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Kapitel 9 - Bielefeld, Sparrenstraße 09.02., 17:00

Kerstin Schibulsky kommt gerade mit ihrem weißen Renault Twingo und dem hellroten Blumen-Design vom Sennefriedhof zurück. Da sie überhaupt kein Interesse für Fußball aufbringen kann, ist sie gegen Mittag nach Brackwede zum Sennefriedhof gefahren, um mal wieder bei den Gräbern ihrer Eltern bzw. Schwiegereltern, den Familien Grote und Schibulsky, nach dem Rechten zu sehen.

Obwohl das Wetter nicht gerade zu einem Spaziergang einlud, hat sie ihr Auto am Parkplatz an der Stadtbahnstelle „Senne“, Linie 1 nach Schildesche, abgestellt und anschließend noch eine Wanderung zur „Waterbör“ unternommen, dem Ausflugslokal, das einsam mitten im Naturpark Teutoburger Land liegt. Nach einem Stück Apfelkuchen mit Schlagsahne und einem großen Cappucino kehrte sie zum Twingo zurück.

Wegen einer unangemeldeten Kurden-Demonstration wurde die Hauptstraße in Brackwede von einigen Teilnehmern blockiert, die zudem noch Steine aus dem Gleisbett der Straßenbahn entfernten und damit Pkw bewarfen, die wegen der Blockade zum Anhalten gezwungen wurden. Erst nachdem die herbeigerufene Polizei ca. zwanzig der höchstens 20-jährigen, kurdischen Demonstranten in Gewahrsam genommen hatten, da sie zusätzlich zur Sachbeschädigung auch Transparente mit Parolen und Symbolen der in Deutschland verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK mit sich führten, löste sich der Stau endlich auf.

Als Kerstin nun die Haustür ihres Hauses in der Sparrenstr. 8 aufschließt, läutet das Haustelefon. Ohne den Mantel auszuziehen läuft sie ins Wohnzimmer und nimmt das Gespräch an:

„Schibulsky.“

„Hallo Oma, wie geht es euch.“

Kerstin hat augenblicklich die Stimme ihrer Enkelin Britta erkannt, die seit einigen Monaten in München studiert.

„Mir geht es wie immer sehr gut. Aber Opa ist nach eurem Abenteuer in Oberstdorf noch nicht wieder auf dem Posten. An das neue Hüftgelenk hat er sich zwar schon gewöhnt. Aber die OP-Wunde will und will nicht verheilen. – Und wie geht es dir, mein Schatz?“

„Alles gut, Oma, mein Schlüsselbeinbruch ist gut verheilt. Ich verspüre keinerlei Schmerz mehr und habe schon wieder mit Schwimmen angefangen. – Geht es Opa denn wieder schlechter? Ich habe ihn im Krankenhaus nicht erreichen können.“

„Das ist auch nicht möglich. Ungeduldig wie er ist, hat er sich vorgestern quasi selbst entlassen. Auf eigene Verantwortung natürlich und ich muss jetzt darauf achten, dass seine Wunde hygienisch versorgt wird. Heute war er schon wieder auf dem Sportplatz.“

„Aber, Oma, du kennst ihn doch. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann macht er das auch.“

„Du sagst es, und dabei hatte er mir versprochen, keine Kriminalfälle mehr zu lösen. Und da macht er mit dir an Weihnachten diese Verfolgungsjagden in Oberstdorf.“

„Zum Glück, Oma, sonst wäre ich wohl nicht bei der Entführung so glimpflich davongekommen. – Du sagst, seine Wunde an der Hüfte verheilt nicht?“

„Genau, Britta, er muss schon bei der Erstversorgung in der Klinik in Oberstdorf oder dann hier in Bielefeld mit MRSA-Bakterien infiziert worden sein.“

„Mein neuer Freund hat mir erzählt, dass seine Tante aus Garmisch-Partenkirchen auch diese multiresistenten Bakterien hatte. Die ist jetzt aber geheilt.“

„Die Hoffnung habe ich natürlich auch. Aber die Antibiotika, die Opa Robert bisher erhalten hat, zeigen keine Wirkung.“

„Weißt du zufällig, was Opa bekommen hat?“

„Warum willst du das wissen? Ich dachte, du studierst Informatik und nicht Medizin.“

„Tu ich auch, aber ich will Gregor mal fragen, was seiner Tante geholfen hat.“

„Warte einen Augenblick. Ich habe mir das aufgeschrieben. Ich muss eben meinen Schreibblock aus dem Schrank holen.“

Kerstin legt den Hörer ihres veralteten Wählscheibentelefons auf den Zeitungsständer, geht hinüber zum dunklen Eichenschrank und kramt im Sekretär herum.

„Bist du noch dran, Schatz?“

„Natürlich, Oma, was denkst du denn. Ich habe mir sogar auch was zum Notieren geholt.“

„Also, was steht hier? Zuerst eine Kombination aus Glykopeptid-Antibiotika zusammen mit Rifampicin, anschließend mit Clindamycin, dann eine Kombination aus Fosfomycin und Fusidinsäure. Einmal haben sie auch nur ein einzelnes Antibiotikum gegeben mit dem Wirkstoff Linezolid.“

„Oh Gott, oh Gott, das klingt ja nur nach Chemie. Haben die Ärzte es auch mal mit Naturheilkunde versucht?“

„Da bin ich glatt überfragt. Da musst du mal mit deinem Opa selber sprechen.“

„Ist Opa denn da?“

„Seine Fußballjacke hängt nicht im Flur. Aber eigentlich muss sein heutiges Spiel längst aus sein. Er wird sicherlich bald kommen.“

„Ist gut, Oma, ich rufe heute Abend noch mal an. Bis dahin kann ich Gregor wegen seiner Tante interviewen.“

„Gregor, ist das dein neuer Freund?“

Kerstin kann ihre Neugier nicht unterdrücken.

„Vielleicht wird da bald jemand Urgroßmutter?“

„Gregor-Maria zu Hohenstein, aber Freund ist vielleicht zu viel gesagt. Ich habe jetzt eine kleine Einliegerwohnung bekommen, und die gehört zu seiner Villa in Grünwald.“

„Ach, ist das nicht da, wo die Reichen und Schönen Münchens wohnen?“

„Doch, Oma, schön ist es schon. Aber davon erzähle ich dir ein anderes Mal, Gregor klopft schon ungeduldig an meine Tür.“

Blutiger Kampf ums Museumsdorf in Oberstdorf

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