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Was geschieht im Gehirn?

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Kurz gesagt: Unter andauerndem seelischem Stress und chronischer Überforderung kommen in unserer emotionalen Gehirnregion, dem „limbischen System“, mehrere Botenstoffe so sehr zum Versiegen, dass Stimmung, Motivation und Antrieb einen Tiefpunkt erreichen. Menschen leiden dann auf einmal unter seelischen Symptomen wie Niedergedrücktheit, Panik, Ängsten, Unruhe, Antriebsarmut, gebremster Wut, Traurigkeit, Lustlosigkeit und extremen Stimmungsschwankungen. Die Betroffenen ziehen sich plötzlich von Freunden und Bekannten zurück, da sie sich so „anders“ erleben und die „Normalität“ der anderen schwer ertragen. An Depression erkrankte Menschen fühlen sich häufig wie „im Nebel“ und wirken, als wären sie innerlich „weggetreten“. Eine der schlimmsten Empfindungen ist jedoch wahrscheinlich das Gefühl der „Gefühllosigkeit“. An die Stelle von Gefühlen treten Phänomene wie Gedankenkreisen, Katastrophenfantasien, Denkblockaden, Zerstreutheit und erhöhte Vergesslichkeit.

Wir wissen, dass bei emotional als belastend, stressig oder gefährlich erlebten Situationen von den Kernen der Amygdala im limbischen System Signale ausgehen, die Alarm auslösen, indem sie den Cortisolspiegel, aber auch den Adrenalin- und den Noradrenalinspiegel im Körper erhöhen. Die Folge ist ein Anstieg von Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Blutzucker, Temperatur und Muskelanspannung. Dies erzeugt den bekannten Zustand von innerer Unruhe bis zu Angst und Panik. Gezielte Blutgefäßveränderungen in einzelnen Organen oder Körperteilen können je nach der persönlichen Konstitution des Einzelnen zu Körpersymptomen führen, die man sich manchmal schwer erklären kann. Auf lange Sicht kann es zu einem Versagen der Funktion der Nebennierenrinde mit chronischer Erschöpfung des gesamten Systems kommen. Dies geht oft mit einer Schwächung des Immunsystems einher und das kann zu verschiedenen Krankheiten führen.

Diesen Alarmzustand können wir nicht willentlich steuern. Es handelt sich nämlich dabei um sogenannte Reflexe, die auch bei Tieren ausgelöst werden, wenn Gefahr droht. Ihr Sinn ist, dass wir entweder kämpfen oder fliehen oder uns völlig tot stellen können. Der Unterschied zum Tier ist nur: Tiere reagieren sich ab, bis die Stresshormone verbraucht sind. Dadurch können sie schnell wieder zum Ruhezustand zurückkehren, wenn die Gefahr vorbei ist. Sie fangen dann wieder ganz normal an zu fressen, als wäre nichts geschehen. Wir Menschen aber bleiben meist auf allen unseren Stresshormonen „sitzen“. Das äußert sich dann in all den Symptomen, unter denen Depressive und Menschen im Burn-out leiden.


Vereinfachtes Modell des Alarmsystems im Gehirn und seiner Auswirkungen auf Körper und Seele

Wird ein Mensch auf diese Weise lange Zeit seelisch und körperlich überfordert, zum Beispiel durch das chronische Gefühl: „Ich halt‘ das nicht mehr aus!“, so wird das innere Alarmsystem nicht mehr ausgeschaltet und es fehlt die Erholung auf körperlicher und seelischer Ebene. Denn entgegen dem landläufigen Eindruck befinden sich Depressive, selbst diejenigen, die nach außen ganz lethargisch wirken, in einem hochgradigen Alarmzustand, der nicht bewusst abgestellt werden kann. Hält dieser Zustand länger an, so verändert sich die Ansprechbarkeit der Rezeptoren im limbischen System für wichtige Botenstoffe wie zum Beispiel das Serotonin, unseren „Gute-Laune-Transmitter“, der für unsere seelische Stabilität zuständig ist. Was dahintersteckt, ist folgender Mechanismus:

Nach dem Neurophysiologen und Stressforscher Joachim Bauer lösen Anerkennung und Wertschätzung – ja, sogar die bloße Aussicht auf Wertschätzung – im limbischen System über die Erhöhung des Dopaminspiegels ausgesprochene Lustgefühle aus, die eine gute Motiviertheit zur Folge haben. Körpereigene Opioide dämpfen seelischen oder körperlichen Schmerz und Serotonin steigert das Wohlgefühl. Die Frustrationstoleranz ist dadurch sehr hoch. Zusätzlich sorgt Oxytocin für freundschaftliche Zugewandtheit gegenüber anderen Menschen, sodass wir uns ihnen gegenüber öffnen können. Bleibt diese positive Stimulation des limbischen Systems aus, so kommt es zu einem dramatischen Absturz des Selbstwertgefühls. (Vgl. Literaturverzeichnis, Bauer 2004)

Eine depressive Stimmung breitet sich also immer dann aus, wenn die Neurotransmitterproduktion im emotionalen Gehirn durch Frustrationserlebnisse über längere Zeit aus den Fugen gerät. Die Betreffenden fühlen sich dann zunehmend niedergeschlagen und ängstlich. Verlassenheitsgefühle und Selbstablehnung bis zu Selbsthass können so überhandnehmen. Die Stresstoleranz nimmt ab. Unter diesen Bedingungen kann eine psychisch belastende Situationen wie zum Beispiel die Kränkung durch einen Kollegen das Fass zum Überlaufen bringen und eine plötzliche Krise herbeiführen. Meist kündigt sich diese schon einige Zeit vorher an, sie wird jedoch oft lange verdrängt.

Besonders Menschen, die sich als Kinder extrem an ihre Eltern anpassen mussten, sind später depressionsgefährdet. Sie neigen dazu, als Erwachsene ständig die Erwartungen anderer zu erfüllen, statt für sich selbst einzutreten. Die so entstandenen Muster können lange auf einer latenten Ebene bleiben und beispielsweise durch Größenfantasien, ein Helfersyndrom oder die ausschließliche Definition über Leistung ausgeglichen werden. Wenn von außen dann Überforderungen hinzukommen und ein nicht mehr erträgliches Maß erreichen, werden die Depression oder der Burn-out-Zustand offensichtlich.

Depressive Phasen kommen aber natürlich auch bei Menschen mit einer glücklichen Kindheit vor. Manchmal haben solche Menschen allerdings trotzdem bestimmte Lernprozesse nicht machen können, die für eine gute Widerstandskraft im Leben nötig sind. Die Depression kann dann eine Chance sein, diese neu zu erwerben.

Gleichgültig, welche Ursachen zu Ihrer Erkrankung geführt haben: Bei chronischem seelischem Stress gerät unsere gesamte Persönlichkeit auf allen Ebenen des Seins in einen Daueralarmzustand mit all seinen seelischen Symptomen wie Erschöpfung, Niedergeschlagenheit, Angst und Antriebslosigkeit. Die Depression ist das Ergebnis eines Mangels an Neurotransmittern im limbischen System und oft auch einer Erschöpfung der Nebennierenrinde.

Auf der körperlichen Ebene kann „Daueralarm“ zu ganz verschiedenen Körpersymptomen führen. Je nach individueller Veranlagung können Herzrasen, Rhythmusstörungen, hoher Blutdruck, Unruhe, Schlafstörungen, Erschöpfung trotz ausreichenden Schlafs, Schwitzen, Dünnhäutigkeit, Appetitmangel, Verdauungsprobleme und diverse Schmerzen oder andere schwer erklärbare Symptome die Folge sein. Da die Betroffenen diese Symptome bisher nicht gekannt haben, befürchten sie, dass ihr Körper nun vollends versagen könnte. Sie haben Angst, auf Dauer hohen Blutdruck, einen Herzinfarkt, Lähmungen oder sonstige schwere Krankheiten zu bekommen. Diese Befürchtungen sind jedoch lediglich Ausdruck dafür, dass der Körper und die Seele in irgendeiner Form „SOS“ funken, um den Menschen auf seine innere Not aufmerksam zu machen. Insbesondere im Kapitel über Körpersymptome werden Sie dazu Näheres erfahren.

Wenn wir die Sprache all dieser körperlichen und seelischen Symptome verstehen, können wir gezielt Einfluss auf unser Befinden und damit auf die Neurotransmitterausstattung unseres limbischen Systems nehmen. In diesem Buch finden Sie wirksame Selbsthilfestrategien, die dazu beitragen, dass die Alarmreaktionen im limbischen System sich zunehmend beruhigen und das Neurotransmittersystem und die Nebennierenrinde sich wieder erholen. Durch die hier vorgestellte ganzheitliche Herangehensweise entstehen im Gehirn ganz neue Netzwerke, die ein größeres Repertoire an Handlungsspielräumen eröffnen. Damit lässt sich das eigene Leben besser steuern und die Gefahr einer erneuten Erkrankung kann gebannt werden.

Wie Dr. Joachim Bauer betont, kommt es durch diese sehr bewussten Lernprozesse auf der Ebene von Körper, Geist und Seele zu einer vollständigen Regeneration im Bereich der Botenstoffe des Gehirns und zu einer dauerhaften Heilung. Die Persönlichkeit kann sich ganz neu und auf Dauer stabilisieren. (Bauer 2004)

Depression und Burn-out überwinden

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