Читать книгу Einführung in die Philosophie des Geistes - Dieter Teichert - Страница 11

1.2.1. Metaphysik und Ontologie

Оглавление

Die Philosophie des Geistes steht in einem engen Zusammenhang mit der Metaphysik oder Ontologie. Metaphysiker und Ontologen denken über grundlegende Fragen nach: Gibt es eine Seele? Falls ja, was für eine Art von Sein ist eine Seele? Gibt es mentale Eigenschaften? Was für Arten des Seins gibt es überhaupt? In welcher Weise gibt es den Geist oder das Mentale?

Metaphysiker und Ontologen denken über die allgemeinen Prinzipien des Seins nach und führen logisch-begriffliche Grundlagenuntersuchungen durch. Mitunter werden die Disziplinenbezeichnungen ,Metaphysik‘ und ,Ontologie‘ gleichbedeutend verwendet. Historisch gesehen kommt der Terminus ,Metaphysik‘ seit der Antike vor, während der Begriff der ,Ontologie‘ erst in der Neuzeit verwendet wird. Der Sache nach kann man die Interessen der Metaphysik und der Ontologie folgendermaßen skizzieren.

Die Metaphysik behandelt die Frage ,Was ist Sein?‘. Es handelt sich nicht um eine Untersuchung eines speziellen Objektbereichs, sondern um die ersten Gründe, Ursachen und Prinzipien dessen, was ist. Zwei gegensätzlichen Positionen kommt besondere Bedeutung zu.

Materialismus

Die erste Grundposition wird als Materialismus bezeichnet. Der Materialist antwortet auf die Frage nach dem Grundcharakter des Realen: ,Die Materie ist das Primäre‘. Ein Materialist geht davon aus, dass materielle Gegenstände (einschließlich ihrer Teile und der aus ihnen gebildeten Komplexe) sowie die für ihr Verhalten einschlägigen Prinzipien und Gesetze die Wirklichkeit bilden.

Idealismus

Die zweite Grundposition ist der Idealismus. Der Idealist antwortet auf die Frage nach dem Wesen des Realen: ,Der Geist ist das Primäre‘. Er ist davon überzeugt, dass die Wirklichkeit durch eine geistige oder immaterielle Art des Seins (geistige, ideelle Gegenstände wie Ideen, Begriffe, Vorstellungen, immaterielle Substanzen) konstituiert ist. Die Existenz materieller Objekte wie Tische, Planeten oder Tennisbälle wird von Idealisten natürlich nicht geleugnet. Aber während der Materialist diese Gegenstände (bzw. ihre materiellen Teile) als grundlegend ansieht, ist der Idealist der Auffassung, dass materielle Objekte und ihre Eigenschaften auf den Geist und seine Zustände zurückzuführen sind. Die Materie ist ein Zustand oder eine Erscheinungsweise des Geistigen. Die unterschiedlichen Spielarten des Idealismus unterscheiden sich durch die Art, in der sie diese Bedingtheit des Materiellen durch den Geist erklären.

Die Ontologie widmet sich logischen und begrifflichen Untersuchungen des Seienden. Sie entwickelt ein umfassendes Kategoriensystem für die Bestimmung dessen, was es gibt. Kategorien sind begriffliche Unterscheidungen, die Ordnungen nach den für die jeweiligen Gegenstände wesentlichen Gesichtspunkten herstellen. Ein System von ontologischen Kategorien bestimmt die grundlegenden Arten der Gegenstände, Relationen und Modalitäten, die das Sein bilden. Ontologen beschreiben das Sein in seiner Grundstruktur. Es geht also um Fragen sehr allgemeiner und grundlegender Art.

Der Terminus ,Ontologie‘ stammt von dem griechischen Ausdruck ,to ón‘ = ,das Seiende‘. Die Ontologie bezieht sich auf das Seiende an sich und abstrahiert von den Erkenntnisbedingungen, denen einzelne Individuen unterliegen, wenn sie sich bemühen, Erkenntnis zu gewinnen.

An praktischen Fragen interessierte Menschen sind oft misstrauisch, was den Wert der Metaphysik oder Ontologie anbelangt. Tatsächlich ist die Klärung von metaphysischen und ontologischen Fragen aber von entscheidender Bedeutung. Das gilt natürlich auch für die Philosophie des Geistes: Bislang wurde nicht unterschieden zwischen mentalen Phänomenen, Substanzen, Eigenschaften, Zuständen, Ereignissen, Aktivitäten oder Funktionen. Diese Vielzahl von Kandidaten des Mentalen ist verwirrend. Der Katalog ist absichtlich weit gehalten, um keine vorschnelle Einschränkung vorzunehmen. Immerhin ist ein knapper Kommentar angezeigt, der als grobe Orientierung zu verstehen ist.

Substanz

(1) Substanzen sind Entitäten, die als Träger von Eigenschaften aufgefasst werden. Den Ausdruck ,Entität‘ gebraucht man als allgemeine Bezeichnung für etwas, das ist (existiert). Man legt sich damit auf keine Bestimmung der Art des jeweiligen Gegenstands fest. ,Entität‘ ist abgeleitet von dem lateinischen Nomen ,ens‘ = Seiendes. Bei Substanzen denkt man zumeist an einzelne Dinge. Der Terminus ,Individuum‘ bezeichnet Einzeldinge beliebiger Art. Ein Individuum ist ein selbständiges und grundlegendes Element dessen, was ist. Sprachlich werden Einzeldinge meist durch Eigennamen bezeichnet (,Sokrates‘, ,Beate‘, ,Berlin‘, ,Rhein‘). Einzeldinge sind abzählbar und voneinander klar zu unterscheiden.

Neben den Eigennamen werden auch Allgemeinbegriffe gebraucht, um Einzeldinge zu bezeichnen (,die Rose‘, ,der Eisbär‘). Der Ausdruck ,diese Rose‘ ist ein mit einem hinweisenden Pronomen (Index) gebrauchter Artbegriff. Eine Art ist der Begriff einer Menge von Elementen, die hinsichtlich bestimmter charakteristischer Eigenschaften übereinstimmen. Arten umfassen in der Regel mehrere Einzeldinge. Auf die einzelnen Mitglieder einer Art kann man mit Artbezeichnungen Bezug nehmen, indem man diese beispielsweise mit dem hinweisenden Pronomen (oder einer entsprechenden Geste) verbindet: ,Diese Rose‘. Man kann sie zudem mit Hilfe von Kennzeichnungen (,die einzige rot blühende Pflanze im Beet‘) bezeichnen.

Namen für Mitglieder einer Art und Personennamen unterscheiden sich von Bezeichnungen für Stoffe (,Wasser‘, ,Sand‘ etc.). Wir sagen nicht ,Hier ist ein Sand‘, ,Der Bach hat heute 33 Wasser‘. Stoffe wie Wasser werden mit gradierenden Mengenbezeichnungen (,viel‘, ,wenig‘, ,mehr‘) verwendet oder mit konventionellen Maßeinheiten (Liter, Pfund, Kilo) bestimmt (,Das ist ein Kilo Sand‘, ,Der Bach hat heute eine Pegelstand von 1.5‘). Einzeldinge sind demgegenüber nicht gradierbare Entitäten, d. h. es werden keine quantitativen Abstufungen auf sie angewendet.

Wesentlich ist der folgende Unterschied: Zerlegt man ein Einzelding wie eine Rose in Teile, dann hat man keine Rose mehr, sondern eine Blüte, ein Blatt etc. Im Gegensatz dazu sind Stoffe mereologisch (bezogen auf das Verhältnis von Teilen und Ganzem) kumulativ: Jede durch Addition oder Teilung gewonnene Menge eines Stoffs ist selbst wieder eine Menge des Stoffs. Wenn ich auf einen Sandhaufen zwei Eimer Sand schütte, so habe ich immer noch Sand. Wenn ich den Sandhaufen in zwei Teile aufteile, so bleibt immer noch Sand vorhanden.

Eigenschaft

(2) Eigenschaften werden sprachlich meist durch Adjektive (auch: ,Prädikate‘) wie ,ausgedehnt‘, ,rot‘, ,viereckig‘, ,klug‘, ,schön‘ artikuliert. Die Zuschreibung einer Eigenschaft zu einem Einzelgegenstand erfolgt sprachlich durch einen prädikativen Satz: ,Diese Rose ist rot‘. Die Aussage verknüpft ein Prädikat (,rot‘) mittels der Kopula ,ist‘ mit dem grammatischen Subjekt (,diese Rose‘). Der Ausdruck ,Kopula‘ kommt von dem lateinischen Wort ,copula‘ = Verbindung, Band.

Eigenschaften sind entweder substantielle (auch: wesentliche, essentielle) Eigenschaften oder akzidentelle (auch: kontingente) Eigenschaften eines Einzeldings. Wenn ein Einzelding eine wesentliche Eigenschaft verliert, dann hört es auf zu sein (oder es wird zu einem Gegenstand einer anderen Art). Wenn der Baum gefällt wird, hören seine Stoffwechselfunktionen auf. Er verliert die Eigenschaft belebt, ein Lebewesen zu sein.

Akzidentelle oder kontingente Eigenschaften kann der Gegenstand im Lauf seiner Existenz erwerben oder verlieren, ohne dadurch seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie von Substanzen zu verlieren.

Eigenschaften werden manchmal selbst als Gegenstände aufgefasst und zwar als universale oder abstrakte Gegenstände. Was ist ein abstrakter Gegenstand? – Beispiele für abstrakte Gegenstände sind ,die Zahl 3‘, ,die Wahrheit‘, ,die Gerechtigkeit‘, ,die Röte‘. Am Beispiel der Zahl 3 kann man einen Grundgedanken erläutern, der die Einführung abstrakter Gegenstände motiviert. Zahlen existieren in dieser Konzeption nicht als empirische Gegenstände in Raum und Zeit. Die Zahl 3 ist selbst zu unterscheiden von dem Zahlzeichen, das in diesem Absatz bereits drei Mal verwendet wurde. Eine Zahl an sich ist nach Auffassung der Ontologen, die abstrakte Gegenstände annehmen, ein nicht in Raum und Zeit existierender, unveränderlicher Gegenstand.

Tatsache, Sachverhalt

(3) Tatsache und Sachverhalt: Wenn ich vor einer roten Rose stehe, sie sehe und sage ,Diese Rose ist rot‘, dann mache ich eine wahre Aussage oder Behauptung. Die Aussage ist wahr, weil der behauptete Sachverhalt besteht. Ein bestehender, wirklicher Sachverhalt ist eine Tatsache. Es gibt Sachverhalte, die möglich oder fiktiv sind. Ein möglicher, nicht-realer Sachverhalt wird im folgenden Satz formuliert: ,Die Arbeitslosenquote in der BRD erreichte 2004 ihren niedrigsten Stand seit 50 Jahren‘. Fiktive Sachverhalte sind von möglichen Sachverhalten dadurch unterschieden, dass sie Aussagen über nicht-reale Gegenstände, z. B. Fabelwesen (Zentauren, Einhörner) oder Figuren der Dichtung (Lady Macbeth, Tristan und Isolde) machen.

Zustand

(4) Zustände sind eine Art von Sachverhalten. Die Sätze ,Beate ist gut gelaunt‘, ,Der Computer ist kaputt‘ beschreiben unterschiedliche Zustände. Bei Zuständen liegt der Bezug auf das Schema ,Substanz-Eigenschaft‘ nahe. Der Zustand des Computers ist so zu verstehen, dass er die kontingente und zeitlich begrenzte Eigenschaft hat, außer Funktion zu sein.

Ereignis

(5) Ereignis: Die Sätze ,Im Wallis schneit es heute kräftig‘, ,Es beginnt jetzt gerade zu regnen‘, ,Beate hat heute morgen Kopfschmerzen‘ beziehen sich auf unterschiedliche Ereignisse. Ein Ereignis ist ein partikularer Gegenstand, der durch Zeit- und Ortsangaben datiert ist. Die Differenz von Ereignissen und Zuständen ist nicht offensichtlich. Eine oberflächliche Einschätzung sieht einen Kontrast darin, dass Zustände länger andauernd oder nicht dynamisch sind. Das ist aber nicht befriedigend. Zustände, beispielsweise der Zustand guter Laune, in dem Beate sich befindet, können sehr kurz sein.

Nach Ansicht einiger Ontologen müssen Ereignisse nicht durch Rückgriff auf Substanzen und deren Eigenschaften bestimmt werden. Aufgrund bestimmter Schwierigkeiten des Substanzbegriffs wird das als Vorteil beurteilt. Ereignisse können als die grundlegende ontologische Kategorie behandelt werden. Beispiele für Ereignisse geben die folgenden Sätze: ,Beate hat heute morgen Kopfschmerzen‘, ,J.S. Bach wurde am 21.3.1685 in Eisenach geboren‘, ,Paul macht gerade das Fenster zu‘.

Aktivität

(6) Aktivitäten können als eine Art von Sachverhalten bestimmt werden: ,Hegel schimpft‘, ,Das Wasser rinnt‘. Nicht jeder Sachverhalt ist eine Aktivität. Der fiktive Sachverhalt ,Das Einhorn ist blauäugig‘ bezieht sich nicht auf eine Aktivität. Manche Autoren ordnen Aktivitäten unter die Kategorie der Ereignisse ein. Andere berücksichtigen Aktivitäten als eine eigenständige Kategorie. Dabei wird oft betont, dass Aktivitäten sich von Vorgängen mit einem Kulminationspunkt oder Ergebnis (,Aussteigen‘, ,Überschreiten‘, ,Ankommen‘) dadurch unterscheiden, dass sie gleichförmig sind. ,Schauen‘ kann als Aktivität bestimmt werden, während ,den Spielfilm sehen‘ oder ,den Täter wiedererkennen‘ Vorgänge mit spezifisch gegliederter Struktur und Erfolgsbedingungen sind.

Handlung

(7) Handlungen können als eine Unterart von Ereignissen aufgefasst werden. In die Rubrik der Handlungen fallen auch die Erkenntnis- und Sprachhandlungen von Individuen. Sie sind für die Philosophie des Geistes zentral. Häufig wird der Unterschied von Geschehnissen ohne Handlungscharakter und Handlungen folgendermaßen erläutert: Wenn Gerhard seine Hand hebt, um etwa bei einer Abstimmung mitzuwirken, dann handelt es sich bei der Armbewegung um eine absichtliche, zielgerichtete Handlung. Wenn ein Arzt bei der Untersuchung mit einem Gegenstand gegen das Knie von Gerhard klopft und der Unterschenkel eine nicht willkürlich herbeigeführte Reflexbewegung macht, dann handelt es sich um einen natürlichen Vorgang bzw. ein Ereignis.

Einführung in die Philosophie des Geistes

Подняться наверх