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EIN WEITERER MORGEN DANACH

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Wie hast du geschlafen?, fragt mich Mom.

Wie ein Stein, sage ich. Es ist beinahe Neun, und ich arbeite mich durch die Küchenschränke auf der Suche nach Kaffee und Kopfschmerztabletten.

Hattest du wieder diese Träume? Diese Albträume?

Dieses Mal nicht, sage ich. Ein Wunder, was acht oder zehn Flaschen Bud Light für deine Träume tun können. Mein Schlaf war wie eine Kreidetafel – mit grauen Schlieren und ansonsten leer. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich meine Hosen auf den Boden fallen lasse und mit dem Gesicht voran ins Bett falle. Aber vielleicht habe ich noch Fiona geküsst.

Gute Nacht, sagte ich. Vielleicht zu Fiona, nach dem Kuss. Definitiv zu Mom, als ich am letzten Schrank ankomme.

Du trinkst wieder. Eine Beobachtung, nicht sonderlich verurteilend, kein Tss-Tss, oh Mann, bitte hör damit auf. Nur eine freundliche Erinnerung. Aber eine von der Sorte, die dich trotzdem packt.

Stimmt, antworte ich in Gedanken. Man sollte den Anflug von Verärgerung wegstecken können. Man sollte über das nachdenken, was die Leute sagen, und weniger über den Auslöser, warum sie es gesagt haben. Oder so in der Art. Hab ich mal im Radio gehört.

Ich finde den löslichen Kaffee, aber nicht die Kopfschmerztabletten. Ich mache mir eine Tasse mit Wasser in der Mikrowelle warm und rühre den Kaffee ein. Dann kaue ich trocken ein paar Dexedrine.

Mom zwinkert nicht mal. Tut sie nie.

Das ist ein ziemlich hübsches Foto, ein Schnappschuss, aufgenommen bei einem meiner Cousins bei einem Familientreffen oder einer Hochzeit, vielleicht war es auch eine Beerdigung, keine Ahnung. Ich hab mich an so was nie beteiligt, als Mom noch lebte, und jetzt gehe ich da auch nicht hin. Vielleicht, weil ich nicht in einem Foto auf dem Kaminsims von jemandem enden will. Ein seltsamer Schatten prangt unter ihrem Kinn, aber es ist trotzdem hübsch. Sie lächelt, und das gefällt mir.

LIMIT FÜR HANDFEUERWAFFEN IN VIRGINIA KAUM NOCH AUFZUHALTEN, heißt es in der Zeitung. Aber erst auf Seite drei. Um dorthin zu gelangen, musste ich etwas über die neue Einkommenssteuererhöhung lesen, die neue Benzinsteuer, die neue Zigarettensteuer, die Erhöhung der Leitzinsen und die neuen Toten drüben in D.C., allein dreizehn in den letzten vierundzwanzig Stunden. Reverend Gideon Parks hat zu einer Gebetswache auf den Stufen des Lincoln Memorials aufgerufen, aber der Bürgermeister will keine Gebete, er will mehr Cops. Ich habe die erste Tasse Kaffee intus und nehme mir die zweite vor, als Fiona hereinspaziert kommt, ein Paar High Heels auf den Boden fallen lässt und hineinsteigt, während sie sich die ganze Zeit über mit einer Bürste durch ihr langes und lockiges Haar fährt.

Hi, Mom, sagt sie, was mich daran erinnert, dass es nicht wirklich normal ist, Gespräche mit einem Foto zu führen.

Und was sieht sie heute Morgen wieder heiß aus. Seidenbluse. Diese Jeans, die ihren Hintern in Form bringt, und sie hat auch wieder diesen Trick mit dem Eyeliner gemacht.

Ihr Name ist Ellen. So nennt sie so gut wie jeder, der sie kennt, obwohl hin und wieder eine ihrer Freundinnen Elfie zu ihr sagt.

Ich nenne sie Fiona. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht mag ich den Namen einfach.

Sie hat erdig-braune Augen und dieses kleine Lächeln, das einem sagt, dass sie dich genau kennt. Und das tut sie. Sie sieht in allem gut aus und nackt noch besser.

Ich habe meine Tage, sagt sie.

Was antwortet man da? Tut mir leid? Glückwunsch? Also trinke ich einfach weiter meinen Kaffee.

Ich sagte–

Hab dich schon gehört, sage ich.

Sie wirft die Bürste weg, schnappt sich ihre Handtasche und die Autoschlüssel von der Resopalplatte, gibt mir einen dicken Schmatz auf die Stirn und erinnert mich daran, den Abwasch zu machen und dass wir kaum noch Milch haben.

Mach's gut, sagt sie dann.

Es ist Donnerstag, die letzte Woche im April. Fiona arbeitet montags, dienstags, donnerstags und freitags im Vachon Hair Salon in Rosslyn, direkt hinter dem Fluss. Sie macht Maniküre und Nageldesigns. Freitags hört sie mittags auf zu arbeiten und ist erst Sonntag wieder zuhause, gerade rechtzeitig für 60 Minutes. Ich hab keine Ahnung, was sie so treibt, wenn sie nicht da ist. Sie hat es mir nie erzählt, und ich hab nie gefragt. So lebt es sich leichter.

Einmal bin ich ihr gefolgt. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war. Langeweile wahrscheinlich oder eines dieser Männlichkeitsdinge: Besitzdenken, Revier, meins, meins, meins. Ich lieh mir einen Firmenwagen, einen heruntergekommenen Kombi der noch unauffälliger war als Dreck, und folgte ihrem silbernen CRX und dem JAZZERCISE-Stoßstangenaufkleber den ganzen Weg bis zur Schnellstraße auf die Chain Bridge. An dem Punkt fühlte ich mich wie ein lausiger Idiot und bog an der Tyson Corner auf die Route 123 ab, fuhr zu Bloomingdales und kaufte ihr Parfüm, eine kleine Flasche Cartier Panthére, die über hundert Kröten kostete. Sich von Scham freizukaufen ist nicht ganz billig.

Ich erzähle ihr nichts von meinen Geheimnissen, also wieso sollte sie mir ihre erzählen? So etwas muss in beide Richtungen funktionieren oder es funktioniert gar nicht.

An jenem Sonntagabend, während Morley Safer versuchte, sich vernünftig mit einem Flüchtling aus Afghanistan zu unterhalten, gab ich ihr das Parfüm, und sie sagte, dass das nicht nötig gewesen wäre, aber sie lächelte.

Fiona lächelt viel. Sie ist die fröhlichste Person, die ich kenne. Ihre Stimme ist wie Whiskey, rau und sanft gleichermaßen. Wie ihre Küsse.

Wenn ich nachts aufwache, umarmt sie mich manchmal.

RUN - Sein letzter Deal

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