Читать книгу Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1 - Dr. Phil. Monika Eichenauer - Страница 10
ОглавлениеDer Keese’sche Capitalism
Ich gehe dem Keese’schen Gedanken – Kapitalismus sei etwas völlig anderes als Capitalism und nicht schlecht, sondern gut – noch etwas nach: Da, wo Keese die Freiheit vermutet, nämlich im Kern des Kapitalismus, ist sie bedauerlicherweise nicht. Er zitiert das Schlüsselerlebnis von Amartya Sen, der das Buch „Development as Freedom“ (1999) schrieb und 1998 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurde. In der Sen’schen Erzählung wird ein armer Mann in den Unruhen in Dhaka niedergestochen.
„Sen gab ihm Wasser und holte Hilfe; seine Eltern brachten Mia ins Krankenhaus, wo er kurz drauf starb. Was der Mann ihm zugeflüstert hatte, konnte Sen nie vergessen: Seine Frau hatte ihn gewarnt, während der Unruhen arbeiten zu gehen, Mia blieb jedoch keine Wahl, er brauchte das Geld., Dieses Erlebnis hatte eine niederschmetternde Wirkung auf mich’, schrieb Sen., Die Strafe für seine wirtschaftliche Unfreiheit war der Tod. Wirtschaftliche Unfreiheit kann zur Brutstätte für soziale Unfreiheit werden, so wie auch soziale und politische Unfreiheit ihrerseits wirtschaftliche Unfreiheit befördern können.’“ (Keese, 2004, S. 113 f.)
Ich deute mal, der Satz ist nicht als Aufforderung zur Revolution zu verstehen: nämlich, dass Menschen selbstbestimmt und frei sein oder werden sollten. Noch ist das Entsetzen Sen’s als Entrüstung darüber zuverstehen, dass es eigentlich nicht angeht, dass einige Menschen über unvorstellbar viel Geld, das sie in Kapital umwandeln können, und andere an Hunger sterben oder aus Druck, das Geld zum Leben verdienen zu müssen! Noch scheint er so zu verstehen, dass arme Menschen dafür sorgen sollten, nicht in Abhängigkeit und Armut ihr Leben zu fristen. Also, eine Revolution wollte Sen nicht ausrufen. Der Schluss von Sen, „Hätte’ste Geld gehabt, sprich, wärst du wirtschaftlich unabhängig gewesen, wäre dir das nicht passiert!“ ist gleichfalls nicht zu ziehen. Denn selbst Geld schützt Menschen heutzutage nicht vor Kapitalverbrechen, Krieg, Unfällen im Verkehr, sozialen Unruhen oder sonstigem. Sen gab den Menschen Mikrokredite, damit sie sich wirtschaftlich frei schwimmen können – sie blieben dennoch in Abhängigkeiten stecken. Es ging in der obigen Aussage nicht im Kern um Freiheit und Unabhängigkeit, die es zu erlangen gilt. Es ging darum, den Menschen etwas in ihrer Not zu geben, damit sie ruhig und nicht sozial unruhig bleiben. Mit Beschäftigung sind sie ruhig. Die Aussage des Satzes ist darüber hinaus so zu verstehen, als sei der arme Mann mit dem Tod gestraft worden, weil er wirtschaftlich unfrei war, d.h., weil er trotz der Unruhen zur Arbeit gegangen ist! D.h., die Schuld an seinem wirtschaftlichen Zustand wird ihm selbst zugerechnet: Er hat sich den Tod selbst zuzuschreiben. Hier fehlt politische Verantwortungsübernahme. Menschen und ihr Wohl sind nicht wichtig! Im obigen Beispiel gehen Täter frei aus, werden als solche gar nicht erst benannt: Es sind eben Unruhen in der Stadt – vermutlich aufgrund sozialer Konflikte! Die Opfer sind selber schuld, wenn sie sich auf den Weg zur Arbeit machen! Das muss man mal den Deutschen lehren, zuhause zu bleiben, wenn sie krank sind – denn sie schleppen sich mit Tabletten gespickt in die Betriebe, um Arbeit nicht zu verlieren.
Christoph Keese schließt nun etwas völlig anderes aus dem obigen Satz:
„Bei Kapitalismus geht es im Kern nicht um Geld, sondern um Freiheit. Erst wenn die Hauptursachen von Unfreiheit verschwinden – Armut, Despotismus, sozialer Notstand, Intoleranz –, entwickelt sich die Menschheit weiter. “ (Keese, 2004, S. 114). Ich glaube, ich kann für einen Großteil der Bevölkerung sprechen, wenn ich sage:
„Wir haben nichts gegen Freiheit. Und wir wissen, dass man sich mit Geld Freiheiten erkaufen kann – das war schon immer so. Bitte sorgen Sie dafür, dass wir diese Voraussetzungen bekommen, Herr Keese. Weiter wüsste ich gern, was denn die Hauptursachen für Unfreiheit, Despotismus, sozialer Notstand, Armut und Intoleranz sind!“
Denn bei Kapitalismus geht es im Kern um Abhängigkeitsverhältnisse, in denen diejenigen stecken, die besitzlos sind – Besitzende hatten schon immer Freiheiten. Deshalb ist der Kern des Kapitalismus auch nicht mit Freiheit gleichzusetzen. Oder soll es in Deutschland nur darum gehen, dass man Oben die Freiheit hat, mit Unten machen zu können, was man will? Oder soll, auf unsere demokratische Grundordnung bezogen, das Sprichwort „Sie wissen doch, die Kinder von Schustern gehen immer barfuss“ greifen? Sollen wir also in einer Demokratie ohne Demokratie leben und „Demokratie für Oben“ verwirklichen, damit Oben weiterhin gut schlafen werden kann? Frei nach dem Motto: Machen wir Geschäfte mit dem „Guten“ (Vgl. Marcus Rohwetter, 20.12.2006, S. 21) und erweitern es auf: Machen wir uns schön gut in der Öffentlichkeit, aber Hauptsache, wir müssen uns nicht ändern – spenden wir ein wenig Geld, dann bleibt alles wie es ist.
Wie man sieht, legt das kapitalistische Wirtschaftssystem auch Inhalte und Definitionen der demokratischen Grundordnung fest: Geld bedeutet Freiheit. Damit ist Freiheit in Deutschland in direkte Beziehung zu Kapital gesetzt, die Menschen mittels Besitzverhältnisse in Freie und Unfreie, Unabhängige und Abhängige spaltet und existenziell festbindet.
Wo ist da die Freiheit? Zum Beispiel die Freiheit, den Beruf ausüben zu können, den Menschen erlernt haben? Diese Freiheit gibt es nicht, weil diese Freiheit davon abhängt, ob „der Markt“, sprich das Kapital, diesen Berufsstand braucht. Aber es kam besser in Deutschland: Man wollte den Menschen die Freiheit erhalten, ggf. tätig werden zu können, statt zu Hause Däumchen zu drehen. 1-Euro-Jobs waren die Antwort auf die Frage, „was sollen wir arbeiten?“ Aber selbst der 1-Euro-Jober besitzt nicht die Freiheit, zu entscheiden, ob Menschen tätig werden wollen oder nicht. Die Jobs werden eingesetzt, um zu prüfen, ob Arbeitsmotivation bei Menschen vorhanden ist. Wenn nicht, gibt es keine Angebote für weitergehende Arbeitsmaßnahmen. Diese Freiheit ist also auch zu streichen. Dann folgt die Freiheit, die eigene Kraft und Lebenszeit irgendwo, wo sie gebraucht wird, einzusetzen, weil Menschen Geld brauchen, um in diesem System leben zu können. Also müssen sie abwägen, auf welche Freiheit sie verzichten. Am Ende verzichten die so aus dem freien Markt Ausgekehrten auf jeglichen Job, weil die Stundenlöhne dermaßen gesunken sind, dass es sich in unserem Sozialsystem nicht lohnt, arbeiten zu gehen.{1} Wollen sich Hartz-IV-Empfänger dennoch Geld hinzuverdienen, um ihre Familien nicht völlig absacken zu lassen, wird ihnen das Hinzuverdiente angerechnet und abgezogen. Gehen sie schwarzarbeiten, bekommen sie moralisch die rote Karte. Was, so lässt sich fragen, können Menschen tun, um aus dieser Situation heraus zu arbeiten? Menschen werden gleich dem Vorbild von Oben (ob in der Realität oder in Filmen) immer trickreicher versuchen, Vorteile zu ihren Gunsten auszuspähen. Sie fangen nicht selten in mies bezahlten oder durch Verkaufserfolg definierten Jobs an, andere Menschen über den Tisch zu ziehen und verzichten ihrerseits auf Moral und Ethik. Warum auch nicht – so tief wie sie im Leben bereits gefallen sind, lassen sich auch noch Reste von Anstand und Würde ruckzug ausmerzen. Hauptsache, auch bei ihnen, ebenso wie Oben, stimmt die Kasse, wenn auch in völlig anderen Dimensionen. Vorbilder von Menschen in führenden Positionen gibt es für diesen Verfall genügend. Zusätzlich gibt es noch genügend Menschen, die noch nicht mit allen Wassern gewaschen wurden und die kann man sich ja mal für gewisse Geschäftsabschlüsse zur Brust nehmen. Wen juckt in solchen Existenzkämpfen schon Moral und Ethik, wenn es um das tägliche Leben geht? In Kairo sind bereits acht Menschen beim Kampf um das tägliche, durch den Staat subventionierte Brot ums Leben gekommen. Existenzielle Not bringt zum Vorschein, womit man sich nicht gern beschäftigen möchte. Bei hungrigen und armen Menschen kommt Gleichgültigkeit, lieber das eigene Leben (Manager das fremde Leben) einzusetzen und möglicherweise in Kämpfen zu sterben, aber erst an dem Punkt zum Vorschein, wo sie drohen, zu verhungern: Jahre später, 2011 im Februar, ist das alte System gestürzt. Bei Managern ist dieser Grad an Gleichgültigkeit und moralisch-ethischer Verfehlung Menschen gegenüber Voraussetzung, um einen solchen Posten überhaupt zu bekommen. Sie gehen mit ihrem Blick und ihrer Haltung ebenso an Menschen vorbei, wie hungrige Menschen, die Brot sehen und haben wollen, ohne zu schauen, wer sonst noch links und rechts steht und das gleiche will, wie sie selbst.
Trotz oder besser wegen der vielen „Gutschreibungen“ von Kapitalismus und Kapitalisten, Geldbesitzern und ihren freiwilligen, selbst gezimmerten Lobbyisten – werfen Sie doch mal einen Blick in die Promiwelt – sei hier nochmals klargestellt: Der Kern des Kapitalismus ist nicht Freiheit, sondern Profit und bedeutet für besitzlose Menschen lebenslange existenzielle Abhängigkeit. Insofern ist nicht zu philosophieren, was Kapitalismus ist: er ist ablesbar in Stadtvierteln, an Menschen und an ihren medizinischen Werten und dem, was sie an Bildung bekommen und was sie seelisch zu erleben haben und psychisch abzuwehren. Denn Geld in den Händen von Kapitalisten schafft kapitalistische Voraussetzungen, um kapitalistische Freiheiten zu bekommen und zu erhalten – unter dieser Voraussetzung kann man sich Freiheiten gönnen und sich politische Freiheiten einer öffentlichen Meinung einräumen – ohne direkt Angst haben zu müssen, man könnte reglementiert werden. Weder beinhaltet der Kern des Kapitalismus allgemein und für alle Menschen Freiheit, noch kann Freiheit als futuristisches Emblem für eine hehre Zukunft, in der alle Menschen Freiheit genießen, dem Kapitalismus aufgedrückt werden. Niemand ist frei im Kapitalismus. Freiheit hieße, Menschen könnten unter Berücksichtigung und im Sinne ihres menschlichen Wesens leben, ihre Fähigkeit erschöpfend, und dabei gesund bleibend, ausbilden. Kommunikation stünde im Dienst des Selbsterhaltes und nicht im Dienste fremder Interessen. Es würde zu weit führen, den Keese’schen Gedanken philosophisch auszuleuchten und in sozialpolitisch aussagekräftige Rahmen zu setzen. Christoph Keese bezeichnet mit „Freiheit“, was vielmehr mit Unabhängigkeit, also dem von Sen verwendeten Begriff für diesen wirtschaftlichen Umstand, zu bezeichnen ist. Sen differenziert politische Systeme und Wirtschaftssysteme im Sinne von Entwicklungsmöglichkeiten, größere Freiheiten für viele Menschen in einem Land zu verwirklichen – Menschen werden in der Folge in unterschiedlichem Ausmaß Freiheiten für sich verwirklichen oder nicht. Sen spricht in diesem Zusammenhang von „Verwirklichungschancen“ (capabilities). Als politisches System hebt er die Demokratie hervor, da sie die größten Verwirklichungschancen seiner Meinung nach bieten. Aber er differenziert: „Demokratie ist kein automatisch wirkendes Heilmittel, wie Chinin das angezeigte Medikament bei Malaria ist. Die von ihr gebotenen Chancen müssen ergriffen werden, um die gewünschte Wirkung hervorzubringen. Selbstverständlich gilt das für alle Grundrechte, vieles hängt davon ab, wie sie wahrgenommen werden.“ Ohne nun den Sen’schen Standpunkt weiter auszubreiten, sei dennoch gesagt, dass Herr Sen den freien Zugang zum Markt, um Arbeitskraft anzubieten und „Waren“ (seien es Geschenke oder Arbeitskraft) auszutauschen, als eine Voraussetzung zur Entwicklung von mehr Freiheit versteht – er kämpft gegen feudalistische Strukturen, die diesen freien und selbstverständlichen Zugang verhindern. In der Demokratie sieht Sen größere Entwicklungen für Freiheit, aufgrund der Ausweitung von Entwicklungschancen. Armut bietet keine, oder nur geringe, Verwirklichungschancen und fördert Ungleichheit. Auch die unterschiedlichen Modelle von Mikrokrediten bieten nicht die Chancen auf Freiheit und Unabhängigkeit, wie anfänglich geglaubt. Im Januar 2011 wurde über die Medien mitgeteilt, dass Menschen sich umbrachten, weil sie keine Möglichkeiten sahen, die Rückzahlung der Kredite zu bewerkstelligen.
Soweit Sen 200 Jahre an Erfahrung hinter der kapitalistischen Entwicklung in Europa hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Entwicklung zurückliegt – sage ich mit allem mir zur Verfügung stehendem fachlichem Nichtwissen, aber mit Gefühlswissen – ergeben sich in der Reflexion des Entwicklungskonzeptes Sen’s für arme Länder und des heutigen Spätkapitalismus in Form der Globalisierung Parallelen:
Armut – Ungleichheit – Unfreiheit.
Damit ergeben sich auf dem Strang der Existenz betrachtet, gleiche Inhalte für die Menschen in Deutschland/Europa wie in Indien oder China. Armut wird zum politisch lukrativen Wirtschaftsfaktor und Machtmittel.
Hier schließt sich dann der Kreis aller humanistischen und politischen Bemühungen, Menschen sich entwickeln zu lassen, Freiheiten zu geben, mehr Unabhängigkeit einzuräumen – diese Freiheiten können auch schnell wieder genommen werden, wie wir in Deutschland erleben: Auch wenn im Grundgesetz das Recht auf Arbeit festgeschrieben ist. Wenn die Basis der Wirtschaft und damit die Existenz eines Landes auf Ungleichheit aufgebaut sind – und Ungleichheit bildet durch Besitzende und Besitzlose die Voraussetzung im Kapitalismus – werden diejenigen, die Macht in Händen haben, auch die Armut als Quelle für Profit nutzen. Armut ist für die Wirtschaft schon seit langem als Profitfaktor einkalkuliert, um nicht zu sagen: Sie kennzeichnet den Beginn, die Wurzel des Kapitalismus. Damit wäre der Kapitalismus wieder an seinen Anfang zurückgekehrt und kann nun aber nicht mehr aussteigen, sondern nur noch absteigen: Denn er kann die Ausgangsbedingung der Ungleichheit der Besitz- und Kapitalverhältnisse weiterhin nicht mehr steigern, und muss, um dennoch Gewinnzuwachs verzeichnen zu können, Menschen in dieser Spirale in die existenzielle Tiefe führen. Die Höhe ist ab- und ausgeschöpft. Die Besitzverhältnisse werden durch den Kapitalismus konserviert – der Kapitalismus hat kein Interesse an existenziellem Wohlergehen und Freiheit der Einzelnen und Vielen: Damit würde letztendlich das kapitalistische System bedroht. (Natürlich gibt es in diesem Bereich Schamprozesse, die entsprechend ihrer Natur zu verheimlichen sind und demgemäß verformt in ihrer Erscheinung im öffentlichen Leben mittels Verkehrung auf Menschen einwirken: immerhin leben in der Bundesrepublik Deutschland 82 Millionen Menschen! Insofern ist einmal mehr dokumentiert, wie mächtig Psychologie, Geist und Ideologie sind.) Denn Erhalt dessen, was an Produkten bereits bei den Menschen, die sie kauften, also da sind, interessiert den Kapitalismus nicht: Er will ständig das gerade Geborene, Produzierte und Verkaufte wieder zerstören, um Neues auf den Markt zu bringen. Erhalt dessen, was da ist, ist langweilig, bringt (nicht genügend), eben zu wenig Gewinn. Teile des Menschen (Arbeitskraft) wurden und werden zum Zweck, zum Material, mit dem sich eben kapitalistisch arbeiten lässt.
Aus der Gestalttherapie ist der Gedanke, wenn man einen Teil verändert, verändert sich das Ganze, hier zutreffend, wie ich mich im vorliegenden Buch bemühe, darzulegen: Kapitalismus verändert „das Ganze“ durch Zerstörung dessen, was da ist, vorhanden ist, gerade produziert und/oder lebendig ist. Opferung ist eine Folge von Abhängigkeit.
Jetzt ist es der ganze Mensch – der bereits durch ökonomische Prozesse in sich zerstückelt ist – der gesetzlich festgelegt in Reformen und ökonomisierten Abrechnungsziffern der Gesundheitswirtschaft, nochmals seiner Ganzheit, Achtung und Würde beraubt wird – auch wenn diese Entwicklung bereits vor Jahrzehnten einsetzte, war es dennoch bisher nicht so, dass Wettbewerbsstrukturen im Gesundheitswesen in der Art, wie sie jetzt ersonnen und eingesetzt werden, existiert hätten. Auch hier gäbe es einen Gedanken aus der Gestalttherapie, der da heißt: Das Ganze ist mehr als seine Teile. Dieser Grundsatz, bezogen auf den Menschen, zielt auf die Seele. Die Seele ist das letzte, worauf Menschen zurückgreifen können, wenn sie sich in Notlagen befinden. Sie gilt es zu schützen. Diese Freiheit sollte jeder Mensche haben – aber selbst diese Freiheit ist äußerst schwierig zu verwirklichen. Weil Menschen bereits im Kern, in ihrer Seele, getroffen sind. So weit zur Freiheit oder besser Unfreiheit, von dem das vorliegende Buch gleichfalls generell handelt.
Noch einmal zurück zu dem von Christoph Keese zitierten Beispiel aus dem Erleben Sen’s, das geradezu als Beleg für das Gegenteil zu verstehen ist: Der Mann ging zur Arbeit, weil er das Geld zum Leben, für seine Existenz brauchte – und nicht, weil er die Freiheit zur Wahl hatte, wie er den Tag verbringen möchte! (Das ist im Übrigen in Deutschland nicht anders, als in Indien.) Denn das Gegenteil von Unabhängigkeit ist Abhängigkeit. Unabhängigkeit geht nämlich nicht unmittelbar mit ökonomischer Freiheit einher. Die Demokratie in Deutschland zeigt: Noch sind die Bürger durchaus als „frei“ zu bezeichnen, aber sie sind abhängig von der Erwirtschaftung ihrer existenziellen Grundlagen und von den politischen Entscheidungen im Sinne der Wirtschaft in der Demokratie. Bürger werden an zig Stellen gezwungen, sich selbst offen zu legen, alles zu zeigen und mitzuteilen, was sie haben und was sie nicht haben, damit auch noch ein vermeintlicher Rest, der bisher nicht „offiziell“ benannt und mitgeteilt war, entweder dazu dienen kann, Profit zu machen (Zusatz-Versicherungen bei den Krankenkassen) und/oder Steuern einzuziehen. Darüber hinaus werden Bürger durchleuchtet und abgehört (Anti-Terror-Gesetze).
Auch insofern benennt Sen die Zusammenhänge genau, wenn man einen kurzen Blick in das Buch wirft, was hier nun aber nicht ausgeweitet und zitiert werden soll. Sen scheint bewusster zu sein, was Kapitalismus ist, als Christoph Keese, der im Spätkapitalismus lebt. Aber das ist kein Wunder: Es entspricht dem Spruch, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Der Kern des Kapitalismus ist durch Spaltung in Besitzende und Besitzlose zu beschreiben – dieses Verhältnis der Spaltung nistet sich mit weit reichenden Konsequenzen in die menschliche Psyche ein und entfremdet den Menschen von sich selbst wie von anderen Menschen, wie Marx es in seinen Analysen darlegte. In anderen Worten: Die Notwendigkeit des Verkaufs der Arbeitskraft wird gefolgt von tief greifenden Entfremdungsprozessen. Derjenige, der Geld besitzt, kann sich Freiheiten kaufen, besitzt diese Freiheit, besitzt diese Unabhängigkeit in Form von Geld. Aber selbst er, der Kapitalist, ist nicht wirklich frei. Noch weniger frei im umfassenden Sinne sind Arbeiter, Angestellte oder kurz Besitzlose.
Der Unterschied liegt im Ausmaß der bestehenden Abhängigkeit! Dennoch ist der Preis für beide hoch: Der Geldbesitzer hat seine Seele bereits verkauft, und der abhängig Arbeitende soll sie immer weiter verkaufen (müssen), indem er den gleichen Prinzipien frönt – obgleich er keine wirkliche Wahl hat, sie abzulehnen. Auf glamourösen Spendenpartys bemüht sich der seelenlose Geldbesitzer, gesellschaftlich eine gute Figur zu machen und so zu bezeugen, dass auch er eine Seele hat.
An dieser Stelle sollte endlich Karl Marx zu Wort kommen, um die Keese’sche Interpretation von Freiheit gerade zu rücken:
„Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört, es liegt also in der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.“ (Marx, Karl, 1959, S. 873)
Marx zeigt die Gründe auf, weshalb das Individuum nicht frei ist. Er bezeichnet dies als Entfremdung und in der Konsequenz aus dem Privateigentum resultierend:
„Der einzige Zusammenhang, in dem sie [die Arbeiter] noch mit den Produktivkräften und mit ihrer eigenen Existenz stehen, die Arbeit, hat bei ihnen allen Schein der Selbstbestätigung verloren und erhält ihr Leben nur, indem sie es verkümmert.“ (MEW, I.5., 1972, S. 5)
Diese Marx’sche Aussage besitzt in unserer gesellschaftlichen Gegenwart eine nie geahnte Aktualität und Brisanz durch die Zweiklassengesellschaft und die für sie notwendig einzuführenden Armuts- und Verarmungsprogramme. Wie ausgeführt, führt der Kapitalismus der Gegenwart nicht mehr ins Reich der Freiheit, die, wie Marx schreibt, jenseits des notwendig zu erarbeitenden liegt, sondern geradezu in die Unfreiheit, in die Armut hinein!
Während früher galt: Je mehr Arbeiter und Angestellte ein Produktionszweig hat, desto mehr kann produziert werden, desto größer wird der Mehrwert und – nach Abzug aller Kosten – der Gewinn des Unternehmers. Heute hingegen wird der Gewinn größer, je weniger Arbeiter und Angestellte notwendig und desto billiger sie sind. Sind weitere Entlassungen nicht möglich, wird als nächstes über die Verlagerung der Standorte in so genannte Billigländer nachgedacht. Stich- und Codewort: Globalisierung. Damit verrät die Wirtschaft die eigene Kultur, das eigene Land. Der Staat, also die sinkende Zahl der heimischen Steuerzahler, also wir, müssen die abgewanderten Steuergelder und die für die Armen und Verarmten notwendigen Unterhaltszahlen mittels Steuern leisten und ausgleichen.
Konsequenterweise mutiert nun der Staat selbst zum Unternehmer. Sein Plan ist, einen kompletten, bislang selbstständig tätigen Berufszweig, den Ärzte- und Psychotherapeutenstand, ebenfalls in die demokratisch-kapitalistische Politik der Abhängigkeiten einzupflegen: Allerdings nicht, damit Kranke gesünder werden und Gesunde gesund bleiben, sondern um – als guter Unternehmer – Gewinne gemeinsam mit der privaten Wirtschaft im Gesundheitsmarkt zu erwirtschaften. Ärzte/Psychotherapeuten und Patienten sind ebenso Mittel zum Zweck wie generell der Bürger im Kapitalismus. Alle sollen sie hinsichtlich ihrer Existenz, ob nun materiell oder gesundheitlich – vom Staat und der (Gesundheits-)Wirtschaft abhängig sein, werden und bleiben.
Karl Marx definiert Arbeit generell „als Bildnerin von Gebrauchswerten“. Als nützliche Arbeit sei die Arbeit „eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln“. (Karl Marx: MEW 23, S. 58; Block M.E.)
Menschen werden also immer auf die eine oder andere Art arbeiten – je nach Technologiestand und moralisch-ethischer Haltung. Wird die Art und Weise der Produktion einfacher und werden nicht mehr so viele Menschen im Produktionsprozess gebraucht, folgt daraus, dass Menschen weniger Zeit im Reich der Notwendigkeit verbringen müssen:
„Die Freiheit in diesem Gebiet“, so Karl Marx, „kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann. Die Verkürzung des Arbeitstages ist Grundbedingung.“
(Marx, Karl 1959, S. 873f.)
Folglich sind wir in einem Stadium des Kapitalismus angelangt, in dem wir frei werden könn(t)en – und es politisch in gewissem Sinne auch schon sind –, um nicht nur ausschließlich der Notwendigkeit der Arbeit nachgehen zu müssen:
In den letzten Jahrzehnten haben Menschen erlebt, dass sie insgesamt mehr Freizeit hatten und sich kulturell etwas mehr leisten konnten, als sie zum unmittelbaren monatlichen Überleben brauchten. Dies bedeutete nichts anderes, als dass Freiheit eine Folge von reduziert zu erfüllenden Notwendigkeiten in dieser Zeit war. Eine Notwendigkeit ist es, Geld zu verdienen, zu erwirtschaften und damit kann man zu einer Teilfreiheit gelangen, zur Selbstverwirklichung seiner individuellen Natur, wie Marx mitteilt: nach Feierabend. Arbeitszeiten wurden reduziert, Rentenalter vorverlegt – Menschen hatten Zugang zu Bildung und Ausbildung von individuellen Fähigkeiten in Beruf und Freizeit. Sie konnten Vorlieben nachgehen. Aber es führte nicht grundsätzlich zur Veränderung der bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse. Die Zeit wurde in den letzten Jahren wieder zurückgedreht: Arbeiter und Angestellte wurden entlassen und beziehen Hartz-IV. Das Rentenalter soll wieder angehoben werden, und zwar auf 67 Jahre! Der Mittelständler, Menschen, die wirtschaftliche und existenzielle Risiken auf sich genommen hatten, um selbstständig wirtschaftlich tätig zu werden, wurden nach und nach reduziert, um die Basis für eine Zweiklassengesellschaft zu verdichten. Steuergesetze ergänzten, was die Wirtschaft allein nicht schaffte: Der Mittelstand wurde immer kleiner. Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten zählen ebenfalls zu den Menschen, denen der dünne berufliche Ast gekürzt und abgesägt wurde und wird.
Fazit: „Wahre“, aber dennoch eingeschränkte Unabhängigkeit entspringt im Kapitalismus offenbar dem Besitz von Geld oder aber den Voraussetzungen, angemessen leben zu können. Von Lebensmittelproduktion und grundsätzlichen Lebensbedingungen her gesehen, könnten Menschen auf der Welt in Frieden und mit Dach über dem Kopf und genügend Nahrungsmittel leben – wäre da nicht das Ziel, um jeden Preis Gewinne machen zu wollen..... Allein die Umschreibung „eingeschränkte Unabhängigkeit“ verweist auf Spaltung und Paralyse, die sich dann in Menschen fortsetzt: Im Kapitalismus ist kein Mensch gänzlich frei – es gibt immer einen Haken, an dem er hängt.
Die innere Einstellung, die ein Mensch in seiner kulturellen Zeit entwickelt, um sich Freiheiten zu verschaffen, ist begrenzt. Natürlich könnte man persönlich sagen, genauso wie andere Menschen auch: Ich habe die Freiheit, meine Arbeit niederzulegen und Hartz-IV zu beziehen – bevor jedoch Bezüge monatlich überwiesen werden, werden sämtliche Sparbücher und Wertgegenstände staatlich verrechnet, die übrigen Familienangehörigen durchforstet, ob es da niemanden gibt, der das monatliche Hartz-IV-Salär zahlen könnte. Dass kein Mensch in Deutschland freiwillig auf diesen Weg möchte, unterstelle ich einmal. Wie begreift der Einzelne sich selbst, das Leben und das Leben anderer, bleibt humanistische Orientierung, die noch zu erfüllen bleibt. Aber die benannte Einschränkung, „ohne Moos nichts los“, bleibt bis in alle kapitalistische Ewigkeit die gleiche. Dann werden Menschen auch krank oder gehen unter bedrohlichen Umständen zur Arbeit, um ihre Miete bezahlen zu können. Dann sind wir mitten in feudalistische Strukturen zurückgekehrt, von denen Sen differenziert berichtet und Christoph Keese sie falsch auffasst und missdeutet.
Die Betreiber des Kapitalismus, die Geldbesitzer, sind jahrzehnte-, jahrhundertelang immer um den eigentlichen Kern des Kapitalismus herumgeschlichen. Aus Angst vor seinem alles Menschliche ausschließenden Wesen, an dessen Eiseskälte die Finger und grundsätzlich Freiheit kleben bleiben; man muss schon einiges aufwenden, um sie wieder loszueisen und seine Seele nicht völlig zu verkaufen. Über Folgen und Bedeutung des Kapitalismus sollte, wenn überhaupt nur mit größter Sorgfalt, Vorsicht und Umsicht gesprochen, berichtet und wenn überhaupt, diskutiert werden. Als besser erwies es sich, zu politisieren, Folgen als Meinungen und Interpretationen darzustellen, statt als unbequeme Wahrheiten.
Viele Menschen sind an dieser Aufgabe, sei es als Unternehmer oder Manager oder Bürger, diesem kapitalistischen Kern zu entkommen, zerschellt. Die Furcht der Kapitalisten vor einer öffentlichen Aufdeckung dieser Abgründe ähnelt der des Neurotikers, der davor zurückschreckt, sich mit dem Inhalt seines Konfliktes gefühlsmäßig auseinanderzusetzen.
Lieber lebt man mit dem Übel – „so lange es geht.“ Kapitalisten werden innerlich zerrissen, schließlich möchten sie so gut sein, wie jeder andere Mensch auch (zum Beispiel Sen), tun „ihr Bestes“ und wollen „nur das Beste.“ Und da hakt es: Sie wollen immer das Beste – das haben Menschen auch immer gegeben. Doch sie sind enttäuscht worden. Tausch- bzw. der Gegenwert stimm(t)en einfach so nicht.
Die erkenntnis- und erlebnismäßig wertvolle Kur für Besitzende könnte also in einer Demokratie lauten: Rollentausch mit Angestellten, Arbeitern und den arbeitslos Gewordenen, Armen und Verarmenden – kurz, die Lebensumstände der breiten Masse fühlen und die Not verstehen und Vorschläge zur Verbesserung ersinnen. Dann bitte, auf dem Hitergrund dieser Erfahrung, einen Aufsatz zum Thema „Die Freiheit im Kapitalismus“ oder „Das Gute im Kapitalismus für die breite Bevölkerung“ schreiben und veröffentlichen.
Illusionen fallen weg, Tatsachen bleiben übrig. Es muss neu geordnet werden und zwar unter Einbeziehung von Würde und Achtung von Mensch, Tier und Natur. Geordnet werden muss der Mehrwert – soweit jemanden etwas anderes einfällt, wäre ich überrascht. Weiter muss es „normal“ werden, über Kapitalismus haarklein zu sprechen, damit jeder Mensch Zusammenhänge und deren Zwangsläufigkeiten für Leib und Leben nachvollziehen kann.
Man kann nichts dagegen haben, wenn Kapitalisten erfolgreich sind. Aber es muss geschaut werden a) unter welchen Umständen Erfolg erzielt wird und b) zu welchen Lasten c) mit welchen Konsequenzen und d) wie die nicht mehr für den Produktionsprozess tätig werden müssenden Menschen zu Geld kommen, sprich, sich Freiheiten gönnen können.
In Deutschland heißt das System Hartz-IV, das Überleben sichern soll – ob es Freiheiten bringt, und ob es gesund für Psyche und Seele ist, so berechnet zu leben, darf nach zig öffentlichen Diskussionen getrost 2011 verneint werden.
Wenn Kapitalisten sich natürlich für standortunabhängig und staatenlos erklären, ist das ein schwieriges Unterfangen. Man müsste also feststellen und erfragen – schließlich müssen sie irgendwo leben – welchem Land sie sich zugehörig erachten und sie dann verpflichten, auch dort ihre Gewinne zu versteuern bzw. in welcher Form auch immer mit der arbeitslosen Bevölkerung zu teilen. Das wäre Bekenntnis.
Doch bisher baut die Wirtschaft Achtung und Würde von Menschen in beschämend hoher Geschwindigkeit und mit nachhaltigen Folgen in alle Richtungen ab – statt mit Verantwortungsbewusstsein mittels Geld klar Stellung zu beziehen, wo und wie viel man bereit ist abzutreten, damit die sozialpolitischen Konsequenzen des Globalisierungsprozesses gestoppt werden. Die Kapitalisten benötigen ein neues Bewusstsein, dass ihnen Ehre einträgt, wenn sie kapitalträchtig den jetzt Armen zur Seite springen: Aber ohne an ihre Projekte zu schreiben, „alles meins“. Diese Art von Besitzdenken muss aufhören.
Zu verzeichnen ist hingegen ein evolutionär erbärmliches Ergebnis für jene Menschen, die primär aus wirtschaftlicher und politischer Macht handeln: steigende Gewinne auf Kosten zunehmender Verarmung und Perspektivlosigkeit in der Bevölkerung gereicht zu keines Menschen Ehre. Und das, obwohl es Möglichkeiten der Existenzsicherung, Nahrung und Wohnraum für alle gäbe, ohne dass Kapitalisten finanziell verarmten. Beispiele hierfür erübrigen sich aufgrund der steigenden Zahlen von Milliardären. Selbst der „Ärmste“ ist Milliardär. (New York): „Der am wenigsten Reiche auf der Liste hat 1,3 Milliarden Dollar Privatvermögen. Wie das Wirtschaftsmagazin, Forbes’ in seiner gestern veröffentlichten Ausgabe aufzeigt, häuften die 400 reichsten US-Amerikaner im Jahre 2006 23 Prozent mehr an als 2005. Zusammen besitzen sie 1,5 Billionen Dollar. Ganz vorn: Bill Gates mit 59 Milliarden Dollar.“ Frau Illner sprach von einem großen Anstieg von Billiardären in einer ihrer Sendungen (2007). So eine Zuwachsrate ist wohl noch nie zuvor auf der Welt verzeichnet worden. Leider konnte ich im Internet bei einer Recherche entsprechende Quellen nicht finden – aber ich habe das stenographische Protokoll des österreichischen Nationalrates der Republik Österreich vom 12. November 1997 gefunden, in der Herr Mana Rauch-Kallat (OVP) im Rahmen seiner Rede zur außenpolitischen Budgetbeschlussfassung das Folgende mitteilt:
„Zur Ökonomie der Lebensbedingungen. Der Armutsbericht 1997 der Vereinten Nationen zeigt ganz klar, daß die Ausrottung der Armut ein erreichbares und auch finanzierbares Projekt ist und daß etliche Länder darin bereits große Fortschritte gemacht haben. So haben zum Beispiel China und 14 andere Länder in weniger als 20 Jahren die Armut um die Hälfte reduzieren können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist daher ein Skandal, daß auf der einen Seite der Reichtum zunimmt, daß die Zahl der Milliardäre und Billiardäre im Steigen ist – so ist etwa die Zahl der Billiardäre von 1989 bis 1996 von 157 auf 447 angestiegen –, während auf der anderen Seite die Armut tatsächlich erschreckend zunimmt. Das gilt es zu bekämpfen! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als bedrohlich empfinde ich auch die Zunahme der Armut in Osteuropa. So hat zwischen 1989 und 1997 die Armut in Osteuropa um 25 Prozent zugenommen. Es sind dort Entwicklungen wie in Lateinamerika zu beobachten. Ich denke, die Menschen in Osteuropa haben sich von der freien Marktwirtschaft etwas anderes erwartet. Sie haben sich vor allem fairere Lebensbedingungen erwartet.“ (Quelle: Stenographisches Protokoll: 97. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich/XX. Gesetzgebungsperiode, Mittwoch, 12. November 1997, im Internet unter dem Stichwort: Milliardäre).
Frau Illner sprach jedoch von einer sehr viel höheren Steigerungsrate zwischen 2003 bis 2007 – also einem, vergleichsweise, kürzeren Zeitraum als dem von Herrn Mana Rauch-Kallat genannten. Es wäre schön, wenn Journalisten, die Zugang zu diesem Material haben, dies auf die Titelseite der Zeitungen setzen würden: Die Kehrseite der Armut und Verarmung – die weltweite Zunahme der Billiardäre.
Soweit zu dem Thema, wie gut der Kern des Kapitalismus ist und wem er Freiheiten gewährt. Die Freiheit zum Profit ist verbrieft. Der Zwang des Erhaltes des Mehrwertes und der Anreiz zur Steigerung der Profitrate aufgrund der Zunahme des weltweiten Konkurrenzdrucks (Globalisierung) im Kapitalismus vertieft die Kluft zwischen den beiden Klassen der Besitzlosen und Besitzenden. Welche Freiheit haben die abhängigen Menschen dann noch tatsächlich? Welche Freiheiten nehmen sich dann Kapitalisten?
Krönung des verantwortungslosen kapitalistischen Regierens ist jedoch die Abschaffung von Heilung und Heilungsprinzipien im Gesundheitswesen zugunsten eines weiteren kapitalistischen Wirtschaftszweiges. Damit kann der deutsche unternehmerische Gesundheitsmarkt in den Stand Patienten und Behandler vermarkten und gleichzeitig international tätig werden zu können. Der inländische Kapitalismus floriert und wird gestärkt und die Produkte können ins Ausland verkauft werden: Noch besser! Und das alles vor dem Hintergrund, je kränker, desto besser für den Markt.{2} Dieses Vorgehen verstößt gegen jeden Anstand, gegen jede Würde, gegen jede Menschlichkeit. Und genau das ist „Capitalism.“ Die Menschen haben nicht die Freiheit zu wählen, ob sie das möchten oder nicht – sie müssen sehen, dass sie damit klar kommen. Die Frage, wie sie damit klar kommen liegt dann in ihrer einsamen eigenen und leeren Hand.
Man fragt sich, ob Christoph Keese noch zu retten ist, davon zu schreiben, dass die Besitzlosen den Kapitalismus retten sollen? Womit denn? Sie haben nichts zu bieten, was dieser kapitalistische Markt noch von ihnen haben will! Menschen sind bereits restlos ausverkauft, verschuldet und versinken Tag für Tag weiter in Armut. Sie sind finanziell und gesundheitlich entkräftet. Aber, er hat insofern Recht, als dass er die Haltung der Wirtschaft und die der Politiker Ende 2004 mit dem Titel seines Buches „Rettet den Kapitalismus“ als Appell an die Bürger für die aktuelle Politik vorweg genommen hat. Das lässt sich nun 2008 feststellen. Er hätte nur die Nuancen etwas anders drapieren sollen, etwa so:
„Liebe Bürger, die Wirtschaft wird schweigen zu den Schulden und Verlusten, die sie im Land und Ausland angerichtet hat und die Politiker werden von Ihren Steuern diese Verluste bezahlen. Sie müssen sich damit abfinden, dass Sie Jahr für Jahr weniger von Ihrem Geld einkaufen können und zusätzlich, dass Sie immer weniger Lohn verdienen werden. Seien Sie froh, wenn Sie noch Arbeit haben und so den Kapitalismus retten können, in dem Sie auf Lohnforderungen verzichten. Dafür wird es dem Kapital und den Managern dann gestattet sein, in der Weltrangliste der Millionäre mitzuspielen: Wer hat die meisten Millionäre im ganzen Land? Das muss doch nationales Ziel sein! Also, helfen auch Sie mit, unseren Kapitalismus zu retten!“
Keese hätte in diesem Falle den Titel seines Buches klarer fassen sollen: „Vorsicht, Sie müssen den Kapitlaismus retten!“Diese Rettung wird Millionäre in Deutschland hervorbringen. Dafür werden andere verarmen, arbeitslos, in die Rente oder einfach aus dem Arbeitsplatz rausgemobbt und wiederum andere auf Hartz-IV existenziell gebracht.
Die Krux ist, dass Menschen im Kapitalismus zum einen gar nicht anders können, weil sie nichts außer ihr Leben gegen ihn zu setzen haben und zum anderen keine Option zu Wahlmöglichkeiten auf andere Wirtschaftssysteme besteht und drittens Menschen durch die kapitalistische Ideologie durch und durch geprägt sind.
Bezüglich Religionen können Menschen wählen und selbst bestimmen, an wen oder was sie glauben wollen. Bei Kapitalismus ist das keine Frage: Sie haben an ihn zu glauben, ihn nicht zu hinterfragen noch in seinen Wurzeln und Auswirkungen in ihrem eigenen Leib und Leben zu begreifen. Denn, wenn ein Mensch das täte und sagte, wird er politisch mit Begrifflichkeiten belegt, die Wertungen beinhalten: Kommunist! Sozialist! (Und wer will das schon sein? Man sucht doch eher die Freiheit! Menschen wollen doch endlich mal zu sich selbst kommen, zum eigentlichen, wofür sie ihr Leben lang geschuftet haben!!!) Damit wird er dann in eine politische Ecke gestellt, die ihm kaum Raum zum Atmen gibt, geschweige denn, zum Sprechen.
Kapitalismus scheint das nachhaltigste, und weitverbreiteste Glaubenssystem auf Erden zu sein, das Tag und Nacht auf Menschen einwirkt und sogar in ihren Träumen, meist aber als Alptraum, lebt. Sie müssen nicht einmal ein Gebäude wie eine Kirche aufsuchen, um den Glauben zu bekunden. Die Kirche des Kapitalismus ist alles, was je erbaut wurde. Alles wird vom Kapital aufgekauft. Menschen frequentieren die Bank, um ihr Geld abzuholen und Hoffnung zu schöpfen. Der Glaube an den Kapitalismus findet sich im Herzen. Da, wo eigentlich die Wohnstatt der Liebe sein sollte, finden sich düstere Wolken und Angst aufgrund ungesicherter Existenzen. Da ist keine Sonne im Herzen, da ist Gier und Misstrauen implantiert. Menschen bekunden ihren Glauben durch die Tatsache, dass sie jeden Tag ihre Arbeit tun und sich mit so ziemlich allen Verzichtsforderungen und Notwendigkeiten der Kapitalisten abfinden. Kapitalismus ist ein perfektes Beispiel des Herr-Knecht-Verhältnisses. Für den Herrn, das kapitalistische System, wird jedes Opfer gebracht. Insofern sind selbst Kapitalisten aufgefordert, die Knie zu beugen und ihr Herz mit Börsennotierungen und Hässlichkeiten zu füllen, so traurig das trotz des Geldes auf der Bank ist. Kapitalismus ist nicht als Religion zu interpretieren, wie der Philosoph Walter Benjamin es 1921 schrieb, sondern Kapitalismus ist die Religion des Kapitals und wird fundamentalistisch mit allen Mitteln verteidigt. Da der Mammon als Teufelswerk in den wirklichen Religionen verschrien ist und Menschen spüren, dass Geld allein nicht glücklich macht, sucht sich so mancher Mensch ein zusätzliches religiöses System, um Abbitte zu leisten, um dennoch so weiter machen zu können, wie bisher. Man bedenke, dass Religionsführer meist über beides, weltliche Reichtümer in nicht geringem Ausmaß und Religionssystem verfügen.
Im Laufe der Zeit lernten auch Staatssysteme vom kapitalistischen System und übernahm in den letzten 10 Jahren erfolgreich kapitalistische Wettbewerbsstrukturen, um die Staatskassen zu füllen: Kontrollen von Verordnungen, die bei Übertretungen Bußgelder beim Bürger fällig werden lassen sowie eine Unzahl von neuen Jobs in Kommunikations- und Logistikspaten, die eine Umdeutung von Dienstleistung in das durch den Markt geprägte Leben riefen. Nicht derjenige, der ein Produkt verkauft, bietet Service- und Dienstleistungen zur kostenlosen Betreuung an, sondern derjenige bezahlt, der das Produkt erwarb.
Das ist freilich umso lukrativer, je schlechter die Geräte produziert sind. Allgemein gilt: Je ungünstiger sich der Kapitalismus entwickelt(e), desto höher wurden die Steuern für die Besitzlosen und desto niedriger für Besitzende, die darüber hinaus über zig Möglichkeiten verfügten, ihren Besitz zu sichern. Denn einer muss ja für die Defizite aufkommen.
Leider steht nach zig Bußen und Diensten nicht die Erlösung von Menschen, sondern weiterhin und umso mehr der Grund des kapitalistischen Glaubens selbst an. Der Glaube, Gewinne erzielen und immer weiter steigern zu können. Dieser Glaube ist mit einem Tabu belegt. Derjenige, der das anzweifelt, wird durch Gemeinschaft der kapitalistischen Gläubigen bewertet, meist abgewertet.
Gewinne sind aber nur zu einem bestimmten Preis zu erringen. Der Preis heißt Selbst- und Naturverzicht bishin zur Vernichtung – statt Entwicklung des menschlichen Gattungslebens, Sicherung der Existenz aller sowie Bildung, Förderung und Entwicklung der Fähigkeiten von Menschen. Die folgende Statistik zeigt, wie sehr sich der Staat für die Bildung in Deutschland stark macht:
Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Steuergelder der Bürger nicht für primäre Bedürfnisse wie Interessenslagen der breiten Bevölkerung eingesetzt werden! Sondern dafür, ein „tolles Deutschland“ im Außenverhältnis zu präsentieren, wo einige Topmanager an der Spitze glänzen und die Bürger die Verluste der Wirtschaft ungefragt und demokratisch bezahlen und nicht in ihren Fähigkeiten, nämlich diejenigen, die Unternehmer für ihre Geschäfte nicht gebrauchen, erst gar nicht gefördert werden. Die Menschen aus niedrigen Einkommensschichten werden weder vom Staat, noch später in Betrieben gefördert.
Bei der Korrelation der Merkmale „Erwerbslosigkeit und einfaches Bildungsniveau“ schießt Deutschland den europäischen Vogel ab!
Das Konzept Hartz-IV-Empfänger wird in wenigen Jahren diesen Prozentsatz, so, wie sich die Entwicklung in Deutschland weiterhin verschärft, verdoppeln. Die Statistiken verdeutlichen deutsche Gründlichkeit im Spiegel konsequenter Durchführungsbestimmungen.
Dieser Trend von Benachteiligung hinsichtlich minder bewerteter Merkmale von Menschen in Deutschland, sprich Kinder aus sozialen niedrigen Einkommensklassen und Frauen, setzt sich konsequent in negativer Hinsicht durch.
Da kann man so viele Moderatorinnen bei den Fernsehsendern einsetzen wie man will. Eine Bundeskanzlerin macht dieses Armutszeugnis in Deutschland hinsichtlich der Benachteiligung von Frauen nicht wett.
Dieser Trend wird gnadenlos bis in die universitäre Ebene hinein durchgezogen, wie Sie der nächsten Grafik entnehmen können:
Auch hier spielt Deutschland, nun international gesehen, im unteren Drittel mit. Hier würde ich prognostizieren, dass die Ausgaben und Unterstützungen für Studenten weiterhin reduziert werden. Universitäten privatisieren und erheben Studiengebühren, die für Studenten aus einkommensschwachen Strukturen nur schwer zu finanzieren sind. Entweder werden die Abschlüsse hinausgezögert, weil gejobbt werden muss oder sie fangen erst gar nicht mit dem Studium an.
Generell ist aber die Abschlussquote in Deutschland in einem Jahrgang sehr niedrig, wie die folgende Statistik zeigt:
Es ist zu schließen, Deutschland möchte nur noch reine und reiche Studenten, die in die internationale Elite aufsteigen: wollen!
Es existiert bereits lediglich nur ein niedriger Anteil in der Bevölkerung mit Universitätsausbildung. Zusätzlich können Akademiker nach Beendigung des Studiums nicht damit rechnen, auch einen Arbeitsplatz zu erhalten:
Egal auf welche Zusammenhänge bildungsmäßig in Deutschland geschaut wird: Es hebt die statistische Hand bei ganz weit unten!
Schaut man sich diese Statistiken an, fragt man sich, wer in Deutschland überhaupt noch die richtige Qualifikation hat! Denn. Menschen, die eine, und zwar eine richtige Qualifikation haben, wird dennoch abgesprochen, mitreden zu können (siehe Band 2 und 3: Psychologische Psychotherapeuten und Ärzteschaft)
In jedem Falle zeigt sich in internationalen Berechnungen, je weniger Lohn an die Arbeiter und Angestellten gezahlt wird, desto höher sind die Gewinne der Unternehmer. In Deutschland zeigt sich dann die folgende Einkommensschere zwischen Löhnen Unten und Einkommen Oben:
Gern zitiere ich auch noch die folgende Statistik, die einfacher zu lesen ist, an dieser Stelle:
Oder konkreter diese:
Werden Menschen in Deutschland befragt, ob die Unternehmereinkünfte zu hoch, zu niedrig oder gerade richtig sind, ergibt sich das folgende Bild:
Liest man diese Statistik, so hielten 50% der Menschen 1998 die
Unternehmergewinne für zu hoch (rote Linie);
2004 waren es „nur“ noch ca. 27 % der Befragten.
2008 hielten ca. 40 % der Befragten die Unternehmergewinne für zu hoch!
2006 hielten ca. 38 % die Unternehmergewinne „gerade richtig (blaue Linie).
2004 hielten 25 % der Befragten die Unternehmergewinne für zu niedrig und
2008 teilten ca. 10% diese Meinung.
Die sich stellende Frage ist, was die Befragten von der Unternehmens- und Lebensentwicklung mitbekommen haben. Sie scheinen völlig fehlerhaft informiert über tatsächliche unternehmerische Gewinne gewesen zu sein. Die Politik und Meinungsmache vom Wegbrechen des Mittelstandes und sinkenden Unternehmensgewinne aufgrund internationaler Globalisierung scheint kritiklos „geschluckt“ worden zu sein.
Die Realität und die Meinung über Unternehmergewinne liegt himmelweit auseinander! Das ist ein weiteres Armutszeugnis, das sich Deutschland anheften kann und im vorliegenden Buch hinsichtlich dessen, „wie man das hinbekommt, dass man in Deutschland fast genau das Gegenteil von dem glaubt, was Realität ist.“ In Deutschland wird geglaubt, was Menschen vorgeschrieben und erzählt wird. Wie es möglich ist, dass 2008 noch Menschen meinen, Unternehmergewinne seien gerade richtig oder zu niedrig, ist äußerst erstaunlich!
Bei Frauen in Deutschland sieht es so aus, dass nur noch von Diskriminierung von Frauen zu reden ist!
Die nächsten Statistiken zeigen, wie sich Beschäftigungsverhältnisse, Lebensalter und Verdienst zueinander verhalten.
Durchschnitlich verdienen Frauen 24 % weniger als Männer, wie der Statistik zu entnehmen ist. Wenn junge Frauen und Männer im Beruf beginnen, ist der Abstand noich gering. Je älter Frauen werden, desto weniger verdienen sie. Die Gründe hierfür könnten darin zu suchen sein, dass Frauen ökonomische Ausfallzeiten aufgrund von Mutter- und Hausfrauendasein aufzuweisen haben. Oder aber, dass Frauen sich weniger weiter qualifizieren. Aber im Prinzip werden die genannten (und auch nicht genannten Grüden) überstrahlt von der Tatsache, dass es Frauen sind. Die Geschlechtszugehörigkeit ist ausschlaggebend! Dies zeige ich in Band 2 für Psychologische Psychotherpeutinnen auf. In folgender Grafik nun die Lohnminderung für Frauen nach Berufsbereichen im Vergleich zu Männern:
Frauen in Naturwissenschaftlichen Bereich, bestätigen den generellen Trend in Deutschland:
Es dürfte sich vorrangig um Ärztinnen, vielleicht noch gefolgt von Biologinnen, handeln und bestätigt damit wiederum einen Trend in Deutschland, der in Band 2 und 3 dargelegt wird:
Da die Einkommen in Arztberufen sinken, wird dieser Beruf zunehmend von Frauen ausgeübt. Der Verdienstabstand zu Männern beträgt, wie aus der vorletzten Statistik heraus ablesbar, 25 %.
Die Berufsgruppe „Psychologische Psychotherapeuten“ droht vollends ein Frauenberuf zu werden. Die Honorare sind ca. um Zweidrittel im Vergleich zu Hausärzten und um ca. Dreiviertel niedriger zu anderen Fachärzten: Psychologische PsychotherapeutInnen sind innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung als Fachärzte für Psychotherapie eingeordnet. Sie sind über alle Arztgruppen hinweg mit Abstand die am schlechtesten bezahlte Facharztgruppe in Deutschland.
Die Phantasie des Kapitalismus ist eng begrenzt und zeigt analytisch den Tunnelblick einer Elster, die das Gold klauen will.
Deshalb noch zwei weitere Statistiken, die zeigen, wer in Deutschland verdient, auch wenn dies in verschiedenen Publikationen in den letzten zwei Jahren breit getreten worden ist, überrascht es doch immer wieder, wenn man sich klar macht, wer wie viel Geld in Deutschland kassiert.
Aus der folgenden Statistik, können Sie, lieber Leser, die Vorstandseinkommen ablesen:
Und in kleineren Unternehmen:
Überraschenderweise zeigt sich Deutschland hier an zweiter Stelle!
Es bestätigt die These, dass in Deutschland streng im Sinne des Kapitals durchregiert wird und die Spreu vom Weizen getrennt wird. Wer Weizen ist, wird von Anfang an im Leben von Menschen in Deutschland seit Jahrzehnten festgeschrieben.
Da liegen doch Gedanken wie die folgenden nicht weit:
„In der Grundschule fängt es an. Es wird differenziert nach Jungen und Mädchen. Die Einkommensschwachen werden gleich, ob Mädchen oder Jungen, entsprechend eingeschüchtert, dass sie erst gar nicht auf den Gedanken kommen, die „höhere Schule“ könnte nach dem vierten Schuldjahr etwas für sie sein. Die Eltern schließen dieses Ansinnen, sollte es dennoch im Kinde auftauchen, aus. Schließlich ist kein Geld im Haus und wer sollte denn die Schule bezahlen? Und außerdem könne man selbst bei den Schulaufgaben nicht helfen, weil man selbst nicht gebildet genug ist. Und Mädchen werden sowieso geheiratet, die brauchen nichts lernen. In Deutschland sowieso nicht, schaut man sich die niedrige Abschlussziffer von Akademikern in Deutschland an. Und die Möglichkeit von Unten nach Oben einzuheiraten reduzierten sich drastisch in den letzten Jahren. Man will Oben unter sich bleiben und zusätzlich hinsichtlich Einkommen unter Männern! Die Frauen kommen da nie ran! Schließen junge Frauen doch mit akademischen Grad ab, bekommen sie bedeutend weniger Einkommen als Männer in gleichen Berufen - falls sie überhaupt einen Job bekommen! Schließlich müssen sie ja keine Familie allein ernähren – sagte man früher. Heute sieht es aber ganz anders aus! Frauen müssen zunehmend Familien mit Putzarbeiten ernähren, weil ihre Männer arbeitslos geworden sind. Sind Frauen Akademikerinnen und alleinerziehende Mütter, kriegen sie vom Staat keine Unterstützung hinsichtlich Steuern oder sonstigen Dingen. Sie haben einen Steuersatz wie alleinlebende Akademikerinnen, mal abgesehen von einem kleinen Salär, dass sie steuerlich für das Kind verrechnen können Von der Familie hören sie das „Habe ich dir doch gleich gesagt, kommt’ nicht viel bei raus! Hätteste’ das mal so gemacht, wie ich Dir das gesagt habe: Heirate einen gut verdienenden Mann, hätteste’ heute die Sorgen und Probleme nicht!“ Von Staat und Familie die gleiche Rückmeldung. In Deutschland hat sich in den letzten 63 Jahren nichts verändert. Mag sein, dass sich bisweilen bei ein paar Menschen und Frauen im Denken etwas geändert hat, aber nicht global im Land. Selbst wenn die Großeltern und Eltern diese Abwicklung des Unten in Deutschland persönlich etwas anders sehen – der Staat in Deutschland bleibt beim alten Stiefel! Das zeigen die obigen Statistiken zu genüge. Das wiederum macht heutigen jungen Frauen und generell jungen Menschen ja richtig Mut, sich ins Lernen und Studieren in Deutschland zu vertiefen! Eines ist ihnen sicher: Unterstützung gibt es nicht!“
Offiziell findet der Volksmund Bestätigung durch wissenschaftliche Untersuchungen.
Generell braucht ein ökonomisch, ökologisch und logistisch gut funktionierendes Land alle möglichen Berufe und Fähigkeiten, die Menschen hervorgebracht haben.
An erster Stelle ist für Bedürfnisbefriedigung und notwendige Lebensgrundlagen von Menschen zu sorgen ebenso wie für generelle und nicht verklausulierte Gerechtigkeit.
Wie nachstehender Tabelle zu entnehmen, werden Arbeitskräfte sehr gezielt gefördert, am häufigsten kaufmännische und technische Angestellte und Führungskräfte, die den größten Teil der Weiterbildungskosten aufbrauchen. Die übrigen Spaten werden kaum gefördert.
Die Grundlagen von Gerechtigkeit und Förderung des Menschlichen Wesens sind moralisch-ethisch neu auszurichten. Das gelingt nur, wenn man bereit ist, den Schatten des Kapitalismus und den Kern des Kapitalismus zu enthüllen statt zu beschönigen.
Eine Wirtschaft, die einen so eklatanten Einfluss auf Wohl und Wehe von Menschen hat, sollte sich ihrer Macht bewusst sein und würdig zeigen, sprich, sich menschlich qualifizieren. Sich außerhalb des beruflichen Wirkungskreises demokratisch von Verantwortung und moralisch-ethischen Grundsätzen los zusprechen, fördert Ignoranz und Gleichgültigkeit.
Das fehlende Interesse von Menschen, etwas zu lernen und zu leisten, ist durch fehlende Resonanz der Gesellschaft aufgrund mangelnder moralischer und finanzieller Anerkennungsstrukturen für Menschen generell erklärbar: Ihnen ist Gegenwart wie Zukunft durch bewusste Kanalisierung von Lebensinhalten und Lebensstrukturen genommen.
So schreibt Jutta Allmendinger, die Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung: Das Hauptproblem aber sei die Chancenungleichheit, die in Familien und Bildungseinrichtungen beginne. Es sei immer stärker zu beobachten, dass sich „Bildung vererbt“, sagte Allmendinger.
Kinder aus unteren Schichten bräuchten auch „wesentlich höhere Kompetenzwerte“, um von ihren Lehrern die Eignung fürs Gymnasium bescheinigt zu bekommen. Später räche sich dies dann auch im Sozialsystem. Schlecht Gebildete bekommen schlecht bezahlte Jobs oder überhaupt keine, sie stellen mehr Kranke und Langzeitarbeitslose, erhalten niedrigere Renten. (...)
Dass sich Bildungsdiskriminierung auch noch auf anderer Ebene auf das soziale Gefälle einer Gesellschaft auswirkt, hat der Darmstädter Elitenforscher Michael Hartmann herausgefunden.
Europaweit gebe es einen klaren Zusammenhang zwischen der Herkunft von Entscheidungsträgern eines Landes und dessen Ausmaß an sozialer Ungleichheit.
Die Einkommens- und Vermögensunterschiede seien dort größer, wo mehr Spitzenpolitiker und Topmanager aus wohlhabenden Schichten stammten.
In Deutschland gehe die wachsende Ungleichheit parallel mit neuem Führungspersonal: Während deutsche Manager seit jeher aus bürgerlichen Elternhäusern kamen, hatten politische Spitzenpositionen zum Teil immer auch Mittelschicht- und Arbeiterkinder inne. Das hat sich jedoch geändert. Im Kabinett Merkel ist es nicht einmal mehr ein Drittel.“ (Tagesspiegel, 6.6.2008)
Angesprochen ist damit die schlecht durch staatliche Schulen ausgebildete breite Bevölkerung, wie im vorangegangenen Kapitel bereits differenziert dargestellt und die in diesem Zusammenhang noch einmal generell aufgegriffen wird.
Zu viele gut gebildete Menschen werden in Deutschland offenbar nicht gebraucht. Deutschland lag in der Pisa-Studie, über die alle Welt spricht, in allen relevanten erfassten Bereichen an letzter Stelle (Quelle: FAO. Jahnke – http: www.jjahnke.net):
Demgemäß ist das Leben aller durchzogen vom Leben für Geld, Jagd nach Vorteilen und dem Erringen von Erfolg, wo die Hand des anderen Menschen weggetreten und weggebissen wird, und zwar mitleids- und mitgefühllos, wie die obigen Statistiken belegen!
Mit derartigen Nachrichten sind Zeitungen und Fernsehsendungen in den letzten drei Jahren prall gefüllt wie eine Scheune nach der Ernte: Hiobsbotschaften, Angst, Hunger, Mangel, Verzicht und Not. Die Existenzangst und Abhängigkeit, die den Glauben an das kapitalistische System nur umso mehr festigt, weil das Heilsversprechen des Kapitalismus wie eine Wurst an einem Band vor menschlichen Nasen im Markt hin und her gezogen wird und sie hinter ihr her jagen. Inzwischen sind Menschen selbst zur kapitalistischen Wurst für andere geworden, der sie nachjagen, um diese Wurst für einen Superdeal in einem Managerposten einzusetzen oder sie zu überholen und aufzufressen. Auch Standorte werden gewechselt, wenn es um die Wurst geht, wer den höchsten Gewinn weltweit davon tragen kann.
Was mögen die Motive für ein „Handel(n) gegen den Menschen“ sein, wie es durch das kapitalistische System in der Identifikation mit deren Vertretern, den Besitzenden, verkehrend nach dem Motto „Wir tun unser Bestes und wir wollen nur das Beste für alle“ scheinheilig zelebriert und existenziell erbarmungslos für nur einen Wert, den Kapitalwert, durchregiert wird? Was die Motive der Besitzlosen sind, an dieses System zu glauben, liegt auf der Hand: Ein Grad von Abhängigkeit, der (fast) nichts anderes gestattet.
Gefühle? Gefühle sind ein Luxus, den Menschen sich nach der Arbeit oder besser, nach ihrem Leben, leisten können.
Mitleid? Mitleid spiegelt die Erhebung über das Leid des anderen Menschen.
Mitgefühl? Mitgefühl für das menschliche Wesen? Kann man sich nicht leisten. Der Preis ist zu hoch! Denn Mitgefühl zeigte die Auswirkung der kapitalistischen Steuerung von Menschen als Negativ auf. Es zeigte die Demütigung des Menschen durch sein eigenes Handeln auf. Genau dieses Offenbarwerden steht in der Gegenwart jedoch, will man die gegenwärtigen Krisen des Kapitals als Wachstumschance begreifen, an: Was ist ein Mensch? Was braucht er zum Leben? In welche Richtung schreitet menschliche Entwicklung fort? Was ist absolut zu unterlassen, wenn Menschen sich gegenseitig nicht seelisch oder platt körperlich auffressen (lassen) sollen? Deutschland lebt innerlich hinter dem Mond! Es lebt in alten Vorstellungen der fünfziger Jahre weiter, und wundert sich, dass es in den Statistiken ganz weit unten bildungsmäßig landet und die Realität eine ganz andere ist, als man dachte. Im Gegenzug setzt man Oben weiterhin Männer in die Spitzen der deutschen Einkommensklassen und wartet mit schwindelerregenden Gehältern auf, die demokratisch ermöglicht wurden.
Ich kann mich nur nicht erinnern, wann ich in Deutschland dafür, für Zustände wie im alten Rom{3}, Verzeihung, Deutschland, wählen gegangen wäre! Die Vergangenheit ist bewältigt? Frauen sind gleichberechtigt? Alleinerziehende Mütter sind gleichberechtigt? Da lachen doch die Hühner! Vielleicht können die Hühner diesen Kapitalismus ja mit ihrem Humor retten! Mir ist der Humor angesichts der oben zitierten Zahlen vergangen.
Am Ende dieses Capitals, um mich mal Herrn Keese nochmals semantisch in völlig anderer Hinsicht assoziativ anzunähern, wäre festzuhalten: Demokratie birgt Unfreiheiten, Herr Sen. Und weiter wäre das folgende festzuhalten:
Sen sah seine Chance und nutzte sie, so könnte die Geschichte gleichfalls verstanden werden und so ist sie auch zu verstehen, als er die Idee für Mikrokredite entwickelte. Denn er löste ein Armutsproblem, das viele Menschen und auch Kapitalisten in aller Welt beschäftigte: was tun die Armen, wenn sie überhaupt nichts mehr haben? Werden sie rebellieren? Muss man sich schützen? Mit seiner profanen Idee für Mikrokredite, gewann er mehr an Freiheit, mehr Geld und mehr Ansehen in der kapitalistischen Welt: Er ist einer von ihnen. Er hatte die Freiheit, denn er hatte die Möglichkeiten, Kredite zu vergeben und zwar mit sehr hohen Zinsen. Er hat den Stachel aus dem ökopolitischen Konfliktfeld entfernt: er gab den Menschen Möglichkeiten. Er bekam den Nobelpreis dafür. Wir in der Demokratie und mit kapitalistischer Wirtschaftsordnung können kaum noch die unzähligen und vielfältigen Probleme, die durch dieses ökopolitische System ins Leben gerufen worden sind, bewältigen – trotz Kredite. Menschen zahlen unmenschlich hohe Zinsen auf lange, lange Zeit.