Читать книгу Jagd Auf Null - Джек Марс - Страница 12
KAPITEL SECHS
ОглавлениеReid fuhr Richtung Süden auf der Bundesstraße und versuchte verzweifelt, nicht zu rasen, aber dennoch zügig voranzukommen, während er sich auf die Raststätte zubewegte, an der Thompsons Wagen zurückgelassen wurde. Trotz seiner Ungeduld, einen Hinweis, eine Spur zu finden, begann Optimismus sich in ihm auszubreiten, jetzt, wo er endlich auf der Straße war. Seine Trauer war immer noch da, sie lag ihm so schwer im Magen, als hätte er eine Kegelkugel verschluckt, doch nun war sie in einer Hülle von Entschlossenheit und Hartnäckigkeit verkapselt.
Er spürte jetzt schon, wie das bekannte Gefühl seiner Kent Steele Rolle die Zügel übernahm, während er den Highway in dem schwarzen Trans Am hinunterjagte, den Kofferraum voller Waffen und Geräte, die ihm zur Verfügung standen. Es gab eine Zeit und einen Ort, um Reid Lawson zu sein, doch dies war nicht der richtige Moment. Kent war ebenfalls ihr Vater, ob die Mädchen das wussten oder nicht. Kent war Kates Gatte. Und Kent war ein Mann, der handelte. Der wartete nicht darauf, dass die Polizei einen Hinweis fand, oder dass ein anderer Agent seinen Job übernahm.
Er würde sie finden. Er musste nur herausfinden, wohin sie fuhren.
Die Bundesstraße durch Virginia war vorwiegend gerade, zwei Spuren, auf beiden Seiten mit dichten Bäumen bepflanzt und absolut monoton. Reids Frust wuchs mit jeder Minute, die verstrich, in der er nicht schnell genug an sein Ziel kam.
Warum Richtung Süden? Dachte er. Wohin würde Rais sie bringen?
Was täte ich, wenn ich er wäre? Wohin würde ich fahren?
„Das ist es”, sagte er laut zu sich selbst, als eine Erkenntnis ihn wie ein Schlag auf den Kopf traf. Rais wollte gefunden werden - aber nicht von der Polizei, dem FBI oder einem anderen CIA Agenten. Er wollte einzig und allein von Kent Steele gefunden werden.
Ich darf nicht darüber nachdenken, was er täte. Ich muss darüber nachdenken, was ich täte. Was würde ich tun?
Die Agentur würde annehmen, dass Rais die Mädchen weiter in den Süden brächte, weil der Wagen südlich von Alexandria gefunden wurde. „Was bedeutet, dass ich...”
Seine Gedanken wurden von dem lautstarken Klingeln des Prepaid-Handys in der mittleren Konsole unterbrochen.
„Fahr Richtung Norden”, sage Watson sofort.
„Was hast du rausgefunden?”
„Dass es nichts an der Raststätte zu finden gibt. Dreh zuerst um. Dann reden wir weiter.”
Das musste man Reid nicht zwei Mal sagen. Er legte das Handy zurück in die Konsole, schaltete auf den dritten Gang zurück und schwang das Lenkrad nach links. Sonntags, um die Uhrzeit, waren nicht viele Autos auf dem Highway. Der Trans Am überkreuzte die leere Spur und rutschte seitwärts auf den grasigen Mittelstreifen. Die Reifen quietschten nicht gegen den Asphalt oder verloren ihren Halt, als der Boden unter ihnen weich wurde - Mitch musste wohl Hochleistungsradialreifen eingebaut haben. Der Trans Am schlingerte über den Mittelstreifen, das Vorderteil drehte sich nur ein wenig, als er eine Staubwolke hinter sich aufwühlte.
Reid steuerte das Auto geradeaus, während er den kargen, dünnen Streifen zwischen dem Highway überquerte. Als das Gefährt wieder Asphalt unter die Reifen bekam, kuppelte er, schaltete hoch und trat aufs Gas. Der Trans Am raste auf der entgegengesetzten Spur vorwärts wie ein Lichtblitz.
Reid kämpfte mit dem plötzlichen Rausch, der in seiner Brust aufkam. Sein Gehirn reagierte stark auf alles, was Adrenalin erzeugte. Es sehnte sich nach der Aufregung, der flüchtigen Möglichkeit, die Kontrolle zu verlieren und dem aufschreckenden Genuss, sie wieder zurückzuerlangen.
„Ich bin auf dem Weg nach Norden”, bestätigte Reid, als er das Handy wieder hochnahm. „Was hast du rausgefunden?”
„Einer meiner Techniker überwacht die Ätherwellen der Polizei. Mach dir keine Sorgen, ich vertraue ihm. Ein blauer Limousinenwagen wurde heute morgen auf einem Zweitwagengelände als verlassen gemeldet. In ihm fand man eine Handtasche, mit Papieren und Karten, die zu der Frau passen, die an der Raststätte umgebracht wurde.”
Reid runzelte die Stirn. Rais hatte das Auto gestohlen und sich ihm dann schnell entledigt. „Wo?”
„Darum geht’s ja. Etwa zwei Stunden nördlich von deinem jetzigen Standort, in Maryland.”
Er schnaufte sich vor Frust. „Zwei Stunden? Ich kann doch nicht so viel Zeit verplempern. Der hat schon einen Riesenvorsprung.”
„Ich arbeite dran”, sagte Watson rätselhaft. „Noch was. Der Händler sagte, dass ein Auto von seinem Gelände fehlt -ein weißer Kombi, acht Jahre alt. Wir können ihn mit nichts verfolgen, wir müssen abwarten, bis man ihn sichtet. Satellitenbilder wären da wie eine Nadel im Heuhaufen...”
„Nein”, meinte Reid. „Mach dir nicht die Mühe. Der Kombi ist wahrscheinlich nur eine weitere Sackgasse. Der spielt mit uns. Ändert die Richtung, versucht, uns davon abzuhalten, herauszufinden, wo er wirklich mit ihnen hin will.”
„Woher weißt du das?”
„Weil ich das tun würde.” Er dachte einen Moment nach. Rais war ihnen schon einen Schritt voraus. Sie müssten Vorsprung bei seinem Spiel gewinnen, oder zumindest mit ihm gleichziehen. „Lass deinen Techniker alle in den letzten zwölf Stunden zwischen hier und New York gestohlenen Fahrzeuge überprüfen.”
„Da wirfst du ein ganz schön weites Netz aus”, bemerkte Watson.
Er hatte recht. Reid wusste, dass in den USA etwa alle fünfundvierzig Sekunden ein Auto gestohlen wurde, was sich zu hunderttausenden jedes Jahr summierte. „OK, du kannst die zehn häufigsten gestohlenen Modelle davon ausnehmen”, erwiderte er. So lästig es ihm auch war, es zuzugeben, aber Rais war clever. Er wusste vermutlich, welche Autos er besser vermeiden und welche er anvisieren sollte. „Nimm alle teuren und prunkigen Wagen von der Liste, alle, die zu grelle Farben oder kennzeichnende Merkmalen haben, alle, die von der Polizei leicht zu finden sind. Und natürlich alle, die neu genug sind, um mit GPS ausgestattet sein zu können. Konzentrier dich auf Orte, an denen vermutlich nicht viele Leute sind -leere Gelände, geschlossene Geschäfte, Industrieparks, sowas.”
„Verstanden”, antwortete Watson. „Ich rufe dich zurück, wenn ich die Info habe.”
„Danke.” Er legte das Telephon zurück in die mittlere Konsole. Er konnte keine zwei Stunden damit vergeuden, den Highway abzufahren. Er brauchte schneller etwas, oder einen besseren Hinweis darauf, wo seine Mädchen sich aufhalten könnten. Er fragte sich, ob Rais wieder die Richtung gewechselt hatte, vielleicht nördlich gefahren war, nur um anschließend in Richtung Westen, Land einwärts zu fahren, oder vielleicht sogar wieder die Route südlich aufgenommen hatte.
Er warf einen Blick hinüber, auf die Fahrspuren Richtung Süden. Ich frage mich, ob sie vielleicht grade an mir vorbeifahren, direkt neben mir. Ich würde es nicht mal bemerken.
Plötzlich wurden seine Gedanken durch ein schrilles, doch bekanntes, Geräusch übertönt - das stetige Schwellen und Fallen einer Polizeisirene. Reid fluchte leise, als er in den Rückspiegel blickte und bemerkte, wie ein Polizeiwagen mit blinkendem Blaulicht sich ihm an die Fersen geheftet hatte.
Das hat mir jetzt grade noch gefehlt. Der Polizist hatte ihn wahrscheinlich dabei beobachtet, wie er den Mittelstreifen überquerte. Er schaute noch mal. Der Wagen war ein Caprice. 5,7 Liter Motor. Höchstgeschwindigkeit zweihundertdreißig Stundenkilometer. Ich zweifle, dass der Trans Am da mithält. Trotz allem hatte er nicht vor, anzuhalten und wertvolle Zeit zu vergeuden.
Stattdessen trat er wieder aufs Gas und beschleunigte von den vorherigen hundertdreißig zu runden hundertsechzig Stundenkilometern. Der Polizeiwagen hielt dem Tempo stand und beschleunigte mühelos. Trotzdem behielt Reid beide Hände ruhig am Steuer, die Vertrautheit und Spannung einer Hochgeschwindigkeitsjagd im Auto kehrte zu ihm zurück.
Nur, dass er dieses Mal derjenige war, der gejagt wurde.
Das Telefon klingelte erneut. „Du hattest recht”, gab Watson zu. „Ich habe einen... warte mal, höre ich da etwa eine Sirene?”
„Richtig gehört”, brummelte Reid. „Kannst du da was tun?”
„Ich? Nicht bei einem inoffiziellen Einsatz.”
„Ich kann ihn nicht abschütteln...”
„Abschütteln nicht, aber austricksen”, antwortete Watson. „Ruf mal Mitch an.”
„Mitch anrufen?” wiederholte Reid verdutzt. „Und was genau soll ich dem sagen...? Hallo?”
Watson hatte schon wieder aufgelegt. Reid fluchte leise und überholte einen Minitransporter. Mit einer Hand schwang er zurück auf die linke Spur, während er mit dem Daumen der anderen das Flip-Telefon traktierte. Watson hatte erwähnt, dass er die Nummer des Mechanikers in das Gerät einprogrammiert hatte.
Er fand eine Nummer, die nur mit dem Buchstaben „M” markiert war und rief sie an, während die Sirene hinter ihm weiter heulte.
Jemand antwortete, aber sprach nicht.
„Mitch?” fragte er.
Der Mechaniker grummelte seine Antwort.
Hinter ihm ging der Polizist auf die rechte Spur und beschleunigte in einem Versuch, neben ihn zu kommen. Reid ruckte schnell am Steuer, der Trans Am schlüpfte einwandfrei in die Spur und blockierte somit den Polizeiwagen. Hinter den geschlossenen Fenstern und dem tosenden Motor konnte er leise das Echo einer Lautsprechanlage hören, durch die der Polizist ihn aufforderte, anzuhalten.
„Mitch, ich, äh...” Was soll ich dem bloß sagen? „Ich fahre hier ungefähr hundertachtzig auf der I-95 und werde von einem Bullen verfolgt.” Er blickte in den Rückspiegel und stöhnte, als er sah, wie ein zweiter Polizeiwagen, von einer Radarfalle aus, auf den Highway fuhr. „Nee, es sind schon zwei.”
„OK”, gab Mitch ruppig zurück. „Warte mal eine Minute.” Er klang müde, als sei eine Hochgeschwindigkeitspolizeijagd nicht aufregender als ein Gang zum Supermarkt.
„Auf was?”
„Ablenkung”, grummelte Mitch.
„Ich bin mir nicht so sicher, dass ich noch eine Minute habe”, protestierte Reid. „Die haben wahrscheinlich schon das Nummernschild.”
„Mach dir keine Sorgen darüber. Das ist eine Fälschung. Unregistriert.”
Das wird sie sicher nicht dazu inspirieren, die Jagd aufzugeben, dachte Reid verdrießlich. „Was denn für eine Ablenkung... Hallo? Mitch?” Ärgerlich warf er das Telefon auf den Beifahrersitz.
Mit beiden Hände wieder am Steuer lenkte Reid um einen Transporter herum, zurück auf die Überholspur und trat das Gaspedal bis zum Anschlag nach unten durch. Der Trans Am reagierte eifrig und zog volle Fahrt voraus, während die Tachonadel auf zweihundert sprang. Er flitzte um den viel langsameren Verkehr herum, benutzte dabei beide Spuren und den Haltestreifen, doch die beiden Polizeiwagen hielten mit ihm mit.
Ich kann sie nicht abhängen, aber austricksen. Komm schon Kent. Gib mir was. Das war ihm während des letzten Monats schon mehrmals geschehen. Seitdem der Gedächtnishemmer entfernt wurde, kam eine besondere Fähigkeit aus seinem früheren Leben als CIA-Agent plötzlich zurück, gerade dann, wenn er sie brauchte. Er wusste nicht, dass er arabisch sprach, bis er mit Terroristen konfrontiert war, die ihn folterten, um Informationen aus ihm herauszukriegen. Er wusste nicht, dass er drei Mörder im Handgefecht abwehren konnte, bis er um sein Leben kämpfen musste.
Das ist es. Ich muss mich nur in eine verzweifelte Lage bringen.
Reid griff die Handbremse hinter der Gangschaltung und zerrte sie nach oben. Plötzlich hörte man ein fürchterliches Kreischen aus dem Inneren des Trans Am und es roch, als ob etwas brennte. Gleichzeitig rissen seine Hände das Steuer nach rechts und der Trans Am schlingerte leicht. Sein Ende überkreuzte wieder den Mittelstreifen, als ob er versuchen würde, in die entgegengesetzte Richtung zu fahren.
Die beiden Polizeiwagen taten es ihm gleich, traten auf ihre Bremsen und versuchten, eine enge Wende zu vollbringen. Doch als sie auf die Bremsen traten und in Richtung Süden drehten, vollendete Reid seine Drehung um dreihundertsechzig Grad. Er ließ die Handbremse los, legte den Gang ein und drückte wieder aufs Gas. Der Sportwagen raste erneut voran und ließ die verwirrten Gesetzeshüter wortwörtlich im Staub zurück.
Reid stieß einen Jubelschrei aus, während sein Herz lautstark in seiner Brust klopfte. Seine Freude war jedoch nur von kurzer Dauer. Er hatte seinen Fuß fest auf dem Gaspedal und versuchte, seine Geschwindigkeit beizubehalten. Der Trans Am jedoch verlor an Kraft. Die Tachonadel sank auf hundertfünfzig, dann hundertvierzig und fiel weiter. Er war im fünften Gang, doch sein Handbremsenmanöver musste wohl einen Zylinder zerfetzt oder vielleicht Dreck in den Motor geschleudert haben.
Das ohrenbetäubende Heulen der Sirenen machte die schlechten Nachrichten noch schlimmer. Die beiden Polizeiwagen waren hinter ihm und holten schnell auf, jetzt stieß auch noch ein dritter hinzu. Der Verkehr auf dem Highway bewegte sich zur Seite, um Platz zu machen, während Reid von einer Spur zur andern wechseln musste. Er versuchte verzweifelt, seine Geschwindigkeit zu halten, doch es nützte nichts.
Er stöhnte. So wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, die Patrouille abzuhängen. Sie waren schon auf sechzig Meter herangekommen und holten immer schneller auf. Die Wagen bildeten ein Dreieck, jeder auf einer Spur, und der Dritte fuhr in der Mitte hinter ihnen.
Die werden das PIT Manöver ausprobieren - sie wollen mein Auto umzingeln und mich zur Seite drängen.
Komm schon Mitch, wo ist meine Ablenkung? Er hatte keine Ahnung, was der Mechaniker geplant hatte, doch er konnte wirklich Hilfe brauchen, als die Polizeiwagen sich immer weiter an das versagende Sportauto annäherten.
Einen Moment später bekam er seine Antwort, als etwas Riesiges in seinen Blickfeld sprang.
Von der südwärts gerichteten Seite des Highways sprang ein Sattellaster mit mindestens hundertzehn Stundenkilometern über den Mittelstreifen. Seine enormen Reifen hüpften gewaltsam über die Furchen des Grases. Als er wieder auf Asphalt stieß - dieses Mal als Geisterfahrer - taumelte er gefährlich, wobei der silberne Tank, den er zog, seitwärts umfiel und ihn niederdrückte.