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Das Duell
Оглавление»Alles erledigte sich rasch, und die Schüsse fielen. Crampas stürzte. Innstetten, einige Schritte zurücktretend, wandte sich ab von der Szene.«
Das Duell.
Das berühmte Duell aus Effi Briest.
Ehemann und Nebenbuhler zielen aufeinander.
»A tempo avancierend und auf zehn Schritt Distanz.«
Keine fünf Druckzeilen in Theodor Fontanes Roman – es scheint, als habe sich auch der Dichter das über dem Vorgang waltende Prinzip äußerster preußisch-militärischer Knappheit zu eigen gemacht.
Ort der Handlung: eine »Stelle zwischen den Dünen« am Ortsrand der hinterpommerschen Kreisstadt Kessin, »hart am Strand«, dort, wo der vorderste Sandhügel einen Einschnitt hat und den Blick aufs Meer freigibt. »Überall zur Seite hin standen dichte Büschel von Strandhafer, um diesen herum aber Immortellen und ein paar blutrote Nelken.«
Auf den Landkarten wird man dieses Kessin vergebens suchen: Es ist Fontanes Erfindung. In Wirklichkeit denkt der Dichter an Swinemünde, den renommierten Badeort an der Ostsee, den befestigten Vorhafen von Stettin.
Bevor Effi Briest in Buchform auf den Markt kommt, bringt die Deutsche Rundschau den Roman in sechs Fortsetzungen als Vorabdruck: von Oktober 1894 bis März 1895. Sie ist zu dieser Zeit eine der führenden Kulturzeitschriften im Reich, die Veröffentlichung erregt entsprechend großes Aufsehen, Fontane erhält eine Menge Post. In einer seiner Antworten deckt er die Hintergründe der Fabel auf:
»Es ist nämlich eine wahre Geschichte, die sich hier zugetragen hat, nur in Ort und Namen alles transponiert. Das Duell fand in Bonn statt, nicht in dem rätselvollen Kessin, dem ich die Szenerie von Swinemünde gegeben habe. Crampas war ein Gerichtsrat, Innstetten ist jetzt Oberst. Effi lebt noch, ganz in Nähe von Berlin.«
Kann es da ausbleiben, daß Neugierige sich sogleich auf die Suche nach den wahren Fakten machen – vor allem in Bonn? Doch weder die Heimatforscher noch die Fontane-Experten gelangen ans Ziel: In keiner der örtlichen Zeitungen findet sich rund um das bewußte Datum – als Termin des Duells steht der 27. November 1886 fest – auch nur der kleinste Hinweis auf ein Ereignis dieser Art, das sich in oder um die Stadt Bonn zugetragen hätte.
Dafür berichtet der Berliner Korrespondent der Bonner Volkszeitung am 3. Dezember 1886:
»Vergangenen Samstag fand hier ein Duell zwischen einem höheren Offizier und einem Amtsrichter aus Düsseldorf unter schweren Bedingungen statt. Der Letztere erhielt einen Schuß in den Unterleib und starb am Mittwoch.«
»Hier« – das heißt also: in Berlin.
Fontane hat, indem er das Ereignis in seinem Roman in den Phantasieort Kessin und in seiner Briefantwort nach Bonn verlegt, gleich doppelt geflunkert, und es ist leicht zu erraten, warum: Zwei seiner Protagonisten, nämlich die Urbilder von Geert Innstetten und Effi Briest, sind am Leben, noch dazu in nächster Nähe – da will er jede Enthüllung der tatsächlichen Umstände vermeiden, scheut die Peinlichkeiten indiskreter Verifizierung, führt die Spurensucher in die Irre.
Statt ins heimatliche Berlin ins davon weit entfernte Bonn.
Wieder sind es zwei Freundesbriefe, die näheren Aufschluß geben. Der eine geht an Marie Uhse, der andere an Clara Kühnast. Fontane schreibt:
»Es ist eine Geschichte nach dem Leben, und die Heldin lebt noch. Ich erschrecke mitunter bei dem Gedanken, daß ihr das Buch – so relativ schmeichelhaft die Umgestaltung darin ist – zu Gesicht kommen könnte.«
Im zweiten Brief wird er deutlicher:
»Vielleicht interessiert es Sie, daß die wirkliche Effi übrigens noch lebt, als ausgezeichnete Pflegerin in einer großen Heilanstalt. Innstetten, in natura, wird mit nächstem General werden. Ich habe ihn seine Militärcarrière nur aufgeben lassen, um die wirklichen Personen nicht zu deutlich hervortreten zu lassen.«
Das leidige Problem, das Schriftsteller immer dann haben, wenn sie ihre Stoffe der Wirklichkeit entlehnen – und gar zu Lebzeiten ihrer Protagonisten.
Berlin, Winter 1888/89. Theodor Fontane, soeben siebzig geworden, ist zu einer Abendgesellschaft bei Emma von Lessing eingeladen. Im Salon der Frau des Herausgebers der Vossischen Zeitung verkehrt auch das Ehepaar Ardenne: Major Armand von Ardenne und dessen Gemahlin Elisabeth geb. von Plotho. Da er die beiden schon längere Zeit nicht mehr hier angetroffen hat, erkundigt er sich bei der Gastgeberin nach ihrem Verbleib. Und erfährt, was geschehen ist: Herr von Ardenne hat eine ehebrecherische Beziehung seiner Frau aufgedeckt, sich von ihr scheiden lassen, den Nebenbuhler im Duell getötet, nach Verbüßung einer Festungshaft seine militärische Karriere fortgesetzt und schließlich ein zweites Mal geheiratet. Und Exgattin Elisabeth, durch Gerichtsbeschluß ihrer beiden Kinder beraubt, steht nunmehr auf eigenen Füßen, bringt sich fortan als Krankenpflegerin durch.
Theodor Fontane ist von dem, was er da zu hören bekommt, wie elektrisiert, macht es zum Sujet seines nächsten Romans: Effi Briest.
Wir wissen es seit dem Tag, da der 1997 in Dresden verstorbene Physiker Manfred von Ardenne sein jahrelang streng unter Verschluß gehaltenes Familienarchiv geöffnet und dem Literaturhistoriker Hans Werner Seiffert großzügig Einblick gewährt hat: Die Frau, die sich hinter Fontanes Romanfigur verbirgt, ist niemand anderer als Elisabeth von Ardenne, seine Großmutter.
Enkel Manfred selber ist es, der ihr – und zwar am Rande der Feierlichkeiten zu ihrem neunzigsten Geburtstag am 26. Oktober 1943 – die Zunge löst. Angeregt von der Zufallsbegegnung mit einem Neffen des Major-Crampas-Urbildes Emil Hartwich einige Jahre davor (der ihn mit den Worten »Ihr Großvater hat meinen Onkel im Duell erschossen!« in die wahren Zusammenhänge einweiht), beginnt sich Professor von Ardenne für die geheimnisumwitterte Gestalt dieses Mannes zu interessieren, erforscht dessen Biographie und bekommt auf diese Weise eine Schrift in die Hand, in der der an allen öffentlichen Problemen seiner Zeit brennend interessierte Jurist seine aufsehenerregenden sozialhygienischen Ansichten festgehalten hat: Woran wir leiden. Manfred von Ardenne empfindet spontan Sympathie für die fortschrittlichen Gedankengänge des Autors und teilt dies seiner Großmutter in einem Vieraugengespräch mit. Und er tut noch ein übriges – versichert die alte Dame, nun ganz offen auf die seinerzeitige Affäre anspielend, seiner uneingeschränkten Solidarität: »Ich hätte damals ganz genauso gehandelt wie du!«
Dieses Bekenntnis ist für die neunzigjährige Elisabeth von Ardenne das Signal, endlich ihr lebenslanges Schweigen zu brechen.
Tief bewegt von der offenherzigen Rede ihres Enkels, bringt sie wenige Tage später ein Päckchen zur Post und macht es Manfred zum Geschenk. Es ist jenes Briefbündel aus den Jahren 1882 bis 1886, das den Zweikampf vom 27. November 1886 ausgelöst hat: Emil Hartwichs Korrespondenz mit Elisabeth von Ardenne.
Im Begleitschreiben an den Enkel fügt sie hinzu:
»Du bist der einzige, der mich danach gefragt hat. So sollst Du auch das wenige bekommen, das ein hartes Schicksal mir von dem strahlenden Menschen gelassen hat. Daß Dir die Freude wurde, durch einen Verwandten in ein gerechtes gutes Licht den Mann gerückt zu sehen, der unendliches Leid, aber auch unendliches Glück in mein Leben gebracht hat, war mir ein Geschenk. Deshalb lege ich Euch die leichten Briefe bei, die einen Einblick gewähren in den Frohsinn und die Unbeschwertheit unseres Sonnendaseins damals.«
Schon bald werden über Elisabeth von Ardenne und ihr literarisches Alter ego Effi Briest die ersten wissenschaftlichen Abhandlungen, später sogar ganze Bücher erscheinen, und unter dem Titel Das Duell wird auch das Fernsehen das »Doppelleben« dieser bemerkenswerten Frau nachzeichnen.
Ebenso sind Identität und Biographie des Geert-Innstetten-Urbildes Armand von Ardenne geklärt: jenes Mannes, der, plötzlich mißtrauisch geworden, mit einem Nachschlüssel die Geheimschatulle seiner Frau aufbricht, die Briefe des Nebenbuhlers und damit dessen »verbotene« Beziehung entdeckt, die Ehebrecherin zur Rede stellt, sich von ihr scheiden läßt, sie unter Mitnahme der beiden Kinder verstößt und den anderen im Zweikampf tötet.
Nur dieser andere – Major von Crampas im Buch, Amtsrichter Emil Hartwich in Wirklichkeit – bleibt weiter im Dunkel der Geschichte.
Wer also ist dieser »Damenmann«, wie Fontane ihn nennt, dieser »Mann vieler Verhältnisse«?
Am 9. Mai 1843 kommt er in Danzig zur Welt; sein Vater, der Geheime Oberregierungs- und Baurat Emil Hermann Hartwich, wird es in vorgerückten Jahren bis zum Eisenbahnpräsidenten bringen, als Initiator der Berliner Stadtbahn geht er in die Baugeschichte der Reichshauptstadt ein. In Berlin absolviert der Junior das humanistische Gymnasium, an der Universität Heidelberg studiert er Jurisprudenz, nach seiner Militärzeit bei einem rheinischen Kürassierregiment und Referendarjahren in Berlin tritt er in Köln in den staatlichen Justizdienst ein und landet schließlich als Richter in Düsseldorf.
Hero Jung heißt die Frau, die er mit knapp fünfundzwanzig heiratet; trotz der drei Kinder, die zur Welt kommen, wird es keine glückliche Ehe. Noch hingebungsvoller als in seinen Jünglingsjahren widmet er sich nun seinen Steckenpferden Sport und Malerei. Passionierter Ruderer, gründet er eine Reihe von Sportvereinen; seine Kritik am herrschenden Erziehungssystem und sein vehementes Eintreten für den Sport als Allheilmittel gegen Verweichlichung und Dekadenz wird sogar im preußischen Unterrichtsministerium Widerhall finden und zur Einführung des obligaten Turnunterrichts an den Schulen beitragen. Seinen musischen Neigungen frönt er sowohl als Cellospieler wie als Landschaftsund Porträtmaler; in der Hautevolée, in der der Gesellschaftsmensch Hartwich verkehrt, sind es vor allem die Künstler, deren Nähe er sucht. Aber in einer Garnisonsstadt wie Düsseldorf bleiben auch Kontakte zu den hier stationierten Offizieren und deren Familien nicht aus, und so lernt der inzwischen Vierunddreißigjährige am 6. Jänner 1878 bei einem Abend im Künstlerverein »Malkasten« die zehn Jahre jüngere Frau eines vor einigen Monaten zum 11. Husaren-Regiment nach Düsseldorf abkommandierten Rittmeisters kennen, die ihn vom ersten Augenblick an fasziniert: Elisabeth von Ardenne.
Die Ardennes, ihrerseits seit fünf Jahren miteinander verheiratet, Eltern einer vierjährigen Tochter namens Margot und eines ein Jahr alten Sohnes namens Egmont, sind aus Berlin zugezogen und zählen nun für sieben Jahre (mit einer längeren Unterbrechung, die den Ehemann als Brigadeleutnant nach Metz führt) zu den oberen Zehntausend von Düsseldorf. Zunächst in der Kronprinzenstraße 32 wohnhaft, beziehen sie im Sommer 1881 ein Nobellogis im linken Flügel des Kavalierhauses von Schloß Benrath, und unter den Gästen, die sie in dem prachtvollen Rokokobau mit dem bis ans Rheinufer reichenden Park empfangen, ist auch Emil Hartwich. Die Benrather Tafelrunde, der unter anderem der Maler Wilhelm Beckmann, eine lokale Dichtergröße sowie eine Reihe ausgewählter Regimentskameraden des Hausherrn angehören, trifft sich fast täglich; ob Geburts- oder Namenstage – alles wird gemeinsam gefeiert, auch Weihnachten und die übrigen Feste, und bei besonderen Anlässen legt man historische Kostüme an und ergötzt sich im Stil der Zeit an »lebenden Bildern« und neckischen Scharaden.
Wer sich dabei am übermütigsten gebärdet, sind Elisabeth von Ardenne und Hausfreund Emil Hartwich.
»Mit wachsendem Bangen« sieht Malerkumpan Wilhelm Beckmann (wie er später in seinen Memoiren eingestehen wird) die Katastrophe voraus, »daß ein solcher Verkehr bei einem der Freunde eines Tages die gewaltsam zurückgehaltene Glut der Empfindungen sprengen und die Selbstbeherrschung durchbrechen würde …«
Es folgen Zusammenkünfte zu zweit, es folgen gemeinsame Ausritte, bei denen Emil Hartwich und Elisabeth die Freunde zurücklassen, und es folgen vor allem eine Reihe von Porträtsitzungen in Hartwichs Atelier: Der Verehrer malt das Objekt seiner Verehrung.
Das so entstehende Ölbild wird den beiden Liebenden zum willkommenen Alibi für weitere intime Stelldicheins. Und wenn sie nach außen hin – um der Konvention willen – streng am gebotenen »Sie« festhalten, so sprechen die Briefe, die zwischen Maler und Modell hin und her gehen, eine um so deutlichere Sprache:
»Wenn Sie mich morgen nicht brauchen können«, handelt Hartwich mit Elisabeth den Termin der nächsten Porträtsitzung aus, »werde ich mich den ganzen Nachmittag in meiner Klause verschließen und von dem reizenden gestrigen Abend zehren, der mal wieder ganz nach meinem Herzen war.«
Noch ist das Verhältnis von Ehemann und Nebenbuhler spannungsfrei: Rittmeister von Ardenne bemerkt nicht, wie ihm seine Frau zu entgleiten droht. Wohl aber werden Auffassungsunterschiede zwischen den beiden Männern spürbar – etwa, wenn bei einem der Hausfeste auf Schloß Benrath zu vorgerückter Stunde die Ardenne-Kinder, vom lauten Gesang der Gäste aus dem Schlaf geweckt, im Nachthemd zu der Gesellschaft stoßen, dort freudig begrüßt werden, aber, statt auf die Fragen der Erwachsenen artig zu antworten, ihnen schlaftrunken die Zunge herausstrecken und sich mit einem unwilligen »Bäh!« verabschieden.
Hausherr Armand von Ardenne ist über die Ungezogenheit der beiden Sprößlinge erzürnt und brüllt ihnen nach: »Was für eine Disziplinlosigkeit!« Strafend blickt er dabei seine Frau an, der er, der streng Autoritäre, wohl das Fehlverhalten der Kleinen anlastet. Und Elisabeth entschuldigt sich: »Es tut mir aufrichtig leid.«
Da schaltet sich Emil Hartwich ein: »Was, um Himmels willen, soll daran so schlimm sein? Disziplin lernen die Kinder noch früh genug. Ich habe selbst drei Jungen. Der Älteste hat neulich mein Handexemplar des Strafgesetzbuches mit lauter Strichmännchen illustriert!«
»Das Strafgesetzbuch?« Armand von Ardenne ringt um Fassung. Den auf bedingungslosem Gehorsam bestehenden Offizier und den nachsichtig-liberalen Richter mit den musischen Neigungen trennen Welten.
Am 1. Oktober 1884 tritt Armand von Ardenne, einer neuerlichen Versetzung folgend, seinen Dienst in Berlin an. Zum Adjutanten des Kriegsministers befördert, geht er nun noch mehr in seinen Berufspflichten auf, hat für Frau und Kinder kaum noch Zeit. Gattin Elisabeth trauert den unbeschwert schönen Tagen am Rhein nach – und dem Mann, dem diese schönen Tage in erster Linie zu verdanken gewesen sind: Emil Hartwich. Sind schon in Düsseldorf, wenn man sich gegenseitig einlud, Verabredungen traf, einander Glückwünsche übermittelte oder Dankadressen, laufend Briefe zwischen den Häusern Hartwich und Ardenne ausgetauscht worden, so nimmt die Korrespondenz nun, wo man auch örtlich voneinander getrennt ist, noch an Umfang zu, und vor allem: Absender und Adressat sind jetzt nicht mehr zwei miteinander befreundete Familien, sondern zwei Einzelpersonen, die einander in glühender Leidenschaft zugetan sind. Natürlich können sie – mit Rücksicht auf den Sittenkodex ihrer Zeit und ihres Standes – ihren Gefühlen nicht freien Lauf lassen: Wenn Emil Hartwich das Wort an die ferne Geliebte richtet, tut er es nie mit dem vertrauten »Du«; Anreden wie »Gnädigste und Hochverehrteste«, »Sehr geehrte Herrin« oder »Liebe Frau Else« sind schon das Äußerste an Intimität, das man riskiert. Wir müssen also, wenn wir die sich anbahnende Katastrophe begreifen wollen, lernen, zwischen den Zeilen zu lesen.
Es sind die ersten Weihnachten, die man nicht miteinander verbringt: Elisabeth fertigt in Berlin ein Geschenk für Hartwich an, und der bedankt sich überschwenglich:
»Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das stille Glücksgefühl, daß jemand mir in weiter Ferne durch seiner Hände Werk eine Freude zu bereiten suchte. Das haben Sie gewiß geahnt. Obgleich ich nie einen Weihnachtswunsch habe, ist es Ihnen doch gelungen, eine Lücke auf meinem Schreibtisch zu füllen.«
Hartwichs Gegengeschenk ist ein Bild von seiner Hand. Es zeigt eine Moorlandschaft in der Nähe von Bonn – der melancholische Charakter des Kunstwerks soll die düstere Seelenverfassung seines Schöpfers widerspiegeln, unter der dieser seit dem Weggang der Geliebten leidet:
»Der Boden schwindet einem unter den Füßen, und manchmal glaubt man, das ganze Land würde mit Baum und Strauch versinken. Wenn meine Stimmung besser ist, male ich Ihnen etwas Freundlicheres.«
Aber selbst wenn ihn der Trennungsschmerz zu übermannen droht, versteckt sich Hartwich konsequent hinter dem unverfänglichen »Wir«:
»Daß ich Ihnen gerade heute schreibe, hat seinen guten Grund. Heute vor sieben Jahren war jener denkwürdige ›Malkasten‹-Abend, den das Schicksal ausersehen hatte, die Familie von Ardenne mit Hartwich zusammenzufügen. Aber die Menschheit kommt mir vor wie die Scherben in einem Kaleidoskop; jede Drehung der Erde läßt das alte Bild zusammenfallen und erzeugt ein neues, das kaum wiederzuerkennen ist und mit dem alten nur die bunten Scherben gemeinsam hat.«
Auch Hartwichs Silvesterbrief ist scheinbar an die gesamte Familie gerichtet, doch eben nur scheinbar. Warum sonst enthielte Elisabeth ihn – ebenso wie alle anderen – den Ihren vor und verschlösse ihn in ihrer Geheimschatulle? Hartwich schreibt:
»Wenn ich auch unverantwortlich lange geschwiegen habe, so glauben Sie bitte nicht, daß ich nicht tief und schmerzlich die Lücke empfände, die mir das Scheiden der Familie Ardenne gebracht hat, und daß ich nicht wüßte, wie dankbar ich gerade Ihnen sein muß, deren Duldsamkeit und Nachsicht es mir ermöglichte, so oft die Gastfreundschaft Ihres Hauses zu mißbrauchen.«
Ein noch gewaltigerer Gefühlsstau entlädt sich in der Glückwunschadresse, die Hartwich zu Elisabeths Geburtstag losschickt:
»Was ich Ihnen alles wünsche, brauche ich Ihnen nicht herzuzählen: Sie wissen, wie aufrichtig ich es mit Ihnen und den Ihrigen meine. Ich will Ihnen bloß hinzufügen, daß meine Freundschaft an Treue und Innigkeit gewonnen hat. Die Trennung ist immer aber auch ein Prüfstein dafür, ob man jemandem wahrhaft ergeben ist. Ich glaube, daß ich meine Probe bestehen werde.«
Mit Verspätung sendet Hartwich der Angebeteten einen Stoß Photographien nach Berlin; sie sind bei einem der Kostümfeste im Düsseldorfer Ständehaus aufgenommen worden, wo die beiden als Ritterfräulein und Ritter posiert haben. Beziehungsvoll schon der Titel der Scharade: »Ein Schritt vom Wege«. Und beziehungsvoll auch Hartwichs Begleitschreiben:
»Halten Sie mich nicht für selbstlos, wenn ich sie Ihnen zu Füßen lege. Es ist der reine Egoismus, bei Ihnen durch äußere Zeichen die Erinnerung an Düsseldorf wachzuhalten.«
Hartwich wie Elisabeth sind sich darüber im klaren, daß sie beide an den falschen Lebenspartner geraten und nun Gefangene ihrer einmal eingegangenen Beziehungen sind. Was bleibt ihnen anderes übrig, als sich zu arrangieren?
Hartwich scheint darin der Erfolgreichere zu sein, und er weiß seiner Frau dafür ausdrücklich Dank. So nennt er sie einmal »die Gute«, ein andermal »die Vernünftige«, und er kommt dabei zu dem Schluß:
»Wir sind auf dem schönen Standpunkt angelangt, daß wir uns beide stets das Beste gönnen, ohne einer den anderen in seinem Tun zu beschränken. Wir Deutschen sind meistens zu spießbürgerlich und zu kleinlich.«
Vorsicht ist also geboten – übrigens auch gegenüber allzu neugierigen Briefträgern. Selbst bei der harmlosesten Nachricht gibt Hartwich dem verschlossenen Kuvert den Vorzug vor der offenen Korrespondenzkarte:
»Der Post wegen mache ich diese Hülle um den Brief. Zwar kann ihn jeder, der Lust hat, lesen, aber ich glaube, die Beamten sind instruiert, man muß ihnen das Handwerk erschweren. Verwahren Sie ihn; ich will auch Ihre persönlichen Zeilen fortlegen, sie werden uns später gewiß freudig an die unbestritten reizenden Tage erinnern, die wir in unserem kleinen Kreise erleben; ich glaube, daß nur wenige Menschen dieses reine und schöne Glück genießen.«
Als Hartwich eines Tages Elisabeth ein Tagebuch schenkt, schreibt er ihr eine Widmung auf die erste Seite, die offen ausdrückt, wie sehr er unter der Trennung leidet:
»Nichts ist schmerzlicher, als sich im Elend an glückliche Tage zu erinnern.«
Wie läßt sich diesem »Elend« beikommen? Auf zwölf engbeschriebenen Briefseiten teilt er ihr seine Pläne mit:
»Ihnen will ich nun ein Geheimnis anvertrauen, aber Sie dürfen wirklich nicht darüber sprechen. Ich bin stark dabei, mir ein Jahr Urlaub zu nehmen, das ich zum ernsten Studium und zu Reisen verwenden will. Die Einbußen des Gehaltes werde ich zum Teil dadurch ersetzen, daß ich Aufträge zum Copieren wahrhaft schöner Sachen annehme, die in mein Feld schlagen. Ich habe im neuen Museum von Antwerpen eine Copie nach einem Porträt von Velazquez gesehen, die ich ohne Übertreibung heutigen Tages, das heißt nach großem und andauerndem Fleiß mindestens genau so gut male.«
Gleichzeitig hält Hartwich die Geliebte dazu an, den Briefverkehr zwischen der Kurfürstenstraße 103 in Berlin (wo die Ardennes logieren) und der Leopoldstraße 21 in Düsseldorf (seiner eigenen Adresse) zu intensivieren: »Schreiben Sie mir bitte öfter, damit ich nicht gar zu traurig werde!«
Ganz arg erwischt es ihn, als Hartwich eines Tages – es ist inzwischen Frühsommer 1886 – in einer Gastwirtschaft beim Benrather Schloß einkehrt und nun auf Schritt und Tritt an die einstigen Stunden seligen Zusammenseins erinnert wird:
»So darf ich Ihnen wohl als Zierde dieses Briefes ein paar Rosenblätter beifügen. Erkennen Sie den Wunsch, Sie auf blumigen Pfaden wandeln und auf Rosen gebettet zu sehen?«
Im Oktober tritt ein Ereignis ein, das auf ein Wiedersehen der seit zwei Jahren Getrennten hoffen läßt: Emil Hartwichs in Berlin ansässiger Schwiegervater ist gestorben, man ist zum Begräbnis geladen, rüstet zur Reise vom Rhein an die Spree. Nur eines scheut Hartwich: die Begegnung mit Armand von Ardenne. Wie läßt sie sich vermeiden? Vielleicht so:
»Ich glaube, Sie tun Armand einen Gefallen, wenn Sie ihm nichts von diesem Brief und seinem traurigen Inhalt sagen. Er könnte kraft dieses denken, mit bei dem Begräbnis zu sein. Ich finde aber, daß er bessere Dinge zu tun hat, als hinterm Totenwagen eines ihm an und für sich doch sehr fernstehenden Mannes herzulaufen. Daß ich meine Freunde in Berlin und vor allem Sie, verehrteste Else, so unerwartet bald wiedersehe, versüßt mir meine Reise und kann mir selbst die Nachtfahrt im rosigsten Licht erscheinen lassen.«
Ob Hartwich auf dem Weg nach Berlin wohl das Medaillon um den Hals trägt, in dem er eine Locke der Angebeteten verwahrt? Er hat sich dieses Erinnerungsstück damals vor zwei Jahren unter einem Vorwand erbeten: Um an ihrem Porträt auch weitermalen zu können, wenn sie ihm nicht im Atelier zur Verfügung stehe, benötige er eine Haarprobe von ihr. Sogar das gefütterte Kuvert für die delikate Sendung gibt er dem Briefboten mit, dazu ein Billet mit dem Versprechen, »das Kleinod zurückzuerstatten oder jedenfalls keinen Unfug damit zu treiben«.
Unfug? Kann es Unfug sein, mittels eines persönlichen Souvenirs der Geliebten sich die Illusion ihrer Nähe zu verschaffen?
Inzwischen hat Hartwich auch die Tochter Margot gemalt: Elisabeths Erstgeborene ist gerade dreizehn geworden. Als Gastgeschenk bringt er das fertige Bild nach Berlin mit. Und auch etwas noch Kostbareres bringt er mit: Zeit. Er hängt an das Begräbnis des Schwiegervaters ein paar Tage an, um so oft wie möglich mit Elisabeth beisammen zu sein. Ehegatte Armand von Ardenne ist von seinem Dienst im Kriegsministerium so stark in Anspruch genommen, daß er bei den meisten Unternehmungen mit dem Gast aus Düsseldorf nicht mit von der Partie ist: Noch immer arglos, läßt er Elisabeth und Hartwich allein, läßt sie gemeinsam Abendgesellschaften besuchen, Ausflugsfahrten organisieren, daheim die Mahlzeiten einnehmen. In ihr Tagebuch wird sie, das Berliner Wiedersehen resümierend, später eintragen:
»Schöne, harmonische Stunden, in denen wir glaubten, es wäre die anbrechende Morgenröte.«
Es kommt der 22. November und damit der Augenblick neuerlicher Trennung:
»Hartwich bringt mich gegen 4 Uhr per Droschke in die Wiechmannstraße. Trotz Abschied fahre ich mit List noch einmal zu ihm, er bringt mich wieder zurück, springt in der Burgstraße noch einmal halb betäubt aus dem Wagen, zieht mich noch einmal im Überschwang seiner Gefühle an seine Brust. Das letzte Mal!«
Zwei Tage später. Hartwich ist längst wieder in seinem Düsseldorf, Armand von Ardenne aber kehrt des anhaltenden Schlechtwetters wegen einen Tag früher als vorgesehen aus dem Herbstmanöver zurück. Elisabeth sitzt an ihrem Chippendale-Schreibtisch, einen leeren Briefbogen vor sich. Sie will gerade eine Nachricht an den Geliebten aufsetzen, da tritt ihr Mann ins Zimmer.
Armand von Ardenne, sonst alles andere als sensibel, spürt die Betretenheit seiner Frau. Und ist Elisabeth nicht überhaupt auf einmal wie verändert? Nur mühsam kommt ein Gespräch in Gang. Als der Hausherr zur Tür schreitet, um eine Flasche jenes vorzüglichen Rheinweines aus dem Keller zu holen, den Freund Hartwich mitgebracht hat, dreht er sich noch einmal um, und was sieht er in diesem Augenblick? Nervös hantiert Elisabeth mit ihrer Schreibtischschatulle, steckt hastig ein Briefbündel hinein, versperrt das Schloß.
Am nächsten Morgen, das Dienstmädchen hat gerade den Frühstückstisch abgeräumt, zieht Ardenne ein Konvolut von Papieren aus seiner Rocktasche, schleudert sie auf die leere Tischplatte. »Und was ist das?« fragt er mit fast unbewegter Stimme sein Gegenüber.
Elisabeth erstarrt: Es sind Hartwichs Briefe.
Nun doch mißtrauisch geworden, hat Armand in der Nacht heimlich die Kassette aufgebrochen.
»Gib her, das gehört mir!« will sie noch versuchen, ihm den verhängnisvollen Fund zu entreißen.
»Dir?« kommt es mit bitterem Hohn von ihm zurück. Und dann noch ein weiteres Mal: »Dir? Darüber wird das Gericht zu entscheiden haben!«
Jetzt geht alles sehr schnell. Vierundzwanzig Stunden gibt der gehörnte Gatte der Ehebrecherin Zeit, das Haus zu verlassen. Unter Tränen packt sie den Koffer mit dem Allernötigsten. Die Kinder, dreizehn und neun Jahre alt, verstehen nicht, was es mit dem überstürzten Abschied der Mutter auf sich haben soll. »Um der Ehre Eures Vaters willen …« ist im Moment das einzige, das sie zu hören bekommen.
Während Elisabeth in Jerichow, nicht weit von ihrem Geburtsort Parey in der märkischen Heide, bei ihrer älteren Schwester Luise Zuflucht sucht, hat Armand von Ardenne alles für die Abrechnung mit seinem Nebenbuhler Nötige in die Wege geleitet.
Hartwich, von der Entdeckung der Briefe verständigt, reist unverzüglich aus Düsseldorf an. Auch er hat seinen Ehrenkodex: Leugnen kommt nicht in Frage, der fünf Jahre Ältere stellt sich der Forderung zum Duell.
Im Morgengrauen des 27. November 1886 stehen einander die beiden Männer auf der Hasenheide bei Berlin mit geladenen Pistolen gegenüber. Bloß ein einziger Schußwechsel: Hartwich, von einer Kugel in den Unterleib getrofffen, fällt. Die lebensgefährliche Verletzung, über deren Herkunft er den Ärzten jedwede Auskunft verweigert, wird im Königlichen Clinicum in der Ziegelstraße behandelt – ohne Aussicht auf Erfolg. Vier Tage später ist Emil Hartwich tot.
Der Herausforderer erstattet Selbstanzeige, das Militärgericht verhängt über den Duellanten zwei Jahre Festungshaft, von denen er allerdings, vom Kaiser begnadigt, ja sogar zum Major befördert, nur achtzehn Tage abzusitzen braucht.
Unterdessen ist auch Ardennes Scheidungsklage bei Gericht eingelangt; ihr Wortlaut:
»Die Ehe der Parteien war anfangs eine glückliche, büßte aber ihre Innigkeit in demselben Verhältnis ein, in welchem die Zunahme der Gleichgültigkeit der Frau gegen ihren Ehemann dem letzteren fühlbar wurde.«
Und weiter:
»Dem Ehemann lag der Gedanke an die Möglichkeit, daß sein vermeintlich treuer Freund an ihm zum Verräter werden und seine Frau verführen könnte, bis zu der Zeit fern, wo die Sachlage folgende Wendung erhielt …«
Und nun folgt, Punkt für Punkt, die Schilderung der Aufdeckung der ehebrecherischen Beziehung, wie wir sie schon kennen, mündend in »den unzweideutigen Beweis, daß die beiden Geschlechtsgemeinschaft gehabt, daß sie getrennt voneinander in der Phantasie diese Gemeinschaft mit glücklicher Leidenschaft fortgesetzt und die Scheidung von ihren beiderseitigen Ehegatten und Verheiratung miteinander geplant haben«.
Elisabeth von Ardenne ist geständig, am 15. März 1887 wird die Ehe rechtskräftig geschieden. Die Kinder werden dem Vater zugesprochen, die Mutter bekommt sie nicht mehr zu Gesicht, und auch die Briefe, die sie Margot und Egmont einmal pro Monat schreiben darf, unterliegen Ardennes strenger Zensur: »Sind sie in unangemessenem Ton gehalten, werden sie ihre Adresse nicht erreichen.« »Um der Kinder willen« bleibt das von Elisabeth in die Ehe eingebrachte Vermögen beschlagnahmt; das einzige, was der Verstoßenen gewährt wird, ist eine »feste, lebenslängliche Rente«. Ardennes Begründung: »Denn verhungern könnte ich die Mutter meiner Kinder doch nicht lassen.«
Um diese Gefahr zu bannen, hat Elisabeth von Ardenne allerdings längst zur Selbsthilfe gegriffen: Ob man es Sühneleistung nennen mag oder Selbsterhaltung – die inzwischen Dreiunddreißigjährige läßt sich über Vermittlung des württembergischen Pastors, Sozialpolitikers und Therapeuten Christoph Blumhardt in einer Berliner Nervenheilanstalt und in einem Schweizer Kinderspital zur Krankenschwester ausbilden, arbeitet in verschiedenen Sanatorien und wird zuletzt Pflegerin auf Lebenszeit im Dienst einer Bonner Industriellenfamilie, deren jüngste Tochter ständige Betreuung braucht.
In einer den beiden Frauen zur Verfügung gestellten Waldvilla oberhalb von Lindau erreicht sie – im Gegensatz zu ihrem literarischen Abbild Effi Briest, das Theodor Fontane in der Blüte der Jahre an gebrochenem Herzen sterben läßt – das gesegnete Alter von achtundneunzig. Ihr Leichnam wird vom Bodensee nach Berlin überführt und sodann auf dem Stahnsdorfer Friedhof beigesetzt. Worüber sie selber ihr ganzes Leben lang geschwiegen hat, verrät der Grabstein: Elisabeth von Ardenne geb. Freifrau von Plotho lebt weiter – als eines der berühmtesten Modelle der Weltliteratur.
Und Armand von Ardenne, der Mann, der sie nach ihrem Fehltritt verstoßen hat? Zielstrebig setzt er den ihm vorgezeichneten Weg fort, macht Karriere – zunächst als Major der Düsseldorfer Landwehr-Dragoner, schließlich als Militärschriftsteller im Range eines Generalleutnants. Einen »Dämpfer« muß allerdings auch er hinnehmen: Als er, die technische Entwicklung richtig voraussehend, sich gegen die Weiterverwendung der traditionellen Krupp-Kanone ausspricht und dabei Kaiser Wilhelms II. Nahverhältnis zum Hause Krupp außer acht läßt, fällt er am preußischen Hof in Ungnade und findet während des Ersten Weltkrieges keine Verwendung.
Auch daß ihn seine Frau ausgerechnet mit einem der besten Freunde hintergangen hat, löst bei Armand von Ardenne einen schweren seelischen Knacks aus. »Du weißt«, schreibt er nach dem Duell vom 27. November 1886 in einem Brief an seine Mutter, »daß schon die kleinen Mädchen in der Tanzstunde mich nicht leiden konnten. In meiner Frau glaubte ich ein Herz gefunden zu haben, das mich liebte. Das war nur ein Traum. Sie hat mir nun eingestanden, daß sie mich nie geliebt und selbst als Braut daran gedacht hat, unsere Verlobung aufzulösen. So komme ich mir wie ein Paria unter den Männern vor.«
Über Armand von Ardennes zweite Ehe, die er ein Jahr nach seiner Scheidung eingeht, weiß man nur, daß auch die neue Lebenspartnerin aus einer geschiedenen Beziehung kommt und von Beruf Operettensängerin ist. Mit sechsundfünfzig in den vorzeitigen Ruhestand tretend, stirbt das Urbild von Fontanes Baron Innstetten 1919 als Mann von einundsiebzig und wird auf dem Waldfriedhof von Berlin-Lichterfelde beigesetzt.
Und der Dritte im Bunde? Amtsrichter Emil Hartwich, aus dem Fontane den »Damenmann« Crampas macht, der als der neue Bezirkskommandant des hinterpommerschen Nestes Kessin Glück und Unglück in das Leben der jungen Effi Briest bringt, ehe ihn der gehörnte Ehemann im Pistolenduell niederstreckt, findet auf einem schlesischen Dorffriedhof im Kreis Lauban zu seiner letzten Ruhe. Bald folgt ihm, der selber nur dreiundvierzig Jahre alt geworden ist, sein ältester Sohn im Tod nach. Die Witwe, über all dem Geschehenen vorzeitig ergraut, bleibt für ihr weiteres Leben auf die mildtätige Unterstützung durch gute Freunde angewiesen.
Im Oktober 1895, neun Jahre nach dem Duell, erscheint Theodor Fontanes Roman Effi Briest. Der Dichter ist zu dieser Zeit knapp sechsundsiebzig, hat noch drei Jahre vor sich. Und auch noch drei weitere Romane: Die Poggenpuhls, Der Stechlin, Mathilde Möhring. Doch Effi Briest überstrahlt sie alle. Und das bis zum heutigen Tag.