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Kapitel 1: Ngorongoro Krater

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Tansania, Oktober 2027

Gegen Mitternacht trat Gorden Mathews, Wildhüter im Serengeti Nationalpark, missmutig, mürrisch und leicht betrunken wie immer am Samstagabend auf die Terrasse seiner Beobachtungsstation. Es roch nach Staub, Bier und Alkohol. Zuständig für einen Teil des Ngorongoro Kraters, überwachte er die Tierbewegungen und vor allem die Wilderer, die nach wie vor brutal vorgingen und für einen verlockenden Gewinn vor nichts zurückschreckten. Im Krater, der seit 2010 zum Weltkulturerbe gehörte, herrschte eine gewisse Unruhe. Er konnte es förmlich spüren. Irgendwie übertrug sie sich auch auf ihn.

»Verflucht sollt ihr sein, ihr elenden Dreckswilderer«, schrie er laut in die finstere Nacht. Vor zwei Wochen hatten sie eine junge Spitzmaulnashornkuh bestialisch getötet und die beiden Hörner mit einer Säge abgetrennt, um auf dem Schwarzmarkt einen satten Gewinn dafür einstreichen zu können. Wenn er könnte, würde er denen auch was mit einer Säge abschneiden, dachte er. Seine Betrunkenheit verleitete ihn in letzter Zeit öfters zu solchen Gedankengängen - oder war es die bald bevorstehende Pensionierung?

»Hol mal die Nachtsichtgeräte«, bat er Na-Soma, die auf dem Weg nach unten war.

»Spürst du es auch?«, fragte sie.

»Ja, ich habe ein ungutes Gefühl, Gefahr und Unbehagen liegen in der Luft.«

Gorden Mathews verschwieg, dass er in den letzten 32 Jahren, seit er hier als Wildhüter arbeitete, noch nicht annähernd ein so mieses Gefühl hatte. Obwohl er gross gewachsen und kräftig gebaut war, hatte er ein ausgesprochenes Sensorium für die Landschaft und die Tiere im Park. Er erkannte viele Dinge, die anderen verborgen blieben. Eine Legende besagte, dass er sogar einen Löwen mit ruhigem Zureden zum Rückzug gebracht habe. Deshalb wurde er auch von vielen, sogar von seinen Feinden, als »Lion Gordon« betitelt. Vor allem die Massai, die in unmittelbarer Nähe zur Station lebten, zollten ihm deswegen grossen Respekt.

»Die Stimmung bedrückt mich«, sagte Na-Soma.

Ihr konnte Mathews nichts vormachen. Zu gut kannten sie sich. Seit sie vor 18 Jahren zu ihm auf die Station kam, hatten sie viele schwierige Aufgaben gemeinsam gemeistert. Sie war in der Station nicht wegzudenken. Sie kam aus Umoja, einem Dorf nahe der Stadt Archers Post im Samburu County in Kenia. Dort leben nur Frauen und ihre Kinder. Sie waren von ihren Männern verstossen worden oder hatten sie verlassen. Na-Soma sprach nie über die Hintergründe, wie sie dorthin gekommen war. Aber manchmal, wenn sie neben ihm im Bett lag und die Alpträume der Vergangenheit sie nicht loszulassen schienen, konnte er erahnen, dass etwas Teuflisches ihr widerfahren sein musste. Ihr Name heisst aus dem Swahili übersetzt »ich lese«, was wohl mit ihrer Vergangenheit zu tun haben musste. Sie bedeutete ihm alles und ihre gegenseitige Zuneigung war sehr gross. Aber dennoch war sie nie frei, und dem Schatten der Vergangenheit konnte sie nicht entfliehen.

Sie brachte die Nachtsichtgeräte auf die Terrasse, und sie begannen den Krater, so gut es ging, zu observieren. Der Krater war riesig. Er entstand, als vor langer Zeit ein Vulkan in sich zusammenbrach. Er hat noch heute einen Durchmesser von ca. 18 km. Es begann heftig zu winden und erste Blitze erhellten den Nachthimmel, gefolgt von fernem Donnergrollen.

»In wenigen Tagen wird die Regenzeit beginnen. Die Tiere sind wohl deshalb unruhig.«

»Siehst du was?« fragte Mathews.

»Nichts Aussergewöhnliches«, antwortete Na-Soma.

»Du?«

»Ja, schau Richtung Zentrum des Kraters. Siehst du es?« entgegnete Mathews.

»Was um Himmelswillen geschieht da? Siehst du die Löwen?«

»Sowas habe ich noch nie gesehen. So viele Löwen habe ich niemals zuvor gesichtet. Sie scheinen Angst zu haben.«

»Aber wovor?«

»Ich kann es nicht glauben. Da ist ein rundes Ding in der Mitte des Kraters.«

»Ja, es scheint ein Kreis auf dem Boden zu sein. Aber dieser muss sehr gross sein.«

Sehr starke Windböen bliesen ihnen entgegen und weitere Blitze zuckten.

»Da schau, es sind rote Blitze über dem Krater«, rief Mathews aufgeregt Na-Soma zu.

»Ja, ich sehe sie. Was hat das zu bedeuten?«

»Keine Ahnung.«

Die Windböen wurden stärker und es machte den Anschein, dass ein wahrhaftiger Wirbelsturm wie aus dem Nichts entstehen könnte.

Na-Soma nahm ein weiteres Spezialnachtsichtgerät zur Hand, mit dem Distanzmessungen und Fotografieren möglich waren.

»Was denkst du, wie gross der Kreis ist?«, fragte sie Mathews.

»Ich schätze, dass der Durchmesser so gegen 3 km misst.« Sie musste schon lauter rufen, damit er sie verstand. Immer heftiger blitzte und donnerte es. Auch begann es leicht zu regnen.

»Gut geschätzt«, das Gerät zeigt etwas mehr als 3140 Meter an«, bestätigt er.

Na-Soma zoomte mit dem Spezialnachtsichtgerät den Kreis in der Mitte des Kraters näher heran, fotografierte mehrmals und gab sprachlos das Gerät an Mathews weiter.

»Was hast du?«, fragte Mathews

»Der Kreis, er bewegt sich! Ich weiss, woraus er besteht, du wirst es nicht glauben. Schau selber!«

Ungläubig nahm Mathews das Gerät und sah, dass sich tatsächlich der Kreis bewegte.

»Das ist absolut unmöglich«, gab er zur Antwort.

»Wie viele sind es?«

»Ich schätze ca. 10‘000 Stück«, antwortete er.

»Wie ist es möglich, dass 10‘000 Gnus mitten im Krater sich nahezu perfekt kreisrund ausrichten und sich dann gleichmässig im Kreis bewegen können?«, fragte Na-Soma.

»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«

Auch er fotografierte die Szene, bevor er ins Haus zurückging, um mit seinem Smartphone Kontakt zu seinem Chef aufzunehmen, der in der Regionshauptstadt Arusha lebte. Aber er stellte fest, dass kein Mobilenetz zur Verfügung stand. Ein Festnetz gab es hier draussen sowieso keines.

»Ich erreiche niemanden, die Mobilenetze sind nicht im Betrieb. Vermutlich sind dafür die Blitze verantwortlich. Ich muss in den Krater, näher an den Kreis heran«, erklärte Mathews.

Na-Soma wollte ihn überreden, da zu bleiben. Aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass Mathews in den Krater und damit näher an den Kreis heran gehen würde. Er bestieg den Jeep und nahm ein Nachtsichtgerät und ein geladenes Gewehr mit, für alle Fälle, wie er meinte. Sie wollten über das Funkgerät in Verbindung bleiben. Er fuhr los Richtung Kreis. Na-Soma beobachte seine Fahrt durch das Nachtsichtgerät. Immer weiter entfernte er sich, bis er nicht mehr sichtbar war.

Und in der Tat verschwand er etwa 2 Kilometer vor dem Kreis, der aus 10‘000 Gnus bestand, und zwar für immer! Auch von den Gnus fand man keine Spur mehr. Später gab es keine Erklärung für sein Verschwinden. Auch den Jeep fand man nicht. Er wurde förmlich vom Erdboden verschluckt. In der lokalen Tageszeitung von Arusha und auf der entsprechenden Internetseite gab es einen kurzen Hinweis auf dieses Ereignis. Mehr aber nicht. Der verantwortliche Redaktor kommentierte den Vorfall als ein zufälliges Wetterphänomen, das im Zusammenhang mit der kurz bevorstehenden Regenzeit stehe.

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