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3.6.1 Von «Gottesdienst als Gemeindeaufbau» zu «Gottes Dienst im Gemeindeaufbau»

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In Anknüpfung an Theorie und Praxis des Gemeindeaufbaus innerhalb der Bekennenden Kirche sieht Möller im Gottesdienst «Ursprung, Mitte und Ziel alles Gemeindeaufbaus»[809]. Im Gottesdienst verbinden sich einladende Weite und konzentrierte Mitte.[810] Die lähmende und unechte Alternative von volkskirchlichen und missionarischen Konzeptionen lasse sich im Sinne des dritten Artikels der Barmer Theologischen Erklärung überwinden in einem «auf die Mitte hin konzentrierte[n] Gemeindeaufbau», in dessen Zentrum der «gegenwärtig in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist handelnde Jesus Christus steht, der das Haupt ist, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt wird».[811] Das Vertrauen auf die Selbstwirksamkeit des Wortes und das Ernstnehmen von Gottes objektivem Handeln in der Taufe sind daher stets wiederkehrende Motive von Möllers Veröffentlichungen und kritischen Stellungnahmen zur oikodomischen Diskussion. Es geht ihm nicht um Aktionspläne und Strategien, nicht um Programme und Konzepte, sondern um eine von der Liebe bestimmte geistliche Grundhaltung, mit der Gemeinde «erglaubt» und Gemeindeaufbau im Vertrauen auf Gottes Wirken «erbeten», «erhofft» und «erwartet» werden kann. Denn die Liebe erbaue die Gemeinde gerade dadurch, dass sie ihren Reichtum – gerade auch den Reichtum an Charismen – glaubend voraussetzt.[812] Gemeindeaufbau könne daher nur geschehen als «Gemeindeaufbau im Kraftfeld der Liebe».[813]

Sein zentrales theologisches Anliegen sieht Möller «knapp und präzise» in den wenigen Worten zusammengefasst: «dass Gott zum Zuge kommt».[814] Seit dem zweiten Band der «Lehre vom Gemeindeaufbau» übernimmt er Luthers Schreibweise «Gottes Dienst». Es gehe nämlich letztlich nicht um den «Gottesdienst», der in einem «kurzschlüssige[n] Biblizismus»[815] normativ-deduktionistisch zur Mitte der Gemeinde erklärt wird, sondern um «Gottes Dienst in der Kraft seines Geistes»[816]. Entscheidend sei «Gottes Tätigkeit […], in die sich menschliche Tätigkeit einzufügen hat»[817]. Zusammenfassend schreibt Möller:

«Es geht mir jedoch um ein ganzheitliches Verständnis von Gottesdienst, das Sonntag und Alltag umfaßt. Dabei habe ich nicht in erster Linie ein Tun von Menschen im Blick, sondern […] Gottes Dienst, der immer wieder darauf wartet, daß Menschen ihm sonntäglich wie alltäglich entsprechen, um dadurch zur Gemeinde erbaut zu werden. Dieser die Menschen immer wieder neu durch Wort und Sakrament rufende wie immer wieder neu durch die Sakramente von Taufe und Abendmahl einladende Gottes Dienst ist der eigentliche und wahre Baumeister, der in dieser Lehre vom Gemeindeaufbau in den Blick kommen soll.»[818] «Mit Gottes Dienst meine ich nicht schon ein Tun von Menschen, sondern dasjenige, was allem menschlichen Tun vorausliegt und doch immer wieder darauf wartet, daß Menschen ihm entsprechen, und zwar weniger durch ein Tun als durch ein Empfangen, Anbeten, Sich-Beschenken lassen. Daraus folgt ein ganzheitliches Gottesdienstverständnis, das den sonntäglichen und den alltäglichen Gottesdienst wie Systole und Diastole eines Herzschlags zusammen sieht.»[819]

Die größte Gefahr des Gemeindeaufbaus sei, dass er «in die Hände des homo faber»[820] fällt und sich in einen geistlosen Aktionismus verkehrt. An die Stelle des Vertrauens auf Gottes Wirken treten dann Programme und Strategien, die in einem pragmatischen Machbarkeitswahn Gemeinde aus eigener Vernunft und Kraft bauen wollen. Demgegenüber versucht Möller durch eine Orientierung an der «biblischen Denk- und Sprachform der Oikodome»[821] ein Verständnis von Gemeindeaufbau als einem «Baugeschehen» zu entwickeln, das allem menschlichen Handeln vorausliegt, weil Christus selbst es durch sein Wort ins Werk setzt - «mit uns, ohne uns, ja, sogar gegen uns».[822]

Seit seiner Antrittsvorlesung «zur Entdeckung der Ortsgemeinde als charismatische Gemeinde» rekurriert Möller in seinen oikodomischen Überlegungen immer wieder auf die Charismenlehre. An ihr kommt für ihn pointiert zum Ausdruck, dass die Gemeinde nicht aus ihren eigenen Aktionen erbaut wird, sondern von den vielfältigen Gaben Gottes lebt. In einem an der Agape Christi geschulten Blick können sie als bereits gegeben und vorhanden vorausgesetzt werden. Die Ortsgemeinde offenbart sich dem liebenden Erkennen als eine charismatische Gemeinde.

Charisma als Grundbegriff der Praktischen Theologie

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