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b)Blockbildung und Berlin-Blockade

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Das Scheitern der Zusammenarbeit der Weltkriegsalliierten in Deutschland verdeutlichte, dass die Spannungen zwischen der Sowjetunion und den Westmächten eine neue Qualität erreicht hatten. An die Stelle des latenten Konflikts trat die offene Konfrontation. Das traditionelle europäische Staatensystem, dies wurde immer deutlicher, war im Zweiten Weltkrieg untergegangen und wurde zunehmend durch die neue weltpolitische Konstellation zweier antagonistischer Blöcke in Ost und West ersetzt. Stalin konnte nicht nur seine Position in Ostdeutschland absichern, sondern brachte darüber hinaus kommunistische Regimes in Polen, Rumänien und Bulgarien an die Macht. In Ungarn und der Tschechoslowakei arbeitete er auf kommunistische Staatsstreiche hin, die 1948 stattfanden. Gleichzeitig versuchte der Diktator die sowjetische Einflusszone in Richtung der Türkei und Griechenlands auszudehnen. Er meldete Ansprüche auf die Grenzgebiete um die Städte Ardahan und Kars im armenischen Hochland der Nordost-Türkei an, die bis 1917 bzw. 1920 zu Russland gehört hatten. Im griechischen Bürgerkrieg kämpften kommunistische Partisanen gegen die zurückgekehrte Exilregierung, die von britischen Verbänden unterstützt wurde.

Die Blockbildung von westlicher Seite verlief auf mehreren Ebenen. Die kommunistischen Parteien schieden aus den breit gefächerten Koalitionen aus, die sich nach Kriegsende in Frankreich, Italien und Belgien gebildet hatten. Nachdem klar geworden war, dass Großbritannien seine Positionen in Griechenland und der Türkei nicht halten konnte, entschloss sich die US-Regierung zu einem direkten Engagement jenseits des Atlantiks. Die kommunistische Bürgerkriegspartei in Griechenland wurde mit US-Unterstützung schärfer bekämpft, und der türkischen Regierung wurden in einem Hilfsabkommen amerikanische Waffenlieferungen und Kredite gewährt. Im März 1947 verkündete Präsident Truman vor dem US-Kongress, die weltpolitische Landschaft sei in zwei Lager aufgeteilt: in die freie Welt und die totalitäre Welt. Jede Nation müsse wählen, zu welchem Lager sie gehören wolle, lautete seine als „Truman-Doktrin“ bekannt gewordene Botschaft. Die Aufgabe der USA sei es, die freien Völker – vorwiegend wirtschaftlich und finanziell – zu unterstützen, damit das von der Sowjetunion geführte totalitäre Lager den Status quo nicht erschüttere.

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Harry S. Truman (1884–1972) war soeben erst amerikanischer Vize-Präsident unter Roosevelt geworden, als er nach dessen Tod am 12. April 1945 unerwartet zum 33. Präsidenten der USA avancierte. Zu diesem Zeitpunkt war der Demokrat aus Missouri, der seinen Heimatstaat zwischen 1934 und 1944 im US-Senat vertreten hatte, ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Viele unterschätzten ihn zunächst wegen seiner schlichten Sprache und seines einfachen Auftretens, die gegenüber der Eloquenz und Eleganz seines Vorgängers abzufallen schienen. Doch Truman strafte die Skeptiker Lügen. Er ging als einer der bedeutendsten und tatkräftigsten US-Präsidenten des 20. Jahrhunderts in die Geschichte ein und bewies vor allem in der Außenpolitik, dass er umstrittene Entscheidungen nicht scheute. Im August 1945 beendete er durch den Einsatz der Atombombe den Krieg mit Japan im Pazifik und damit den Zweiten Weltkrieg, in dem er bis zum Schluss die Zusammenarbeit mit der UdSSR fortsetzte. 1946/47 entschied er, der Sowjetunion in Europa entgegenzutreten, und suchte zu diesem Zweck ein Bündnis mit den demokratischen Staaten Westeuropas . Auf diese Weise wurde er zum Vater der NATO und zum Begründer eines dauerhaften Engagements der USA in Europa. In der Innenpolitik bemühte sich der 1948 wiedergewählte Truman, der bis 1953 Präsident blieb, Roosevelts Erbe durch eine Fortführung der moderat staatsinterventionistischen, auf sozialen Ausgleich bedachten Wirtschaftspolitik fortzusetzen.

Trumans Erklärung blieb von sowjetischer Seite nicht unbeantwortet. Sechs Monate später teilte Andrej Shdanow (1896–1948), ein Vertrauer Stalins, die Welt ebenfalls in zwei antagonistische Lager ein: das imperialistische unter Führung der USA und das antiimperialistische der sozialistischen Staaten. Shdanow hielt seine Rede auf der Gründungskonferenz des Kominform (Informationsbüro der kommunistischen und Arbeiterparteien), das im September 1947 auf Stalins Initiative in Schreiberhau im Erzgebirge ins Leben gerufen wurde. Es war die Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Internationale (Komintern), die Stalin 1943 im Interesse seines Bündnisses mit den Westmächten aufgelöst hatte. Beide Organisationen dienten in der Praxis dazu, die Hegemonie und Kontrolle der sowjetischen kommunistischen Partei (KPdSU) gegenüber den kommunistischen Parteien anderer Länder sicherzustellen.

Sowohl Truman als auch Shdanow zogen aus ihrer Analyse der weltpolitischen Situation den Schluss, das eigene Lager müsse sich fester zusammenschließen, um den bedrohlichen Einfluss der anderen Seite einzudämmen. Die US-Regierung entschloss sich, den Wiederaufbau Europas durch amerikanische Hilfsmaßnahmen zu unterstützen und voranzutreiben. „Ohne schnelle und gründliche Hilfe der Vereinigten Staaten“, schrieb ein Unterstaatssekretär im State Department 1947, „wird Europa von wirtschaftlicher, sozialer und politischer Auflösung überwältigt werden.“ Das wichtigste Mittel, mit dessen Hilfe die USA diesen Auflösungserscheinungen entgegenarbeiten und eine Weltwirtschaftskrise mit ihren unberechenbaren Auswirkungen auf Europa und Amerika verhindern wollten, war der Marshallplan. Er trug dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Westeuropas zu stärken und die Anfänge der westeuropäischen Integration zu beschleunigen. Die Amerikaner hatten Wert darauf gelegt, ihre Wirtschaftshilfe nicht jedem Land einzeln zu gewähren. Vielmehr forderten sie als europäische Vorleistung die Einigung auf ein gemeinsames Wirtschaftsprogramm sowie das fortgesetzte Bemühen um wirtschaftspolitische Kooperation.

Die Staaten, die am Marshallplanprogramm teilnehmen wollten, griffen diese Initiative auf und gründeten nach längeren Querelen im Frühjahr 1948 die „Organization for European Economic Cooperation“. Die OEEC hatte drei Aufgaben: Sie sollte erstens – als Gegenstück zur amerikanischen Marshallplan-Behörde – das Programm in Europa koordinieren und durchführen. Zweitens diente sie der Beseitigung von Handelsschranken, der Herabsetzung von Zöllen und der Abschaffung anderer Hindernisse für einen freien Handel innerhalb Westeuropas. Die dritte Aufgabe bezog sich auf die Liberalisierung des Zahlungsverkehrs in Europa. Die OEEC sollte dafür sorgen, dass Währungen konvertibel und stabile Wechselkurse eingerichtet wurden. In Bezug auf die Entwicklung in Deutschland hatte der Marshallplan einen weiteren – indirekten – Effekt. Die Amerikaner gingen davon aus, dass wirtschaftliche Hilfe nicht genüge, um den ökonomischen Wiederaufbau der deutschen Westzonen zu erreichen. Ebenso wichtig war ihrer Meinung nach eine Währungsreform als flankierende Maßnahme (siehe unten Kap. I.3.b)), wenn der zu gründende Weststaat auf einer soliden Basis stehen sollte. Gegen sowjetischen Widerstand fochten sie die Reform im Juni 1948 durch und ersetzten in den Westzonen die Reichsmark durch ein neues Zahlungsmittel: die D-Mark. Moskau reagierte, indem es seinerseits eine Währungsreform für die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und ganz Berlin anordnete. Nachdem Verhandlungen der Vier Mächte über eine gemeinsame Währung in Berlin – die sog. Bären-Mark – gescheitert waren, führten die Westalliierten die DM auch in Berlin ein.

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Marshallplan

Über die Marshallplanhilfe ließen die USA Westeuropa bis Ende 1952 insgesamt 14 Mrd. $ zukommen – meist in Form von Warenlieferungen. Den größten Anteil erhielten Großbritannien (3,4 Mrd.), Frankreich (2,8 Mrd.) und Italien (1,5 Mrd.); die deutschen Westzonen und Berlin erhielten insgesamt 1,4 Mrd. Für die Westintegration der deutschen Westzonen war der Marshallplan von entscheidender Bedeutung, basierte er doch auf der Erkenntnis, dass die europäische nicht ohne die deutsche Wirtschaft – insbesondere nicht ohne das Ruhrgebiet – wieder aufgebaut werden konnte. Westdeutschland wurde deswegen ganz bewusst in das Programm einbezogen. Seinen Namen verdankte der Plan seinem Initiator George C. Marshall (1880–1959), der 1947 als Nachfolger von Byrnes Außenminister geworden war. Zuvor hatte Marshall von 1939 bis 1945 als Generalstabschef den Ausbau der amerikanischen Streitkräfte und die strategischen Planungen der USA geleitet. Nach seinem Abschied vom State Department 1949 war Marshall, der 1953 den Friedensnobelpreis erhielt, von 1951 bis 1952 Verteidigungsminister. Clay, der voller Bewunderung für ihn war, sagte später einmal, die Größe Marshalls habe darin bestanden, dass er in Milliarden dachte, wo das übrige Washington nur in Millionen rechnete, um Europa zu sanieren.

Dies wiederum veranlasste die Sowjetunion im Juni 1948, den Westteil Berlins von der Außenwelt abzuschnüren. Ab dem 21. Juni blockierte sie alle Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverbindungen zwischen Berlin und den Westzonen. Die Stromversorgung wurde ebenfalls gekappt. Nur die Luftverkehrswege blieben unangetastet. Zunächst begründeten die sowjetischen Stellen die Unterbrechung mit „technischen Schwierigkeiten“. Wenig später ließen sie jedoch durchblicken, die technischen Probleme würden so lange anhalten, bis der Westen seine Pläne für eine westdeutsche Regierung begraben hätte.

Die Sowjetunion verfolgte mit der Blockade West-Berlins zwei Ziele: Zunächst sollten die USA und Großbritannien gezwungen werden, zu den Potsdamer Vereinbarungen über eine gemeinsame Vier-Mächte-Verantwortung für ganz Deutschland zurückzukehren. Sollte sich dies als nicht durchsetzbar erweisen, wollte man den Westen wenigstens zwingen, West-Berlin aufzugeben, das als Insel mitten in der SBZ lag. Die Amerikaner, für die nicht nur ihre Rechte in Berlin, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit in Deutschland und Europa auf dem Spiel standen, erwogen zwei verschiedene Reaktionen auf die sowjetische Herausforderung. Der politische Planungsstab im State Department entwickelte unter der Leitung Kennans ein Konzept, demzufolge die UdSSR und der Westen einen beiderseitigen Truppenabzug aus Deutschland vereinbaren und die Wiederherstellung eines unabhängigen gesamtdeutschen Staates aushandeln sollten. „Wir könnten dann ohne Prestigeverlust aus Berlin abziehen“, hieß es in einem Memorandum vom August 1948, „und die Bevölkerung der Westsektoren würde nicht unter sowjetische Herrschaft fallen, weil die Russen die Stadt ebenfalls verlassen würden.“ Eine entgegengesetzte Position vertrat General Clay, der davor warnte, in Berlin Nachgiebigkeit zu zeigen. „Nach Berlin wird Westdeutschland kommen, und unsere Machtstellung ist dort nicht größer und unsere Position nicht haltbarer als in Berlin“, hatte er bereits im April düster bemerkt. „Wenn wir der Ansicht sind, dass wir Europa gegen den Kommunismus halten müssen, dann dürfen wir uns nicht vom Fleck rühren.“ Statt einer Neutralisierung Deutschlands, wie das Außenministerium sie erwog, befürwortete Clay ein Festhalten an den Weststaatsplänen und eine Versorgung der Stadt über eine Luftbrücke – eine Position, mit der er sich schließlich bei Präsident Truman durchsetzte.

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Luftbrücke

Fast ein Jahr lang – vom Juni 1948 bis zum Mai 1949 – hing das Schicksal der Berliner Bevölkerung von der sog. Luftbrücke der Westmächte und den Flügen der alliierten „Rosinenbomber“ ab. Diese brachten in mehr als 270000 Flügen fast zwei Mio. Tonnen Versorgungsgüter nach Berlin: Kohle, Lebensmittel, Industriegüter, sogar Bauteile für ein Kraftwerk. Während dieser Zeit veränderte sich nicht nur das Image der Westmächte in Deutschland. Auch das amerikanische Bild, wenn nicht von den Deutschen insgesamt, so doch von Berlin und den Berlinern wandelte sich: Aus der Hauptstadt des „Dritten Reiches“ wurde ein „Bollwerk der Freiheit“, ein Symbol des Selbstbehauptungswillens der „freien Welt“ im Kampf gegen die Sowjetunion.

Während die Sowjetunion versuchte, die Westmächte in Berlin zur Aufgabe zu zwingen, liefen in den deutschen Westzonen die Vorbereitungen für die Gründung der Bundesrepublik auf Hochtouren. Schon im März 1948 hatten die USA und Großbritannien auf der Londoner Sechs-Mächte-Konferenz die zunächst widerstrebenden Benelux-Staaten und Frankreich dazu gebracht, einer Umwandlung der westdeutschen Wirtschaftszone in einen regelrechten Staat zuzustimmen. Vier Monate später riefen die Besatzungsmächte in Frankfurt am Main die elf westdeutschen Ministerpräsidenten zusammen – zu diesem Zeitpunkt die einzigen demokratisch legitimierten Vertreter des deutschen Volkes –, um ihnen die Beschlüsse von London mitzuteilen. Jeder der drei Militärgouverneure verlas in seiner Muttersprache ein Dokument. Clay gab Richtlinien für die Verfassung des künftigen Staates bekannt, die die Deutschen selbst ausarbeiten sollten. Sir Brian Robertson (1896–1974), der Brite, verkündete die Prinzipien einer Neuordnung der Länder. Der Franzose Pierre Koenig (1898–1970) trug Grundzüge eines Besatzungsstatuts vor, das die Rechte der Siegermächte in Deutschland regeln würde. Alle drei machten deutlich, dass sie diese „Frankfurter Dokumente“ für ein großzügiges Angebot hielten.

Die Ministerpräsidenten waren jedoch keineswegs nur erfreut. Zwar boten die Dokumente den Deutschen die Chance, ihre Zukunft selbst mitzugestalten – freilich unter strikter Aufsicht der Alliierten. Zugleich fürchteten die deutschen Politiker aber, die Teilung des Landes zu zementieren, wenn sie das in den Dokumenten Festgeschriebene umsetzten. Entsprechend hinhaltend reagierten sie zunächst. Die Bedenkenträger setzten sich aber nicht durch. V. a. amerikanischer Druck sorgte dafür, dass noch im August ein Sachverständigenausschuss, der sog. Herrenchiemseer Verfassungskonvent, zusammentrat, um im Auftrag der Ministerpräsidenten den Entwurf einer provisorischen Verfassung – des „Grundgesetzes“ – zu erarbeiten. Am 1. September kam dann in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen, dem die weitere Verfassungsarbeit oblag. Der Rat tagte und beriet neun Monate lang – immer wieder unterbrochen von den Besatzungsmächten, die durch Memoranden und Verbindungsoffiziere eingriffen. Am 12. Mai 1949 genehmigten die drei alliierten Militärgouverneure das Grundgesetz. Am selben Tag gab die Sowjetunion nach elf Monaten die Zufahrtswege nach Berlin wieder frei. Stalin gestand damit sein Scheitern ein. Die sowjetische Aktion hatte die Gründung des Weststaates verhindern oder zumindest die Westmächte aus Berlin vertreiben sollen. Stattdessen hatte sie das Gegenteil bewirkt. Die Gründung der Bundesrepublik war nicht mehr aufzuhalten, und die Präsenz der westlichen Alliierten in Berlin bestand fort.

Es wäre ein Fehler anzunehmen, dass 1949 die dauerhafte Teilung Deutschlands absehbar gewesen sei. Viele rechneten mit kurzlebigen Provisorien. Wer glaube, von nun an würden die beiden Teile Deutschlands getrennte Wege gehen, sitze einem gefährlichen Irrtum auf, konnte man anlässlich der Gründung der DDR am 7. Oktober in der britischen Zeitschrift Observer lesen: „Niemand hat zu irgendeinem Zeitpunkt einer Teilung Deutschlands zugestimmt oder sie stillschweigend akzeptiert, weder die Westalliierten noch die Russen noch die Deutschen. Die Bonner Regierung betrachtet sich nicht als Regierung Westdeutschlands, und die von den Russen geförderte Regierung, die sich nun in Ost-Berlin formiert, versteht sich auch nicht als Regierung Ostdeutschlands. Beide erheben den Anspruch Gesamtdeutschland zu vertreten. … Auch die Masse des deutschen Volkes, das sich rapide aus der Erstarrung nach der Niederlage erholt, denkt keinen Moment daran, sich mit dem Gedanken an eine geteilte Nation abzufinden.“

Die Ära Adenauer

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