Читать книгу Wenn die Faust des Universums zuschlägt - Dr. med. Johannes Wimmer - Страница 7
Solotrip
13. August 2019, tagsüber
ОглавлениеWieder in Paris. Ich sitze frühmorgens in der Metro neben Pendlern mit müden Augen. In meiner Sakkotasche ein kleiner Zettel mit einem Zeitplan. Denn ich habe nur bis abends Zeit, um den Verlobungsring zu besorgen und die besonders schönen Orte, an denen ich wenige Wochen zuvor mit Clara war, noch einmal aufzusuchen. So wie morgens oft das Parfüm von Clara noch in der Wohnung zu erahnen ist, auch wenn sie schon längst das Haus verlassen hat, spüre ich ihre Nähe, obwohl sie gar nicht mit dabei ist.
Mein Weg führt mich vorbei an dem kleinen Kiosk, wo der ältere Mann wieder Jazzmusik hört. Ich kaufe eine Zeitung und gehe zu unserem Bistro. Die Morgenluft ist noch kühl. Während ich an »unserem« Platz meine Zeitung aufschlage und den ersten Schluck des köstlichen Kaffees nehme, wandert die Sonne auch schon über die Häuserzargen zu den Tischen auf dem Gehweg.
Mit einem Blick auf die Uhr versichere ich mich, dass ich gut in der Zeit liege. Der Termin beim Juwelier ist für 10 Uhr ausgemacht. In Gedanken bin ich den Weg vom Bistro zu dem Laden so oft abgegangen, dass ich genau weiß, wann es Zeit zu zahlen ist.
Beim Juwelier erwartet man mich bereits. Die Verkäuferin überreicht mir den Ring, den ich ausgesucht habe, Gold mit einem großen Diamanten und vielen kleinen Steinen besetzt, in einer Box, eingepackt in Büttenpapier und mit einer Seidenschleife umschlungen. Eine große Papiertüte mit der Aufschrift des Juweliers steht auch schon bereit. Vielleicht trägt man in Paris ein solches Schmuckstück auf diese Weise nach Hause, die Vorfreude auf den Moment mit der Liebsten unverkennbar für alle Passanten. Ich frage jedoch nach einem kleinen Stoffbeutel, in dem ich den Ring sicher in der Innentasche meines Sakkos verschwinden lassen kann. Denn ich habe noch einen weiten Weg vor mir, wenn ich alles schaffen will, was ich mir für heute vorgenommen habe.
Kurz darauf verlasse ich das Geschäft, sause die letzten Stufen der nahe gelegenen Metrostation hinunter, um die Bahn gerade noch zu erwischen, bevor sich die Türen schließen. Online habe ich ein Ticket für eines der vielen wundervollen Museen der Stadt gebucht, um mir eine neue Ausstellung anzusehen. Danach statte ich der Notre-Dame einen Besuch ab, die vor gar nicht langer Zeit so sehr von dem wütenden Feuer in Mitleidenschaft genommen wurde. Mittags mache ich in einem kleinen Restaurant halt, das ganz versteckt in einem alten Innenhof liegt. Die kleinen Tische sind, wie kann es anders sein, um einen knorrigen Olivenbaum gruppiert. Aber anders als im Bistro versinkt man hier regelrecht in den Kissen der Sessel und Bänke. Ich bestelle mir etwas, das ich bei unserem gemeinsamen Besuch nicht geschafft hatte zu essen, und sauge die Gesprächskulisse der französischen Stimmen um mich herum auf.
Immer wieder mal schaue ich neben mich und sehe Clara vor mir, ihren wachen Blick, die funkelnden Augen und ihr Lächeln, als ich ihr vorschlug, einen Verlobungsring auszusuchen. Es ist schön, den Tag mit ihr zu genießen, auch wenn sie gar nicht live dabei ist. Ich war nicht so, bis ich Clara kennenlernte. Früher konnte ich Ruhe und Entspannung nur schwer aushalten. Vielleicht bin ich ja so gern ein Entertainer, weil ich schon als Kind gelernt habe, damit die stillen Momente zu überspielen, aus Angst davor, dass unangenehme oder traurige Themen hochkommen. Diese innere Verpflichtung, die Stimmung kontrollieren zu müssen, ist ziemlich anstrengend und kostet viel Energie. Seit Clara an meiner Seite ist, bin ich viel entspannter. Sie ist für mich wie eine Art Neuanfang. So einen spontanen Solotrip hätte ich früher nie gemacht. Auch wenn ich oft spürte, dass ich etwas in meinem Leben verändern wollte, gelingt es mir erst mit Clara, mich neu kennenzulernen und der echte Johannes zu sein.
Wie es ihr wohl gerade geht? Vermutlich gut, denn sie ist überglücklich, ein Kind zu bekommen, das auch mein Kind sein wird. Ich habe bereits zwei wunderbare Töchter aus erster Ehe. Damals war ich allerdings gerade mal Ende zwanzig und setzte mich unter großen Druck, um ein schönes Familienleben zu bauen. Jetzt mit Ende dreißig noch einmal Vater zu werden, ist wie das Sahnehäubchen auf einem köstlichen Erdbeerkuchen. Denn dieses Kind wird bereits in ein sicheres Familienleben geboren. Die Vorfreude fühlt sich leichter an, ich kann das alles mehr genießen. Das Geschenk, das mir das Leben gerade macht, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.