhspitze über meinen Schuhabsatz, das war für mich Glück im Unglück, denn wenn er auch noch gestolpert wäre und womöglich auf mich gefallen wäre, wie wäre es mir dann wohl ergangen? Ich erhöhte sofort, wie von einer Tarantel gestochen, meine Schrittzahl, um ganz sicher diesen schweren Schuhen hinter mir zu entkommen. Ein Niesanfall erschütterte das Fleischgebirge hinter mir und dröhnte wie ein Gewitter durch den vor mir beginnenden U-Bahntunnel. Eine gewaltige Fontäne von feinen, fast kaum sichtbaren, Niesbläschen versuchte mich von hinten zu erwischen, aber ich war, Gott sei Dank, außer ihrer Schussweite, als ich , nach Luft und Fassung ringend an dem Zeitungskiosk auf dem Bahnsteig ankam.. Dort stand bereits an der Verkaufsluke unser kleiner Schwarzhaarige aus dem Bus. Wie war der bloß so schnell aus dem Bus dorthin gekommen?

„Richtig, der musste durch die Bustür bei unserer Busfahrerin entwischt sein. So hatte er einen etwas kürzeren Weg zum U-Bahntunneleingang. Ich war so mit der Beobachtung der anderen beschäftigt, das ich gar nicht gesehen hatte, wie und wo er ausgestiegen war. Es konnte nur die vordere Bustür gewesen sein.

An wievielter Stelle, in unserer Reihenfolge, er im Tunnel und auf dem Bahnsteig angekommen war, konnte ich nicht mehr nachvollziehen, er war plötzlich am Zeitungskiosk.

„Merkwürdig, der musste ja förmlich geflogen sein. Siehste, siehste, so ungenau beobachtet der Mensch manchmal, wenn er nur ein bisschen abgelenkt ist. Hatte er womöglich sogar den Bartstreichler noch auf der Außenseite überholt? Wie hatte er das gemacht? War er der große Außenseiter, der auf der Außenbahn alle zügig und unbemerkt überholt hatte? Das wäre der Erfolg für ihn und eine Niederlage für alle anderen,“ stellte ich erstaunt fest.

Er war wirklich sehr klein mit seinen großen Hosenbeinen. Die Beine, welche Energiebündel mussten das sein, die für solche Leistungen fähig waren. Vielleicht war er ein durch und durch trainierter Hochleistungssportler, der heute Morgen zu einem Trainings-Meeting fuhr. Er hatte nur eben mal auf dem Weg vom Bus bis auf den U-Bahnsteig ein wenig Gas gegeben, nur so zum Spaß für sich selber. Mit dem linken Arm auf der Holzverkaufsluke aufgestützt, blickte er dem Kioskverkäufer zu, der große schwergewichtige Zeitungsballen mit einem Messer aufschnitt. Der Schwarzhaarige verlangte fast aus jedem Ballen je eine Zeitung, eine von einem ganz bestimmten Platz in einem Regal und zwei von einem Platz unter einem Tisch.

„Mein Gott, der kann Zeitungslesen! Das sind ja alles türkische Zeitungen. Was will der denn damit? Was hat der denn für einen Job? Soviel Zeit zum zeitunglesen? Vermutlich muss er in Deutschland leben und arbeiten, um an seinem Arbeitsplatz so viel Zeit zum Zeitung lesen zu haben. Sowas habe ich an meinem Arbeitsplatz noch nie bemerkt.

Der Bahnsteig dieser U-Bahnstation ist sehr breit. In der Mitte befindet sich ein Gebäude mit einer Frühbäckerei. Dort werden den ganzen Vormittag Brötchen frisch gebacken und es duftet einfach himmlisch. Ab 05.00 Uhr früh gibt es hier die ersten ofenfrischen Brötchen mit etwas drauf oder nach Wunsch belegt und beschmiert, dazu, wenn man möchte, einen Kaffee, Tee oder heißen Kakao für die Leute, die nach dem Aufstehen und der Morgentoilette noch nicht frühstücken können. Davon muss es scheinbar sehr viele geben, denn wenn ich morgens vorbei gehen, stehen die Leute dort in einer Schlange vor dem Tresen. Nun ja, die ruckartige Busfahrt und der Spurt haben jetzt schließlich auch die letzte Schlafmütze geweckt und der Körper und der Magen schreien nach einem Frühstück, wenn auch nur sehr unbequem im Stehen. Hauptsache da rutscht etwas in den Magen.. So riecht nach geraumer Zeit jeder U-Bahnwagen, nach frischen Brötchen und einem heißen Getränk. Warum auch nicht, in der Bahn konnte man wenigstens beim Frühstücken sitzen und hatte es viel bequemer. Das stand einem auch zu, bevor der tägliche Stress in der Firma begann.

„Oh Mann, das riecht aber verdammt gut! Jeden Morgen wird mir förmlich schwindelig bei diesen Frühstücksdüften in der Bahn, hoffentlich konnte bald meine Nase wieder in die frische Luft strecken und ganz, ganz tief Luft holen,“ seufzte mein Ich. Einige Fahrgäste senkten neugierig ihre Morgenzeitung, blickten um sich, um festzustellen, woher der Kaffee-, der Kakao- oder der Tee Duft kamen. Mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht vertieften sie sich danach wieder in ihre morgendliche Information, der Zeitung. Bestimmt schluckten sie heimlich und unbewusst ein paar Mal, bei den verführerischen Düften, war das ganz normal, wer konnte da schon widerstehen, auch mit einem guten Frühstück von Zuhause bereits schon im Magen.

Wer womöglich heute das erste Mal in der U-Bahn fuhr, dachte bestimmt, halt hier in Hamburg gibt es in der U-Bahn morgens immer ein Frühstücksbüfett, eine tolle Einrichtung, warum gibt es das bei uns in Berlin, Köln oder München nicht? Ist doch ein toller Service! So konnte man gestärkt und etwas zufriedener seinen Arbeitsplatz ansteuern. Belegte Brötchen, heiße Getränke in der U-Bahn, ein Automat könnte das bestimmt auch zaubern!

Hinter dem Backwarenstand befand sich ein Kiosk in herkömmlicher Art mit den üblichen Reiseutensilien, Zeitschriften, Zeitungen, Süßigkeiten und Getränken mit und ohne Alkohol. Meist alles im Kleinformat. Das weitere Gebäude war früher einmal ein Dienstgebäude. Dort war der Arbeitsplatz vom Bahnsteigschaffner. Heute hielten sich dort hin und wieder mal die Mitarbeiter von der Bahnwache auf..

Seitlich vom Zeitungskiosk trafen sich jeden Morgen immer zwei ältere Männer mit einer Frau mittleren Alters. Der eine der Männer, vermutlich kurz vor dem Rentenalter, hatte eine ziemlich laute Stimme. Vermutlich konnte er gar nicht leise reden. So konnte ich und viele andere wartenden Fahrgäste ungewollt immer alles mithören, was dort bei den Dreien so wichtiges geredet wurde.. Meist beschwerte er sich über die da oben, die Politiker. Die wieder mal unsinnig unsere Steuergelder ausgeben, dann erfuhr jeder der Umstehenden, was er an diesem Wochenende alles unternommen hatte und was er heute und in den nächsten Tagen unbedingt und ganz bestimmt alles unternehmen will. Er erzählte allen laut und deutlich, natürlich ungewollt, was ihn so belastete und bedrückte. Manchmal schimpfte er über seinen Arbeitsplatz und seine Kollegen.

„Du, der muss aber einen sehr lauten Arbeitsplatz haben, dass er immer so laut reden musste, oder war er hochgradig schwerhörig? Echt, der geht mir fürchterlich auf den Geist. Lass uns woanders auf die Bahn warten,“ schlug ich meinem Ich vor und ging ein paar Schritte weiter bis ich die nervige Stimme



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