Читать книгу Einführung in die Philosophie des Geistes - Dieter Teichert - Страница 6
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Vorwort
Diese Einführung will denjenigen Leserinnen und Lesern einen Zugang zur Philosophie des Geistes ermöglichen, die bislang noch keine oder nur geringe Kenntnisse auf diesem Gebiet haben. Zu den einzelnen Kapiteln sind Zusammenfassungen, Fragen, Übungen und Literaturhinweise angefügt, mit deren Hilfe die Leser überprüfen können, ob ihnen die Begriffe, Argumente und Theoriestücke klar geworden sind. Durch die didaktische Ausrichtung und den überschaubaren Umfang unterscheidet sich das Buch von anderen Einführungen in die Philosophie des Geistes, die zur Zeit in deutscher Sprache verfügbar sind.
Am Anfang stehen grundlegende, vergleichsweise einfache Überlegungen. Auf diesen aufbauend werden dann schrittweise komplexere Konzeptionen behandelt. Die einzelnen Kapitel sind von unterschiedlichem Umfang und sie stellen unterschiedliche Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Lesers. Wie in allen Bereichen der Philosophie, so ist es auch in der Philosophie des Geistes von entscheidender Bedeutung, die begrifflichen Unterscheidungen und Definitionen nicht nur durchzulesen, sondern sie sich anzueignen, um selbständig mit ihnen zu arbeiten.
Das Kapitel 1 erklärt, was unter dem Ausdruck ,Philosophie des Geistes‘ zu verstehen ist. Die zentralen Fragestellungen und einige Grundbegriffe der Disziplin werden erläutert. Zudem wird die Stellung der Philosophie des Geistes zu anderen Fächern der Philosophie und zu den Wissenschaften behandelt.
Im Kapitel 2 wird das Verhältnis von Leib und Seele thematisiert. Die wesentlichen Theorien über ihren Zusammenhang werden vorgestellt. Dabei werden ausgehend von den Ansichten der Antike die zentralen Etappen in ihrer historischen Entwicklung besprochen. Bis zum heutigen Tag ist die Kontroverse durch zwei gegensätzliche Auffassungen geprägt. Auf der einen Seite findet man materialistische Konzeptionen. Sie begreifen den Geist als ein Phänomen innerhalb der Welt materieller Gegenstände. Auf der anderen Seite stehen Überlegungen, die den Geist als einen immateriellen Gegenstand auffassen oder als ein Phänomen bestimmen, das einer anderen Kategorie zugehört als rein materielle Gegenstände.
Das Kapitel 3 konzentriert sich auf die Kritik an immaterialistischen Auffassungen des Geistes. Diese Kritik ist in erster Linie gegen Descartes und seine Nachfolger gerichtet. Sie wird durch die Erfolge einer an den Naturwissenschaften orientierten Erkenntniskonzeption unterstützt. Spekulative Überlegungen und idealistische Auffassungen geraten in das Kreuzfeuer der Kritik. Spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts sind die Entwicklungen der Philosophie des Geistes durch eine Tendenz zu materialistischen Auffassungen charakterisiert. Eindeutige Parteinahmen für eine immaterialistische Konzeption des Geistes sind vergleichsweise selten. Ein Höhepunkt dieses Trends ist der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einflussreiche Behaviorismus. Dabei handelt es sich um eine Konzeption der Humanwissenschaften, die die Erklärung, Vorhersage und Kontrolle des Verhaltens mit streng (natur-)wissenschaftlichen Methoden erreichen will. Innerhalb der Philosophie sind entsprechende Entwicklungen zu beobachten. G. Ryles Kritik der Konzeption einer immaterialistischen Seele bei Descartes formuliert eine ganze Reihe einschlägiger Argumente. Ryle nennt die immaterielle Seele in ironischer Weise ein ,Gespenst in der Maschine‘.
Mit der Identitätstheorie wird in Kapitel 4 ein Versuch der Lösung des Leib-Seele-Problems vorgestellt, der in den 1950er Jahren formuliert wurde. Um die Pointe dieses Ansatzes zu verstehen, ist es wichtig, den fundamentalen Begriff der Identität hinreichend differenziert zu gebrauchen. Das Kapitel beginnt aus diesem Grund mit einer ausführlichen Darlegung der für den Identitätsbegriff wesentlichen Unterscheidungen. Die Identitätstheoretiker innerhalb der Philosophie des Geistes behaupten: Geistige Zustände sind identisch mit bestimmten materiellen Zuständen, nämlich Zuständen des Gehirns (oder des Zentralen Nervensystems). Die Identitätstheorie bestreitet also nicht, dass es den Geist gibt. Aber sie bestreitet, dass es sich bei den geistigen Zuständen um Zustände handelt, die etwas anderes sind als materielle Zustände.
Eine viel beachtete Variante einer materialistischen Sicht des Leib-Seele-Verhältnisses ist der in Kapitel 5 untersuchte Anomale Monismus, den D. Davidsons formuliert hat. Davidson bemüht sich darum, eine materialistische Grundkonzeption mit einer Anerkennung der Eigentümlichkeit geistiger Phänomene zu vereinbaren. Der Begriff der Supervenienz hat die Aufgabe, diese Selbständigkeit des Geistigen zu erfassen und das Verhältnis des Geistes zum Bereich der physikalischen Sachverhalte zu klären.
Das Kapitel 6 ist dem Funktionalismus gewidmet. Dabei handelt es sich um einen Theorietyp, der in Reaktion auf die Schwierigkeiten entstand, mit denen die älteren materialistischen Konzeptionen des Leib-Seele-Verhältnisses zu kämpfen haben. Für den Funktionalismus sind Verbindungen zu Disziplinen zentral, die zuvor keine wesentliche Bedeutung hatten. Logik, Mathematik, Informatik, Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) liefern Elemente, die in die Theoriebildung des Funktionalismus eingehen. Geistige Zustände werden im Funktionalismus auf der Grundlage eines Modells kausaler Rollen erklärt. Die Arbeitsweise des Geistes wird nach dem Vorbild eines Automaten oder Computers beschrieben. Dabei sind das Programm, die Verfahrensweise und der Ablauf der einschlägigen Prozesse für die auftretenden geistigen Zustände ausschlaggebend.
Dass die Bildung und die Verarbeitung von Vorstellungen (oder Repräsentationen) zu den wesentlichen geistigen Leistungen gehören, ist unbestritten. Die theoretische Bestimmung dieses Sachverhalts gehört zu den kniffligen Aufgaben der Philosophie des Geistes. Das Kapitel 7 gibt nach einer erläuternden Unterscheidung von Grundformen der Repräsentation eine knappe Darstellung wichtiger Punkte von J. Lockes Modell des Geistes. Als zeitgenössischer Vertreter einer repräsentationalen Theorie des Geistes wird dann J. Fodor vorgestellt. Das Kapitel wird mit einer Skizze der Grundzüge des Konnektionismus abgeschlossen. Dabei handelt es sich um eine viel beachtete Alternative zu den repräsentationalen Theorien des Geistes.
Das Kapitel 8 behandelt die Frage, ob es spezifische qualitative Bewusstseinszustände gibt, die sich grundsätzlich einer Erfassung durch eine materialistische Theorie entziehen. Als qualitative Bewusstseinszustände (auch: Qualia, phänomenales Bewusstsein) werden beispielsweise Schmerzempfindungen oder andere unmittelbare und bewusste Erlebnisse bezeichnet. Die Diskussion über die Qualia ist für die Philosophie des Geistes von entscheidender Bedeutung, weil hier divergierende Lösungen des Leib-Seele-Problems aufeinander prallen. Dass Schmerzempfindungen bei Menschen mit körperlichen Vorgängen in engem Zusammenhang stehen, ist nicht umstritten. Kontrovers beantwortet wird aber die Frage, wie eng dieser Zusammenhang ist. Weiß ich alles, was im Zusammenhang mit Schmerzempfindungen zu wissen ist, wenn ich über die körperlichen (neuronalen) Prozesse Bescheid weiß? Oder gibt es Aspekte, die einem materialistischen Zugriff prinzipiell entzogen bleiben? Ist eine materialistische Konzeption in der Lage, alle relevanten Aspekte des Geistes angemessen zu beachten, oder gibt es grundsätzliche Grenzen einer materialistischen Konzeption des Geistes? Diese Fragen sind es, die das Qualia-Problem zu einem der umstrittensten Themen der Philosophie des Geistes machen.
Das abschließende Kapitel ist dem Problem der personalen Identität gewidmet. Wie kann man die Bedingungen präzise bestimmen, die dafür verantwortlich sind, dass eine Person über die Zeit hinweg dieselbe Person bleibt? Ist ein Mensch, der durch einen Unfall unwiderruflich das Bewusstsein verloren hat und in einem schweren Koma liegt, überhaupt noch eine Person? Ist er jetzt noch dieselbe Person, die er vor dem Unfall war? Ist jeder Mensch eine Person? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt von Kapitel 9. Dabei steht das Verständnis zur Debatte, das rationale und bewusste Wesen von sich selbst und ihresgleichen haben.
Für denjenigen, der damit beginnt, sich in die Philosophie des Geistes einzuarbeiten, ist es wichtig zu wissen, was auf ihn zukommt. Die aktuelle Diskussion zeigt über weite Strecken Züge einer ausgesprochenen Spezialisten-Debatte. Das ist keine Marotte einzelner Autoren, sondern ein Umstand, der mit einem übergreifenden Prozess der Verwissenschaftlichung und Spezialisierung zusammenhängt. In jedem Teilgebiet werden teilweise außerordentlich aufwendige Terminologien gebraucht, die ständig verfeinert und erweitert werden. Der unvorbereitete Leser ist von diesen Texten vollständig überfordert. Selbst wenn das Problem des Verständnisses der einzelnen Fachwörter gelöst ist, bleibt oft die Schwierigkeit bestehen, dass der Zusammenhang der jeweils debattierten Spezialfrage mit den philosophischen Problemen und Fragen überhaupt nicht mehr erkennbar ist. Ich habe mich darum bemüht, das philosophische Interesse an den Problemen immer deutlich werden zu lassen und gleichzeitig die Differenziertheit der begrifflichen Unterscheidungen adäquat zu vermitteln. Dabei war es notwendig, Kompromisse zwischen der Mikroebene spezialistischer Detailarbeit und der Makroebene übergreifender Zusammenhänge zu finden. Da die Probleme es erfordern und da dieses Buch auch das Ziel hat, den Lesern das selbständige Arbeiten zu ermöglichen, enthalten einige Kapitel terminologisch aufwendige Partien. Hierzu gehören einzelne Passagen zum Funktionalismus in Kapitel 6 und die Präsentation von Fodors Repräsentationaler Theorie des Geistes sowie der Abschnitt zum Konnektionismus im Kapitel 7. Leser, die an den übergreifenden Fragestellungen und Grundgedanken interessiert sind, können die detaillierte Darstellung auslassen und die Zusammenfassung am Ende des jeweiligen Kapitels konsultieren, um danach zu den Abschnitten weitergehen, die für sie relevant sind. Allerdings ist gerade Anfängern zu raten, die begrifflichen Unterscheidungen im Detail nachzuvollziehen, da man nur auf diesem Weg zu einem adäquaten Verständnis der Argumentation findet.
Zwei Bereiche konnten in Anbetracht der Beschränkungen des Umfangs der Bücher dieser Reihe nicht behandelt werden, das Problem der Willensfreiheit und das Thema ,Selbstbewusstsein und Selbst-Wissen‘. Im Literaturverzeichnis wird auf einschlägige Veröffentlichungen zu beiden Problemen hingewiesen.
Eine frühere Version des Textes habe ich in einer Vorlesung an der Universität Konstanz im Wintersemester 2004/05 getestet. Den Teilnehmern, insbesondere Stefan Assmann, Benjamin Hoffmann, Mario Müller und Martina Ziegler, danke ich für engagierte Diskussionsbeiträge und Kommentare. Zudem danke ich Delbert Barley, David Hyder, Angelika Marighetti, Louise Röska-Hardy, Johanna Seibt, Max Urchs sowie den beiden Herausgebern der Reihe, Niko Strobach und Dieter Schönecker, für konstruktive Kritik und vielfältige Anregungen.
Konstanz, im Sommer 2005
Dieter Teichert