Читать книгу Die Seepriesterin - Dion Fortune - Страница 11
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Wir hatten uns geeinigt: Sobald ich wieder gesund wäre, sollte ich Miss Le Fay Morgan in ihrem Hotel in Dickmouth anrufen und die Jagd nach einem Haus organisieren. Und ob ihr es glaubt oder nicht: Am nächsten Morgen war ich kreuzfidel. Dennoch verhielt ich mich für eine Weile mucksmäuschenstill, denn ich wollte in Ruhe meinen Gedanken nachhängen, und es gab ja einiges zum Nachdenken.
Ich war sicher, dass Miss Morgan die Wahrheit sprach. Und wenn doch nicht – was dann? Headley hatte uns geraten, wir sollten uns nicht in Dinge einmischen, die uns nichts angingen. Seiner Meinung nach hätten wir wahrscheinlich nichts zu befürchten, wenn es später zu Unannehmlichkeiten kommen würde; es wäre jedenfalls besser, das zu riskieren, als in ein Wespennest zu stechen; möglicherweise hätten wir eine Klage an den Hals bekommen und mit Sicherheit das Geschäft verloren. Das letztere Argument überzeugte Scottie, und er machte einen Rückzieher. Was konnte schon passieren, selbst wenn Miss Morgan die Dritte Miss Morgan die Zweite umgebracht hatte. Schlimmstenfalls ein Gerichtsverfahren, in dem uns der Richter gehörig seine Meinung sagen würde. Im Kittchen würde deswegen niemand von uns landen.
Auch wenn er immer ein schlummernder Vulkan war, wenn es um Miss Morgan ging, beruhigte Scottie sich letztendlich. Seiner Meinung nach war sie Gift für meine Moral. Obwohl ich ihm weismachte, wir würden uns mit Archäologie beschäftigen – irgendetwas musste ich ihm schließlich erzählen –, verdächtigte er uns schon bald des Spiritismus, und das war für meine Seele noch schlimmer! Das war in seinen Augen unnatürlich, aber offenkundige Unmoral war natürlich. Scottie sorgte sich um beides, und deshalb sprachen wir so wenig wie möglich darüber.
Selbst wenn es sich herausstellen sollte, dass Miss Morgan eine Lügnerin, ein Vamp oder eine Hochstaplerin wäre, so wollte ich nicht einsehen, dass dieses schädlich für mich sein sollte, sofern ich kein Geld in die Sache steckte, zumindest nicht mehr, als ich ohne weiteres ausgeben konnte: Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man für seinen Spaß bezahlt, solange es im Rahmen bleibt, und wenn sie wirklich das war, was Scottie befürchtete, dann kam jetzt sowieso die beste Zeit meines Lebens, und selbst wenn sie nur halb so schlimm wäre, würde ich mich großartig amüsieren. Nach meinem bisher dürftigen Leben hatte schließlich auch ich Anspruch auf ein wenig Vergnügen!
Wenn sie die Wahrheit sprach – und ich fühlte, dass es so war –, dann war das eine großartige Sache. Also entschied ich mich, darauf einzugehen; mir war nach einem Abenteuer in der Vierten Dimension, und wenn sich ein solches Abenteuer nicht ‚materialisieren‘ sollte, falls dies das richtige Wort in diesem Zusammenhang ist –, gegen einen Flirt hatte ich jedenfalls nichts einzuwenden.
So stand ich am nächsten Tag gegen Mittag auf, schlich mit Leidensmiene ins Büro – nie zuvor hatte ich mich so lebendig gefühlt – und sah die Listen nach geeigneten Häusern in der Gegend von Dickmouth und Starber durch, die den Ansprüchen von Miss Le Fay Morgan genügen würden. Als Scottie erfuhr, was ich tat, rümpfte er die Nase, beruhigte sich dann aber. Geschäft ist Geschäft, und für einen Schotten erst recht.
Sie suchte ein abseits liegendes Haus mit großen Räumen und einem Keller ohne Einblick, und so nah wie möglich am Meer. Freie Sicht auf die See aus mehreren Fenstern war unerlässlich. Als ich an die weißen Elefanten dachte, die ich praktisch verschenkt hatte und die jetzt für sie genau das Richtige gewesen wären, fluchte ich. Bei ebenerdiger Bauweise und isolierter Lage ist das Dienstbotenproblem vorprogrammiert, und man muss die Leute noch extra dafür bezahlen, wenn sie sich herablassen, in solchen Häusern zu arbeiten. Ich hatte zeitweilig ernsthaft daran gedacht, auf den Morgan-Besitz Benzin zu schütten und dann Zigarettenstummel aus dem Autofenster zu werfen. Auf lange Sicht wäre das wohl die beste Lösung gewesen.
Plötzlich schoss es mir durch den Kopf: Wir hatten genau das, was sie wollte, obwohl Scottie mich zum Teufel schickte, weil ich schlafende weiße Elefanten nicht ruhen ließ. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich ihr den Besitz eines anderen Kunden verkaufen und ein Geschäft dabei machen sollen. Aber wir konnten ihr gar nichts mehr andrehen, denn sie besaß es schon längst.
Draußen, außerhalb von Dickmouth, auf der anderen Seite des River Dick, zog sich eine Landzunge über eine Meile weit hinaus ins Meer. An ihrem Ende lag ein verfallenes Fort, vom Kriegsministerium den Dohlen überlassen, das mein alter Herr für den Morgan-Besitz aufgekauft hatte, in der Hoffnung, es würde ein schönes Hotel abgeben, mit Golfplätzen in den Hügeln dahinter. Aber er hatte es unterlassen, sich vor dem Kauf nach der Wasserversorgung zu erkundigen, und als er herausfand, dass es von Regenwassertanks abhängig war, wurde ihm klar, dass es ein Flop war – allenfalls gut genug für ein paar Dutzend Tommys, für die Wasser und Seife ohnehin ein Fremdwort ist, aber zwecklos für das Grand Hotel, das ihm vorschwebte. So schrieb er es ab und ließ es liegen. (Sollten die Kaninchen dort grasen, wenn es ihnen schmeckte), und als der Hof landeinwärts herrenlos wurde, wollte niemand ihn haben, weil er zu weit weg von jeglicher Zivilisation war.
So entschied ich mich, Miss Morgan beim Wort zu nehmen, ihr einen ihrer eigenen weißen Elefanten anzudrehen, mir ein wenig Spaß zu gönnen und es Scottie zu überlassen, für meine Seele zu beten. Ich stürzte mich aus vollem Herzen in das Abenteuer, davon überzeugt, in jedem Fall zu gewinnen. Und so rief ich Miss Morgan an und erklärte ihr, eine besondere Vorsehung würde über sie wachen, der Mondpriester hätte seinen Tempel schon fertig und würde nur noch auf sie warten. Sie glaubte mir. Ich bat sie, vom Hotel einen Lunchkorb zu besorgen – denn ich sah keine Chance, meiner Schwester etwas zu erklären, denn für sie war Miss Le Fay Morgan längst aus dem Alter für Picknicks heraus –, und verabredete mich mit ihr. Ich wollte sie frühmorgens abholen und ihr den Tempel vorführen, den der Herr für sie vorgesehen hatte.
Als ich sie jedoch am nächsten Morgan sah, hätte ich mich für meine Gedanken ohrfeigen können: Was auch immer sie war oder nicht war, eins war sie nicht: eine Betrügerin. Sie war völlig aufrichtig, und wenn das, was sie gesagt hatte, nicht stimmte, dann nicht deshalb, weil sie gelogen hatte, sondern weil sie einer Sinnestäuschung erlegen war.
Ich fragte mich, wie sie mit ihren hochhackigen Schuhen zurechtkäme, wenn ich mit dem Auto nicht den ganzen Weg bis zum Fort schaffen sollte. Als sie jedoch aus dem Hotel kam, hatte sie ihre Pumps gegen Schuhe eingetauscht, die praktisch aussahen, aber elegant wirkten. Entgegen der Meinung meiner Schwester gab es also für Frauen Schuhe, die quasi Arbeitsschuhe waren, aber trotzdem nicht wie Flusskähne aussahen. Sie hatte sich auch sonst dem Anlass entsprechend hergerichtet und trug einen lockeren grau-grünen Tuchmantel mit einem großen, weichen, hochstehenden Kragen aus hellem Pelz. Nur ihre Augen schauten heraus. Offenbar hatte kein Mensch jemals Miss Le Fay Morgans Gesicht auf offener Straße gesehen. Ihre Aufmachung war ungewöhnlich schick. Im Geist sah ich, wie die Müßiggänger in den Cafés Miss Le Fay Morgan hinterherschauten. Es war eine neue Erfahrung für mich, eine Dame zu begleiten, die für andere Männer begehrenswert war. Selbst wenn der letzte Asthmaanfall noch eine gewisse Mattigkeit hinterlassen hätte, Miss Morgan Le Fay wirkte auf mich wie ein Tonikum!
Sie war sehr charmant und freundlich, und obwohl ich voller Stolz war, mit ihr gesehen zu werden, schämte ich mich meiner Gedanken von vorhin und zog mich in mein Schneckenhaus zurück. Um meine Unsicherheit zu vertuschen, kehrte ich viel zu sehr den Immobilienmakler heraus, wofür ich mich auch wieder hätte ohrfeigen können. Diese Dinge sind wie Asthma: Je mehr man sich anstrengt, desto stärker wird man gepiesackt. Wie dem auch sei, sie ging auf mich ein, zog die Krallen ein und ich, in der Annahme, den Ausflug verdorben zu haben, wurde noch stiller.
Obwohl wir Bell Head wie einen gestrandeten Wal auf der entfernteren Seite der Bucht liegen sehen konnten, musste ich fast bis Dickford zurückfahren, bevor wir hinüberkamen, denn die Fähre an der Flussmündung nahm keine Autos mit. Dann gelangten wir zu der Drehbrücke, die die Kohlenschiffe von der Küste durchlässt, und kamen schließlich in die Marsch.
Die Landschaft änderte sich und damit auch meine Stimmung, denn das war das Land, das ich in meinen Träumen gesehen hatte, als ich das erste Mal Morgan Le Fay erblickt hatte – wenn sie es wirklich war...
Hinter uns lag der lange Kamm der weiten Ausläufer, auf denen Dickford gebaut worden war, unter Nutzung des ersten festen Bodens und der Furt. Alle alten Städte haben ihre Lage nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit gewählt, und wenn mich meine Arbeit über Land führte, machte es mir Vergnügen herauszufinden, warum Weiler an einem besonderen Platz lagen oder warum eine Straße gerade so und nicht anders verlief.
Man konnte das letzte Ende des Kamms an der Linie der Höfe erkennen, die sich ihren Platz am Brunnen gesucht hatten. Dieser Teil der Marsch wurde durchzogen von hohen Deichen und Wasserläufen, und in dem ungewöhnlich grünen Gras weidete Vieh; als wir weiterfuhren, hörten die Deiche auf und das Land war seinen eigentlichen Besitzern überlassen worden – den Wasservögeln und den alten Göttern. Die Straße wurde von Erdwällen gesäumt, und in den Gräben standen Reiher wie versteinert, die sich keinen Deut um uns scherten – sie sahen so wenig Autos, dass sie gar nicht wussten, was das ist. Ob sie wohl dachten, wir würden sie nicht als Vögel erkennen, so, wie die Fische auch?
Plötzlich war meine Melancholie verschwunden, ich wandte mich Miss Morgan zu und sagte:
„Hier habe ich Sie zum ersten Mal in den Nebelschwaden gesehen.“
Ich konnte nicht erkennen, ob sie in ihrem Pelzkragen lächelte, aber ihre Stimme wurde tief und golden:
„Sie erinnern sich daran?“
„Vielleicht“, sagte ich und konzentrierte mich wieder auf die Straße, denn meine Bemerkung tat mir schon wieder leid. Ich habe wenig mit Frauen zu tun, und wenn, dann bin ich entweder zu brüsk oder zu formell. Auch erforderte das Fahren meine ganze Aufmerksamkeit, denn wir waren jetzt auf einer engen, grasgrünen Fahrspur auf einem zehn Fuß breiten Deich, und ich hatte keine Lust, den Reihern Gesellschaft zu leisten.
Weit hinten links erhob sich aus der Weite der Marschlandschaft Bell Knowle wie eine Pyramide. An den Hängen wuchsen Tannen, seine Kuppe jedoch war kahl, dem Wind ausgesetzt, und wirkte, vom flachen Land her gesehen, erhaben. Ich hielt an und deutete auf die Mulde, in der meiner Meinung nach die alte Höhle liegen musste, und von dem Aussichtspunkt aus, den der zehn Fuß hohe Hügel in dieser Schwemmlandebene bot, machte ich für Miss Morgan den seichten, gewundenen Graben aus, gekennzeichnet durch den Glanz des am Grunde stehenden Wassers – das alte Bett des ehemaligen River Dick, bevor er seinen Lauf änderte und das Kloster überflutete.
Sie wollte natürlich abbiegen und es anschauen, schließlich ist sie eine Frau, aber es war nicht möglich, denn es gab keine Brücke über die Wasserläufe, außer in der Nähe von Starber, drei Meilen entfernt, der nächsten Küstenstadt bei Dickmouth, wenn man Starber überhaupt als Stadt bezeichnen will; damals war es wirklich kaum mehr als ein Fischerdorf. Früher, als die Strömung des Dick den Hafen offen hielt, war es eine große Hafenstadt gewesen und im Reichsgrundbuch auch als solche aufgeführt. Als der Fluss jedoch seinen Lauf änderte, schwand sein Ruhm; heutzutage wurde er nur noch von solchen Booten genutzt, die man auf den Strand ziehen konnte. Hinter der Stadt fanden sich noch die Spuren langer Reihen von Mauerwerk, ehemals massive Anlegeplätze; sie waren jedoch seit langem als Steine für den Hausbau und die Pflasterung der gesamten Gegend verwendet worden, und jetzt waren nur noch die Reste der Fundamente übrig geblieben. Mein Vater hatte den letzten aufgekauft und eine Reihe seiner weißen Elefanten aus diesem Stein gebaut; ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Kind in seinem Dogcart hinausgefahren war, bevor uns die Motoren erreichten. Ich war dabei gewesen, als man die riesigen Blocks mit Keilen spaltete, um sie transportieren zu konnten. Es waren Zyklopensteine, und der Zement, wenn auch hauchdünn, war so zäh, dass es leichter war, den Stein zu spalten als das Bindemittel. Wenn ich das Geheimnis dieses Zements gekannt hätte, wäre ich reich geworden. Es gibt heutzutage nichts Vergleichbares.
Ich erzählte es Miss Morgan. Sie lachte:
„Wissen Sie nicht, dass Starber ‚Ishtars Beere‘ ist und Hafen bedeutet? Das war der Ort, auf den ich zusteuerte, als Sie mich beinahe auf eine Sandbank auflaufen ließen, weil Sie einem Tagtraum nachhingen, wie heute auch.“
„Es tut mir leid“, sagte ich, „aber ich bin nicht halb so bescheuert, wie ich aussehe, wenn Sie mich erst einmal kennen.“
„Hat überhaupt irgendjemand eine Chance, Sie kennenzulernen?“, fragte sie.
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