Читать книгу Zen im 21. Jahrhundert - Doris Zölls - Страница 9

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Zen ist dabei, im Westen zu einer Aufbruchsbewegung zu werden, und holt gleichzeitig auch die Mystik der theistischen Religionen ins Gedächtnis und in die Praxis zurück. Die traditionellen Religionsformen bedürfen einer zeitnahen Ergänzung und einer Transformation, die dem 21. Jahrhundert gerecht wird. Die Globalisierung bringt auch die Konfessionen einander näher. Es geht dabei nicht um Synkretismus, also einen Mischmasch, sondern um die Erfahrungsebene, die das Rationale und Personale aller Konfession übersteigt. Dort ist die wirkliche Einheit der Religionen. Wer dorthin durchbricht, erfährt eine Ebene, die unabhängig ist von Glauben oder Konfession und unabhängig von jeder Nationalität. Es ist die gleiche spirituelle Quelle, aus der alle Religionen schöpften.

Offensichtlich breitete sich diese Spiritualität vom heutigen nördlichen Indien über den Himalaya nach China und Ostasien aus. Sie fand den Weg nach Süden bis nach Sri Lanka und Indonesien und gelangte schließlich über die Seidenstraße in den Westen. Alexandrien war in den Jahrhunderten vor Christus ein Schmelztiegel für Ost und West. Von hier aus gelangte der Weg, der über die rationale Eingrenzung hinausführt, in den Islam und wurde zum Sufismus. Und er kam zu den Wüstenvätern, wo sich die christliche Mystik entwickelte. Durch Cassian und Dionysius erreichte der Weg auch die westliche Kirche und die Ostkirche, wo er zum Herzensgebet wurde.

Die Grundstruktur all dieser Wege ist die gleiche. Es geht immer um eine Zurücknahme der dominierenden Ich-Aktivität, damit das auftauchen kann, was unser wahres Wesen ist. Diese Erfahrungsebene übersteigt die Konfessionen und es spielt keine Rolle, welcher Nationalität der Mensch angehört oder welcher Glaubensrichtung er folgt. „Sogar Shakyamuni und Maitrey dienen jenem Einen. Sagt mir: Wer ist jener Eine?“ Dieser Eine ist nichts anderes als der Urgrund aller Formen. Leerheit ist Form und Form ist Leerheit. Der Vers zu diesem Koan aus dem Mumonkan versucht es noch einmal zu beschreiben: „Des anderen Bogen spanne nicht. Des anderen Pferd besteige nicht. Des anderen Fehler betratsche nicht.“ Alle spannen wir den einen Bogen, d. h. unsere wahre Natur. Alle Wesen reiten das gleiche eine Pferd, unsere wahre Natur, die hinter dem Ich verborgen liegt. Und wenn wir über den anderen tratschen, tratschen wir über uns selber. Das aber gilt es zu erfahren und nicht nur zu wissen.

Zen im 21. Jahrhundert

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