Читать книгу Die Tote unter dem Schlehendorn - Dieter Landgraf - Страница 5

Der Tatort

Оглавление

Plötzlich hört er ein Martinshorn und wird schlagartig aus seinen Gedanken herausgerissen. Im schnellen Tempo nähert sich ihm eine Autokarawane. Armin Wenzel springt auf und schwenkt aufgeregt seine Jacke über dem Kopf. Damit will er den Fahrzeugen signalisieren, wo sich die Tote befindet. Entgegen seinen Erwartungen kümmert sich keiner der Polizeibeamten um ihn. Etwas hilflos steht er herum und sieht dem geschäftigen Treiben interessiert zu. Zwei Schutzpolizisten sperren mit rot weisen Bändern die Stelle um den Schlehendorn ab. Weitere zwei Personen in hellen Schutzanzügen kümmern sich um möglicherweise hinterlassene Spuren. Die anderen Personen, eine männliche und zwei weibliche, begeben sich gemeinsam zu der Toten. Die Frau mit dem Medizinköfferchen in der Hand scheint die Ärztin zu sein - überlegt Armin Wenzel kurz. Wenige Minuten später kann er deren Gespräch genau verfolgen.

„Hallo Monika, nur die üblichen Fragen … kannst du schon etwas Genaueres zum Todeszeitpunkt und zur Todesursache sagen?“, fragt Hauptkommissarin Veronika Sommercamp.

„Entsprechend der Körpertemperatur … schätze ich … so vor zehn bis zwanzig Stunden … ich kann das sicher noch weiter eingrenzen … dazu muss ich sie aber erst einmal auf dem Operationstisch haben“, antwortet ihr die Pathologin Dr. Monika Bieberstein.

„Und die Ursache des Todes?“

„Ich meine, es ist eine Blausäurevergiftung … die leuchtenden roten Flecken auf der Haut lassen eine solche Schlussfolgerung zu diesem frühen Zeitpunkt zu … Genaueres erfährst du, wenn ich sie untersucht und den Mageninhalt überprüft habe.“

„Geht schon in Ordnung … dann muss ich eben bis morgen warten“, antwortet Veronika Sommercamp.

„Ich glaube, da wird wohl unser großer Chef nicht umhinkommen, eine Mordkommission einzurichten … alles andere würde mich sehr verwundern“, stellt die Pathologin fest.

„Weshalb denkst du an ein Gewaltverbrechen?“, fragt die Hauptkommissarin etwas verwundert.

„Es ist hauptsächlich der ungewöhnliche Fundort … und das Gift nimmt man nicht so einfach freiwillig ein … allerdings kann ich auf den ersten Blick keine äußere Gewaltanwendung erkennen … ich denke, die Dosis war ziemlich hoch und der Tod muss in wenigen Sekunden eingetreten sein.“

„Ist ja interessant … und woraus schlussfolgerst du das?“

„Bei einer oralen Einnahme tritt die Wirkung in der Regel nach über einer Stunde ein … das heißt, es müssten Spuren eines Todeskampfes vorhanden sein … aber dafür gibt es keinerlei Anzeichen … gelangt die Blausäure dagegen direkt in die Blutbahn, dann tritt der Tod sofort ein.“

„Demnach können wir einen Unfall oder einen Suizid von vornherein ausschließen?“, fragt Veronika Sommercamp beharrlich nach.

„Nein, nein … es ist nur eine erste Diagnose … mehr nicht … bei einer Blausäurevergiftung kann natürlich auch ein Selbsttötungsakt in Betracht gezogen werden … halte ich aber für eher unwahrscheinlich … wird sicher keine einfache Ermittlung werden … aber das ist dann eure Arbeit … da mische ich mich nicht ein … schließlich seit ihr dafür die Experten.“

Armin Wenzel lauscht aufmerksam dem Gespräch der beiden Frauen. Das Zuhören wird unterbrochen, als sich ihm ein junger Mann nähert.

„Kommissar Jens Knobloch“, stellt er sich vor und zeigt den Dienstausweis, „sie haben also die Tote gefunden.“

„Richtig … und ich habe auch sofort Bescheid gegeben.“

„Das ist löblich … ich brauche trotzdem nochmals ihre Personalien … können sie sich ausweisen?“

„Nein, aber mich kennt hier jeder … ich bin der Inhaber vom Hotel „Akazie“ … so nennen die Einheimischen und auch alle meine Gäste das Hotel und die Gaststätte und zudem bin ich der Bürgermeister“, fügt er nicht ohne Stolz hinzu.

„Wie ist es denn gekommen, dass sie gerade hier die Leiche entdeckt haben?“

Umständlich erklärt Armin Wenzel, wie er die Tote gefunden hat … und fügt fast beschwörend hinzu, dass er fest davon überzeugt ist, dass es sich um Mord handelt. Der Kommissar macht sich fleißig Notizen und fragt beiläufig: „Warum soll es sich denn um solch ein Gewaltverbrechen handeln?“

„Ja … wissen sie … wenn sich einer umbringen will, dann macht er das doch nicht unter freiem Himmel … dann bleibt er zu Hause … vielleicht in Bett … etwas Anderes habe ich noch nicht gehört … und dass es sich um einen Unfall handelt, ist überhaupt nicht möglich … in solch einem Fall hätte ich doch Verletzungsspuren bemerken müssen … aber davon ist hier nichts zu sehen.“

Jens Knobloch bemerkt die kleinen Schweißperlen auf der Stirn des Wirtes.

„Ich kann ja ihre Aufregung ganz gut verstehen … bleiben sie doch bitte ganz ruhig … ist ihnen etwas aufgefallen, als sie das Dorf verlassen haben … eine Person … ein Fahrzeug … irgendetwas Ungewöhnliches?“

„Nicht dass ich wüsste … ich war mutterseelenallein.“

„Haben sie die Tote berührt?“

„Nein … ich wollte sagen ja … ich habe versucht, ihren Puls zu fühlen … habe sie nur am Handgelenk angefasst.“

„Könnte sein, dass wir von ihnen noch eine DNA benötigen … wegen dem Vergleich mit eventuell anderen Spuren.“

„Aber mit dem Tod habe ich wirklich nichts zu tun … ich habe sie lediglich zufällig gefunden“, versichert er nachdrücklich dem Kommissar.

„Tja, das wär’s dann fürs Erste … wenn wir sie nochmals brauchen - und davon gehe ich aus - melden wir uns … zudem wäre es für unsere Ermittlungen dienlich, wenn sie die nächsten zwei Wochen Akazienaue nicht verlassen … oder haben sie die Absicht, eine Reise zu unternehmen?“

„Nein, nein, jetzt noch nicht … aber in vier Wochen …“

Den Rest des Satzes hört Jens Knobloch schon nicht mehr. Er hat im Moment kein Interesse, sich die Ferienpläne des Hoteliers anzuhören und begibt sich zurück zum Fundort der Toten. Dort ist inzwischen der Bestattungswagen vorgefahren. Zwei Männer in schwarzen Anzügen sind damit beschäftigt, die Leiche in den Sarg zu legen. Auch die Kollegen der Spurensicherung haben ihre Arbeit beendet und ziehen sich ihre Schutzanzüge aus. Veronika Sommercamp und Monika Bieberstein unterhalten sich mit ernsten Mienen. Jens Knobloch stellt sich zu ihnen und fragt: „Kann man jetzt schon etwas Genaueres über die Tötung sagen?“

Erstaunt blickt die Hauptkommissarin ihn an … wieso sprichst du von Tötung?“

„Hm …“, und nimmt sein Notizbuch zur Hand, „der Inhaber der Gaststätte „Haus am Akaziensee“ ist fest davon überzeugt, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handelt“, antwortet Jens Knobloch.

Als er die fragenden Blicke der beiden Frauen bemerkt fügt er rasch hinzu: „Das ist der Mann, der die Tote gefunden hat … er heißt übrigens Armin Wenzel … und ist ehrenamtlicher Bürgermeister von Akazienaue … er hat die Bemerkung, dass es sich um Mord handelt, mehrfach wiederholt.“

„Ist ja interessant … mit dem Herrn Wenzel beschäftigen wir uns später … wenn wir mehr wissen …jetzt soll erst einmal unsere Pathologie ihre Arbeit aufnehmen …

dann werden wir gesicherte Erkenntnisse über die Tötung haben und können zielgerichtet die Ermittlung aufnehemen.“

Beim Verlassen des Fundortes der Leiche sehen die Polizeikommissare Armin Wenzel in schnellen Schritten dem Dorf zustreben.

„Das wird heute das Thema Nummer eins in Akazienaue … wollen wir wetten?“, bemerkt Jens Knobloch.

„Darauf möchte ich zwar nicht wetten … aber bestimmt wirst du recht haben … etwas ist auf alle Fälle einhundertprozentig sicher: Unser heutiger Besuch in Akazienaue wird nicht der Letzte gewesen sein.“

Die Tote unter dem Schlehendorn

Подняться наверх