Читать книгу Einführung in die Philosophie des Geistes - Dieter Teichert - Страница 13
1.2.3. Sprachphilosophie und Logik
ОглавлениеDa Wissen und Erkennen bei Menschen sich im Medium der Sprache vollziehen, hat auch die Sprachphilosophie große Bedeutung für die Philosophie des Geistes. Wenn Philosophen sich mit der Sprache beschäftigen, so beschreiben sie nicht die Grammatik und historische Entwicklung einzelner Sprachen. Vielmehr denken Philosophen über das Wesen und die Prinzipien der Sprache im Allgemeinen nach: Ist die Sprache das Repertoire an Zeichen, das Menschen für die Kommunikation verwenden? Hat man einen zureichenden Sprachbegriff, wenn man die Sprache als ein Instrument der Verständigung bestimmt? Wie ist das Verhältnis von sprachlichen Zeichen zu nicht-sprachlichen Zeichen wie Piktogrammen oder Gesten aufzufassen? Welche Bedeutung hat der Schritt von einer Sprache, die ausschließlich in der mündlichen Kommunikation verwendet wird, zu einer Sprache, die auch in Schriftform gebraucht wird?
Der Zusammenhang der Sprache und des Denkens ist für die Sprachphilosophie ebenso zentral wie die Verbindung der Sprache mit der sozialen Interaktion (vgl. (29), S. 94 – 104). Beide Themen sind ,Dauerbrenner‘ der Diskussion:
Ist das Denken eine Voraussetzung für das Sprechen? Oder gilt umgekehrt: ,Die Sprache ist eine Bedingung des Denkens‘? Ist soziale Interaktion die Bedingung für die Sprache? Oder ist die Sprache die Voraussetzung der Interaktion?
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich die Sprachphilosophie zu einer der wichtigsten philosophischen Disziplinen. Die meisten Sprachphilosophen gehen von den folgenden Thesen aus:
1 Der Zugang zur Welt ist durch die Sprache vermittelt.
2 Wissen und Erkennen sind nicht psychische Akte, die unabhängig von der Sprache vollzogen oder untersucht werden können.
,linguistic turn‘
Eine Reihe von Philosophen ist der Ansicht, dass die Sprache nicht nur ein Gegenstand der philosophischen Überlegungen ist, sondern dass die Analyse der Sprache die zentrale Form der philosophischen Arbeit ist. In Bezug auf die Autoren, die diese Einstellung einnehmen, spricht man von einem ,linguistic turn‘ der Philosophie, einer Wendung zur Sprache. Diese Richtungder Philosophie kann man als sprachanalytische Philosophie von anderen Formen der Sprachphilosophie unterscheiden. Durch die Sprachanalytiker werden erkenntnistheoretische Fragestellungen nicht verdrängt, sondern in einer neuen Perspektive betrachtet. Dabei wird weitgehend die Auffassung vertreten, dass es nicht sinnvoll ist, den Erkenntnisprozess ohne Bezug auf die sprachlichen Strukturen der Erkenntnis zu untersuchen.
Zwei Einwände können gegen die These von der Abhängigkeit des menschlichen Zugangs zur Welt durch die Sprache angeführt werden: (1) Kinder erbringen bereits vor dem Spracherwerb wichtige kognitive Leistungen; (2) bestimmte Tiere zeigen in ihrem Verhalten ein hohes Maß von Geschicklichkeit oder Intelligenz und sind fähig zu lernen.
Ohne die mit diesen Argumenten aufgeworfenen Detailprobleme zu diskutieren, kann man festhalten, dass Einigkeit in folgendem Punkt besteht: die Sprache ist das wichtigste Medium, in dem Menschen Repräsentationen (Vorstellungen, Darstellungen) der Welt und Wissen über die Welt bilden. Es gibt zwar eine große Vielfalt anderer Repräsentationsformen (Diagramme, Piktogramme, mentale Bilder). Aber sprachliche, speziell die propositionsförmigen Repräsentationen zeichnen sich besonders durch zwei Merkmale aus, aufgrund derer sie für das Erkennen und Handeln zentral sind: (1) Propositionen sind entweder wahr oder falsch; (2) Propositionen stehen in inferentiellen Zusammenhängen.
Inferenz
Ein inferentieller Zusammenhang ist eine Verknüpfung von Aussagen und Behauptungen über Sachverhalte zu geordneten Einheiten. Das abschließende Element ist eine Schlussfolgerung aus den vorausgegangenen Sätzen:
(f) und (g) sind die Prämissen des Schlusses. Eine Prämisse ist eine Voraussetzung, aus der (meist in Verbindung mit mindestens einer weiteren Prämisse) eine Schlussfolgerung (auch: Konklusion) gezogen wird.
Wer glaubt, dass die beiden Sätze (f) und (g) wahr sind, der sollte auch (h) akzeptieren. Logisch gültig heißt diese Schlussfolgerung aufgrund der formalen Verhältnisse zwischen den Aussagen. Es ist wichtig, zwei Dinge zu unterscheiden: logische Gültigkeit und Wahrheit. Die beiden Beispiele S2 und S3 verdeutlichen diese Unterscheidung:
Die Konvention der Logik besagt, dass über der horizontalen Linie die Prämissen des Schlusses angeführt werden und unter die Linie die Konklusion geschrieben wird. Entscheidend ist nun, dass die beiden Schlüsse S2 und S3 logisch gültig (korrekt) sind. Aber die beiden Konklusionen (k) und (n) sind falsch. Denn (j) und (l) sind falsche Prämissen: Seneca war nicht der Lehrer des Sokrates und Rinder sind keine Nachtigallen.
Logisch gültig vs. wahr
Logisch korrektes Schließen garantiert logische Korrektheit der Ableitung, aber nicht Wahrheit der Konklusion. Die Logik abstrahiert in systematischer Weise von den Bedeutungen der Aussagen und konzentriert sich auf ihre strukturellen und formalen Eigenschaften. Dass Seneca nicht der Lehrer des Sokrates war, kann man nicht durch reines, logisches Überlegen herausfinden. Man muss Historiker fragen und empirisches Wissen haben, um eine solche Behauptung zu formulieren und zu begründen. Und auch die Begriffe des Rindes oder der Nachtigall sind keine logischen, sondern biologische Begriffe. Die Aufgabe des Logikers ist es gerade, diejenigen Aspekte von Folgerungen zu bearbeiten, die unter Absehung von konkreten Bedeutungen zugänglich sind. Dabei ergibt sich etwa, dass ein Schlussschema der folgenden Art korrekt ist:
Dieses Schema liegt dem Schluss S1 zugrunde. Der Begriff des Schlussfolgerns ist für die Philosophie des Geistes wesentlich, weil Schlussfolgerungen zu den wichtigsten Verfahren gehören, mit denen Menschen Wissen bilden, prüfen und begründen. Als rationale Wesen sind wir dadurch bestimmt, dass wir den Übergang von für wahr gehaltenen Prämissen zu korrekten Konklusionen im Regelfall als zwingend auffassen. Wenn ich von der Wahrheit der Prämissen (i) und (j) überzeugt bin, dann werde ich der Konklusion (k) zustimmen. Die Erfahrung dieses Zwangs ist selbst kein Gegenstand der Logik mehr, sondern sie liegt offensichtlich der Arbeit des Logikers zugrunde. Es handelt sich um eine Struktur menschlicher Rationalität, die Thema der Philosophie des Geistes ist. Argumentationen und Schlussfolgerungen werden im Medium der Sprache vollzogen. Die sprachanalytisch arbeitenden Philosophen bemühen sich darum, die Sprache als ein Mittel und eine Weise des Erkenntnis gewinnenden Weltbezugs zu bestimmen.