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Augenwischerei im Bananenbrei

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Mendels Faktoren verwandelten sich in Gene. Dafür sorgte 1909 der dänische Botaniker Wilhelm Johanssen, der den später weltbewegenden Begriff einführte. Von der Bedeutung der Genetik aber war noch lange nichts zu spüren. Im Gegenteil: An vielen Universitäten herrschte Unglaube gegenüber der Vererbungslehre, die ebenso als Scharlatanerie verurteilt wurde wie die Evolutionslehre Charles Darwins. Zu den größten Kritikern sowohl Mendels als auch Darwins gehörte Thomas Hunt Morgan, Embryologe an der Columbia-Universität in New York. Morgan aber war anders als die meisten seiner Kollegen, die den neuen Theorien über die Entstehung des Lebens und die Vererbung rigoros die kalte Schulter zeigten. Für ihn war eine Theorie ohne Beweis so wertlos wie eine Kritik ohne Gegenbeweis. Er begann intensive Studien, um die wilden Theorien aus Europa ein für allemal aus der Welt zu schaffen.

Erbsen kamen nicht infrage. Um eventuelle Fehler in Mendels Theorien aufspüren zu können, suchte Morgan nach einem anderen Studienobjekt. Er fand Drosophila melanogaster, die Taufliege. Das Insekt stach die Erbsen Mendels in vielerlei Hinsicht aus. Unabhängig von Wind und Wetter pflanzte sich die winzige Fliege in Bananenbrei unablässig fort, schon nach wenigen Wochen konnte Morgan die Nachfolgegeneration untersuchen. Überdies produzierte Drosophila nicht nur eine handvoll Erben, sondern gleich mehrere Hundert. Eine Menge Tiere bedeutete eine Menge Daten.

Der Biologe versuchte, die Experimente Mendels nachzuvollziehen. Dessen Methoden erschienen dem Forscher unzuverlässig, sie basierten auf Interpretation. Keine Spur von der unbestechlichen Arbeit eines echten Wissenschaftlers, meinte der Amerikaner. Trotzdem versprach die Vererbungslehre Gregor Mendels die Wissenschaft zu revolutionieren – vorausgesetzt, sie erwies sich als zutreffend.

Morgans Skepsis wich bald Verwunderung. Schon nach wenigen gezüchteten Generationen trat bei den Taufliegen eine Mutation auf. Im Vergrößerungsglas erkannte der New Yorker Biologe bei einigen Exemplaren von Drosophila melanogaster weiße Augen. Mendels Versuche im Blick, kreuzte Morgan die Mutation mit einer Fliege, welche die üblichen roten Augen hatte. Zwei Wochen später gab die erste Generation Fliegen Auskunft: Alle hatten rote Augen. Das passte genau zu den Beobachtungen Mendels. Nun blieb dem US-Biologen nichts anderen übrig, als die Merkmale der zweiten Generation abzuwarten. Zwei weitere Wochen gingen ins Land. Dann schlüpften die Enkel der weißäugigen Taufliegen. Thomas Hunt Morgan traute seinen Augen nicht: Einige Fliegen trugen das rote, einige das weiße Merkmal. Mendel hatte Recht.

Aber Thomas Morgan sah noch etwas: Alle Fliegen mit weißen Augen waren männlich. Zu dieser Zeit war bereits bekannt, dass das Geschlecht eines Individuums von einem Paar jener kaum bekannten Teilchen bestimmt wird, die im Zellkern zu finden sind – den Chromosomen. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer haben ein X- und ein Y-Chromosom. Morgan vermutete, dass die weißen Augen einiger männlicher Taufliegen mit dem Phänomen in Verbindung zu bringen waren, dass männliche Fliegen nur ein X-Chromosom tragen. Das wiederum würde bedeuten, dass das Gen für weiße Augen auf einem X-Chromosom zwar auch bei weiblichen Fliegen vorkommen kann, aber von dem zweiten X-Chromosom überlagert wird. Tausende Taufliegen brüteten und schlüpften in den folgenden Monaten im Labor an der Columbia-Universität, um schließlich die Vermutung Thomas Hunt Morgans zu bestätigen: Die Gene eines Lebewesens liegen auf den Chromosomen und werden nach einem Muster aneinander gekoppelt, dass heute „Crossing Over“ heißt. Es ist einer von vielen Mechanismen, die für die Neukombination von Genen in einem Lebewesen verantwortlich sind.

Anders als Gregor Mendel blieb Thomas Hunt Morgan die Anerkennung seiner Arbeit nicht verwehrt. 1933 erhielt er den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin – zum ersten Mal wurde ein Genetiker mit einer solchen Auszeichnung geehrt. Die Wissenschaft der Vererbungslehre war salonfähig geworden.

Vaterschaftstest für Pharao

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