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MR. EX

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In den traurigen alten Tagen, und ich spreche von den Sechzigern und den Siebzigern, gab es kaum echte Größen im Waffengeschäft. Nur die guten und die bösen Jungs. Also die Amerikaner und die Russen. Mit großem Abstand – und kaum zu glauben, aber wahr – kam Mexiko, das sich alle Mühe gab, Uncle Sam in den Arsch zu kriechen, während es diese Möchtegern-Diktatoren und Revolutionäre am Leben hielt. Dann gab es die europäischen Möchtegerne, die Deutschen und Österreicher und die Italiener und die verdammten Franzosen, die Munition an eine Invasionsarmee gleich östlich hinter der Seine verkauft hätten, wenn es bares Geld bedeutet hätte.

Nun, wie wir alle wissen, bieten die Vereinigten Staaten von Amerika keine Rüstungsgüter feil, nicht unsere Regierung, auf keinen Fall, genauso wie wir alle wissen, dass es keinen Krebs gibt. In den Jahren von Reagan exportierten wir etwa 100 Milliarden Dollar in Waffen pro Jahr. Ins Ausland. An unsere Freunde. Wie den Iran oder den Irak. Für eine Weile war Interarms, das kuschelig inmitten einer Reihe von Lagerhäusern am Ufer des Potomac in der Old Town von Alexandria liegt, der Waffenhändler für die sogenannte Freie Welt. Dort hatten sie stets etwas um die 700.000 Schulterwaffen und Pistolen auf Lager, und die jährlichen Verkaufszahlen beliefen sich auf zehn-, nicht selten aber auch hunderte Millionen Dollar. Interarms verkaufte die Waffen, die Interarms einem verkaufen wollte, was bedeutete, dass Interarms einem genau die Waffen verkaufte, von denen die CIA und das State Department wollten, dass man sie einem verkaufte. Aber als dann auf einmal die Israelis und die Brasilianer und, ach, wahrscheinlich sogar die Polynesier mitspielten, war das plötzlich eine ganz andere Sache. Die Waffen waren da, das Geld war da, und alles, was man brauchte, waren die Leute dazwischen, diejenigen, die die Waffen beschaffen und das Geld gegen die Waffen tauschen konnten. Vorhang auf für die Adnan Khashoggis dieser Welt, die Geschäfte mit ein paar hundert Hubschraubern hier, fünfzig Jump-Jets da und Sturmgewehren und Maschinenpistolen in die Fantastilliarden machen. Irgendjemand plant immer gerade eine Revolution oder hat einen Krieg am Laufen … oder bereitet gerade einen vor. Wir reden hier über eine Wachstumsbranche. Diese Waffengeschichte läuft noch besser als Drogen.

Und wo es den großen Wurf gibt, gibt es immer auch die kleinen Geschäfte, gibt es immer jemanden, der die kleinen Risse im apokalyptischen Straßenpflaster füllen kann. Wenn Gerald Bull seine Superkanone an die Irakis verkauft und die BNL Atlanta dabei hilft, den amerikanischen Steuerzahler die Zeche zahlen zu lassen, na ja, he, wen kümmert es dann wirklich noch, wenn in irgendeinem Nest am Arsch der Welt ein paar Panzerabwehrwaffen an die IRA verscherbelt werden?

Womit wir bei Jules Berenger wären – für Sie immer noch Mr. Berenger – und seiner UniArms, Incorporated. Meinem Arbeitgeber. Direkt hinter dem gleichen Fluss, und nach Interarms nur etwas weiter die Straße hinunter, unterhält Jules Berenger seinen Laden. Nur dass UniArms eher so etwas wie ein Werksverkauf ist, der Waffenladen für Kleinsparer. Guns R Us.

Und es ist genial: Was eignet sich besser als Tarnung für illegale Waffengeschäfte als ein legales Waffengeschäft? Der Mann hat gute Anwälte und sogar noch bessere Buchhalter, führt wohl um die sechs verschiedenen Bücher, aber er hat auch Geschäftssinn, ganz zu schweigen von Eiern in der Größe Brooklyns.

Mit der für mich üblichen Mischung aus Belustigung, Erstaunen und Ungläubigkeit folge ich CK zu dem UniArms-Lagerhaus am Hafen. Gleich um die Ecke gibt es ein Ben&Jerry's, Boutiquen, Buchläden, Künstlerecken und all die anderen Sehenswürdigkeiten für die Touristen und Leute auf Shoppingtour, die durch die beschauliche Old Town spazieren und diesen Klotz aus Stahl und Ziegeln und Aluminium mit einer Hausnummer und einem nichtssagenden Logo kaum mitbekommen. Und ganz sicher nichts davon mitbekommen, was sich in seinem Inneren abspielt. Die Laderampen gehen zur Flussseite hinaus, und wir parken unseren Wagen an der Seite und betreten das Lagerhaus in der für einen Nachmittag typischen Hektik. Kisten wandern hinein, und Kisten wandern heraus. Es stapeln sich Kisten an den Laderampen und die Außenwände entlang. Kisten fahren auf Gabelstaplern heraus und hinein, heraus und wieder hinein, und auch das Innere des Lagerhauses ist ein Irrgarten aus – wer hätte es gedacht? – Kisten. Der spärliche Rest des Betonbodens dazwischen ist vollgestopft mit Klappstühlen und Tischen und ein paar wenigen echten Menschen, die mit Klemmbrettern herumlaufen, Häkchen machen, Formulare ausfüllen und noch mehr Häkchen machen. Die Kisten selbst sind vollgepackt mit modernstem Kriegsgerät: Sturmgewehre, Maschinengewehre, Raketenwerfer, Schrotflinten, Pistolen und jeder Menge Munition. Den anderen UniArms-Komplex weiter südlich, in Richtung Richmond, kann man getrost vergessen. Hier stehen genug Waffen herum, um einen Aufstand oder sogar einen kleinen Krieg anzuzetteln. Diese kleine Stadt, diese Old Town, träumt vor sich hin, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, was für eine Masse an Kriegsmaschinerie sich in ihrer Mitte befindet. Das Lagerhaus wirkt stets seltsam ruhig und gelassen, beinahe friedlich.

Am hinteren Ende führt eine winklige Treppe zu den oberen Etagen mit noch mehr Lagerraum, dann der Buchhaltung und dann dem Loft, in dem die Geschäftsführung hausiert. Ich nicke den Jungs von der Sicherheit und ein paar Leuten auf dem Gang zur Begrüßung zu, und dann sehe ich, wer da drüben auf der Couch sitzt, neben dem Wasserspender und der Treppe:

Dumm und Dümmer, aber in cool. Und schwarz angemalt.

Der erste sitzt zurückgelehnt, ein zotteliger, kleiner Blödmann mit einem eingewachsenen Grinsen, wiegt keine sechzig Kilo, und ich schwöre: Wie aus dem Bilderbuch trägt er das Bandana eng um den Kopf gebunden, trägt ein Sweatshirt, schwarze Jogginghosen, die Goldketten und hat diesen schläfrigen Blick und die Hand zwischen den Beinen, hält sich die Eier wie einer von diesen Gangster-Rappern – Ice Pick, Ice Dick oder was für Namen die sich immer geben. Der andere ist unsichtbar. Er ist da, aber man kann ihn nicht sehen. Man will die ganze Zeit immer nur den anderen Kerl ansehen, und man muss sich auf ihn konzentrieren, muss mit den Augen an ihm kleben bleiben und darf sich nicht ablenken lassen. Er trägt dunkle Klamotten, unauffällige Tarnkleidung für Städte. Seine Baseballkappe hat er sich tief ins Gesicht gezogen, sodass die Krempe direkt auf der Sonnenbrille aufliegt, und er hat diese langen, wollenen Dreadlock-Dinger als Frisur und ein mürrisches Lächeln. Der kleinere von beiden ist so dunkel wie Schokolade, aber der hier ist beinahe schon vanillefarben. Völlig regungslos sitzt er da. Seine Hände liegen ordentlich verschränkt in seinem Schoß, und ich weiß, dass er eine Knarre dabeihat, und ich weiß auch, dass er keine Sekunde zögern würde, sie auch zu benutzen.

CK nickt ihnen zu, und der kleinere von ihnen nickt zurück.

Oh-oh, sage ich leise und gedehnt zu Renny Two Hand. Oh-oh.

Dann sind wir an ihnen vorbei und traben die Treppe hinauf, wo Lukas sich uns anschließt. Von hier oben hat man einen schönen Ausblick auf den Potomac, und da sind ein paar Anzugträger, die herumstehen und sich den Kopf zerbrechen über Rechnungen oder Außenstände oder woher sie den nächsten Becher Kaffee kriegen sollen. Sie sehen uns auf diese seltsame Art an, während wir an ihnen vorbeischlendern. Ich habe diese Buchhalter nie verstanden, aber das ist okay, denn die verstehen mich auch nicht.

Jules, das heißt, Mr. Berenger, hat sein Büro hinter der Tür am anderen Ende der Halle, der Tür mit den Milchglasfenstern und der Aufschrift EXECUTIVE OFFICES, und wem das Fenster noch nicht genügt, dem sage ich Folgendes:

Er ist ein Executive. Tatsächlich ist er in allem ein Ex-Irgendwas: Ex-Militär, Ex-Anwalt, Ex-Häftling, Ex-Ehemann. Er hat zwanzig Jahre dafür gebraucht, aber am Ende hat er seine Nische gefunden. Er leitet UniArms jetzt seit den späten Siebzigern, und das Leben hat ihn gut behandelt. Sollte es auch. Denn er ist immerhin auf Gold gestoßen.

So wie ich ist auch Jules ein Geschäftsmann. Und er kümmert sich um sein Geschäft.

Der Mann ist klein, gebaut wie eine Ziegelwand, er hat grobe, aber auch irgendwie sanfte Gesichtszüge, mit denen er aussieht wie der Großvater von irgendjemandem, obwohl ich nicht glaube, dass er einer ist. Oder es zumindest nicht hoffe. Manchmal bewegen sich nur seine Augen, wie graues Eis, das hin und her huscht. Dahinter passiert eine Menge, unentwegt, der Mann spinnt mehr Winkelzüge als ein Sack voller Anwälte. Ich nehme mir vor, kein Sterbenswort zu sagen, wenn wir erst einmal in seinem Büro sind. Einfach nur hinsetzen und schauen, was passiert.

Jules ist sechzig Jahre alt, und wie die meisten Männer in seinem Alter sieht er auch genauso aus, egal, was er dagegen tut. Er hat ein Haarteil, ist an den Augen und am Kinn ein wenig geliftet, aber sieht immer noch wie sechzig aus. Benimmt sich auch so. Was bedeutet, dass er hinter allem und jedem herjagt, das einen Rock trägt.

Tja, man mag heutzutage nicht mehr allzu viel für sein Geld kriegen, aber zumindest kann man damit noch anständig einen wegstecken. Und was das angeht, macht Jules das Beste aus seinem Geld. Als ich bei ihm anfing, hatte er diese Blondine namens Megan. Die hatte von nichts eine Ahnung, aber Junge-Junge, hatte die einen Kürbishintern. Dann war da Sherry, doch die fuhr Jules BMW zu Schrott, und das war's dann, und dann dieses Gerät von einer Japanerin, Yuki oder Yoko oder wie sie hieß, mit der er etwa einen Monat zusammen war. Dann kam Connie, die Kurse in Massagetherapie an einem Community College nahm, und jetzt ist da Sally, die Raumausstattungen für Hotels oder so macht, aber die meiste Zeit einfach nur da ist. Diese Sally ist nicht einfach nur gut gebaut, die wurde eigens konstruiert. Der Körper von Fisher, das Gesicht von Mary Kay. Ob sie gut aussieht? Dieses Baby sieht aus wie aus der Fernsehwerbung.

CK klopft an die Glasscheibe, und eine Stimme von drinnen ruft: Noch eine Minute.

CK sieht mich an, und ich sehe CK an, und CK sieht wieder mich an, und dann geht die Tür auf und diese Anzugträger kommen heraus, im Gänsemarsch, drei von ihnen. Sie würdigen mich keines Blickes, und ich sie auch nicht, und dann sind wir auch schon drin.

Hi, Jules, sage ich. Gut siehst du aus. Um ehrlich zu sein sieht er so aus, als würde er dringend Urlaub brauchen. Und außerdem um die dreißig Pfund und dieses Haarteil loswerden, das aussieht wie etwas, das eine Katze aus der Gosse gezogen hat. Aber hey, er ist der Boss. Und wie mein Onkel Mort immer zu sagen pflegte: Wenn man nichts Nettes über jemanden sagen kann, hält man besser seine verdammte Klappe.

CK lässt seinen Hintern auf einen dieser gepolsterten Stühle fallen, Mackie the Lackie ebenso, was bedeutet, dass Lukas und Two Hand und ich stehen müssen. Niemand, und damit meine ich wirklich niemand außer dem Mädchen, darf sich auf den Diwan setzen.

Für eine ganze Weile herrscht Schweigen. Jules spricht als Erster, so lautet die Regel, und deshalb stehen wir manchmal nur dumm wie die Kellner herum, während er noch telefoniert oder Akten sortiert oder an sich selber herumspielt. Nicht schlecht, wenn man nach Stunden bezahlt wird. Schließlich, und es hat eine kleine Ewigkeit bis zu diesem Schließlich gedauert, sieht er von seinem Schreibtisch auf, als wären wir gerade erst zur Tür hereingekommen und sagt:

Siehst nicht allzu gut aus, Lane. Tatsächlich siehst du so aus, als würdest du einen langen Urlaub gebrauchen können.

Danke, Sir.

Wir haben ein paar kleinere Angelegenheiten auf der Tagesordnung, und dann kommen wir zum Geschäft. Fangen wir mit dem Safari Guns an, dem Laden draußen in Annandale. Die Buchhaltung sagt, dass die Zahlen jetzt passen. Gute Arbeit, Lane. Aber beim nächsten Mal etwas weniger Drama, okay?

Ich nicke so ernst wie möglich.

Okay, was ist mit diesem Kazanian-Deal? Der Greek Gourmet? Diese Fladenbrot-Typen?

Womit jemand anderes an der Reihe wäre, in die Scheiße zu latschen.

Lukas macht auf cool und tritt einen Schritt vor: Hab den Laden überprüft, wie von Ihnen gewünscht, Mr. Berenger. Die sind sauber.

Dieser Lukas ist ein mieses Stück Scheiße und ein mieser Schauspieler obendrein. Macht seinen Job nicht anständig, findet dann aber immer jemanden, der den Kopf für ihn hinhalten muss. Aber das wird heute nicht passieren.

Ich warte, bis Jules ansetzt: Okay, ich habe hier–

Und dann lasse ich Lukas auflaufen:

Sicher, Lukas? Ich meine, wenn du dir sicher bist, dann okay, aber weißt du was? Ich bin heute Mittag dort vorbeigefahren, das dritte Mal in den letzten zwei Wochen, und ich werd' dir sagen, was ich gemacht habe. Ich hab mich hingesetzt, das habe ich gemacht. Ich hab mich hingesetzt und die Gäste gezählt. Eine halbe Stunde lang. Um die Mittagszeit, wohl gemerkt, und in der Zeit gingen sechzehn Leute rein und raus. Sechzehn Leute in dreißig Minuten. Mit Ach und Krach servieren die fünfzig Mittagessen pro Tag, vielleicht noch mal fünfzig Abendessen. Und jetzt verrate mir eines, Lukas: Was macht ein Laden von der Größe mit vier, fünf oder sechs Fleischlieferungen pro Woche? Wofür brauchen die die ganzen Laster, die da rein- und rausfahren, rein und raus?

Lukas ist verloren. Er steht mitten im Wald und ist verloren. Schließlich sagt er: Ich hab mit den Leuten geredet, Mr. Berenger. Ich habe mit ihnen geredet. Lukas klingt angepisst, er ist sauer auf mich, nicht auf sie. Das ist sein Problem, und das sollte er besser schnell in den Griff kriegen.

Ich sage zu ihm:

Die haben da was am Laufen, Kumpel. Die knallen deine Frau und deinen Hund, und du merkst es noch nicht einmal.

Okay, okay, sagt Jules. Ich habe genug gehört. Lukas, du bewegst deinen Arsch hier raus–

Warte mal, Jules, sage ich zu ihm. Ich kann mich darum kümmern–

Er sieht mich noch nicht einmal an.

Lukas, sagt er, ich will, dass du deinen Arsch jetzt hier raus schwingst und den Laden hochnimmst, und das Ganze am besten gestern noch, haben wir uns verstanden?

Jules–

Der Mann ist nicht taub. Er hört nur einfach nicht zu.

Okay, sagt er. Eine Sache noch.

Jetzt endlich spricht er mit mir.

Die Philly-Lieferung. Die gibst du an Trey Costa ab.

Kein Ding, sage ich und lasse meine Schultern in meinem Anzug kreisen. Es wird langsam warm hier drin. Ein wenig zu warm. Also frage ich ihn frei heraus: Was haben wir hier, Jules?

Jules sieht Lukas an. Verschwinde, sagt er. Lukas versucht ein Lächeln, zieht sich eilig zur Tür zurück, und dann ist er auch schon Geschichte.

Jules sieht CK an. Du hast es ihm erzählt, CK. Stimmt doch, oder? Du hast ihm davon erzählt?

CK nickt.

Jules dreht sich zu mir und sagt: Er hat es dir erzählt.

Er hat mir so gut wie gar nichts erzählt, antworte ich. Er hat mir gesagt, wo, nämlich New York, aber genauso gut hätte er auch Rhode Island sagen können. Er hat mir gesagt, wann, nämlich an diesem Wochenende. Das sind ein paar Stunden. Er hat mir gesagt, mit wem, womit wir bei irgendwas um die zwanzig Millionen Leute wären. Obwohl er Nigger erwähnt hat, was die Anzahl halbieren dürfte. Ich wusste nicht, dass wir wieder Deals mit Gangs abwickeln, Jules. Dachte, aus dem Geschäft wären wir raus. Dachte, dass einen solche Aktionen für den Rest des Lebens hinter Gitter bringen können. Möglicherweise beißen auch ein paar Leute ins Gras.

Möglicherweise, sagt er. Deshalb sollst du mit auf Tour. Um sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert.

Wer kommt noch mit?

Du kriegst Mr. James. Er redet über Two Hand, als wäre der gar nicht anwesend.

Ich sehe zu Renny. Ihm wird nicht gefallen, was er gleich hören wird, aber es ist die Wahrheit:

Wenn sie wirklich ein paar Schläger dabeihaben wollen, wird der Junge allein nicht genügen, Jules.

Das weiß ich, sagt er und kneift die Augen zusammen. Wie ein aufgeblasenes Ferkel. Wenn du mir jetzt endlich zuhören würdest? Ich habe mich um die Sache gekümmert. Und mit diesen Worten zuckt er mit seinem Kopf kurz in Richtung Tür.

Die beiden Typen auf der Couch?

Es gibt nichts weiter zu sagen. Jules beginnt wieder damit, herumzusuchen, zieht die Schubladen seines Schreibtischs auf, wühlt darin auf der Suche nach Streichhölzern herum, die er nicht findet, für Zigaretten, die er nicht rauchen kann. Nach einer Weile fördert er sein Lieblingsspielzeug zutage, das Barlow-Messer, und er sagt: Das ist nicht dein Problem.

Diese Typen sind unsere Verstärkung, und du willst mir erzählen, dass das nicht mein Problem ist?

Es ist nicht dein Problem. Das ist Mr. Kruikshanks Geschäft. Hast du ein Problem damit, CK?

Alle Köpfe drehen sich zu ihm und seinem Psycho-Lächeln um, direkt aus einer Zahnpasta-Werbung:

Kein Problem.

Gut, sagt Jules. Jedenfalls – diese Typen sind knallhart. So hart wie Stein.

Sicher doch, sage ich. Die sehen mir schon knallhart aus, wie der Fels von Gibraltar. Hast du die Hosen von dem kleinen Kerl gesehen? Bilde ich mir das nur ein oder hingen die ihm vom Arsch? Jetzt rede Klartext mit mir, Jules. Spar dir die Schönfärberei, ich will harte Fakten. Ich will wissen, wer und wie, und was mich mich wirklich brennend interessiert ist … warum?

Und dann geht das Schauspiel los. Jules hält die Spitze des Barlow-Messers nach unten. Dann rammt er es direkt in die Tischfläche des Famous-Schreibtischs, eines von diesen antiken Chippendale-Dingern, muss ihn zwanzig Riesen gekostet haben, und fängt an herumzuschnitzen. Säbelt ein großes Stück Mahagoni heraus. Besieht sich sein Werk, als wäre er ein Künstler vor einer Leinwand. Atmet tief aus. Dann:

Was machst du mit dem Geld, das ich dir gebe, Lane? Du gibst es aus, oder?

Ich nicke.

Legst du auch mal etwas beiseite?

Du meinst, auf eine Bank?

Genau, sagt er. Auf eine Bank. Oder in Aktien.

Die Bank, erkläre ich ihm. Sparbuch. Girokonto. Und ein Rentensparer.

Was ist mit Aktien?

Nope.

Er bedenkt mich mit seinem Du-Arschloch-Kopfschütteln. Dann macht er sich wieder an seinem Famous-Schreibtisch zu schaffen. Dieses Mal eine Delle an der Seite.

Ich werd' dir mal was über Geldanlagen verraten, sagt er. Wenn man sein Geld an der Börse wie beim Lotto anlegt, dann verliert man. Nun, vielleicht hat man hier und da mal einen Glückstreffer, aber darum geht es bei Aktien nicht. Klar, billig einkaufen, teuer verkaufen, aber das klappt nicht oft genug, um ganz vorn mitzuspielen. Worum es eigentlich geht, ist die lange Distanz. Was bedeutet: Die Gewinner sind diejenigen, die wissen, wie man den verdammten Tiger reiten muss.

Man muss dabeibleiben, und wenn man dabeibleibt, muss man streuen. Das ist das ganze Geheimnis. Also, ich handle natürlich mit Aktien, und im Moment spiele ich mit diesen bekloppten Biotech-Geschichten herum. Wer weiß, vielleicht erfinden die in einer dieser affenmordenden Denkfabriken ja ein Heilmittel gegen AIDS und ich werde reicher als ein Saudi. Aber das ist nur eine Nebenwette, die mache ich zum Spaß.

Die, mit denen ich gewinne, mein Freund, sind die, die man unter Diversifikation versteht. Ein breit gestreutes Portfolio. Ich habe Paramount. Ich habe U.S Steel, Glaxo. Ich habe Lockheed Martin; Scheiße, Mann, die stehen aktuell bei fünfundvierzig Dollar, aber ich wette, dass die in drei Jahren wieder ihre hundert Dollar wert sind. Bell Atlantic. Sogar ein paar fragwürdige internationale Sachen. Ich habe Geld in Gold angelegt, in Termingeschäfte, in Kommunalobligationen.

Und es hat einen Grund, wieso ich dir das erzähle, Lane.

Schon klar, sage ich. Glasklar, Jules. Nach allen Seiten absichern. Streuen. Du willst mir also erzählen, dass die beiden Schmuddelkinder da draußen Paramount Pictures sind?

Okay, vielleicht bin ich damit etwas zu weit gegangen. Jules zieht das Messer aus dem Schreibtisch und hält mir die Spitze entgegen.

Setz dich hin und halt die Klappe.

Jules, ich–

Setz dich hin, setz dich genau dort auf den Diwan und halt deine verdammte Klappe.

Ich tue, was der Mann mir sagt. Als ob ich eine Alternative hätte.

Was wir dort draußen haben, ob es dir nun gefällt oder nicht, ist Geld, erklärt er mir. Bare Münze. Das ganz große Geld.

Jules, setze ich an. Nicht falsch verstehen, okay? Aber was wir da draußen haben, sind ein paar Typen, die so viel Geld haben, dass sie ihre Klamotten vom Grabbeltisch kaufen müssen. Was sind das überhaupt für Kerle?

Er antwortet nicht, wirft mir einfach nur diesen leeren Blick zu, und dann trifft es mich wie ein Blitz.

Nein, Jules.

Aber sein Blick sagt alles: Doch, doch, doch.

Oh, Scheiße. Ich springe von dem Diwan. U Street?

Renny Two Hand klinkt sich mit ein, und der Junge hat echt Eier, muss man ihm lassen, und sagt: Nicht die U Street Crew, Mr. Berenger.

Sag es, Jules, fordere ich ihn auf. Sag es: Nein, auf keinen Fall.

Seine zusammengepressten Lippen sagen alles. Es ist die U Street, alles klar. USC. Dann wiederholt er noch einmal seine letzten Worte.

Das ganz große Geld.

Der Raum scheint gefährlich Schlagseite zu bekommen.

In Ordnung, sage ich. Alles klar, Jules. Das ganz große Geld, verstehe. Drogengeld. Bandengeld. Verdammt heißes Geld.

Aber wie sollen wir–?, fängt Renny an zu fragen.

Dann unterbricht er sich, denn niemand beachtet ihn. Er verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich gegen die Wand. Ich bin wieder dran.

Wie viele?

Also, der Boden schwankt definitiv.

Wie viele, Jules?

Die beiden, sagt er. Und noch ein paar mehr. Ihr trefft euch in New York. Das ist keine große Sache, Lane. Das ist ein Kinderspiel. Das ist sicheres Geld auf der Bank. Und sie werden dafür sorgen.

Dann–

Jetzt hör mir gut zu. Der kleinere von beiden, der mit dem Lappen auf dem Kopf? Das ist DeJuan Wilkes. Du wirst ihn Juan E. nennen. Oder Lil D. Noch besser wäre es, wenn du ihn Mr. Wilkes nennst. Er ist Doctor D's Halbbruder.

Oh Scheiße, sage ich genauso zu mir selbst wie zu ihm, und dann fügt Jules hinzu:

Der andere aber, der bedeutet Ärger.

Der andere? Wenn der erste der Halbbruder von D.C.'s selbst ernanntem König der Straße ist, Deacon Bailey, Doctor D – und das D für Death steht – wie kann dann der andere Ärger bedeuten?

Der Gelbe ist der echte Gangster von beiden. Erinnerst du dich an den First Union Raub?

Natürlich erinnere ich mich an den Bankraub in der First Union. So wie die meisten Leute, die in oder um die Hauptstadt herum leben. Blutbäder vergisst man nicht so leicht. Besonders die von der Sorte, die von den Sicherheitskameras in Farbe aufgenommen und mindestens eine ganze Woche lang bei CNN zu sehen waren. Als der First Union Raub vorbei war, belief sich die Zahl der Toten auf zwei Wachleute, einen Kassierer, einen Kunden und einen armen Teufel, der zufällig draußen auf der Straße vorbeilief, um mit seinem Hund Gassi zu gehen. Zwei Täter in Skimasken, einer mit einer MP40, der andere mit einer Mossberg Pumpgun bewaffnet, stürmten am helllichten Tag eine Filiale der First Union Bank unweit des Capitol Buildings und buchten unerlaubt eine Summe von 40.000 Dollar ab. Bei der Verfolgungsjagd danach erwischte die D.C. Police einen von ihnen, ganze vierundsiebzig Mal sogar, ausgehend von dem, was von seinem durchlöcherten Impala am Ende noch übrig war. Der andere entkam.

Und jetzt will Jules mir erzählen, dass genau der direkt da draußen vor unserer Tür sitzt.

Wenn der loslegt, Gentlemen, solltet ihr besser nicht in seiner Nähe sein. Aber das wird nicht passieren, oder? Hab ich recht, Lane? CK?

Nein, Sir, verspricht CK ihm. Ich meine, ja, Sir, das wird nicht passieren.

Jules nickt ihm gelangweilt zu, als wären das alles die Nachrichten von gestern.

Okay, dann mach du dich schon mal mit unseren neuen Geschäftspartnern bekannt. Ansonsten wäre es das. Außer für dich, Lane. Wir müssen uns unterhalten. Also … Gentlemen?

Die Party ist vorbei. CK und die restlichen Jungs sind entlassen, und Jules ist der Meinung, dass es für heute reicht mit dem Herumschnitzen. Er starrt auf die Klinge hinunter, mit der die Welt in zwei Teile geschnitten werden kann. Dann räumt er das Messer weg, kommt zu mir herüber und macht die Arm-über-die-Schultern-Nummer.

Burdon, sagt er.

Du warst immer ein guter Soldat.

Und im Moment brauche ich einen Soldaten.

Einen guten Soldaten, sagt er.

Die Worte sind das eine. Wie er sie sagt, etwas anderes. Sie sind so verlogen wie der Kuss einer Hure. Aber ich höre ihm zu und versuche auch so auszusehen, als ob ich ihm zuhöre, und dann beginnt es mir zu dämmern.

Wie alle guten Zuhälter und Dealer hat die U Street Crew zweifellos jede Menge Kohle, aber das Geld ist schmutzig, und was brauchen sie am dringendsten? Waffen.

Also hat Jules Doctor D einen Deal vorgeschlagen: Nicht nur für Waffen, sondern für Waffen und einen kleinen Geldwäsche-Service … mehr Waffen und noch mehr Geld. Sauberes Geld. Er nimmt ein paar von Doctor D's Soldaten mit auf die Reise nach Norden, um die Käufer, diese New Yorker Brüder, die sich selbst die 9 Bravos nennen, auf Abstand zu halten. Die Bravos interessiert das nicht, und es macht ihnen auch keine Angst. Aber wenn irgendetwas schieflaufen und einer der U Street Crew draufgehen sollte, dann haben die sich einen Krieg eingehandelt. Was bedeutet, dass Jules für lau Schutz bekommen wird.

Ein kleiner, feiner Plan.

Aber andererseits auch etwas zu viel von einem Plan für einen Deal, der eigentlich ein Routinejob sein soll.

Wir sind schon fast an der Tür, da sagt Jules noch: Ich seh dich dann bei der Hochzeit.

Das kommt wie aus dem heiteren Himmel, und ich weiß nicht, was er meint. Also frage ich:

Welche Hochzeit?

Am Sonntag?, sagt er.

Und dann fällt es mir wieder ein. Die Einladung. Zur Hochzeit. Seine Tochter, seine einzige Tochter. Meredith, die auf dem Foto, das er auf seinem Schreibtisch stehen hat. Sie wird am Sonntag heiraten, und Jules hat das große Los gezogen: Sie heiratet den Sohn eines Senators.

Ich werde da sein, sage ich. Das will ich auf keinen Fall verpassen.

Als Jules mich hinausgeleitet, zieht er mich noch einmal für eine ungelenke Umarmung heran und sagt:

Burdon Lane, du bist mein Jagdhund, Sohn. Du würdest niemals den falschen Baum anbellen, oder?

Ich kriege so langsam das Gefühl, dass ich ein Kind bin, das gerade zu seinem ersten Schultag geschickt wird.

Dann fang jetzt auch nicht damit an, sagt er.

RUN - Sein letzter Deal

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