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Müde Knochen

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Abends um acht kippe ich um. Liege auf der Couch. Arme und Beine hängen bleischwer an mir herunter. Nichts geht mehr. Eine Tasse Tee wäre gut. Aber allein die Vorstellung aufzustehen, in die Küche zu gehen, Tee zu kochen und ihn zur Couch zu tragen, reicht aus, mich noch tiefer in die Kissen zu drücken.

Ich schließe die Augen. Mein Gesicht brennt. Kann man denn im März schon Sonnenbrand bekommen? Ich spüre jeden Knochen. Der Rücken zwickt, in meinen Adern pulsiert das Blut. Muskeln tun mir weh an Stellen, wo ich gar keine Muskeln vermutet hatte.

Den ganzen Tag habe ich mich von hinten bis vorn und wieder zurück durch den Garten gewühlt. Ihn mir wieder zu eigen gemacht. Ihn genossen. Mich in ihn eingegraben! Habe vertrocknete Stauden heruntergeschnitten, den vorderen Weg ausgebessert, zwei rechtwinklige Betonecken in runde aus Feldsteinen verwandelt. Den linken Kompost umgesetzt.

Meine Fingernägel sind schwarz. Meine Hände fühlen sich trocken und rau an. Die Unterarme sind zerkratzt wie nach einem Katzenkampf. Das waren die Kletterrosen. Ich habe sie angebunden. Danach alles einmal gegossen. Vom Gießkannenschleppen scheinen meine Arme länger geworden zu sein. Und tatsächlich! Kann das wahr sein? Acht Mückenstiche. Um diese Jahreszeit!

Nachmittags, als ich die Kohlen umpackte, kam meine Nachbarin Erika und lud mich zu Kaffee, Kuchen und Klönen ein. Gut, dass sie kam, vermutlich hätte ich sonst gar keine Pause gemacht. Und die Pausen mit Erika sind immer so unterhaltsam, sie kann so wunderbar erzählen.

Danach habe ich noch Farn ausgegraben. Die Stachelbeeren brauchten dringend mehr Licht. Nun ist es luftiger geworden hinter der Weinlaube.

Wie dreckig ich bin! Das geht nun wirklich nicht, so kann man doch nicht ins Bett. Aber zum Waschen bin ich einfach zu erledigt. Das mache ich morgen früh.

Ach – gärtnern! Endlich! Wie hatte mir das gefehlt! Meine Lebensgeister sind erwacht. Aber mein Körper – oje. Ich muss wohl auch in diesem Jahr wieder lernen, dass ich keine Zwanzig mehr bin. Nicht alles auf einmal wollen. Immer schön geduldig, nach und nach … Der Sinn des Gartens ist bestimmt nicht, dass ich abends nicht mehr kriechen kann.

Angesichts der Erschöpfung fällt mein Geist allmählich in Trance. Bilder des Tages ziehen vorbei. Dieses Tier im Holzstapel, das wie verrückt nagte und mich ganz nervös machte. Eine Maus? Entdecken konnte ich sie nicht. Nur hören. Wer frisst denn Holz? Holzwürmer sind doch nicht zu hören? Oder? Man weiß gar nichts. Der Garten – ein fremder Planet … Den ganzen Tag nur geackert. Warum wundert mich, dass ich müde bin? Über die beiden runden Steinecken freue ich mich. Heißen sie eigentlich noch Ecken, wenn sie rund sind? Egal. Sie gefallen mir. … Wer sagt, dass ich ins Bett muss? Ich bleibe einfach auf der Couch liegen. Bin alt genug, das selbst zu entscheiden … Mein Gesicht glüht. Eindeutig Sonnenbrand … Irgendjemand meinte, da hilft Kefir. Wer war das nur? Und wo nehme ich jetzt Kefir her? … Oh, mein Rücken … Ja, es war zu viel für den Anfang. Das steht fest. Gut, dass ich jetzt schlafen kann. Schlaf ist etwas Wunderbares. Vielleicht bin ich auch nur von der vielen frischen Luft so kaputt. Oder vom Glück. Ich bin so selig, es würde mich nicht wundern, wenn sich das Dach auftun, der Himmel runterfallen und sich als leuchtend dunkelblauer Mantel um mich legen würde … Und während ich immer schwerer und schwerer werde und völlig mühelos in den Schlaf hinübergleite, taucht für einen Moment eine gleißende Klarheit in mir auf. Ganz deutlich. Fast eine Erleuchtung. Eigentlich sogar zwei Erleuchtungen. Ich bin nur zu müde, sie in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Sie lauten: Morgen habe ich höllischen Muskelkater. Und: Zufriedenheit ist ein anderes Wort für Garten.

Wo die Seele aufblüht

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