Читать книгу Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2 - Dr. Phil. Monika Eichenauer - Страница 12
ОглавлениеFrauen und Männer
Was hat das Thema „Frauen und Männer“ in dem vorliegenden Buch zu suchen? Nein, es geht hier nicht um die neue Gender-Forschung, die sich mit geschlechtspezifischen Unterschieden zwischen Männern, Frauen und Kindern in Bezug auf Medikamente und/oder Behandlungseinheiten dreht. Dazu müsste ein eigenes Buch geschrieben werden. Insofern verweist die Überschrift auf einen ungewohnten und unerwarteten Blickwinkel, der ob der lieben Gewohnheit Willen selten im Rahmen des Gesundheitswesens aufgegriffen wird.
Beim Gesundheitswesen handelt es sich um einen Bereich, in dem Mitgefühl, Fürsorge, Heilabsicht, Motivation und Sorge um den Patienten und generell Menschen im täglichen Berufsfeld im Vordergrund stehen oder besser gesagt, standen. Es ist von daher ein Bereich, der bis dato weibliche Eigenschaften im Berufsfeld verwirklicht – unabhängig von allen technologischen und kapitalistischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte, Kapital aus Krankheit und Behandlungsmethoden zu schlagen.
Auf der untersten Treppe in diesem Gesundheitswesen findet sich eine junge, erst 1999 in die Kassenärztliche Vereinigung integrierte Berufsgruppe, die der Psychologischen Psychotherapeuten. Besser wäre diese Gruppe mit Psychologische Psychotherapeutinnen zu betiteln, denn es sind zum überwiegenden Teil Frauen, die in diesem Beruf arbeiten:
„Der Anteil der Frauen ist gegenüber 2008 von 66,7 auf 67,3 Prozent leicht gestiegen und wird auch in Zukunft weiter wachsen, denn in den unteren Altergruppen ist der Frauenanteil deutlich größer als in den oberen. Zugleich steht die Psychotherapeutenschaft wie die anderen Heilberufe vor einem Generationenwechsel. Der Altersdurchschnitt der Psychotherapeuten lag 2009 bei 53,2 Jahren – ein halbes Jahr höher als 2008.“ („BPtK-Statistik: 2009 mehr Psychotherapeuten.“ Ausgabe 3/210, letzte Seite)
Sie, die Psychologischen Psychotherapeutinnen und der kleine Anteil der Psychologischen Psychotherapeuten, haben in ihrem Berufsfeld an erster Stelle mit den Gefühlen von Patienten und deren Heilung zu tun. Analog der Abwertung von Gefühlen und Weiblichkeit in unserer kapitalistischen Kultur, unterliegen sie der gleichen Abwertung wie Frauen generell – natürlich nicht absolut, aber immer dann, wenn es um wichtige, gesellschaftliche Entscheidungen einerseits und Berufsrechte andererseits geht.
Das Männliche hat Vorrang und dominiert auch hier Welt und Leben. Wenn Mann oder Arzt nicht weiter weiß, müssen Frau oder Psychologische PsychotherapeutInnen schauen, „was denn fehlt und was zu tun ist.“ Die Psychologischen Psychotherapeuten sind qua dessen, was sie täglich von Patienten hören, zum stillen und verschwiegenen Mitwisser des, wie ich in Band 1 mitteilte, Mann-Reich-System, angehalten. Da die Auswirkungen von Wirtschaft und Politik in ihren zerstörerischen Auswirkungen auf Menschen Ausmaße annimmt, aus denen man nur darauf schließen kann, dass generell Menschen aus prekären Verhältnissen Unten völlig in der Freiheit einer Demokratie entmündigt werden – obwohl sie ihre Meinung aussprechen dürfen, aber dennoch ohne tatsächlichen Einfluss nehmen zu können – wird zusätzlich zu den generellen berufspolitischen Inhalten von Psychologischen Psychotherapeuten eine politische Funktion im vorliegenden Buch angemerkt. Weiter ist hervorzuheben, dass wir Psychologischen PsychotherapeutInnen aufgrund des hohen Frauenanteils in dieser Berufsfachgruppe die am schlechtesten honorierten Fachärzte sind! Wir sind der Bodensatz in der Honorarpolitik im Gesundheitswesen. Dies wiederum ist kein Zufall, denn das ist in Deutschland in (fast) jedem Beruf so, in dem auch Frauen arbeiten. Es ist gleichfalls kein Zufall, dass unsere Berufsrechte im Vergleich mit Ärzten an bedeutenden Stellen eingeschränkt sind. Es ist kein Zufall, dass das Interesse von Männern am Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten rückläufig ist:
„Satte Gewinne für die Ärzte? Nicht für die Psychotherapeuten!“
Unter dieser Überschrift teilt die Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung am 20.09.2010 mit:
„Berlin, 21. September 2010. Die öffentliche Wahrnehmung von sehr hohen Einkommen der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten verkennt dass es zwischen den Arztgruppen enorme Einkommensdifferenzen gibt. So liegen die Psychotherapeuten mit einem Reinertrag von weniger als 40.000 Euro mit Abstand an der untersten Stelle der Einkommensskala. Mit Privateinnahmen von 15 % sind es etwa 45.000 Euro.“ (Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung, 3. Mitgliederbrief 2010, S. 5)
So teilt der Dipl.-Psychologe und Psychotherapeut Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DptV) das Folgende (nun endlich mal) mit: „Zwar haben auch die Psychotherapeuten von der Vergütungsreform mit einer zehnprozentigen Steigerung ihrer Honorare profitiert. Dies hat jedoch am Abstand zu den ärztlichen Einkommen nichts geändert. Dies zeigen die Zahlen, die dem Bundesministerium für Gesundheit über die Abrechnungsergebnisse der Kassenärztlichen Vereinigungen für 2009 jetzt vorliegen, ganz deutlich.“
An anderer Stelle lege ich Ihnen, lieber Leser, Zahlen der KV vor, wie sie realiter Honorare an die unterschiedlichen Arztgruppen ausgezahlt haben. Danach hat meine Berufsgruppe über ein Jahrzehnt hinweg lediglich ein Drittel der Honorare der Ärzte im Durchschnitt erhalten. Dieter Best erläutert: „Selbst bei einer maximalen wöchentlichen Arbeitsleistung von 51 Stunden ist es nicht möglich, ein Honorar zu erzielen, das dem der somatisch tätigen Ärzte vergleichbar wäre. Das wird solange so bleiben, wie die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen an dem Beschluss festhält, dass die Vergütung eines an der Belastbarkeitsgrenze arbeitenden Psychotherapeuten nicht höher sein darf, als die des durchschnittlich arbeitenden Facharztes.“
Es erübrigt sich fast zu schreiben, dass dies eine ungerechte Honorarverteilung ist – und noch mehr, dass es sich hier um eine Honorarverteilung handelt, die geschlechtsspezifisch und kulturtreu ökonomisch am Kapital orientiert durch Männer (denn Frauen sitzen in Deutschland nicht in Chefetagen!) gesteuert und entschieden wird.
Weiter werden Sie, lieber Leser, noch erfahren, dass eine Kultur ohne Seele, ohne individuelle Geschichte, dafür aber eine mit Pflastern für die Psyche, damit Sie im Falle eines Falles, nicht mehr so viel „merken“, das Ziel der politischen Bemühungen in der Psychotherapie ist.
Insofern wird in der Überschrift auf das Leben, so wie es zwischen Männern und Frauen in unserer Gesellschaft generell gestaltet und mit geschlechtsspezifischer Bedeutung gefüllt ist, verwiesen, um den Schritt, was mit dem „weiblichen Berufsfeld“ Gesundheitsversorgung oder Gesundheitswesen mittels männlich effizient durchorganisierter Gesundheitswirtschaft passiert, nachvollziehen zu können.
Gefragt und daher politisch einzufordern sind Besinnung und rückhaltloser Einsatz für das Leben von Menschen und deren Heilung. Innerhalb des Gesundheitswesens wird eine entsprechende Richtung eingeschlagen werden müssen, die ich als „Heilungsprinzip“ formuliere. Allem Anschein nach scheinen dafür Frauen notwendig zu sein – und sind es bereits. Die Dimension des geschlechtsspezifischen Charakters im Berufsfeld scheint dabei in der Tiefe eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen, die bisher in Diskussionen nicht genügend wahrgenommen wurde. Die Vernachlässigung kann damit begründet werden, dass bisher viele Männer, sprich Mediziner bzw. Ärzte, im Gesundheitswesen arbeiteten. Damit wurde dieses Berufsfeld gesellschaftlich durch Vermännlichung aufgewertet und salonfähig hinsichtlich der Anerkennung des Berufsstandes durch entsprechende finanzielle Einkunftsmöglichkeiten gestaltet. Medizinische Behandlung wurde zunehmend in der Durchführung der Tätigkeit vermännlicht, sprich, emotionsloser, funktionaler, technisierter und wortloser. Gesprächsbereitschaft war und ist ein vermisstes Gut, eine Rarität, Mitgefühl ist Luxus, der mit Bedacht vielleicht einigen wenigen Patienten zuteil wird.
Der ehemals auf menschliche Kontakt- und Beziehungsfähigkeit mit Patienten aufbauende Berufsbereich wurde zunehmend ausgetrocknet und zeitlich auf das Notwendigste begrenzt. Im Zuge der Umwandlung der Gesundheitswirtschaft mittels männlicher und rein wirtschaftlicher Mittel und Technologien fiel der Status der Domäne Medizin im Ansehen und wurde neu geordnet: Die Wirtschaft (Mann) thront nun endgültig über Medizin und Heilung und sitzt so in einem primär und inhaltlich weiblichen Berufsfeld.
Der erste Schritt in diese Richtung wurde mit Anerkennung des Descartesschen Paradigma in der Medizin getan und der Erhebung der Medizin zur Wissenschaft. Fortan wurde Medizin von Männern organisiert und dominiert. Frauen wurden Krankenschwestern und Arzthelferinnen, die ihnen assistieren durften. Medizin entwickelte sich zu einem Geschäft. Frauen wurden aus ihren naturheilerischen Tätigkeitsgebieten ausgegliedert, indem man zum Beispiel Geburt, entsprechende Untersuchungen und Schwangerschaftsbetreuung verwissenschaftlichte und unter dem Gebiet „Gynäkologie“ zusammenfasste. Dies sei hier nur kurz in Erinnerung zu rufen, ohne dieses Thema ausweiten zu wollen. Andererseits führte das wissenschaftliche Studium der Medizin wiederum zur Anerkennung von Frauen in diesem Berufsfeld – sie wurden damit im Laufe der Entwicklung in einen männlich anerkannten Status erhoben.
Unvergessen ist mir, als ich als Leiterin der Frauen- und Männerstation eines Landeskrankenhauses genauso wie meine leitenden männlichen Kollegen anlässlich einer Besichtigung von Zechen im Ruhrgebiet mit in die Grube einfahren durfte. Ich zählte zum ärztlichen Stab und galt damit offiziell nicht als Frau sondern als Arzt. Die berufliche Identität war der Garant, in die Grube einfahren zu dürfen – denn Frauen war dies nicht gestattet. Ich hatte die Männerkleidung in der Kaue anzuziehen und los ging es in den Fahrstuhl, der in die Tiefe fuhr.
Gefühle gelten in der Regel als „weibliches“ Attribut und werden von Männern gerne als Frauenkram abgewertet. Im Vergleich mit einem gesunden Mann, der als Maßstab für den gesunden und richtigen Menschen dient, werden Frauen schnell intellektuell und geistig als zweitklassig abqualifiziert. So wurde den Männern ein elementarer Teil der Welt, dessen sie schon immer zum Leben bedurften und den sie sich durch Frauen in ihr Reich holten, genommen und vorenthalten: Sie haben sich ihre Gefühlswelt selbst vorenthalten, um die patriarchalischen Strukturen und Mechanismen, die diese „Weltentrennung“ hervorgebracht haben, zu erhalten. Männer hatten qua Rollenstereotyp keine Gefühle zu haben!
In meinem Beruf habe ich vielen Männern geholfen, wieder Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu finden, weil sie sich sonst selbst zerstört hätten – und ihre Frauen und Familien gleich mit. Umgekehrt habe ich Frauen geholfen, ihre Männer zu verstehen, die so ganz anders funktionieren.
Ausgleich und Balance zwischen den Geschlechtern kann jedoch nicht allein mittels der in unserer Berufsfachgruppe täglich zu leistenden Beziehungsarbeit hergestellt werden. Hier ist ein gesamtgesellschaftlich breiter, kultureller Prozess erforderlich. Frauen und Männer sollten nicht gegeneinander arbeiten. Es kann nicht darum gehen, dass Männer weiblich und Frauen männlich werden. Aber es muss darum gehen, dass sie einander anerkennen und sich gegenseitig unterstützen. Denn wir lieben alle auch das Gegenteil, das Anderssein und Fremdsein.
Wenn Männer und Frauen sich weiterhin gegenseitig abwerten und bekriegen, dienen sie nur der Wettbewerbsideologie – und wieder sind es die Männer, die von diesen Erfolgen profitieren – und stützen die oben aufgezeigten ökonomischen Spielregeln, die langfristig unser Leben in Schutt und Asche legen. Der einzige männliche Grund, dies zu tun, ist in Beziehungen und damit im Gesellschaftsleben oben zu bleiben.
An dieser Stelle möchte ich ein ZEIT-Zitat einfügen, das als typisch für die gegenseitige Wahrnehmung von Frauen und Männern gelten kann und das die Männer auf ihren tatsächlichen Platz verweist:
„’Gib einer Frau nie deine Kreditkarte in die Hand’, witzeln Männer gern, und Kabarettisten spötteln, dass Frauen selbst mit verbundenen Augen in fremden Städten in der Lage sind, ohne Umwege den Prada-Laden anzusteuern. Das Geldausgeben scheint – glaubt man Männern – eine weibliche Kernkompetenz zu sein. Studien und Statistiken hingegen belegen, dass Frauen sehr wohl mit Geld umgehen können – besser sogar als Männer. Sie erwirtschaften mit ihrem Geld mehr Gewinne, erleiden weniger Verluste und legen bewusster an als Männer (…) Männer identifizieren Geld mit Macht und Kontrolle. Sie streben nach Gewinnmehrung. Für Frauen dagegen bedeutet Geld Sicherheit und Autonomie. Das sieht Renate Schubert, die Nationalökonomie an der Universität Zürich lehrt, ähnlich: ‚Frauen haben meist weniger Geld zur Verfügung, das macht sie risikoscheuer. Zudem agieren Frauen vorsichtiger, wenn sie über weniger Informationen verfügen. Männer dagegen sind sehr von sich überzeugt. Sie glauben zu wissen, wie Finanzmärkte funktionieren, überschätzen sich oft und treffen falsche Anlageentscheidungen.’“ (Nadine Oberhuber, 16. Juni 2005)
In Anbetracht der Ergebnisse von Untersuchungen wie der eben zitierten, müssen sich die Männer einige Wahrheiten anhören – ohne dass wir umgekehrt wissen, ob Frauen es auch auf anderen Gebieten besser gemacht hätten. Das Aufzeigen solcher Untersuchungsergebnisse schürt einerseits die Konkurrenz zwischen den Geschlechtern, dient aber andererseits der Wiederherstellung der Würde und Achtung von Frauen und der Konfrontation von Männern mit ihrer Realität. Finden Sie nicht auch, dass sich die Männer mal klar machen sollten, zu wem sie gehen, wenn sie ihre Heldentaten erzählen müssen, ein Knie zu verbinden und der Weltschmerz zu lindern ist, wer die Kinder erzieht und den Haushalt schmeißt, um abends strahlend dem Alltag zu entsteigen und mit toller Figur im schicken neuen Kleid die Freunde bewirtet. Natürlich machen Frauen auch noch nebenbei Karriere, doch der Mann mault höchstens, man habe doch tatsächlich die Schokolade vergessen einzukaufen, die er so gerne esse. Wer als Frau so einen Alltag gelebt hat, weiß, wovon ich hier spreche. Was hat der Mann den ganzen Tag getan? Er hat sich einer sehr wichtigen Sache gewidmet, nämlich seiner Arbeit, bei der er nicht gestört werden darf...
Fazit: Frauen können besser mit Geld und Gefühlen umgehen – also sollten sie politisch die Gelegenheiten ergreifen, um für Heilung von Mensch und Kultur einzutreten. (Um es gleich vorweg zunehmen: Nicht mehr zu den gegenwärtigen Honoraren und nicht mit einem derartig eingeschränkten Berufsrecht!) Männer können diese Dinge laut Untersuchungsergebnis nicht (so gut) – aber sie sollten es lernen. Sie sollten sich nicht mit einem (verantwortungslosen) Eingeständnis à la „Ich Mann, ich inkompetent“ davonstehlen können: Also sollten sie besser lernen, mit Geld umzugehen, lernen, Kinder gesund zu pflegen und Frauen liebevoll wie mitfühlend zu behandeln und Männer sollten Frauen ernst nehmen: und sich selbst gleichfalls. Das sollte Männern zu denken geben – und sie müssen sich fragen lassen, was sie eigentlich wirklich besser können als Frauen. (Aber bitte nur gesellschaftlich Relevantes!)
Die drei Bereiche Gefühl, samt Heilungsprinzip, Kapital und Organisation des Lebens sind die tragenden Pfeiler einer Kultur (neben der Gebärfunktion, die jedoch jetzt tatsächlich nicht zum neuen Politikum werden sollte). Männer jonglieren vor allem mit drei Dingen, mit denen sie sich vor Frauen setzen und sie blockieren: körperliche Kraft, nimmermüder Kampfgeist und unbedingter Siegeswille. Die Geschlechtsteile und deren Überbewertung lasse ich – völlig unüblich in unserer Kultur – in dieser Gegenüberstellung mal außer Acht.
Das erste Ziel der „Gleichstellungsdebatten“ sollte daher sein, dass Männer und Frauen sich selbst schätzen und ihre eigene „Andersartigkeit“ annehmen und gesellschaftlich mit einbringen ohne ständig der Gefahr der Abwertung ausgesetzt zu werden. Es ist ein Holzweg, wenn das eine Geschlecht dem anderen „Gleichheit“ und „Gleichstellung“ verbal anbietet oder gar gesetzlich glaubt, einräumen zu können: Die Beziehung bleibt charakterisiert durch einen Geber, Mann, und Nehmer, Frau! Damit bleibt die Hierarchie der Geschlechter gewahrt. Denn das Problem geht tiefer, als die „äußere“ Einteilung der Geschlechter inklusive der „einfachen“ kulturellen Rollenzuschreibung glauben macht. Der einzige Weg zur gegenseitigen Akzeptanz führt über die Annahme der eigenen Gefühle und die Akzeptanz des Andersseins von Mann und Frau.
Ein erster Schritt wäre die Freihaltung des Gesundheitswesens von männlicher Effizienz und Vermarktung von Mensch, Patient und kapitalisierter (Schein-)Heilung. Es muss selbst in einer kapitalistischen Kultur Grenzen geben, die unantastbar sind und nicht vermarktet werden dürfen.
Für das Gesundheitswesen bedeutet das, die menschlichste und die effizienteste Lösung unter der Wertsetzung „Heilung“ zu suchen. Der gegenwärtige Wettbewerb ist es jedenfalls nicht, der gesund macht: er ist von der Wurzel her zerstörerisch und macht krank (vgl. Band 1-1.2). Doch derzeit funktioniert die Gesundheitswirtschaft wie jedes andere Business in unserer kapitalistischen und durch Wettbewerb gesteuerten Marktwirtschaft − mit denselben zerstörerischen Auswirkungen. Das Verständnis vom Menschen und die grundsätzliche Sichtweise auf Mensch und Gesundheit werden zugunsten der Gewinnmaximierung manipuliert.
Mit der Ausmerzung des Menschenbildes der Psychologischen Psychotherapie in der Gesellschaft und der Abwertung ihrer Anschauungen, wie Menschen zu heilen sind, werden Patienten zu Material, das einen Strichcode bekommt und, medizinisch verwaltet, zu Geld gemacht wird. Wie man Menschen zu Material innerhalb einer Wirtschaft umgestaltet, um es gewinnbringend und den gesellschaftlichen Kapitalinteressen und männlichen Interessen untergeordnet, davon berichtet u. a. das vorliegende wie auch der Band 3 zur Heillosen Kultur.
Eine Gesundheitswirtschaft mit Psychologischen Psychotherapeuten ist nur denkbar, wenn sie nicht mehr selbständig denken, sondern sich nur noch den Interessen der ärztlich-politischen und männlichen Wirtschaftsinteressen unterordnen. Damit aber ist der Auftrag der Psychologischen Psychotherapie gesellschaftlich verfehlt; denn sie hat letztlich das Verhalten von Menschen zu erklären, Konflikte zu analysieren und Gefühle zu lösen – vor allen Dingen aber hat sie die Aufgabe, einer Gesellschaft mitzuteilen, was sich in Menschen abspielt und Grenzen aufzuzeigen, was Menschen nicht mehr zumutbar ist. Diese Art von Kulturanalyse ist selbstbewusst und unabhängig vorzunehmen. Damit hat dieser Berufsstand genau betrachtet, eine wichtige politische Funktion in dieser durch Männer und Kapital dominierten Welt.
Mit dem Berufsinhalt, sich um Gefühle zu bemühen und sie zu verstehen oder nachzuvollziehen, Beziehungen zu kurieren, Konflikte zwischen und im Menschen beiderlei Geschlechts zu lösen und Verhalten zu erklären, befindet sich dieser Berufsstand im Herzen dessen, was gesellschaftlich abgewertet und nebenher, nicht extra zu betonen und hervorzuheben, zu laufen hat. Gefühle sind für Männer nicht von Belang, schon gar nicht in der Wirtschafts- und Finanzwelt. In der Freizeit erwarten sie freilich dann umso selbstverständlicher Gefühle von Frau(en) und Kind(ern), wenn es ausschließlich um sie, die Männer, geht. Es nimmt nicht wunder, dass der Berufsbereich der Psychologischen Psychotherapie an allerletzter Stelle der ärztlichen Berufshierarchie rangiert. Zusätzlich wurde das gesamte Gesundheitswesen auf den Stand einer Gesundheitswirtschaft nicht nur mittels rationaler Überlegungen, sondern mittels wirtschaftlicher Effizienz ungeachtet menschlicher Kriterien, wie mit Mensch und Patient umzugehen ist und was in Behandlungen unabdingbar im Mittelpunkt im Sinne von Gesundung und Heilung zu stehen habe, durchorganisiert. Damit wird mit männlichen Vorstellungen und wirtschaftlichen Einsatz effizienter Maßnahmen ein elementarer, intimer und durch Gefühle und Kompetenz getragener Beziehungsbereich, den Arzt-Patient-Beziehungen zweifellos darstellen, „objektiviert“, sprich zur Ware umfunktionalisiert: Gefühle, (weibliche) Intuition, Mitgefühl, Zuhören und Verstehen ebenso wie individuelle Behandlungsinhalte werden zugunsten von zu erfüllenden Zeiteinheiten ausradiert, wegrationalisiert, und durch Behandlungsmodule ersetzt, die möglichst wie am Fließband am Patienten ausgeführt werden. Nicht selten mit Stoppuhr, um die vorgegebenen Zeiteinheiten auch einzuhalten. Die Medizin-Maschinerie wird perfektioniert und ökonomisiert. Das schlimmste jedoch ist, Behandlungen für die Wirtschaft freizugeben, die ausschließlich Gewinne in diesem Markt erzielen will. Effizienz wird als Beleg für Qualität bevorzugt. Gefühle werden ausradiert und damit abgewertet. Ein Gutes Morgen wird selbst im Pflegebereich ausgemerzt, weil keine Zeit für ein kurzes Gespräch in den ökonomischen Leitlinien vorgesehen ist. Krankheiten werden auf Symptomebene in Augenschein genommen und gesellschaftliche Ursachen wie existenzielle Nöte zu bedeutungslosen Schnörkeln von Behandlungen abgewertet oder ganz ausgeschaltet. Menschen haben auszuhalten, was in der Männerwelt an Untersuchungsbedingungen und Untermethoden ersonnen wird und wie sie durchzuführen sind.
Eigentlich ist es fast nicht nachvollziehbar, weshalb Psychologische Psychotherapie, generell die Diplom-Psychologie und die Diplom Pädagogik, keine politische Funktion im Sinne eines Schutzes für Menschen als Berufsinhalt gesellschaftlich formulier(t)en. Eine mögliche Erklärung, die der geschlechtspezifischen Abwertung von Frauen und Gefühlen folgt, ist gerade mitgeteilt worden. Auf diesem Strang liegt auch die generelle gesellschaftliche Abwertung von Psychotherapeuten, ob psychologischen oder ärztlichen, auch wenn in den vergangenen Jahren diesbezüglich offiziell ein kleiner Wandel von statten ging – im Inneren der KV-Hierarchie innerhalb der Ärzteschaft und Standesorganisationen selbst, ist es beim alten geblieben. Ebenso verhält es sich in der gesamtgesellschaftlichen Maskenbildung: Nach Außen tut man modern, aufgeschlossen und stellt Psychotherapie wie selbstverständlich vor, aber hinter der Kulisse läuft es völlig anders. Die Zwiespältigkeit resultiert aus der generell gespaltenen Haltung dem Weiblichen gegenüber:
Einerseits wollen Männer Frauen, aber sie behalten sich vor, sie so zu behandeln, wie sie das für richtig halten: Man will sie unter Kontrolle klein halten, in wichtigen Fragen haben sie gefälligst nichts zu sagen und sollen dann so zur Verfügung stehen, wie Mann sie möchte - und zwar mit viel Gefühl: Wie sollen Frauen Männer so lieben? So ist das mit der Psychotherapie innerhalb der Ärzteschaft auch: Wenn Arzt nicht weiter weiß, soll Psychologischer Psychotherapeut schauen, was fehlt. Das geht allerdings nicht, ohne sozialpolitische und psychoökonomische Vorgänge zu reflektieren, wie sie Patienten mit in die Psychotherapien hineintragen. Im Therapiezimmer zeigen sich die Grundwidersprüche in unserer Kultur bis ins Intimste, sei es im Offenbarwerden der Verfehlungen der Wirtschaft, der Politik, der Familie etc. (vgl. Band 1-1.2). Den Psychologischen Psychotherapeuten wird Tag für Tag ein intimer Einblick ins Innere unserer Kultur durch Patienten in vielerlei Hinsicht zuteil. Die zwiespältige Haltung gegenüber Psychologischen Psychotherapeuten zeigt sich bis in Berufsrecht und Honorarpolitik. Sie haben an entscheidenden, gesellschaftlich relevanten Stellen keine Einflussmöglichkeit: Zum Beispiel bei Krankschreibungen von Patienten. Werden Berufsrecht und Handlungsmöglichkeiten weiterhin so eingeschränkt, wie gegenwärtig, ist die Abschaffung des Fachbereichs zu prognostizieren. Dies geschieht klammheimlich, den Augen und Ohren der Patienten und generell der Menschen entzogen. So ist auch die offizielle Anerkennung der Psychotherapeuten im Rahmen der Kassenärztlichen Vereinigung als eine Möglichkeit zu verstehen, sich jeglicher politischer Vorwurfshaltung zu entziehen: Es käme einer „Zulassung zur Abschaffung“ gleich. Wir bekommen kaum rechtlich relevante Berufsrechte und Befugnisse, werden schlecht bezahlt und können uns fragen, ob diese uns täglich treffende politisch-wirtschaftliche Abwehrhaltung für unser tägliches Leben reicht oder ob wir uns in den nächsten Jahren selbst MVZen oder ärztliche Praxen zum Verkauf anbieten oder den Beruf gleich an den Nagel hängen sollen.
Ich möchte noch einmal betonen, dass es um die systemischen Auswirkungen der Gesundheitswirtschaft auf alle Behandler geht: Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Naturheilpraktiker, Pädagogen, Physiotherapeuten und andere Behandler brauchen für ihre Heilungsabsichten, die sie in ihrem Beruf – schon aus humanistischen Gründen – verwirklichen (möchten), Schutz. Dieser Schutz ist jedoch nur zu gewährleisten, wenn sie selbst die Voraussetzungen dafür schaffen. Noch werden sie von keiner Seite im Lande geschützt oder unterstützt. Im Gegenteil: Sie werden jetzt verstärkt der Gesundheitswirtschaft und ihren Reformen ausgeliefert, die an den Interessen von Patienten und Behandlern und somit generell an einer humanistischen Entwicklung unserer Kultur vorbeigehen. Dazu bedarf es dringend der Aufklärung über die Situation, wie sie sich tagtäglich darstellt. Nicht nur das sozial ausgerichtete Gesundheitswesen, sondern jeder einzelne Behandler wird den neuen Strukturen namens Gesundheitsmarkt oder Gesundheitswirtschaft geopfert. Es besteht die Gefahr, dass die heilerische Intention, der Grundsatz jeden Behandler, in diesem Zuge vollständig seiner Bedeutung und Inhalte beraubt und den Behandlern mittels Mitgliedsbeitrag im Zuge der Marktwirtschaft der privaten Krankenkassen und finanzstarken Investoren ihre Identität abgekauft wird. Darüber hinaus ergibt sich offenbar eine Fortsetzung der durch Blüchel (2003) aufgezeigten Vorgehensweisen in der rechtlich nun möglichen Ärzte-GmbH innerhalb der Ärzteschaft in neuen Kleidern: die aber nun wiederum auch von den ärztlichen Standesorganisationen genutzt wird – die Psychologischen Psychotherapeuten fehlt es an gleichen Rechten, wie Ärzte sie haben. Wie ich bereits andeutete, scheint hier ebenfalls ein Selbsterhalt aus existenziellen Gründen vorzuliegen: Die, die Oben sind, bringen sich in Sicherheit - um weiter zu verdienen: Die KVWL baut sich um und sorgt für schlechte Zeiten vor. Die Ärzteschaft finanziert derweil die KVen mit ihren monatlichen Beiträgen, die sich aus jeder erbrachten Leistung prozentual errechen, ihren Übergang in neue Rechtsstrukturen. Das hätten wir auch gern: Einkünfte, die einfach weiter fließen und die uns gestatten, in Ruhe alles weitere zu planen! Blüchel teilte in seinem Buch über das alte Gesundheitssystem Folgendes mit: „Meine Kritik gilt dem gestrandeten, von den Zunftmeistern der ärztlichen Standesorganisationen fehlgesteuerten Gesundheitssystem, seinen aus Inkompetenz geborenen Korruptions- und Betrugsstrategien.“ (2003, S. 18 f.) Ich persönlich würde das Handeln der Standesorganisationen heute als überaus clever und dadurch als hoch brisant beurteilen, vor allem in Bezug auf die weiterhin dominante Machtfunktion, die nun auch in der Gesundheitswirtschaft etabliert wird. (Über Korruption, Betrug oder Verrat an den Mitgliedern zu sprechen steht mir nicht zu.) Mir geht es darum, die verschiedenen Positionen, die sich in der erblühenden Markt- und Gesundheitswirtschaft abzeichnen, phänomenologisch aufzuzeigen. In diesem Zuge weise ich auf die Notwendigkeit des aktiven Zusammenschlusses von Behandlern hin. Anders ist der beruflichen Entwertung und weiteren Entmündigung durch reformerische Staatspolitik, Macht versessene Standesorganisationen in Verbindung mit den gesetzlichen und privaten Krankenkassen nicht zu entgehen. Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten müssen sich in der Gesundheitswirtschaft nun selbst einen Platz zuweisen und klare Positionen einnehmen. Ich habe eine solche rechtlich abgesicherte Möglichkeit geschaffen: In ihr steht die Heilungsabsicht an erster Stelle. Verpassen die Behandler die Chance, sich zusammenschließen, verspielen sie jegliche Autonomie, Unabhängigkeit, berufliche Identität und Anerkennung und werden stattdessen von anderen Interessensgruppen instrumentalisiert.
Die Ideen und Gedanken, die von Politik und Wirtschaft entwickelt und in Gesetze umgesetzt wurden, um uns im Ergebnis die Gesundheitswirtschaft und gegenwärtige Kultur zu präsentieren, müssen hinsichtlich ihrer ursprünglichen Intentionen und Ziele aufgespürt werden. Die Motive liegen nicht direkt offen zutage – weder hinsichtlich des Einflusses des Kapitalinteresses noch des Einflusses, der auf dem gesellschaftlichen Strang von Weiblichkeit, Gefühl, Fürsorge, Mitgefühl und Heilung liegt. Insofern sei der Hinweis aus dem Talmud erlaubt, der an Achtsamkeit erinnert.
Achte auf deine Gedanken,
denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte,
denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen,
denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,
denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter,
denn er wird dein Schicksal.
So, wie sich das Gesundheitswesen in der Gesundheitswirtschaft nun für jeden Menschen offenbart, wird es für viele Menschen Schicksal bestimmend: Leider nicht im Sinne der Heilung. Aber im Sinne von Profit für die Wirtschaft.
Ebenso schicksalgebend scheinen sich Männer aus dem Beruf des Arztes im Gesundheitswesen aufgrund der entwürdigenden Honorarpolitik und Bevormundung sukzessive zurückzuziehen.
Frauen sollten sich überlegen, ihre berufliche Tätigkeit nicht durch diese Honorarpolitik und sich selbst in dieser Hinsicht bewerten zu lassen und stattdessen verschärft für bewegungsfreundliche Berufsrechte wie angemessene Honorare einzutreten.
Parallel dazu wären Behandlungsformen, die Heilung und Gesundung von Patienten festlegen, mit der gegenwärtigen ökonomisierten Leitlinien- und Zertifikats-Modul-Medizin zu konfrontieren. In der Hektik, ein neues Gesundheitswesen aufgrund der immer lauter werdenden Kritik in den letzten Jahren aus dem Boden zu stampfen, haben die Politiker und Ökonomen die obig zitierte Abfolge von „Achte auf deine Gedanken“ bis „Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal“ nicht berücksichtigt. Bevor in zwanzig Jahren erst eine Kritik durch nachträgliche Untersuchungen der jetzt bereits etablierten Gesundheitswirtschaft erfolgt und dieses System dann unabdingbar Schicksal für Millionen von Menschen geworden ist, sollen im vorliegenden Buch ebenso wie in Band 3 bereits jetzt vorliegende Fakten, Informationen und Vorgehensweisen gegen Behandler und Patienten aufgezeigt werden.