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Kapitel 3

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Tenaro ist nicht in seinen Dienst als Kurier zurückgekehrt, es gibt keine einhändigen Soldaten in der Armee des Thain. Er ist ehrenvoll als Verwundeter entlassen worden, er erhält sogar eine kleine Rente aus der Schatulle des Schatzmeisters des Heeres. Er behält sie nicht für sich, er gibt sie weiter an die alten Eltern eines jungen Mannes, der mit ihm bei den Kurieren gedient hat. Er ist in ein Scharmützel geraten, einer der riesigen Hunde hat ihm die Kehle zerfleischt, er ist qualvoll verblutet. Die Plättchen können ihn seinen Eltern nicht zurückgeben, aber sie helfen, ihren Lebensabend zu erleichtern, sie waren auf seine Unterstützung angewiesen. Er ist als Sa’Rimar an die Seite seines Vaters zurückgekehrt, er lernt jetzt, ein Thain zu sein. Nimmt mit ihm an den Sitzungen des Rates teil, sitzt an seiner Seite, wenn er Gericht hält, übernimmt Aufgaben. Er eröffnet eine Schule in einem kleinen Dorf, das sich an den Hängen des Drat’kalar neu gegründet hat vor einigen Jahren, Erzsucher, die sich mit ihren Familien hier niedergelassen haben. In Beth’anu müssen alle Kinder in die Schule, Tenaros Urahnvater hat es eingeführt, er wollte seine Untertanen nicht länger unwissend lassen. Bis dahin haben nur die Kinder der Häuser Bildung erfahren, die sich einen Lehrer leisten konnten, jetzt lernen alle Kinder zwischen sechs und zehn lesen, schreiben und rechnen. Die Schulhäuser bauen die Dorfgemeinschaften, die Lehrer werden aus der Schatulle des Schatzkanzlers bezahlt. Sie sind es auch, die die Kinder auswählen, die aufgenommen werden in die Schulen, in denen sie mehr lernen als Bauern oder Handwerker zu sein. Es ist kein Privileg der hohen Häuser des Landes mehr, gebildet zu sein, es macht sich auch in der Armee bemerkbar, viele der Kommandierenden sind Männer aus dem einfachen Volk. Sie haben mehr Verständnis für die Sorgen und Nöte ihrer Untergebenen, sie sind gerechter, heute ist es ein Privileg, in der Armee des Thain zu dienen.

Die Erwachsenen haben Tenaro mit Ehrfurcht behandelt, die Kinder scheu auf seine linke Hand geblickt. Es hat sich bis in das kleine Dorf herumgesprochen, sie ist ihm abgeschlagen worden, er hat eine neue bekommen, sie glänzt golden. Der Bote ist noch nicht zurückgekehrt aus dem Land fern im Osten, der Goldschmied und der Alchemist des Thain haben Erfolg gehabt mit ihren Experimenten. Sie wissen, es ist keine Hand wie ihre, wie macht er es bloß? Mal ist sie offen, dann wieder zur Faust geballt, jetzt steht nur ein Finger hervor und deutet auf sie. Mit einem schimmernden Fingernagel darauf, sie sind fasziniert davon, und Tenaro zwinkert ihnen zu und verrät es ihnen. Die Finger haben Scharniere, wo sie Gelenke haben, aber sie bewegen sich nicht von selbst. Er beugt oder streckt sie mit der anderen Hand, und er hat ein Handgelenk, nur kann er es nicht bewegen, nicht drehen oder beugen. Aber er kann etwas halten damit, er kann mit einem Finger deuten, nur mit einem Schwert kämpfen kann er damit nicht. Aber das will er auch gar nicht mehr. Er verdankt es zwei klugen Männern, dass er jetzt wieder eine Hand hat, und wenn sie gut aufpassen in der Schule, fleißig lernen, vielleicht werden sie es eines Tages auch können. Einem Menschen die Hand zurückgeben, die ihm ein anderer genommen hat. Er sieht in ihre ernsten kleinen Gesichter dabei, vielleicht ist eines unter ihnen, das mehr lernen wird als rechnen, schreiben und lesen. Wenn man ihm nur die Möglichkeit dazu bietet.

Sie feiern eine fröhliche Schuleinweihung, sie schmausen an einem großen Tisch im Freien, Tenaro schmeckt auch die einfache Kost der Landbevölkerung. Und Metú sieht seinen Prinzen verstohlen an, als sie Seite an Seite zurückreiten. Er ist stiller geworden, seit er aus Beth’narn zurück ist, nicht mehr so wagemutig und draufgängerisch. Nachdenklicher, er handelt nicht mehr so unbedacht. Er verändert sich, aus dem Jungen, der auf Griud im gestreckten Galopp über die Feldwege gestürmt ist, der so manches Huhn aus dem Beutel des Sa’Rimar hat ersetzen müssen, weil es ihnen zwischen die Hufe geraten ist, wird ein ernsthafter Mann. Und er wird einmal ein wunderbarer Thain werden, Metú hat es gesehen in dem Dorf, er hat die Gabe, die Menschen für sich einzunehmen. Praesis ut Prosis Non ut Imperes. Keiner weiß, wo er herkommt, der Spruch, es ist eine Sprache, die in keinem Land der ihnen bekannten Welt gesprochen wird. Seine Bedeutung ist schriftlich überliefert aus lang vergangenen Zeiten, und auch Tenaro wird nach dem Leitspruch der Thainu von Beth’anu leben. Er wird ein Thain sein, der seinem Volk dient.

Man sagt, die Zeit heilt Wunden, sie tut es auch bei Tenaro. Seine Verletzungen sind gut verheilt, seine Gesundheit bessert sich, er wird fast wieder zu dem, der er vor dem Krieg gewesen ist. Seine Albträume werden weniger, die Erinnerung an das, was er erlitten hat, verblasst. Die Meditation, die ihn der Yen-Meister gelehrt hat, hilft und er hat sein Yen’gi wiedergefunden. Hat wieder gesessen auf der dreieckigen Wiese mit den drei stehenden Steinen, sie symbolisieren für ihn, was Beth’anu ausmacht. Wie die drei Sterne im Ring in dem Siegel auf seinem rechten Schulterblatt. Stein, Land, Wasser.

Stein ist Drat’kalar, der Wassergeber, das hohe Gebirge, das die Ostgrenze des Landes bildet. Es zieht sich lang dahin, nicht so hoch wie Betain’it’

Dromar, aber auch seine Gipfel sind in der dunklen Jahreszeit mit Schnee bedeckt. Auf ihm leben wilde gefleckte Katzen in großer Höhe, ihr Fell färbt sich dann weiß, sie sind bei den Frauen im Thainan ein begehrter Pelz. Aber kaum zu erhalten, die großen Katzen sind schwer aufzuspüren und nicht leicht zu töten. Der Krönungsmantel des Thain ist mit diesem Pelz gefüttert, er ist schon etwas vergilbt, aber es sind nicht genug Felle zu finden, um ihn zu ersetzen. Sie belassen es dabei, die Majestät und der Herrschaftsanspruch des Thain wird nicht durch die Farbe des Futters seines Krönungsmantels bestimmt.

Land sind die weiten Ebenen, die welligen Hügel, die Felder, auf denen Getreide und Gemüse wachsen, die Haine mit ihren früchtetragenden Bäumen, die Ölbaumplantagen, aus deren Nüssen ein wohlschmeckendes Öl gepresst wird. Die Rebenstöcke an den Hängen der Ausläufer des Drat’kalar im Süden, wo er abbiegt nach Westen und ausläuft in sanften Hügeln, die Beeren liefern einen leichten hellen süßen Wein. Es fließt mehr als ein Fluss aus dem Drat’kalar, er trägt seinen Namen nicht ohne Grund, das Land ist gut bewässert. Das ist der Widerhaken des Stachels, der im Fleisch des Fürsten von Beth’narn steckt, es hat mit Beth’kalar viel fruchtbares Land verloren. Das Fürstentum besteht zu einem großen Teil aus Wüste, kaum nutzbar. Ein Stück davon gehört zu Beth’anu, ganz im Nordosten, wo es an Beth’narn grenzt, aber dort lebt niemand, nur braune Sandvipern, und die kleinen gelben und die Skorpione, die Mirini in ihrem ersten Korb gefürchtet hat. Es gibt keine Oasen auf der Beth’anu-Seite, und sie dehnt sich endlos nach Norden, noch nie hat jemand sie durchquert. Auf den alten Landzeichnungen im Schreibzimmer des Thain ist sie bezeichnet als Terra incognita, unbekanntes Land, das bedeutet es angeblich, und wenn es nach dem Willen des Thain geht, wird es das auch bleiben. Er will nicht wissen, was auf der anderen Seite der Wüste liegt, und er wird keine Menschenleben aufs Spiel setzen, um es herauszufinden.

Wasser ist Kalar’terla, das grüne Wasser, der See, an dessen Ostufer Beth’kalar liegt, direkt gegenüber von Beth’narn. Er ist riesig, und er muss einmal noch viel größer gewesen sein, die blauen Flächen auf den Landzeichnungen des Thain zeigen es. Das Wasser schimmert grün im Licht der Sonne, und es schmeckt seltsam, als ob man auf einem Schwertheft kaut, man kann es nicht trinken, es macht Krämpfe. Und auch nicht baden darin, der See wird beherrscht von den großen Echsen mit den langen Schnauzen. Sie ernähren sich von den kleinen wohlschmeckenden Fischen, die in Schwärmen darin herumschwimmen, aber sie sind nicht abgeneigt, ihr Futter mit einem unvorsichtigen Pferd oder einem vorwitzigen Hund ein wenig aufzubessern. Oder einem Kind, das dem Wasser zu nahekommt, die drei roten Pfähle am Beth’narn-Ufer legen ein trauriges Zeugnis davon ab. Die Eltern der Kinder, die hier von den grausamen Echsen regelrecht abgeschlachtet worden sind, haben sie aufstellen lassen zur Erinnerung an sie, und als Warnung. Die ausgedehnten Binsenfelder liegen am Südufer des Sees, hier ist das Wasser zu seicht für sie, aber es stehen immer Wachposten am Ufer, wenn die Frauen bis zu den Knien im Wasser stehen und Binsen schneiden. Man sieht an einer Kette von Luftblasen, wenn sich die großen Echsen nähern, sie sind die Nemesis der Menschen, die am See leben.

Er verharrt lange zwischen den drei stehenden Steinen, es ist ruhig und friedlich hier, er fühlt sich frei und leicht und wieder wie er selbst. Und nicht allein, ihm ist, als ob jemand bei ihm ist. Aber er kann nicht verweilen, er hat eine Verpflichtung gegenüber seinem Vater, gegenüber Beth’anu, er hat geseufzt und ist zurückgekehrt in sein Leben als einhändiger Sa’Rimar. Es wird ihn nicht daran hindern, ein guter Thain zu sein, und er kann immer noch mit einer Hand ein Schwert führen. Und er kann auch wieder beidhändig fechten, Metú ist der erste, der es mit Erstaunen, und dunklen Flecken, zur Kenntnis nimmt.

Der Bote ist zurückgekehrt aus dem Land fern im Osten, in das der Meister ihn geschickt hat mit der Bitte um die Rezeptur für die Mischung, Mes’in, und der Goldschmied und der Alchemist des Thain haben sich angesehen. Na also, sie sind nahe dran gewesen, die Farbe haben sie hingekriegt, und jetzt können sie ihre Mischung noch einmal verbessern. Das Metall ist noch ein wenig härter jetzt und zäher, und dann hat der Goldschmied eine neue Kappe entworfen für Tenaros Stumpf. Er kann viel tun mit seiner nachgemachten Hand, eine Gabel halten, damit sein Fleisch beim Schneiden nicht vom Teller rutscht, einen Apfel, um seine Zähne hineinzuschlagen, ein Blatt Pergament oder ein Buch, um zu lesen, aber der Griff ist nicht fest genug, um ein Schwert oder einen Dolch damit zu halten. Tenaro hat wie Metú beidhändig gekämpft, und manchmal hat er mitten im Kampf die Schwerthand gewechselt. Metú hat dann gegrinst, das kann er auch, nur nicht so schnell und geschickt, es hat ihm manchen Hieb eingetragen. Sie tragen ihre Übungskämpfe mit hölzernen Waffen aus, Treffer verursachen keine blutenden Schnitte, aber dunkle Flecken, sie haben sie gezählt, wenn sie sich danach im wohlig warmen Wasser im Badehaus der Feste geräkelt haben, um ihre schmerzenden Muskeln zu lockern. Tenaro ist einen Kopf kleiner als Metú, nicht so breit wie er, aber die Kampfkunst ohne Waffen, die er lernt seit er fünf ist, hat ihn schnell und geschmeidig gemacht, er bewegt sich wie eine Katze. Meist ist es unentschieden ausgegangen.

Und an diesem Tag gewinnt er. Metú grummelt, als sie nebeneinander im Becken im Badehaus liegen, das war ungerecht, erstens kämpft ein Sa’Rimar nicht mit in dem Turnier, das sie zu Ehren des Geburtsfestes des Thain ausgetragen haben, und zweitens, dieses Ding, das der Goldschmied da gemacht hat für ihn, wie soll man denn dagegen ankommen. Tenaro hat gelacht, ist doch auch nichts anderes als der Dolch, den er früher in der Hand gehabt hat, nur eben halt ein Haken, und der eignet sich fast noch besser dafür, einem Gegner das Schwert aus der Hand zu drehen. Was er bei Metú dreimal getan hat und damit das Turnier gewonnen, ätsch. Dann hat er sich genüsslich gedehnt und ist untergetaucht in das Wasser, das aus einer heißen Quelle unter dem Badehaus stammt. Es riecht ein wenig seltsam, aber es tut den schmerzenden Muskeln gut. Und auch wenn Metú ein finsteres Gesicht gemacht hat, innerlich hat es ihn gefreut. Er findet zu sich zurück, sein kleiner Prinz, er ist nicht wehrlos, er ist schon fast wieder der Alte.

Nur manchmal sitzt er mit ernstem Gesicht auf dem Balkon vor dem Wohnzimmer seiner Zimmerflucht und blickt gedankenverloren in die Ferne. Metú weiß, was ihn dann bewegt, er denkt an die junge Frau mit den jadingrünen Augen. Die einem armen Gefangenen Wasser gebracht hat, seine Fesseln gelöst, ihn auf ein Pferd gesetzt und ihm die Freiheit und das Leben geschenkt. Sie hat es ihm leise zugeflüstert in der Nacht, als er schon auf der Stute mehr gelegen als gesessen hat „Du musst fort, sie werden dich sonst morgen töten.“ Weit wäre er nicht gekommen, aber das hat er auch nicht gebraucht. Nur bis zu den drei roten Pfählen am Ufer des Sees, dort hat Metú auf ihn gewartet. Meist hält er dann ein kleines geschnitztes Holzpferd mit einer Öse auf dem Rücken in seiner Hand, durch die ein gelbrotes Band geknüpft ist, es ist ein genaues Gegenstück zu dem, das Metú in einem Binsenkorb durch ein Loch in der Mauer geschoben hat. Es gibt sechs davon, sie sind ein Geschenk zu seiner Geburt gewesen, sie haben an einem Band über dem Korb gehangen, in dem Tenaro als Säugling geschlafen hat.

Sie ist seit zwei Jahren wie vom Erdboden verschluckt, der entfernte Verwandte des Thain, der ihn mit Nachrichten aus Beth’narn versorgt, hat damals einen direkten Vorstoß gewagt im Haus des Heermeisters. Er hat nach ihr gefragt, das Schwesterkind des Hausherrn, er hat sie lange nicht gesehen. Der hat nur grimmig gelächelt, sie lebt nicht mehr hier, sie ist in das Haus ihres Vaters gegangen, und das liegt weit entfernt von hier. Wer das ist und wo es liegt, hat er ihm nicht gesagt, und er ist misstrauisch geworden, was geht es ihn an, den Früchtehändler von jenseits des Sees? Der Mann hat sich herausgeredet, ein Bruderkind ist bei ihm zu Besuch gewesen und hat sich vergafft in die junge Frau, er hat sie auf dem Markt gesehen, eine Verbindung mit dem Schwesterkind des Heermeisters wäre eine große Ehre für sein Haus. Nein, sie lebt nicht mehr hier, aber seine jüngste Tochter ist noch unverheiratet, die kann er gern haben. Er ist froh, wenn er sie los ist, sie ist weder hübsch noch liebreizend, nörgelt nur den ganzen Tag. Aber das Bruderkind ist leider schon wieder abgereist, also wird nichts werden aus der Verbindung. Puh, noch einmal davongekommen, und er ist inzwischen zurückgekehrt nach Beth’anu. Seine Dienerschaft ist mit ihm gegangen, die Köchin des Heermeisters muss auf ihren Liebhaber verzichten, er ist sein Stallmeister. Der kupferne Armreif mit dem blauen und weißen Glasfluss, den Metú damals in eines der Körbchen gelegt hat, stammt von der Frau, die seinen Haushalt besorgt. Ihr Mann ist in die Armee von Beth’narn gepresst worden und nicht zurückgekehrt aus der ersten Schlacht um Beth‘kalar. Sie hat den Armreif nicht gebraucht, sie wird im Haus ihres Dienstherrn besser versorgt. Sie hat keine Kinder, keine Verwandten, sie ist mit ihm gegangen, als er nach Beth’anu zurückgekehrt ist, sie besorgt auch hier seinen Haushalt. Und wärmt ab und zu sein Bett, er hat keine Hausfrau, er hat sie gebeten, ihn zu begleiten, er hat sich an sie gewöhnt. Er hat seinen Früchtehandel aufgegeben, sein Haus aufgelöst und ist zurückgekehrt in das Land, das seine Heimat ist. Und die Nachrichten, die er mitgebracht hat, haben den Thain erschauern lassen. Ihm steht ein neuer Krieg ins Haus.


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