Читать книгу Einführung in die Philosophie des Geistes - Dieter Teichert - Страница 12
1.2.2. Erkenntnistheorie
ОглавлениеMit den Bedingungen der Wissensbildung und Erkenntnis und mit der Frage, welche Arten des Wissens es gibt, beschäftigt sich die Erkenntnistheorie. Anhand der beiden folgenden Sätze werden einige grundlegende Punkte vorgestellt:
(a) Die Dufourspitze ist 4634 m hoch.
(b) Beate weiß, dass die Dufourspitze 4634 m hoch ist.
Überzeugung
Der Satz (a) bezieht sich auf einen bestehenden Sachverhalt in der Welt. Der Satz (b) bezieht sich explizit auf eine bestimmte Überzeugung von Beate. Diejenigen Überzeugungen, die wahr sind und auf guten Gründen basieren, gelten als Wissen. Der Zusammenhang mit der Wahrheit ist für das Wissen entscheidend. Das Verhältnis von Wissen und Meinung (auch: Glauben im Sinn des Für-wahr-Haltens) ist dadurch bestimmt, dass nicht alle Meinungen wahr sind. Während (b) ein Element des Wissens von Beate formuliert, wird in (c) eine Meinung formuliert, die in Widerspruch zu (b) steht:
(c) Beate glaubt, dass die Dufourspitze 3634 m hoch ist.
Da das, was Beate glaubt, nicht mit den Tatsachen übereinstimmt, handelt es sich in (c) nicht um Wissen, sondern um eine falsche Überzeugung. Überzeugung (oder: Meinung, Glauben, Für-wahr-Halten) ist nicht hinreichend für Wahrheit und Wissen. Es kann sein, dass jemand überzeugt ist, die Höhe der Dufourspitze zu kennen, sich hier aber täuscht. Er glaubt etwas zu wissen, weiß es aber nicht.
Während (a) als unabhängig von (b) aufzufassen ist, gilt das Umgekehrte nicht. Beates Wissen (b) ist abhängig von der einschlägigen Tatsache. Wäre die Dufourspitze nicht 4634 m hoch, dann besäße Beate kein Wissen, sondern sie hätte eine falsche Überzeugung. Ebenso ist (c) offensichtlich abhängig von (a).
Die Grundstruktur von Sätzen, die Zustände des Wissens, Glaubens, Meinens usw. artikulieren, sieht wie folgt aus:
(d) S x-t, dass p.
Proposition
Die Beispielsätze (b) und (c) sind Konkretisierungen dieses Schemas. Mit ,S‘ wird das Subjekt bezeichnet. ,x‘ steht für verschiedene Verben, mit denen propositionale Einstellungen ausgedrückt werden: ,wissen‘, ,glauben‘, ,hoffen‘, ,wünschen‘ etc. Als ,propositional‘ werden Einstellungen bezeichnet, in denen das Subjekt sich auf bestimmte Propositionen hin ausrichtet. Eine Proposition ist (i) ein Sachverhalt oder (ii) eine mentale Entität (Gedanke, Überzeugung) oder (iii) eine Aussage, deren Gehalt durch einen Sachverhalt gebildet wird. Der Begriff der Proposition ist ein sehr wichtiges Element der Logik, Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie. Es gibt unterschiedliche Auffassungen über Propositionen. Eine radikale Position nimmt an, dass es vom Denken und Sprechen unabhängige Propositionen gibt. Diese sind die Bezugspunkte individueller Denk- und Sprechakte. Eine moderate Position bestimmt Propositionen als mentale oder sprachliche Einheiten.
An Stelle der Proposition steht in (d) die Variable ,p‘. Man kann die Formel ,S glaubt, dass p‘ auch umformulieren und sagen: ,S glaubt, dass das-und-das der Fall ist‘. Zu einer mit ,p‘ bezeichneten Proposition kann ein Subjekt sehr unterschiedliche Einstellungen einnehmen. Mögliche Einsetzungen in das Schema (d) ergeben solche Aussagen wie ,Heidi hofft, dass es morgen schneit‘, ,Marcus weiß, dass der Autor des ,Phaidon‘ der Lehrer des Aristoteles war‘, ,Hubert glaubt, dass Iowa und Wyoming Nachbarstaaten sind‘.
Intentionalität
Die Tatsache, dass Individuen in ihren kognitiven Akten auf etwas ausgerichtet oder bezogen sind, wird durch den Begriff der Intention erfasst. Die propositionalen Einstellungen sind durch die Stellungnahme des Subjekts zu objektiven Sachverhalten definiert. Aus diesem Grund werden sie den intentionalen Zuständen des Subjekts zugeordnet. Intentionalität gilt als ein entscheidendes Merkmal des Geistes. Mitunter wird die These vertreten, dass Intentionalität eine notwendige und hinreichende Bedingung des Geistes und das zentrale Charakteristikum des Bewusstseins ist.
Das Wissen, welches in ,dass p‘-Sätzen artikuliert ist, wird als propositionales Wissen bezeichnet. Ohne jeden Zweifel ist das propositionale Wissen aufgrund seines Zusammenhangs mit den Begriffen der Wahrheit, der Rechtfertigung und der Behauptung eine zentrale Form des Wissens. Die Erkenntnistheorie und die Theorie der Rationalität bemühen sich darum zu bestimmen, was die Grundlage des Wissens sind: Woher wissen wir, dass wir etwas wissen? Worin besteht eigentlich die Rechtfertigung oder Begründung unseres Wissens? Wann ist eine Überzeugung rational? Welche Meinungen müssen als irrational gelten und warum?
,Wissen, wie‘
Das propositionale Wissen ist die in der Erkenntnistheorie am meisten beachtete, aber nicht die einzige Form von Wissen. Der Gegenbegriff ist der des nicht-propositionalen Wissens. Unter diesen Oberbegriff fallen unter anderem das so genannte praktische Wissen oder das, Wissen, wie‘. Was istdamit gemeint? – Offensichtlich ist es eine Sache, ein großes Wissen über die Geographie der Alpen einschließlich der Höhe unterschiedlicher Gipfel zu besitzen. Etwas anderes ist es, wenn jemand weiß, wie man einen Viertausender besteigt. Jemand, der gelähmt ist, kann über umfangreiches propositionales Wissen über die Alpen verfügen. Er ist aber nicht in der Lage, die Dufourspitze zu ersteigen. Er kann das praktische Wissen, das ein guter Bergsteiger anwendet, nicht erwerben und nicht aktualisieren.
Können
Der Bergsteiger hat ein praktisches Wissen, er verfügt über Fähigkeiten und ein Können. Diese sind sicherlich nicht unabhängig von propositionalem Wissen und vielfältigen Informationen. Aber das propositionale Wissen ist nicht hinreichend für das praktische Wissen. Ein weiterer Kandidat für ein nicht-propositionales Wissen sind sensorische Diskriminationsleistungen, wie etwa die Fähigkeit, minimale Farbunterschiede oder geringe Variationen der Höhe eines Tons zu unterscheiden.
Die Erkenntnistheorie ist für die Philosophie des Geistes von zentraler Bedeutung, weil Erkennen und Wissensbildung mustergültige Fälle dessen sind, was man als geistige oder mentale Aktivitäten bezeichnet.