Читать книгу Schön ist die Welt - Dietmar Grieser - Страница 7
Vorwort
ОглавлениеOb es der »höchste Fels« ist, von dem Franz Schubert die Liebesklage des Hirten »ins tiefe Tal« hallen lässt, ob Gustav Mahler am Schreibtisch seines Komponierhäuschens, über der Partitur der 3. Symphonie brütend, Note an Note reiht, oder ob der G. I. Elvis Presley in einem versteckten Winkel seiner hessischen Kaserne die amerikanische Version des alten deutschen Volksliedes Muss i denn … fürs Radio übt – jedwede Spielart musikalischen Schaffens ist den Bedingungen von Raum und Zeit unterworfen. Hier der nüchterne Probensaal eines Symphonieorchesters, dort die mit Veilchen und Lotosblumen ausstaffierte Fantasielandschaft des Mendelssohn-Bartholdy-Liedes Auf Flügeln des Gesanges oder auch das Kinderzimmer von anno dazumal, wo die genervte Mutter ihr Gschrapperl mit islamophoben Drohungen in den Schlaf »singt«. Und haben wir es mit einer Oper oder einem Musical zu tun, deren »Handlung« an einem konkreten (oder auch fiktiven) Ort »spielt«, stellt sich erst recht die Frage nach dem Schauplatz des Geschehens. »Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder«, singt die Landgräfin Elisabeth in Wagners Tannhäuser. Wir wissen, es ist die (auch als Zufluchtsort Martin Luthers berühmt gewordene) Wartburg. Aber wo (wenn überhaupt) haben wir uns jene erbärmliche Hütte vorzustellen, aus der Ferdinand Raimund und sein Liedschreiber Wenzel Müller die arme Köhlerfamilie im Alpenkönig und Menschenfeind vertreiben lassen: »So leb denn wohl, du stilles Haus«?
Theodor Fontanes berühmtes Wort vom »weiten Feld« trifft auch auf die Topografie der Musik zu: Dem Spurensucher steht die ganze Welt offen. Nur ein paar Beispiele: Welchen Umständen verdankt Wien den Ruhmestitel »Welthauptstadt der Musik«? Wieso ist Italien das Mutterland der Arie und Sevilla der Ort mit den meisten Opernsujets? Wird in Südkärnten mehr gesungen als an der Westküste Norwegens?
In der Synagoge von Czernowitz hat – viele Jahre vor seinem Triumph mit dem Filmschlager Ein Lied geht um die Welt – Joseph Schmidts Sängerlaufbahn begonnen, im Studio des Militärsenders Radio Belgrad der Siegeszug des Soldatenliedes Lili Marleen. Nicht auf einer Japanreise hat sich Puccini mit dem Butterfly-Stoff angefreundet, sondern als Besucher einer Schauspielaufführung im Londoner Duke of York Theatre. Wo und unter welchen Umständen hat Anton Webern, Hugo Wolf und Fritz Wunderlich ihr tragisch-früher Tod ereilt? An einigen solcher Schauplätze – von Beethoven bis Gulda, von Tosca bis Parsifal, von der Geigenbauerwerkstatt des »österreichischen Stradivari« Jacob Stainer bis zum Heurigenbankerl des Dritter-Mann-Komponisten Anton Karas – wollen wir uns im Folgenden ein wenig umsehen. Und ein ganz klein wenig auch in den eigenen musikalischen »Anfängen« des Autors.