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Die Champions

Real gibt es nur wenige Menschen, die dieses Land regieren:

DAX30-Konzerne

(s. oben Tabelle Vorstandsgehälter) und

gewählte Politiker

als offizielles Steuerungs- und Exekutivorgan der sich aus ökonomischen Veränderungen ergebenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten, wie sie offiziell Darstellung in Gesetzen und deren Überprüfungsinstrumenten finden.


Krankenkassen, Kasssenärztliche Vereinigungen, Politiker und Wirtschaft legen fest, wie in Deutschland Patienten behandelt werden.


Richter und Juristen führen aus und beraten, was Gesetz ist. Gesteuert wird das Leben von Millionen von Menschen.


Die Wirtschaft wird durch Personalauswahl wie zum Beispiel der Baden-Badener Unternehmertage und anderweitigen Seilschaften, die auf höherwertigem Vitamin B gründen, inhaltlich in der Zielrichtung gesichert.


Es klafft ein sozialer Abgrund zwischen den verarmenden und den immer schneller, immer reicher werdenden Menschen.

Topmanager der deutschen Spitzenkonzerne verdienen im Schnitt 3,9 Millionen Euro pro Jahr, Arbeitnehmer 26.425 Euro pro Jahr. „Ein normaler Arbeiter müsste also theoretisch 150 Jahre lang arbeiten, um das Bruttojahressalär eines DAX-Vorstandschefs zu erwirtschaften.“ (WR, 29.9.06) Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, bezieht gar das 450-fache Gehalt eines normalen Arbeiters – und da sind die diversen Vorstandsgehälter (z. B. bei Siemens) noch nicht eingerechnet. Die Manager der Commerzbank erhöhen ihr Gehalt um 145 %, ihre Angestellten erhalten 4 % (ZDF-Nachrichten vom 9. Januar 2007). Wenn das kein Fall für einen Ethikrat ist!

Porsche löste das „Problem“ (2007) mit den Gewinnen sogar vergleichsweise elegant: Die Arbeiter erhielten eine Zulage von einmalig 3.000 Euro sowie weitere Vergünstigungen. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sieht die Stabilität unserer Gesellschaft in Gefahr: „Es ist nicht nachzuvollziehen, wenn Konzerne Rekordgewinne melden und zugleich ankündigen, dass sie tausende von Arbeitsplätzen streichen.“ (WR, 29.9.06) Er bezog 60 Millionen Euro Jahresgehalt und zählt damit zu den weltbest bezahlten Managern und managt offenbar anders, als die anderen. Aber darüber sollten andere Autoren berichten, wie und wo die Autos gebaut und dann mit Rädern und Motor versehen als in Deutschland (Leipzig) hergestellte erscheinen, aber offenbar zu einem 1/6 des Lohnes von deutschen Arbeitern in der Slowakei fast fertig hergestellt werden. Dennoch: Wendelin Wiedekings Aussage lässt Rückschlüsse darauf zu, in welchem eindimensionalen Interesse Manager arbeiten: Es geht ausschließlich um den Gewinn des Unternehmens – ohne Rücksicht auf die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen auf das Gro der besitzlosen Menschen. Nun wurde eine Hausdurchsuchung im August 2009 bei den Ex-Porsche-Bossen Wendelin Wiedeking und Holger Härter durchgeführt: es besteht der Verdacht auf Kursmanipulationen rund um Volkswagen-Aktien. („Hausdurchsuchung bei Ex-Porsche-Bossen“ in: Spiegel, 24.8.2009, S. 74).

Die Siemensmanager landeten mit ihren Online-Tagebüchern (Blog 100) ein Eigentor: Beabsichtigt waren Mitarbeiter-Web-Logs zu Arbeitsthemen – genutzt wurden sie aber, um kundzutun, wie sie die 30-prozentigen Gehaltserhöhungen der geschäftsführenden Manager finden.


Man kann verstehen, dass Manager so gut bezahlt werden: Schließlich müssen sie konsequent sozialpolitische Folgen ihrer Entscheidungen ausblenden, und dürfen sich nur um den Kapitalbestand und -zuwachs des Unternehmens kümmern. Anschaulich wird im internationalen Vergleich in obiger Darstellung gezeigt, wie viel Prozent in der Gesellschaft als reich gelten.

Argumentiert wird natürlich durch Firmenleitungen in der Öffentlichkeit, es gehe ihnen um soziale Sicherheit für die Arbeiter und in Folge, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit – aber es zeigt sich immer wieder das Gegenteil. Siemens scheint sowieso seit einiger Zeit schlechte Karten zu haben. Nun fliegt und steigt im August 2007 ihr Korruptionsskandal weiter in vermutlich noch nicht letztendliche Höhen auf: 1 Milliarde Euro stehen im Raum. Der von Klaus Kleinfeld (bis 1. Juli 2007 Vorstandsvorsitzender der Siemens AG) kolportierte Slogan sagt alles: „Work hard, win big, have fun.“ Diesem Slogan kann nun „mein“ amerikanischer Spruch, den ich im Rahmen einer amerikanischen Psychotherapieausbildung kennen lernte, für die neue Situation von Klaus Kleinfeld folgen: „Break the rules, have the fun, stay the pain.“

Da Herr Kleinfeld durch Herrn Peter Löscher abgelöst wurde und dieser den Korruptionsskandal bis ins letzte i-Tüpfelchen aufgedeckt sehen möchte, durfte nun auch Herr Dr. Albrecht Schäfer, Leiter der für Compliance zuständigen Antikorruptionsabteilung, der bereits im November 2006 von seinen Aufgaben aufgrund von Zweifeln an seiner Berichtstreue entbunden worden war, gehen. Vorstand und Aufsichtsrat hatten sich nicht rechtzeitig über Schmiergelder, schwarze Kassen und Korruption informiert gefühlt. In dem Buch „Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland – Jeder Mensch hat seinen Preis", erschienen im Mankau-Verlag (2004), wird der Weg der deutschen Wirtschaft in Korruption und Kriminalität nachgezeichnet und im Falle von Siemens unbeabsichtigt vorgezeichnet. Geschrieben und veröffentlicht wurde es von dem Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, dem Mafia-Experten Jürgen Roth sowie dem Wirtschaftskriminalist und Mitherausgeber Uwe Dolata (siehe unter Google: Compliance – mit Stichwort: „Alles über den Siemensskandal“). Im September 2009 hieß es in der Presse, Siemens verliere die Geduld mit seinem früheren Vorstandschef Heinrich von Pierer: „In einem bisher beispiellosen Schritt setzt das Unternehmen ihm und anderen Ex-Managern die Pistole auf die Brust: Im Streit um Schadensersatzforderungen wegen des Schmiergeldskandals sollen sich sieben ehemalige Vorstandsmitglieder bis Mitte November zum Vergleich bereit erklären, andernfalls drohen ihnen Klagen. Das teilte das Unternehmen gestern in München nach einer Aufsichtsratsitzung mit“ (Ruhr Nachrichten: „Siemens stellt Ex-Führungsriege ein Ultimatum.“ 24.09.2009). Betroffen sind Pierer, Klaus Kleinfeld, Johannes Feldmayer, Thomas Ganswindt, Heinz-Joachim Neubürger, Jürgen Radomski und Uriel Sharf, hieß es.

Es scheint, „mein“ amerikanischer Spruch trifft die Realität kapitalistischer Verfehlungen im Wettbewerb z.Zt. eher. Tatsächlich scheint dieses (Um-) Denken täglich mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu treten. Bosse können offenbar doch nicht alles machen – so lassen zumindest einschlägige Aufklärungsbücher hoffen. Aber auch Manager nicht, die kaum wissen, in welchem Hotelzimmer sie morgens aufwachen. (Vgl. in: DIE ZEIT, Nr. 51: „Die Welt der Bosse“) Wenn Menschen sich heutzutage auf einen Managerposten einlassen und ausschließlich im Sinne der Profitmaximierung arbeiten, verlieren sie offenbar den (menschlichen) Boden unter den Füßen: Sie setzen sich für Interessen ein, die sich weder mit den Interessen der breiten Masse, noch generell mit humanistischen und menschheitsgeschichtlichen Interessen und Ideen decken: Also auch nicht mit ihren eigenen, menschlichen Interessen. Hinsichtlich der Auswirkungen der Globalisierungsmaßnahmen auf die Seele der Betroffenen, ist der Job des Managers zunehmend umstritten – von der psychischen Abwehrstruktur ist an dieser Stelle ganz zu schweigen. Dennoch sind der hohe soziale Status und das Ansehen aufgrund der nicht mehr nachzuvollziehenden Gehälter erhalten geblieben. Es verwundert nicht, dass sie morgens nicht wissen, in welchem Teil der Welt sie sich gerade im Bett befinden: Auch das ist (un)menschlich. Wenn sie den Job „hinter sich gebracht“ haben, können sie ebenso wenig wissen, wo sie danach landen und zu liegen kommen werden. Wie werden sie in der Öffentlichkeit dastehen, nachdem sie Milliarden an Bestechungsgeldern haben fließen lassen? Hier bewahrheitet sich das alte Sprichwort: Wie man sich bettet, so liegt man. So meinte man bisher. Aber was auf jeden normalen Menschen juristisch und menschlich zutreffen mag, trifft nicht auf die real gelebte Realität der Manager zu. Diese Uhren ticken komplett anders. Der Kapitalismus wandelt selbst die Bedeutung alter Sprüche ab. Alles wird ins Gegenteil verkehrt. Statt Ausschluss und Strafe, werden auffällig gewordenen Managern noch höher dotierte Stellen angeboten: „Siemens-Ruinator Klaus Kleinfeld steigt beim US-Aluminiumhersteller Alcoa in schwindelerregende Gehaltshöhen auf.“ (Bild am Sonntag, 19.8.2007) Sein Grundgehalt bei Erfüllung der Vorgaben kann er von einer Million Euro auf rund 4,5 Millionen Euro steigern – und sein letztes Siemensgehalt von rund 3,6 Millionen Euro toppen. Scheidet er vorzeitig aus, bekommt er zwei Jahresgehälter als Abfindung. Er hat Anrecht auf die Nutzung von Firmenjets und eine Umzugshilfe von 1 Million Euro – und er bekommt ein Begrüßungsgeld in Höhe von 5,6 Millionen Euro, das nur dann zurückerstattet werden muss, wenn er innerhalb der nächsten drei Jahre vorzeitig kündigt. Dabei wurde er nicht abgeworben, sondern ist im Rahmen der Schmiergeldaffäre zurückgetreten. „Ein Alcoa-Sprecher rechtfertigt den Bonus mit Kleinfelds, fantastischen Managementsqualitäten’. (ebd.) Zum Abschied erhielt er laut Bild von Siemens eine Abfindung in Höhe von vier Millionen Euro.


Kleinfeld hat sich ganz offensichtlich mit dem, was er bei Siemens erarbeitet und hinterlassen hat, für die USA qualifiziert – er belegt damit, dass der Ruf, deutsche Manager seien Weicheier, langsam durch deutsche Hardcore-Manager ersetzt wird. Kann also nun der Spruch Kleinfelds, „work hard, win big, have fun“, als Ansporn zu weiteren Überschreitungen von Grenzen verstanden werden? Generell möglich scheint dies allerdings nur unter Umgehung von juristischen und menschlichen Werten.


Es ist sozusagen eine moderne Variante des vom Tellerwäscher zum Millionär, die ja besagt, dass alles möglich ist. Möglich wird dies heutzutage zunehmend durch Ausschaltung jeglicher menschlicher Verantwortlichkeit und Minimierung juristischer Konsequenzen. Insofern sind solche Vorgänge in den oberen geschäftsführenden Etagen weltweit ebenso von Interesse wie das Ereignis vom 11. September 2001, das die bis dahin geltenden Regeln außer Kraft setzte. Analog werden Orientierungen wie „Break the rules, have fun, stay the pain“ im Kapitalismus für Oben außer Kraft gesetzt – natürlich nicht für alle, sondern eben nur für die Manager der Führungsetagen dieser Welt. Denn Unten gilt: „Work hard, win less and stay the pain of this.“ Der Schmerz, the pain, wird umverteilt: Unten gibt es den Schmerz – Oben die Gehaltserhöhung: The fun! Im Kapitalismus gibt es nicht nur Doppelmoral, sondern auch doppelte Gesetzgebung und Gesetzesauslegungen, die zu anderen Rechtsurteilen führen:

Es gibt somit zweierlei Menschen, die nach völlig unterschiedlichen und entgegengesetzten Prinzipien handeln und leben: und entsprechend bewertet, besteuert, und eben bestraft, oder nicht bestraft werden. Da kommt natürlich Freude auf, ließe sich sarkastisch sagen! Zusätzlich wirkt diese Doppelmoral nachteilig für diejenigen, die sich an Regeln und Vereinbarungen halten: Der Ehrliche ist der Dumme, wie Herr Wickert in seinem gleichnamigen Buch bereits vor vielen Jahren diesen Spruch mit Fakten belegte. Derjenige Manager, der heutzutage Regeln bricht, wird belohnt und noch besser als zuvor bezahlt. Derjenige Mensch aus dem Volk, der das gleiche auf anderer Ebene tut, landet im Gefängnis. Daran zerbricht das Leben von Millionen von Menschen, daran zerbricht die alte, die gegenwärtige, wie die neue Welt. Da hört der Spaß für die Menschen Unten auf.

Zusätzlich hört der Spass für Akademiker mit Doktortitel und wissenschaftlich arbeitenden Menschen in Deutschland auf, wenn sie verfolgen, wie der Verteidigungsministger zu Guttenberg sich auf der politischen Bühne immer noch sympathisch als kleiner Junge inszeniert und ellenlange Plagiate und zig fehlende Fußnoten als Kavaliersdelikte mit der Mitteilung, er habe „Fehler gemacht“, verkauft. Aber, und dies muss mit allem Respekt gesagt werden, diese Chuzpe muss ein Mensch erst einmal auf die Beine stellen! Insofern ist es nachvollziehbar, dass Stimmen laut werden, die davon sprechen, „der Minister leide unter Realitätsverlust“ wie der Nachfolger des Doktorvaters von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) scharfe Kritik in der Plagiatsaffäre nachlegt. (Vgl. Nachrichten –t-online, 26.2.2011) Der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Oliver Lepsius teilte weiter der „Süddeutschen Zeitung“ mit: „Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat. Der Verteisgungsminister habe, planmäßig und systematsch’ wissenschaftliche Quellen zum Plagiat zusammengetragen und behauptet nicht zu wissen, was er tue.“ (t-online. 26.2.2011)

Laut Angela Merkel ist dieses Verhalten möglich, denn Karl-Theodor zu Guttenberg sei als Verteidigungsminister berufen und nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Anzumerken ist, dass doch erstaunt, wie er sich selbst in dieser Sache verteidigt – und dabei irgendwie nie zur Wahrheit vordringt, die da heißt: Jeder, der wissenschaftlich arbeitet, spürt „fehlende Fußnoten“ oder herrunter geladene und/oder abgeschriebene Texte fremden Gedankenguts wie ein Stechen im Bauch oder in der schwere des Gewissens, wenn er nachts schlafen will. Dass von Guttenberg erst an einem Sonntagvormittag im Februar 2011 plötzlich bemerkt haben will, dass da „ein paar Fußnoten“ von ihm zu setzen vergessen wurden, kann niemand glauben, der jemals wissenschaftlich gearbeitet hat. Diese Darstellung regt allerdings zu weiteren Überlegungen an. Da steht nicht nur die Glaubwürdigkeit und Gewissenhaftigkeit wissenschaftlichen Arbeitens in Zweifel, sondern die ganze Person, der ganze Mensch. Der politische und kulturelle Umgang mit derartigem Verhalten ist beschämend und löst sicherlich in dem einen oder anderen wissenschaftlich tätigen Menschen Verärgerung und Entrüstung aus, dieses Thema des Abschreibens und Kopierens in Deutschland politisch in der gewählten Form abzuhandeln. Anderen, nicht so in der gesellschaftlichen Mitte stehenden Menschen, wird in einem solchen Falle alles Mögliche entzogen: nicht nur das wissenschaftliche Ansehen, sondern auch finanzielle und berufliche Karriere oder gar Lebensgrundlage. Damit wäre man wieder beim Thema: es kömmt’ darauf an, wie viel Geld, politischen Einfluss und Unterstützung der betreffende Mensch im Rücken hat. Dann geht das Leben entweder weiter wie bisher, oder es geht runter, und bei manchem geht es dann erst einmal richtig nach oben.

Kehren wir zurück zu den besitzlosen Menschen, die für ein paar Cents schuften, sich durchs Leben quälen und nicht wissen, wie sie ihr tägliches Leben regeln sollen, oder wie sie sich gegen den persönlichen Niedergang noch stemmen könnten. Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, 1-Euro-Jobs erzeugen und ziehen alle anderen daraus resultierende Probleme auf ein nicht mehr zu akzeptierendes Niveau existenzieller Bedrohung.

Der Staat sah 2000 anlässlich der Umstellung von DM auf Euro seelenruhig zu, wie wirtschaftliche Zweige ihre Produkte glatt um 100 % erhöhten und die ehemals DM-Preise als Euro-Preise 1:1 übernahmen. Diese Währungsumstellung war die Initiation für die Zweiklassengesellschaft: Oben verdiente daran, bekam das Doppelte von dem, was vorher Marktpreis war und für Unten halbierte sich das Einkommen. Dabei blieb es. Der Staat kontrollierte die Wirtschaftszweige nicht. Für Wimperntusche bezahlt man heutzutage umgerechnet locker zwischen 50 und 60 DM (25 – 28 Euro), für Markenschuhe selten unter 500 DM (250 Euro), für Qualitäts-Stiefel 1.000 DM (500 Euro und mehr). Im Restaurant zahlt man ebenso das Doppelte wie für Lebensmittel des täglichen Bedarfs im Supermarkt. Qualitätskontrollen als Gewähr einwandfreier Produkte, die dem Leben zuträglich sind, wurden nachlässig wenn überhaupt durchgeführt. Der Sozialstaat zeigt sich diesbezüglich parteiisch, in dem er nicht entsprechend sanktionierend in die Wirtschaft eingreift. Menschenleben werden selbstverständlich durch Manager aufs Spiel gesetzt und sind als Folge der Marktgesetze des Wettbewerbs eben als Risiko für jeden Menschen zu akzeptieren. Statt dass die gewählten Politiker die finanziell Schwächeren stützen, kontrollieren sie die besitzlosen Bürger völlig durch und bitten sie an jeder Ecke zur Kasse, um die Verschuldung des Staates in den Griff zu bekommen. Dabei ist jede Kontrolle recht und jede Ausgangslage von Themen, die unterschiedliche Meinungen provozieren: ob Erhöhungen von Strafgeldern für Verkehrssünder, oder Anti-Raucher-Gesetze, Steuergesetzgebungen, Elterngelder. Damit geben sich Politiker ein quasi sozialpolitisches Flair. Tatsächlich dient es der Ablenkung von den existenziellen Themen der allermeisten Menschen in Deutschland und in vielen anderen Ländern unserer heutigen Welt. Denn Globalisierung interessiert sich nicht für Menschen – und die Manager der Globalisierung garantieren das.

Menschlicher wollen Manager werden? Sie möchten verstanden werden? Dann sollen sie ethisch für entsprechende Werte eintreten, danach handeln und leben, dann wird es ihnen besser gehen – und uns auch. Dann wissen sie auch, in welchem Bett sie aufwachen und wie sie nach Beendigung des Jobs im Familienkreis und in der Öffentlichkeit dastehen. Dies gilt ebenso für Politiker, die als Global-Player agieren statt ihr Amt als moralische und ethische Verpflichtung zur Umsetzung demokratischer Ziele (siehe Grundgesetz) begreifen. Der Beruf des Politikers ist kein Managerposten. Er scheint aber zunehmend, folgt man den Pressemitteilungen in der Öffentlichkeit, dazu zu werden: Deutsche Politiker werden aus allen Teilen der Welt weilend in Funk und Fernsehen gemeldet. Widerspricht das Jonglieren mit Werten nicht dem eigentlichen Verständnis eines Politikbegriffs in der Demokratie? Verletzt es das Gleichheitsprinzip? Die gegenwärtige Demokratie erhält und vertieft tagtäglich eine Ordnung, die das Zweiklassensystem zementiert. Haben die Bürger dafür gestimmt? Es wäre schon viel getan, würde nur ein Wert eingehalten: Gleiches Recht für alle – gleiche Strafe für alle, die Gesetze übertreten. Dies betrifft im gleichen Atemzug auch die öffentlichen Vertreter der Demokratie im Staatsdienst. Angesprochen sind damit zum Beispiel die Kontrollen für Fleisch – die Spuren des noch in Gänze aufzudeckenden neuesten Skandals ziehen quer durch Deutschland. Die Kapitalisten oder deren Manager zeigen im Spätkapitalismus keine Scham, kriminelles, und für Mensch und Natur schädliches, Verhalten zur Gewohnheit werden zu lassen. Kalkulierter Schaden für Mensch und Natur wird zum Gewinn der Skrupellosen aufgrund fehlender Ethik und Moral – und fehlender juristischer Konsequenzen und Kontrollen. Beispiele:

„Im Oktober 2005 werden in einem Kühlhaus in Gelsenkirchen rund drei Tonnen Rostbeef sichergestellt. Später sind es dann 400 Tonnen. Im März 2007 wird einer der Gammelfleischhändler in Essen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Eine ganze Reihe von Funden gibt es im November 2005. In Troisdorf-Spich und Düsseldorf werden rund fünf Tonnen Fleischprodukte beschlagnahmt. Am 11. September 2006 finden Lebensmittelkontrolleure in einem Tiefkühllager in Düsseldorf rund 15 Tonnen an überlagerten Lebensmitteln. Im April 2007 werden nach dem Fund von 18 Tonnen Gammelfleisch auch in NRW 14 Tonnen Putenfleisch sichergestellt.“ (WR, 23.10.2007; ddp)

Weiter ist die Inflation und Vernichtung von Materie, seien es Produkte, Materialien, Land, Tier, Mensch und deren Arbeitskraft durch weitere Grenzverletzungen und Spiralen von gesetzlichen Interpretationen zu beklagen. Stattdessen sollte Schutz jeglicher Materie gegenüber und Bewahrung von Grundsätzen betrieben werden, die nicht je nach Interessenslage auslegungsfähig gemacht werden. Dazu braucht man die Einhaltung des Gleichheitsprinzips auf allen gesellschaftlichen Ebenen – dafür braucht man eine Demokratie, die Unabhängigkeit von der Wirtschaft demonstriert.

In einigen Jahrzehnten wird es für die dann noch lebenden Menschen schwierig sein, nachzuvollziehen, wie politische Unrechtssysteme global durch ausschließlich kapitalistisch orientierte Interessen die gesamte Welt in Oben und Unten einteilen konnten. Es wird wieder Wissenschaftler geben, die recherchieren, dokumentieren und interpretieren. Derweil wird zeitgleich nicht mehr aufzulisten sein, wie viele Millionen Menschen darunter litten und starben. Die Ursachen werden individualisiert und codiert in Diagnosen, die keine Rückschlusse auf die Wirtschaft oder die Politiker zulassen: Denn wer wollte denn allen Ernstes juristisch, medizinisch, psychodiagnostisch oder soziologisch nachweisen und sagen, der Kapitalismus oder die Manager seien Schuld daran, dass Herr Meier und Frau Schulze krank geworden seien und an den Auswirkungen von Unmenschlichkeit im Kapitalismus starben – und dies weitere und weiter reichende Auswirkungen auf die Beziehungen in der Familie und auf die Familienangehörigen hatte? Da wird doch lieber gesagt: „Sie hätten doch machen können, wenn sie nur gewollt hätten!“ Meine Frage lautet dann: „Was hätten sie denn tun können, wo ja nicht einmal das Grundgesetz und die Vertreter der Demokratie dem Kapitalismus Grenzen setzten konnten? Nicht einmal Menschen, denen man in Deutschland zuhört und deren Worte man in Büchern lesen kann, können etwas verändern!“ Was also tun? Sich mit den Worten Gandhis trösten und auf die Zeit setzen?

„Wenn ich verzweifelt bin, sage ich mir immer wieder, dass in der Geschichte der Weg der Liebe und der Wahrheit immer gesiegt hat. Es mag Tyrannen und Mörder gegeben haben, aber irgendwann wurden sie doch gestürzt.“ (Gandhi – zitiert aus dem gleichnamigen Film).

Seit diese Worte gefallen sind, sind dennoch unzählige Ungerechtigkeiten und Übel in der Welt angerichtet worden. Auf Einsicht und punktuelle Betroffenheit scheint man nicht als Motor zu Veränderungen im positiven Sinne zählen zu können.

Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1

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