Читать книгу Die Toten von Haywood Grove - Dominic Spinner - Страница 6

Оглавление

1

Haywood Grove war eines dieser verschlafenen Städtchen, in denen eigentlich nie etwas passierte. Die Leute hielten sich mit Klatsch und Tratsch übereinander bei Laune und das genügte auch.

Niemand hier wartete auf Mord und Totschlag und dennoch habt ihr bereits beim Titel dieser Geschichte gelesen, dass es genau darum geht. Aber fangen wir lieber ganz von vorne an.

Wenn man so durch die Straßen unseres kleinen Städtchens flaniert, würde man meinen, die Zeit wäre irgendwann zwischen den Siebzigern und Neunzigern stehen geblieben. Zeiten, die ich nie selbst miterlebt habe. Und obwohl ich schlicht und ergreifend zu jung dafür bin, sehne ich mich manchmal danach, Dinge zu erleben, die meinen Eltern vergönnt waren. Auch wenn die niemals verstehen werden, warum. Aber als einer der Ersten Zurück in die Zukunft im Kino zu erleben oder auf ein Bruce Springsteen Konzert zu gehen, als der in der Blüte seines Schaffens war – das hätte ich gerne erlebt. Aber hey, die Zeit vergeht und ich darf nun mal mit Tik Tok, Netflix und Taylor Swift aufwachsen. What a time to be alive.

Okay, ich schweife schon in den ersten Zeilen ab und gelobe Besserung. Denn was in diesem Buch folgt, wird euch ebenso in den Bann ziehen, wie es bei mir der Fall war. Nach allem, was ihr bislang gelesen habt, denkt ihr vielleicht, da sitzt ein prüder Mittvierziger, der ewig im Gestern lebt. Falsch gedacht. Ein paar Worte zu mir. Ich bin siebzehn Jahre alt und gehe auf die Haywood High, wo ich unter anderem meine Leidenschaft zum Schreiben in der dortigen Schülerzeitung zum Ausdruck bringe. Als Chefredakteur der Haywood Post bin ich schon etwas stolz, dass wir es auch in die lokalen Läden unserer blühenden „Metropole“ geschafft haben. Naja, seien wir ehrlich: Haywood Grove ist ein Dorf und wenn etwas Gossip in der Schülerzeitung steht, dann wollen die Damen und Herren von nebenan es auch lesen.

Ich schreibe meine Zeilen eigentlich auf meiner alten Olympia Schreibmaschine, die mir mein Dad zum siebten Geburtstag geschenkt hat. Schon immer habe ich geschrieben, auch wenn ich vor lauter Scheu die Geschichten niemals jemandem gezeigt habe.

Bis heute.

Denn diese Geschichte kann nicht einfach so in meiner Schreibtischschublade verschwinden. Und deshalb habe ich meine geliebte Olympia auch erst mal zur Seite gestellt und mich an mein MacBook gesetzt, um diese Zeilen zu verfassen. Stellt euch einfach einen siebzehnjährigen Jungen vor, der in seinem Kinderzimmer bei schummrigem Licht in seinen Laptop blickt und auf die Tasten haut, als gäbe es kein Morgen mehr. Dann habt ihr ungefähr eine Vorstellung davon, wie ich gerade hier an einem Mittwochabend sitze und für euch schreibe, statt für meine morgige Geschichtsklausur zu lernen.

Ach ja, und der Vollständigkeit halber tönt durch meine Zimmerwand der wohlige Klang einer rasselnden E-Gitarre. Das ist meine Schwester Kelly. Sie ist knapp zwei Jahre älter als ich und gelinde gesagt das krasse Gegenteil von mir. Dennoch verstehen wir uns, wie es sich für Geschwister gehört: mal lieben wir uns, mal fliegen die Fetzen – aber wenn es hart auf hart kommt, halten wir zusammen. Ihr werdet sie im Verlauf der Geschichte noch kennen lernen, also habt einfach Geduld.

So, damit kommen wir zum eigentlichen Thema dieser Geschichte. Ich hatte ja eingangs erwähnt, dass Haywood Grove eines dieser verschlafenen Städtchen ist. Irgendwo im Nirgendwo im Norden der USA, nicht weit weg von Kanada – und mit anderthalb Stunden Fahrt, bis man dann endlich auch die nächste Großstadt erreicht. Und was weckt so ein verschlafenes Städtchen denn besser auf als ein klassischer Mordfall?

Wenn von einem Tag auf den anderen nichts mehr so ist, wie es war. Wenn jeder auf der Straße dem anderen misstraut und du dich bald selbst fühlst, als hättest du irgendetwas Unrechtes getan.

Genau dann beginnt diese Geschichte interessant zu werden. Und genau hier entschied ich mich, alles, was ich erlebt habe, auf Papier zu bringen. Ich hoffe, diese Zeilen fesseln euch genauso, wie mich. Denn ich kann mit Fug und Recht behaupten, einen großen Teil zur Lösung dieses Falles beigetragen zu haben. So, und bevor ich jetzt wieder abschweife, stürzen wir uns direkt in meine Heimatstadt.

Es ist Herbst, genauer gesagt: Mitte Oktober. Und auf einmal geht irgendjemand hin und weckt Haywood Grove mit einem saftigen Rumms aus dem vorzeitigen Winterschlaf auf.

Ich bin Barry und das ist die Geschichte der Toten von Haywood Grove.

Die Toten von Haywood Grove

Подняться наверх