Читать книгу Drei Fälle für Copp: Drei Krimis - Don Pendleton - Страница 28

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Kapitel 19


Ich fuhr zurück nach Osten und umrundete die Stadt südlich statt nördlich in Richtung San Antonio Heights, wollte am Valley Central Hospital vorbeifahren und versuchen, nach Susan Baker zu sehen. Das mag verrückt klingen, aber ich dachte mir, dass es trotzdem eine leise Untersuchung wert war. Ich hatte nicht vor, irgendetwas Verrücktes zu tun, nur hinschauen und die Ohren spitzen. Ich hatte auch nicht die Absicht, den Tag in Judiths Haus in den Hügeln zu verbringen, obwohl die Idee stark drängte, auch dort nachzuschauen und zu sehen, was ich im Haus der Familie White erfahren könnte. Ich wusste nicht, wo ich sonst anfangen sollte, und jetzt, wo ich zusätzlich noch der Polizei aus dem Weg zu gehen hatte, erschien es mir ein wenig albern, auf den Boulevards im Lahey-Land auf und ab zu laufen – aber was zum Teufel könnte ich sonst tun?

Das Krankenhaus lag sozusagen auf dem Weg, und ich wollte Susan Baker sehen. Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich dort finden würde, wenn überhaupt etwas, aber sicherlich könnte Susan ein wichtiges Teil des Puzzles sein. Wenn ich zu ihr gelangen und sie mit mir reden konnte ... war es das Risiko wert. Und ich hatte Glück. Ein unbesetzter Streifenwagen stand vor dem Notausgang, aber das ist normal, damit kann man jederzeit rechnen – und ich konnte keinen Hinweis auf andere Polizeipräsenz in der Gegend erkennen.

Ich schlenderte durch den Hintereingang in die psychologische/psychiatrische Abteilung und stieß direkt mit Susan zusammen – zumindest ging ich an ihrer Tür vorbei. Sie hockte im Bett und sah fern. Sie sah mich nicht, und ich sah auch sonst niemanden im Zimmer, und es gab auch keinen Hinweis darauf, dass sie unter irgendeiner Art von Bewachung stand.

Ich ging weiter zur Schwesternstation und sagte dem Mädchen an der Rezeption: "Ich bin Doktor Joseph."

Sie blickte von einem Bericht auf und sagte: "Ja?"

"Ich soll nach Susan Baker schauen."

Sie war schnell bei der Sache. "Oh ja. Sie wurde gerade von der Geschlossenen heruntergebracht. Hier entlang, bitte."

Das sagte mir schon etwas. Es bedeutete einerseits, dass Susan nicht als schwierige Patientin galt, und andererseits, dass sie nicht mehr unter Polizeibeobachtung stand.

Die Schwester führte mich zu Susans Zimmer. Ich folgte ihr einen Schritt zurück den Flur hinunter und fragte sie: "Wie sieht die Behandlung aus?"

Sie antwortete über ihre Schulter, während wir weitergingen: "Bettruhe und liebevolle Zuwendung. Es geht ihr gut."

"Keine Medikamente?"

"Es steht nichts in der Akte. Sie wird wahrscheinlich morgen entlassen."

Die Schwester ließ mich an der Tür stehen, und ich ging allein in das Zimmer, was ich natürlich wollte, nachdem ich den Zustand der Patientin festgestellt hatte.

Susan wandte den Kopf, sah mich an, blinzelte zweimal und sagte dann: "Oh, Sie sind es." Die Stimme klang ein wenig schwach, aber sie flüsterte nicht.

"Sie haben Ihre Stimme wieder", bemerkte ich.

"Ja, was sagt man dazu."

Ich legte den Tausender auf ihren Nachttisch und sagte: "Das habe ich nicht verdient."

Sie sah das Geld einen Moment lang an, bevor sie antwortete: "Es ist nicht alles meins. Wie viel haben Sie denn verdient?"

"Keinen Pfennig."

"Kann stimmen." Sie drehte ihren Kopf zum Fenster. "Ich will das verdammte Geld nicht."

"Vielleicht sehen das die anderen Spender nicht so. Nehmen Sie‘s", sagte ich.

„ Sie sind alle tot", erklärte sie mit dünner Stimme.

"Was für ein Spiel war das, Susan?", fragte ich sanft.

Sie drehte sich mit einem Schnauben zu mir um. "Spiel?! Irgendein Spiel! Sie sind alle tot! Alle außer mir! Warum nicht ich?"

"Wer hat sie getötet?"

Ihr Blick flüchtete wieder zum Fenster. "Craig sagte, es wäre einfach, als würde man ein Drehbuch lernen und auf die Bühne bringen. Nun, es war niemals einfach. Es war furchtbar. Niemand wollte kooperieren. Jeder musste improvisieren. Wie Sie."

"Mir hat wohl nie jemand das Drehbuch gezeigt, Mädchen. Was hätte ich tun sollen?", fragte ich.

"Sie hätten ..." Sie fing sich und drehte sich zu mir um, mit Gift in den Augen. "Raus hier!", schrie sie.

Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber es wurde nur noch schlimmer, sie brüllte aus voller Kehle.

Als ich hinausging, kam gerade die Krankenschwester zurück zum Zimmer gerannt.

"Ich schätze, sie mag mich nicht", sagte ich.

Obwohl, verdammt, wenn ich nur wüsste, warum nicht. Einen netten Kerl wie mich? Mein Auftritt auf Craigs Bühne muss für alle eine schreckliche Enttäuschung gewesen sein.

*


Es war ein elegantes dreistöckiges Haus in einer Sackgasse mit mehreren anderen ähnlichen Häusern, wahrscheinlich zu einer Zeit gebaut, als ein Hunderttausend-Dollar-Haus noch eine Villa war und Grund und Boden noch billig. Jetzt, wo Immobilienhandel in Heimarbeit betrieben wird und jeder auf dem Markt mitspielt, könnte man diese Häuser wahrscheinlich nicht für eine Million kriegen – aber es war die Art von Haus, die man sich für einen erfolgreichen Anwalt vorstellen würde. Ich weiß nicht, wie es bei Bundesrichtern ist – sie spielen nicht in der gleichen Liga, weil ihr Jahresgehalt nicht dem Anteil eines Anwalts an einem guten Unfallschaden entspricht – aber ich wusste damals nicht, wie lange Richter White schon auf der Richterbank saß oder wie lange es her war, dass er das Anwesen gekauft hatte.

Die Gegend war schön abgelegen – tiefer in den Hügeln als meine Heimstatt, und das Terrain etwas zerklüfteter –, aber es war ein Haus mit Aussicht, das an der Seite des Berges thronte, also vermittelte es nicht dieses Gefühl von Isolation, das mit einigen dieser abgelegenen Gegenden einhergeht.

Gertie war schwarz, um die sechzig, offensichtlich geistig rege, aber auch sanftmütig und von einer würdevollen Zurückhaltung, nicht furchtbar warm, aber auch nicht kalt – die perfekte Haushälterin. Ich schloss daraus, dass sie schon lange bei der Familie war. Ich fragte sie nach Richter White, und sie erzählte mir, dass er einige Jahre zuvor nach Los Angeles gezogen war, kurz nachdem Judith von ihren Weltreisen nach Hause zurückgekehrt war.

„ Das war ungefähr die Zeit, als er Bundesrichter wurde", vermutete ich.

"Als er Bundesrichter wurde, ja“, erwiderte sie. „Davor war er Richter."

"Superior Court?"

Sie zuckte mit den Schultern und machte ein dummes Gesicht. "Er war nur hier unten in Pomona, was auch immer das für ein Gericht ist."

"Mögen Sie ihn?"

"Den Richter? Wie könnte ich den Richter nicht mögen? Er ist ein großartiger Mann."

Gertie lebte nicht hier. Sie hatte eine Familie in Ontario, hatte einen normalen Arbeitstag – acht bis fünf, vierzig Stunden die Woche – und Judith hatte ihr nach meiner Ankunft den Rest des Tages frei gegeben. Ich bekam den Eindruck, dass sie es kaum erwarten konnte zu gehen. Sie führte mich auf der Hauptebene herum und zeigte mir die Bar, den mit Leckereien gefüllten Kühlschrank, die frische Kanne Kaffee, das Spielzimmer.

"Judith sagte, Sie sollten sich wie zu Hause fühlen", sagte sie mir. "Wenn Sie mich also nicht weiter brauchen ..."

Ich scheuchte sie hinaus, fuhr mein Auto in die Garage, sobald sie weggefahren war, und ging für einen ungeführten Rundgang wieder hinein.

Ich konnte nirgendwo Judiths Abdruck finden, außer im Hauptschlafzimmer. Da drin sah es aus wie sie. Der Rest des Hauses sah aus wie das Haus eines Richters. Mir schwante, dass Judith dort nur schlief.

Die Bücherregale in der Bibliothek standen voller Jurabücher, der Schreibtisch im angrenzenden Arbeitszimmer war riesig, diente aber im Moment keinem anderen Zweck als der Unterbringung eines Telefons und einer ledernen Schreibtischgarnitur. Alle Schubladen waren völlig leer.

Ich ertappte mich bei der Frage, was der Richter mit diesem Ort vorhatte. Ein Altersruhesitz? Er hatte dort weder Kleidung noch andere persönliche Gegenstände. Die Kosten für den Unterhalt, mit Haushälterin und allem, mussten enorm sein. Zugegeben, es wäre ein langer Weg nach L.A., aber ...

Ein weiterer kleinerer Schreibtisch stand in Judiths Schlafzimmer, und dort wurde ich fündig. Ihr Telefon war eines dieser High-Tech-Automatik-Typen, bei dem häufig gewählte Telefonnummern gespeichert waren und durch Drücken einer Nummer gewählt werden konnten. Eine der gespeicherten Nummern war für "Dad-Büro", eine andere für "Dad-Appart".

Ich warf einen Blick auf die Uhr und tippte "Dad-Büro" ein. Eine weibliche Stimme meldete sich nach dem ersten Klingeln. "Büro Richter White."

"Hier ist Joe Copp“, sagte ich. „Ich bin ein Freund von Judith. Sagen Sie ihm, ich bin am Apparat."

Der Richter meldete sich fast sofort und das in einem satten, für die Richterbank großartig geeigneten Bariton. "Was kann ich für Sie tun, Mr. Copp?"

"Wahrscheinlich gibt es nicht viel, was Gott selbst im Moment für mich tun kann, Euer Ehren“, erwiderte ich, „aber ich denke, Sie können eine Menge für Ihre Tochter tun. Hat sie Sie heute angerufen?"

"Ja. Wir haben vor kurzem miteinander gesprochen. Ich habe sie beruhigt. Wir beide wissen Ihr Interesse und Ihre Besorgnis zu schätzen, aber es ist in diesem Fall fehlgeleitet. Judith ist in keinster Weise in Gefahr. Wenn Sie mir eine Rechnung schicken, werde ich dafür sorgen, dass Sie für Ihre Zeit angemessen entschädigt werden."

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen.

Ich fragte ihn: "Wissen Sie, dass fünf Mitglieder von Judiths Ensemble letzte Nacht ermordet wurden?"

"Ich habe ausführlich mit dem Sheriff von San Bernardino County gesprochen“, erwiderte er. „Ja, ich bin mir der Tragödien durchaus bewusst. Aber die Schuldigen sitzen hinter Gittern, und man hat mir versichert, dass meine Tochter nicht in Gefahr ist."

"Euer Ehren ... die Männer, die hinter Gittern sind, sind zwei Deputy Marshals, die von Ihrem Gericht aus arbeiten. Ich kann nicht glauben, dass ...", sagte ich.

"Ja, das weiß ich alles."

"Dann holen Sie Ihren Kopf am besten aus dem Sand wieder raus, Sir, und ..."

"Mr. Copp! Ich weiß zu schätzen, was Sie zu tun versuchen, aber ich muss Ihnen ganz klar sagen, dass Ihre Einmischung weder nötig noch gerechtfertigt oder erwünscht ist. Die Sache ist völlig unter Kontrolle. Haben Sie mich verstanden?"

"Nein, Euer Ehren, ich glaube, ich verstehe es einfach nicht“, erwiderte ich. „Wenn alle Schuldigen hinter Gittern sind, wieso wird dann gerade jetzt nach mir gefahndet?"

"Vom San Bernardino County?"

"Ja, Sir."

"Ich kümmere mich darum."

"Das werden Sie?"

"Natürlich werde ich das. Gehen Sie jetzt nach Hause, Mr. Copp, ruhen Sie sich aus und schicken Sie mir eine Rechnung, wenn Sie alles geklärt haben."

Daraufhin legte der Richter auf. Er war nicht gerade feindselig gewesen. Nennen Sie es wohlwollend-autoritär.

Ihm eine Rechnung schicken, ja?

Wofür? Alles herausfinden? Okay. Wie wär's mit zehn Riesen für zwei falsche Verhaftungen? Weitere zehn Riesen für Körperverletzung, sagen wir fünf Riesen für zwei Überfälle mit Waffen, zwanzig Riesen für falsche Inhaftierung und hundert Riesen dafür, dass ich mit den tragischen Überresten von fünf brutal ermordeten jungen Leuten zu tun hatte.

Dem Richter eine Rechnung schicken?

Ich schaute mich in Judiths Schlafzimmer um, hatte eine Vision, wie sie nackt auf dem großen Bett kniete, mit dem Hintern wackelte und mich mit heiß verlangenden Augen neckte.

Ich konnte dem Richter keine Rechnung schicken.

Ich hatte es bereits mit der Tochter des Richters getrieben – oder sollte ich das auch auf die Rechnung schreiben?

Ich war echt sauer, richtig.

Aber mehr als das, ich hatte regelrecht Angst. Dann schmolz das alles plötzlich unter der Erkenntnis, was das Gespräch mit dem Richter wirklich bedeutet hatte.

Er hatte seinen Frieden gemacht.

Richter White hatte sich an die Mafia verkauft.

Drei Fälle für Copp: Drei Krimis

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