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Schleusen der Kultur

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Was sollte ein Kind in seinen ersten sieben Lebensjahren erfahren haben, können, wissen? Womit sollte es zumindest in Berührung gekommen sein?

So fragen auch ganze Kulturen. Zumindest beantworten Gesellschaften die Frage faktisch durch das, was sie Kindern in ihrem ersten Lebensabschnitt ermöglichen oder verweigern. Die Organisation von Kindheit, die Gestaltung dieser Lebensphase eines Teils der Bevölkerung, ist eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Durch welche Schleusen schicken Gesellschaften ihre Kinder weltwärts?

Kinder sind ein Schlüssel zum Verständnis eines Landes, nicht nur der Sitten einer Gesellschaft, sondern auch ihrer kollektiven Intelligenz, ihrer Zukunftsfähigkeit. Was wird investiert in die frühen Jahre jeder Generation – wieviel Fürsorge, in Form von Zeit, Phantasie, Geld sind sie den Erwachsenen wert? Welche Freiheiten gestatten sie den Heranwachsenden, bei welchen Gelegenheiten dürfen sie Nein sagen?

Die psychologischen Wissenschaften vom Kind und die sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung haben bisher noch nicht viel zur Selbsterkenntnis im internationalen Vergleich beigetragen. Die Indikatoren sind noch zu grob. Man erhebt zwar weltweit die Quoten der Säuglingssterblichkeit, und man weiß etwas über die Familienformen, in denen Kinder zwischen Kalkutta, Kalifornien und Kenia aufwachsen. Aber wie zum Beispiel teilen sich in verschiedenen Gesellschaften die Generationen den Raum? Den Raum innerhalb der Wohnungen, den Raum in den Städten? Wieviel Raum wird Kindern in öffentlichen Diskursen, in den Medien, zugestanden – sind Kinder vor allem ein Frauenthema, etwas für die Wochenendbeilage, oder ein Thema für die erste Seite, für die gute Sendezeit? Mit welchen kulturellen Phantasien werden die ersten Lebensjahre der Kinder besetzt: Dominieren Leistungserwartungen oder eher regressive Phantasien über eine spannungsfreie Oase, ein »Kinderparadies«? Wieviel Zeit, Mütter-Zeit, Beziehungs-Zeit, wird für Kinder aufgewendet, und was ist sie einer Gesellschaft wert, wird diese Zeit geachtet, wird sie vergütet? In welchem Ansehen stehen diejenigen, die sich beruflich mit Kindern beschäftigen – gilt ihr Beruf als attraktiv oder eher als »zweite Wahl«?

Für solche Filter in den Kulturen des Aufwachsens fehlen uns vergleichende Untersuchungen. Eine Zukunftsaufgabe.

Weltwissen der Siebenjährigen

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