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Vorwort von Doris Herrmann

Es gibt Märchen, in denen ist die Rede von sprechenden Tieren, verzauberten Menschen und manch anderen geheimnisvollen Dingen zwischen Himmel und Erde. Nicht selten spielen Menschen, die durch materielle oder physische Bedingungen ihres Lebens eingeengt sind, darin eine entscheidende Rolle. Sie treten in Kontakt mit jenen unsichtbaren Mächten, die über ihr Schicksal wachen und bestimmen. Viele dieser handelnden Personen sind das, was man als ,naiv‘ im Sinne einer ursprünglichen Offenheit bezeichnen könnte.

Ich möchte mich keineswegs über Gebühr auf das Märchen berufen, zumal ich selber nicht sehr viele gelesen habe und ich mir obendrein als Anhängerin der Naturwissenschaft eine gewisse Nüchternheit bewahren möchte. Dennoch kommt es mir im Rückblick auf mein Leben manchmal so vor, als seien auch hier zauberhafte Kräfte bei diesem oder jenem Ereignis mit im Spiel gewesen. Hierbei nur an Zufälligkeiten zu glauben, fällt mir schwer, vor allem dann, wenn sich – wie bei mir geschehen – Künftiges im Traum mitteilte.

Seit der Zeit, da ich mir meiner engen, geradezu schicksalhaften Verbindung mit den Kängurus und ihrer Heimat Australien bewusst bin, spüre ich, dass in meinem Leben, selbst dann, wenn es traurig und voller Widrigkeiten war, letztlich nichts umsonst gewesen ist. Mehr noch, je älter ich wurde, desto klarer wurde mir, dass viele meiner Schritte – nicht nur die in einer persönlichen Krise, sondern auch die im „Sonnenschein des Lebens“ – einer unsichtbaren ,Führung‘ unterworfen waren. Traumhaft sicher geführt zu werden, dieses Gefühl hatte ich in der Tat ein paar Mal in meinem Leben!

Zwar bin ich von Geburt an gehörlos und mein Sehvermögen ist mittlerweile fast vollständig geschwunden, doch gerade durch diese Einschränkungen habe ich lernen müssen, mich zeitlebens auf das für mich Wesentliche zu konzentrieren. Zugleich haben sie mir geholfen, eine Wahrnehmung der Welt zu bewahren, die – und nun wähle ich das Wort auch für mich selber – ich ,naiv‘ nennen möchte. Obgleich ich, wie viele andere auch, oft die Scheuklappen des Vorurteils trug, so habe ich mir doch eine Empfänglichkeit bewahrt, eine Widmung auch für die kleinen Dinge, an denen ein ,normaler‘, nicht Behinderter meist achtlos vorübergeht.

Auch wenn es seltsam anmutet, so bin ich der Überzeugung, dass ich es gerade meiner Behinderung verdanke, dass mir ein etwas feineres Gespür erwuchs für die geheimen, unsichtbaren Bande zwischen Mensch und Tier sowie den Kräften der Natur im allgemeinen.

Um es paradox zu sagen: Es erscheint mir mitunter, als sei mir durch die Ermangelung des Hörens und nun auch des Sehens so etwas wie ein ,sechster Sinn‘ erwachsen! Doch ich will nicht übertreiben.

Obgleich ich aufgrund meines mangelnden Hörvermögens die Sprache in all ihren Feinheiten nie habe richtig erleben können, so habe ich doch eines ihrer Wunder kennen gelernt. Seit jener Zeit, als ich mühsam erlernte, mit meiner Stimme Silben und Worte zu formen, habe ich begriffen, dass wir mit dem Laut eine geistige Verbindung zur realen Welt der Dinge, aber auch der der Gedanken und Gefühle knüpfen. Welche Qual es dagegen bedeutet, namenlosen Dingen zu begegnen, die höchst lebendig sind, das habe ich einige Male erfahren und in diesem Buch beschrieben.

Es war das Känguru – oder sollte ich besser sagen, der Geist des Kängurus –, von dem ich in der Kindheit ,eingefangen‘ wurde, wodurch sich mein Leben danach in einer Art mentaler Symbiose mit diesem Tier gestaltete. Das Känguru hat mein Leben in mancherlei Hinsicht dominiert. Aber es gab mir auch Halt in seelisch schwierigen Situationen. Als Behinderte war ich stets darauf angewiesen, mich täglich neu zu überwinden und dem Leben positiv und aufgeschlossen gegenüberzustehen. Eben darum weiss ich jene diskrete Hilfe zu schätzen, die ich durch dieses Tier erfuhr. Stets waren es Wohltaten, die meine Seele direkt und unmittelbar ansprachen.

Warum all das geschah, was geschah – ich weiss es nicht. Und mit diesen Worten bin ich wieder beim Märchen. Auch dort können die Personen zumeist nicht sagen, wie und was genau ihnen widerfuhr. Eben dies nenne ich den märchenhaften Aspekt meines Lebens. Die Kräfte, die an meiner Verbindung zum Känguru mitwirkten, sind mir letztlich unbegreiflich geblieben. Und es ist ein gutes Gefühl, um die Unantastbarkeit dieses grossen Geheimnisses zu wissen.

Doris Herrmann

Känguruherz

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