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I. Einführung

I. Einführung

Inhaltsverzeichnis

1. Herausforderung für Sicherheitsbehörden, Verwaltung und Justiz

2. Zum Nutzen der Kriminologie

3. Aussagekraft von Statistiken und Lagebildern im Zusammenhang mit Clankriminalität

4. Zusammenfassung

Das Phänomen Clankriminalität ist kein neues Problem in Deutschland. Bereits 1998 titelte der das Nachrichtenmagazin Focus in einer Überschrift: „Rätselhafter Reichtum. Geldwäsche oder Sozialbetrug? In Celle erwarben anatolische Clans bereits 500 Häuser“ und thematisierte „dubiose Gelquellen“.[1] 2009 kündigte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) an, man werde mit „Null-Toleranz“ gegen die Clankriminalität vorgehen und das Problem „konkret angehen“. Sobald die mediale Präsenz nachließ, geriet das Thema jedoch wieder in den politischen Hintergrund.[2] Auch ist Clankriminalität längst nicht nur ein sicherheitspolitisches Problem in Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Berlin: Das Bundeskriminalamt (BKA) schätzt selbiges als „bedeutsam für das gesamte Bundesgebiet“ ein.[3] Dies ergibt sich aus dem Operationsraum, der ganz Deutschland umfasst. Dabei geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Schaden, der nach ersten Schätzungen durch Clankriminalität verursacht wird.[4] Vielmehr birgt das Phänomen eine ungeheure deliktische Bandbreite, öffentlich ausgetragene Gewalt, offene Provokationen und eine Kampfansage an das in Deutschland geltende Recht in sich, die das Sicherheitsgefühl der Bürger beeinträchtigen. Einige Beispiele veranschaulichen den Gegenstand:

Spektakuläre Überfälle wie auf die Schmuckabteilung des KaDeWe im Januar 2009 und am 20. Dezember 2014, der ganze 79 Sekunden dauerte,[5] oder der Raub einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bodemuseum im Jahr 2017[6] sorgten in Deutschland für Aufsehen.
Clanfehden und exzessive Gewalt auf offener Straße: Immer wieder kommt es zu Massenschlägereien zwischen Clanmitgliedern im öffentlichen Raum, die mit Waffen ausgetragen werden,[7] aber auch in Gerichtssälen, wie im Essener Amtsgericht im Januar 2020.[8] 2018 führte ein Familienstreit zur Ermordung des Intensivtäters Nidal Remmo am Tempelhofer Feld in Berlin durch mehrere unbekannte Täter, die den 36-jährigen Mann mit acht Schüssen treffen.[9]
Auch gegenüber Polizeibeamten zeigen sich Clanmitglieder äußerst aggressiv und gewalttätig: 2003 wurde der SEK-Beamten Roland Krüger durch ein Clan-Mitglied erschossen, als sein Team den Angehörigen nach einer Messerstecherei in einer Berliner Disco festnehmen wollten.[10] Im nordrhein-westfälischen Düren eskalierte 2016 ein Streit über falsches Parken zu einem Gewaltexzess und führt zu zehn verletzten Polizeibeamten.[11] In Niedersachsen musste eine Polizeibeamtin umziehen, weil sie von Clanmitgliedern bedroht wurde.[12]
Verbindungen von Rappern in die Clan-Szene: Der zunächst sehr enge Kontakt und der später mitunter über öffentliche Medien ausgetragene Streit des Rappers Bushido zum Abou-Chaker-Clan erfährt besonders hohe Aufmerksamkeit und ist lediglich ein Beispiel für die symbiotischen Geschäftsbeziehungen zwischen sog. Gangster-Rappern mit arabischstämmigen Familienclans.[13]

Weitere Beispiele sind Legende. Allerdings ist die Dimension der Alltagskriminalität das weitaus größere Problem: Die Bandbreite von den unterschiedlichen Betrugs-, Drogen und Gewaltdelikten ist immens, darüber hinaus machen es die familiären Strukturen den Ermittlern schwer. So zeigen sich Familienangehörige, die selbst nicht mit Straffälligkeit in Erscheinung treten, regelmäßig unkooperativ, verweigerten Zusammenarbeit und Aussage und lassen sich nach Flashmob-Prinzip instrumentalisieren, wenn beispielsweise eine Festnahme erfolgen soll. Den deutschen Rechtsstaat erkennen zu viele Mitglieder nicht an, sondern beugen sich stattdessen lieber dem Willen der Familie.[14] Zudem kristallisieren einzelne Beispiele immer wieder Bestrebungen der Unterwanderung durch Mitglieder mit kriminellem Interesse in Behörden heraus.[15]

Das Thema ist somit bereits seit vielen Jahren bekannt, es wurde jedoch lange Zeit politisch nicht behandelt. Zu groß war die Angst vor dem Vorwurf des Generalverdachts gegen ethnische Minderheiten und des Rassismus. Und tatsächlich liegt die Brisanz bereits in der Titulierung des Phänomens und in der Besonderheit der Ethnizität, die einerseits wichtig ist, um das Phänomen zu begreifen. Andererseits kann dieser Zusammenhang genau dazu führen, dass sämtliche Personen, die die gleiche Ethnizität oder auch einen bestimmten Nachnamen tragen, auch gesellschaftlich unter Generalverdacht gestellt werden. Gleichzeitig sind es Mitglieder der Strukturen selbst, die lautstark Territorialansprüche stellen und aus ihrer feindlichen Haltung gegenüber dem Staat keinen Hehl machen. Die Lebensweisen sog. Familienclans führt einerseits zu einem Kultstatus, der sich in filmischen Aufbereitungen wie „4 Blocks“ und der deutschen Rapper-Szene offenbart, gleichzeitig erhitzt er die Gemüter. Entsprechend groß ist das Medieninteresse und damit auch der Druck auf die Sicherheitsbehörden, insbesondere auf die Polizei.

Dabei ist es nicht nur die Polizei, die sich der Kriminalität der Clans widmet, sondern weitere Behörden wie u.a. der Zoll, Finanz- und Ordnungsämter arbeiten in Kooperationen zusammen und verfügen in der Kriminalitätsbekämpfung über ungemein wichtige Funktionen und Kompetenzen. Entsprechend relevant ist eine funktionierende Zusammenarbeit innerhalb der jeweiligen Befugnisse, Zuständigkeiten und der damit verbundene Austausch, der durch datenschutzrechtliche Regelungen normiert und zuweilen eingeschränkt ist. Diese müssen beachtet werden, da ansonsten Verfahrensfehler riskiert werden. Je besser die jeweiligen Möglichkeiten bekannt und die persönliche Zusammenarbeit vor Ort funktioniert, desto wirksamer sind sämtliche Ansätze zur Begegnung eines Kriminalitätsgefüges, das sich über Jahrzehnte etablieren konnte.

Die Wirksamkeit der Bekämpfungsmaßnahmen hängt nicht zuletzt von den Kenntnissen über die Strukturen der Clans, deren Regelwerke und Flexibilität in Kooperationen und Feindschaften ab. Erst, wenn diese verstanden werden, kann man die daraus entstehenden Probleme behandeln, damit sich nicht weitere Strukturen an dem Vorbild Clankriminalität orientieren und aufbauen. Auch Ansätze zur Prävention werden nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die gelebte Rechtswirklichkeit in den Strukturen und ihre Auswirkungen auf die Mitglieder verstanden werden.

Clankriminalität

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