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Die Tat

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Draußen an den Uferhängen der Donau drückte warme Sommerluft durch das Fenster des alten Alfas, der die abgelegene Uferstraße herunter zu Anton Vogels Werkstatt kurvte. Doch dessen Laune glich dem Geräusch, das aus den Tiefen des Motors kam. Ungut. Das lange Fahren mit gepanschtem Sprit hatte dem Wagen nicht gut getan. Eigentlich ein Grund zur Freude, war es doch Teil zwei des bewährten Geschäftsmodelles von Anton Vogel: Motorsanierung. Nach spätestens 20.000 Kilometern war es so weit. Die Motoren mussten ausgetauscht werden. Den Kunden verriet er das nicht. Er baute alte Motoren aus Schrottautos ein, die allemal besser waren als die heruntergerittenen Aggregate der Originale. Hier fuhren alle die gleichen Standardautos, da ging das ohne Probleme. Er wurde gefeiert als der Mann mit den goldenen Händen, wobei die mehr die Farbe von Altöl angenommen hatten. Das Geschäft lief dabei wie geschmiert. Der gepanschte Sprit war kaum billiger als der echte, aber die gesparte Steuer, die machte es aus. An den Reparaturen verdiente er weniger, wenn er die Arbeitszeit mitrechnete, aber es machte ihm Spaß. Unter dem Auto liegen, da war die Welt noch in Ordnung. Keine nervenden Frauen, kein Papierkram, nur er und die Maschine. So einfach konnte Glück sein.

Zwei Probleme hatte er allerdings.

Irgendjemand wusste etwas. Er wurde erpresst. Seit vielen Monaten. Monatlich 700 Euro auf ein Nummernkonto in den Bahamas, das war seine Ersatzsteuer. Keine Riesensumme, aber groß genug, dass er mit dem Geschäft gar nicht aufhören konnte.

Und das Auto, das er jetzt fuhr. Ein Alfa Spider. Wunderschönes Auto, Jahrgang 1980 – zugelassen in Tschechien. Der Ersatzmotor hatte ein Vermögen gekostet. Mehdi, sein Gehilfe hatte ihn mühsam in Italien besorgt und er konnte nicht einmal das Geld in Rechnung stellen. Ausgerechnet für diese Kiste hatte er sich zu einem Betreibermodell breitschlagen lassen. Er war verantwortlich, dass die Karre lief. Kein Mensch wusste, wem sie gehörte, aber es gab wichtige Menschen, die sie gerne fuhren, ohne damit in Verbindung gebracht zu werden. Hätte Mehdi ihn wenigstens nicht mit dem eigenen Sprit getankt. Er fluchte wieder, aber Mehdi war sonst ein zuverlässiger Mitarbeiter, wie man sie in seiner Art Geschäft selten fand. Es war schon schwierig gewesen, ihm das Lügen beizubringen, beispielsweise, dass er den Alfa hier nicht kannte.

Mehdi war vor Jahren nach Fall gekommen, als einer der ersten Flüchtlinge, noch bevor sich alle darüber aufregten. Mehdi konnte kein Deutsch, aber Autos reparieren. Einer, der nicht im Ort vernetzt ist und die Sprache nicht so gut beherrscht war für Vogel genau der richtige. Doch Mehdi hatte schnell gelernt und bemerkt, dass er genauso tickte, wie die Menschen von Fall. Eine undurchschaubare Mischung von Provinz und Weltoffenheit, von Ehrlichkeit und Schlitzohrigkeit. Dabei im Kern grundanständig, pragmatisch gläubig und ordnungsliebend, was in der Praxis aber stets aufs Neue schwerfiel. Dass sein Gott anders hieß, war schon bald niemandem mehr aufgefallen. Jetzt ließ er Mehdi mehr und mehr Aufgaben übernehmen und begann langsam, Blut zu lecken am Erfolg als Chef. Da traf ihn der Rückschlag mit dem Alfa umso härter. Sein Geschäftsmodell lief nicht rund, genauso wie der Motor.

Der Motorklang bohrte wie ein rostiger Nagel in seiner Stimmung und ebenso genervt wir routiniert kurvte er die Serpentinen herunter zum Fluss, wo seine Werkstatt lag. Abgelegen unter einer Autobahnbrücke, flussabwärts von Fall, weit weg von neugierigen Blicken.

Die letzte Kurve tauchte vor ihm auf, das Lederlenkrad fuhr elegant durch die Hände, ein beherzter Griff, Lenkung herumreißen, bremsen, er hatte das mit hunderten Autos tausend Mal gemacht.

Diesmal kam es anders.

Die Bremse trat ins Leere, das Lenkrad riss sich mit einem Schlag aus seinen Händen, das Auto lenkte nicht um die Kurve – ehe er sich versah, war er über die Böschung hinaus, Büsche krachten, das Auto kippte, die Welt drehte sich, einmal, noch einmal, es krachte. Er schlug auf den Türholm auf, gleich darauf riss es ihn zurück, ein Schmerz ging durch den Nacken, dann war es ganz kurz still doch sofort danach war da schon das Wasser.

Mit einem Schlag schlug er auf. Er riss ihn zur Seite. Wasser strömte durch das offene Fenster, es gluckerte, rauschte, es war kalt, das Auto wirbelte dahin in wütenden Stromschnellen.

Er sank. Die Türe. Er musste raus. Die Türe klemmte. Er drückte und riss an der Türe, mehr Wasser drang ein, schnell, er war gefangen. Er ruderte mit den Armen, verstrickte sich im Gurt, schnappte nach Luft, er zitterte. Das Wasser schlug über ihm zusammen und gluckernde Wellen rollten in seine aufgerissenen Augen.

Es wurde still. Alles um ihn war Wasser. Es war in ihm, er schluckte, atmete es ein, es drückte in seinen Lungen, es tat weh, als es ihn füllte, er hustete und atmete wieder Wasser ein, es ging schwer, drückte, verlangsamte alles. Noch sah er das grüne Leuchten des Tageslichtes, verzerrt durch die Wellen nicht weit über ihm, dann verschwand auch das.



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