Читать книгу Restless Legs - Dr. Uwe Kullnick - Страница 10
DER ANFANG
ОглавлениеEs war ein langer Tag, schnell noch was Essen, ein bisschen fernsehen, schöne Tiersendung, aber du bist hundemüde, und dir fallen die Augen immer schon zu. Es ist erst zwanzig nach neun und noch zu früh, um ins Bett zu gehen. Aber du raffst dich auf, machst schnell, was nötig ist und fällst ins Bett. Kaum noch Zeit zum ausgiebigen Gähnen, da bist du schon weg. Süße Schwärze legt sich auf deine Seele, und so kann es bleiben. Du kannst morgen ausschlafen. Morgen ist Samstag.
Dann wachst du auf, warum auch immer. Drehst dich um, willst weiterschlafen, drehst dich noch mal um, aber irgendwas passt nicht. Kribbeln, Ziehen, Drücken, Schmerzen, kurz: die Beine nerven. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass du gerade eine halbe Stunde geschlafen hast. Kein Wunder, dass du Augen hast wie ein Bassett.
Solche Situationen sind oft der Anfang einer steilen Karriere in den Wahnsinn. Was dann folgt, ist meistens ein unendlich langer Weg der Selbstbeobachtung, der Hausmittelchen, der Einschlafhilfen und der Selbstberuhigungsmethoden: Heiße Milch mit Honig, Fernsehen bis man halb ohnmächtig auf der Couch zusammensinkt, um dann ins Bett zu fallen und (zumindest im Anfangsstadium der Krankheit) wieder einzuschlafen. Wer weiß wie lange? Wenn man sich nicht mehr anders zu helfen weiß, dann gilt es ins Bad zu eilen und die Beine kalt abzuduschen, kalte Tücher aufzulegen, selbst zu massieren, oder die genervte Ehefrau zu bitten, einem das Bein oder auch beide zu kneten, seltsame Verrenkungen mit den Beinen zu machen, den Muskeltonus so weit aufzubauen, dass einem fast die Muskeln reißen, in die Knie gehen bis die Muskeln vor Anstrengung zittern und die Beine flattern. Hauptsache irgendwas machen, nur nicht weiter stillhalten. Dann befindet man sich am Anfang einer Odyssee in das Innere des neuronalen Orkus, der mit den uns eigentlich so brav durchs Leben tragenden Beinen verrückt spielt. Das „Unruhige Beine Syndrom” is "On the Road". Dann kann man ahnen, was auf einen zu kommt, wenn sich das weiter entwickeln sollte. Und kein Zweifel - es wird schlimmer, fast immer. Jahrelang helfen sich die Betroffenen mit solchen und tausend anderen Maßnahmen, wenn sie langsam merken, dass mit ihren Beinen etwas nicht stimmt. Selbstberuhigung wie: Ich habe zu lange gesessen, ich muss mich mehr Bewegen, ich sitze, stehe, liege zu viel, ich muss auf meinen Zucker aufpassen, ich muss mich besser ernähren, ich sollte wieder mehr Fahrrad fahren, Treppen laufen und noch die vielen anderen Ideen, auf die man kommt bei der Frage, was wohl die Ursache für diese unsinnigen Bein-Nerv-Phänomene sein könnte.
NEIN, liebe Leute, das ist alles nicht die Ursache. Ihr seid krank. Ihr habt RLS im Anfangsstadium, und seid um Himmels Willen froh, wenn es dabei bleibt. Die Chance dafür scheint nach heutigen Schätzungen bei unter 50 % aller Erkrankten zu liegen. Wobei ich der Meinung anhänge, dass davon noch etliche einfach still vor sich hin leiden, ohne zum Neurologen zu gehen bzw. ohne eine richtige Diagnose zu erhalten, die ihnen helfen würde.
Wie auch immer: Es gibt einige Merkmale, die euch helfen können (wenn ihr nicht, wie ich auch, zu den armen Schweinen gehört, die notgedrungen ohnehin schon alles über diese Krankheit aus erster Hand wissen) zu erkennen, wo ihr steht, und ob ihr auf dem RLS-Trampelpfad seid. Denkt mal kurz nach, ob ihr euch und euren, vielleicht nur temporären Zustand, in diesem kleinen Fragebogen erkennt:
• Wenn du sitzt oder liegst: Fühlst du dann manchmal oder öfter seltsame und unangenehme Missempfindungen an den Beinen?
• Musst du im Liegen oder Sitzen mit den Beinen zappeln? Heißt: Hast du das verdammte Gefühl, deine Beine bewegen zu müssen?
• Haut es dich nachts oft schon kurz nach dem Einschlafen oder beim Mittagsschlaf unbarmherzig aus dem Bett oder vom Sofa, und du musst einfach aufstehen? Falls du liegen bliebest: Würdest du einfach sterben? Ich übertreibe ein klein wenig, aber es geht einfach nicht, liegen zu bleiben, stimmt’s?
• Alles wird besser und erträglicher, wenn du aufstehst und herumläufst.
Hast du mehr oder weniger überall JA gesagt, dann brauchen wir kaum noch weiter zu spekulieren, woran du leidest. Es sind die sogenannten „unruhigen Beine“, das Restless-Legs-Syndrom. Pech gehabt, lieber Freund, liebe Freundin. Das wirst du nun bis zum Ende nicht mehr los. Es sei denn, du glaubst an irgendeinen Heiligen, und der schneidet die entsprechenden Kabel in deinem Hirn oder Beinen oder sonst wo durch. Bedanke dich bei deinen Erzeugern oder deren Eltern, obwohl die auch nichts dafür können. Irgendeiner hat dir das genetisch angehängt, und nun musst du damit leben. Ein Blick ins nächste Kapitel wird uns zeigen, dass diese Krankheit durchaus nicht neu und keine Zivilisationskrankheit ist, als die sie uns öfter verkauft wird. Wenn man tiefer hinsieht, findet man sogar in der belletristischen Literatur deutliche Hinweise dafür.