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7 Überfällige Sanierung
ОглавлениеJaccard hatte vorgeschlagen, sich mit Sutter und Céline am 17. Dezember 2018, in Genf zu treffen. Sie fuhren mit dem Auto zur Verabredung, weil sie nicht riskieren wollten, dass ihnen die Computer mit allen wissenschaftlichen und geschäftlichen Unterlagen im Zug geklaut würden. Die Zusammenkunft im Hotel Président Wilson begann mit einem etwas zu ausgiebigen Mittagessen. Danach schlug Jaccard vor, den Kaffee im Sitzungsraum zu nehmen, damit sie sich gleich an die Arbeit machen könnten. Für eine Sitzung von bloss drei Personen war das Lokal zu geräumig. Sutter war jedenfalls froh, dass er die Miete nicht bezahlen musste.
«Alors mes chers, das Gebiet, in dem Ihr arbeitet, kenne ich bereits und falls Eure Techniken funktionieren, bestehen gute Aussichten, damit Geld zu verdienen», eröffnete Jaccard die Diskussion. «Inzwischen habe ich die Unterlagen, die Sie mir vor einiger Zeit geschickt haben, genau studiert, und Céline hat mir mündlich mitgeteilt, was inzwischen gelaufen ist. Sie ist aber berechtigterweise sehr zurückhaltend gewesen. Ich möchte nun Genaueres erfahren und habe eine Vertraulichkeitsvereinbarung mitgebracht.» Er legte das Papier vor Sutter auf den Tisch. «Jetzt könnt ihr offen über die erzielten Resultate und neuen Projekte reden. Ich muss sie genau kennen, bevor ich definitiv einsteige. Nachher schwatze ich nicht mehr drein.»
Sutter überliess es Céline, die wissenschaftlichen Aspekte zu erläutern, was sie brillant erledigte, obwohl Sie nicht mehr gewohnt war, einen Vortrag auf Französisch zu halten, und lieber Englisch gesprochen hätte.
Jaccard stellte nur wenige Fragen und fasste dann kurz zusammen, wie er taktisch vorgehen würde: «Der Transport von Genen in die Eizellen von dotterreichen Arten scheint zu funktionieren. Aber so lange er nicht an Säugern angewendet werden kann, ist er kommerziell uninteressant, ausser für Tests, wie sie die ‹RareMed› durchführen will. Trotzdem müssen wir die definitive Patentierung sofort beantragen, sonst kann jedermann die Technik kostenlos anwenden, und eure darauf basierenden Projekte könnten kaum noch patentiert werden. Das müssen wir sofort erledigen. Dann wäre es wichtig, innert weniger Wochen eine Publikation mit neuen Daten über den Shuttle nachzuschieben. Das macht Eindruck beim Patentamt. Die Entdeckung, dass der Shuttle auch CRISPR-Cas9 in die Zellen transportiert, darf noch nicht publiziert werden, bevor wir auch darauf ein Patent angemeldet haben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine grosse Firma das ganze Paket sofort aufkauft. Mir wäre es allerdings lieber, die Forschung weiterzuführen, bis medizinisch brauchbare Resultate vorliegen. Ihr habt ja noch einige vielversprechende Projekte, wie Céline mir angedeutet hat. Wir sind aber nicht dazugekommen, uns darüber zu unterhalten.»
«Wir haben das Shuttle Protein umgebaut, damit es auch bestimmte Zellen und Gewebe im erwachsenen Körper ansteuert», schaltete sich Céline ein. «Anstelle des Vitellogenin Liganden, der sich an Eizellen bindet, kann man beliebige Erkennungssignale einsetzen. Wir haben nun ein Signal eingebaut, das an Rezeptoren von Hautzellen andockt, und von diesen internalisiert wird Anhang IX, nämlich den Liganden des normalen epithelialen Wachstumsfaktors, der sich an alle Hautzellen bindet und, zum Vergleich, eine Variante, die nur von Tumorzellen erkannt wird. Mit beiden Vehikeln haben wir ein Marker Gen, das grüne Fluoreszenz produziert, in Kulturen von Hautzellen einschleusen können. Dieses Dia zeigt leuchtende Hautzellen, die wir auf diese Weise fabriziert haben. Bemerkenswert ist, dass der tumorspezifische Shuttle nur in Tumorzellen gelangt.» Céline machte eine Pause, um die Information einsickern zu lassen, dann fuhr sie fort: «Auch der Transport von Genscheren funktioniert. In einem Vorversuch haben wir auf diese Weise CRISPR-Cas9 eingeschleust und ein lebenswichtiges Gen inaktiviert. Wie erwartet, sind die meisten Hautzellen abgestorben.»
«Wie wollt ihr weiter vorgehen?», wollte Jaccard wissen.
«Bei Hautkrebs befinden sich besonders viele Rezeptoren an der Zelloberfläche, interessanterweise auch solche, die nur in Tumorzellen vorhanden sind. Das wird von verschiedenen Gruppen dazu genutzt, Antikörper an, und Drogen in die Krebszellen zu bringen, um deren Wachstum zu hemmen. Diese Versuche haben bereits positive Resultate ergeben. Unsererseits probieren wir gegenwärtig zwei Ansätze aus. Einerseits versuche ich, ein Bcl2 Gen einzuschleusen. Bcl2 setzt den programmierten Zelltod in Gang und eliminiert so die Krebszellen.»
Was passiert mit den toten Zellen? Führt das nicht zu Komplikationen?», erkundigte sich Jaccard.
«Beim programmierten Zelltod bleibt die Zellmembran lange intakt, und es ergibt sich somit keine Entzündung. Die wenigen verbliebenen Reste der Zelle werden von weissen Blutkörperchen, den Phagozyten und vor allem Makrophagen, entsorgt. Céline nahm einen Schluck Wasser und fuhr weiter: «Allerdings besteht bei diesem Vorgehen die Gefahr, dass das Gen, das den Zelltod auslöst, auch in gesunde Zellen gelangt und diese eliminiert. Deshalb führe ich in parallelen Experimenten das Tumorsuppressor Gen P53 ein, das unkontrolliertes Zellwachstum verhindert. Da schadet es nicht viel, wenn es auch in gesunde Zellen gelangt.»
Jaccard nickte und Céline fügte abschliessend an: «Juri Bobrow versucht mit einem ähnlichen Vorgehen, die Entwicklung von Brustkrebs zu hemmen und die Krebszellen zu eliminieren. Aber er ist erst am Anfang und das können wir vielleicht später besprechen.»
Jaccard drückte auf die Klingel, um einen Kellner zu rufen. «Das ist zu schön, um Wasser dazu zu trinken», bemerkte er bestimmt, und als der Bediente den Kopf durch die Tür steckte, bestellte er eine Flasche Sauvignion gris.
Die Besprechung der finanziellen Situation lief glimpflicher ab, als befürchtet. Sutter war froh, dass er die Bilanz zusammen mit Bernauer überarbeitet hatte, und erklärte jede Position genau. «Wie Sie sehen, ist die Firma im Moment noch gesund, aber leider nicht mehr für lange Zeit.»
«Haben Sie Ihre persönlichen Einlagen separat aufgelistet?», erkundigte sich der Investor. Sutter reichte ihm eine Liste seiner anfänglichen Investition von einer Million und der nachträglichen Erhöhung um eine halbe Million.»
Jaccard studierte die Zusammenstellung kurz und kritzelte einige Anmerkungen dazu. «Das Haus, in dem das Labor untergebracht ist, gehört Ihnen, aber Sie haben keinen Mietzins eingezogen. Ihr Lohn ist auch zu tief angesetzt.» Er kribbelte auf dem Blatt herum und fügte entsprechende Korrekturen hinzu. «Sie haben sich ja damit einverstanden erklärt, dass Céline gleichberechtigte Partnerin in der Firma wird. Ich rechne deshalb nach, mit welchem Betrag sie sich einkaufen muss, und komme auf zweieinhalb Millionen Franken. Das entspricht ungefähr der Summe, die Sie investiert haben. Die Patentrechte für das Shuttle Protein gehören Ihnen. Bei den folgenden Patentierungen wäre aber Céline mitbeteiligt.» Er sah Sutter fragend an.
«Das ist sehr fair. Es freut mich, dass nun eine dauerhafte Zusammenarbeit mit Céline gesichert ist – selbst wenn die ‹KOKI› ihren Lohn nicht mehr bezahlen könnte.»
Jaccard schmunzelte. «Dieses Risiko existiert nicht mehr. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit: Ich zahle Ihnen die von Ihnen investierte Summe aus. Dafür müsste Céline sich nicht einkaufen. In diesem Fall würde ich meine Investition entsprechend erhöhen, was sich natürlich auf die Gewinnanteile auswirken würde. Was ziehen Sie vor?»
Sutter war von diesem Vorschlag überrascht. Einerseits waren seine in die Firma gepumpten Eigenmittel nicht die sicherste Geldanlage, andererseits hatte er genügend Geld, um anständig leben zu können. Sein Lohn war soeben erhöht worden, und vom Vermögen seines Vaters war noch einiges in festen Anlagen vorhanden, auch wenn Evita das Gegenteil behauptete. Der Gedanke an die Entschädigung für seine zukünftige Ex gab den Ausschlag: «Bleiben wir bei der ersten Variante mit Céline und mir als gleichberechtigte Besitzer mit je zweieinhalb Millionen Einlage.»
Der Kellner brachte den Wein im richtigen Moment.
Jaccard stand auf, hob sein Glas und bedeutete den anderen, es ihm gleichzutun. «Das ist wirklich vielversprechend, ich steige ein – unlimitiert! Wenn ich denke, dass die Roche letzthin 3.4 Milliarden investiert hat, um die ‹Spark Therapeutics› und deren biotechnisches Vorgehen zur Heilung der Bluterkrankheit zu übernehmen …»