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KAPITEL 5

MATT

Noah sitzt auf dem Balkon, als ich am Nachmittag unsere Kabine betrete. Er hat die Füße auf das Geländer gelegt, das zu hoch wirkt, als dass es bequem sein könnte. Aber er sieht gut dabei aus.

Er hebt eine Bierflasche an den Mund und nimmt einen Schluck. Es ist seine fünfte, wie ein Blick auf die leeren auf dem kleinen runden Balkontisch verrät.

Tja, er ist nicht der erste Mann, der meinetwegen zur Flasche greift. Nicht wahr, Dad?

Mein Vater hat immer uns Kindern die Schuld an seiner Trinkerei gegeben. Ob er auch nur einen Moment lang nüchtern war, seit ich geoutet wurde? Ich würde gern meine Geschwister anrufen und fragen, wie es zu Hause läuft, seit mein Geheimnis keins mehr ist, aber ich kenne ihre aktuellen Nummern nicht. Meine Eltern haben zu extremen Maßnahmen gegriffen, um mich von meinen Brüdern und Schwestern fernzuhalten. Sie haben mich bei allen sozialen Medien geblockt, und wenn ich es auf ihren Handys versuche, läuft immer nur die Ansage, die Nummer sei nicht mehr vergeben.

»Ich kann spüren, dass du mich anstarrst«, sagt Noah und steht auf.

Ich schnappe mir selbst ein Bier aus der Minibar, als er das Zimmer betritt.

»Bisschen zu früh für einen Drink, meinst du nicht?«, frage ich ihn.

Noah hebt eine dunkle Augenbraue und sieht mich aus seinen türkisfarbenen Augen durchdringend an. Sie wirken eher blau als grün, weil sich der Ozean in ihnen spiegelt. Warum zum Teufel denke ich überhaupt über seine Augenfarbe nach?

»Sagt der Typ mit dem Bier in der Hand.« Er nimmt einen weiteren Schluck.

»Geteiltes Leid ist halbes Leid. Anscheinend hab ich dich mit meinem Trübsinn angesteckt.«

»Bilde dir nur nichts ein. Das hier« – Noah hebt die Flasche – »hat nichts mit dir zu tun.«

»Hast du mit deiner unerträglichen Art vielleicht jemanden vom Personal verärgert, und der hat dir ins Mittagessen gespuckt?«

Er schnaubt. »Hey, ich bin ein liebenswerter Typ. Du siehst das bloß nicht.«

Und ob ich das sehe. Ich kann mir gut vorstellen, dass andere seine entspannte Haltung, seinen Sinn für Humor und seinen arroganten Charme anziehend finden. Aber ich nicht.

»Übrigens hat mir Damon endlich unseren Terminkalender gegeben.« Ich reiche Noah das zusammengefaltete Blatt Papier.

»›Lernt euch kennen.‹« Noah bricht in Gelächter aus. »›Ohne euch gegenseitig umzubringen.‹ Na, da kennt er uns aber schlecht.«

»Das ist wirklich ziemlich viel verlangt.«

»Moment. Ein Fototermin für ein Interview im ›Out and Proud Magazine‹ auf den Bermudas?«

Ich nehme einen tiefen Zug aus der Flasche. »Ja.«

»Führt das wieder zu einer von deinen Panikattacken?«

»Ehrlich gesagt sind die Chancen dafür gut.«

»Denk einfach dran, dass ich immer für einen Kuss verfügbar bin, wenn dich die Panik überkommt. Hier steht, wir werden zusammen interviewt.«

Das entlockt mir ein Stöhnen, was Noah erneut zum Lachen bringt. »Es gefällt dir, wenn ich mich quäle, stimmt’s?«

»Du machst es mir eben so leicht.« Noah starrt auf das Blatt Papier. »Wie es aussieht, fährst du danach für ein paar Wochen zurück nach Pennsylvania, bis zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung für … Im Ernst? Der LGBTQ Alliance Ball? Jetzt können sie es den Leuten wohl nicht dick genug aufs Brot schmieren, dass du schwul bist?«

Ich verschlucke mich an meinem Bier. »Danke. Genau so sehe ich das auch.«

»Man sollte aber auch mitbekommen, wie wir ganz alltägliche Sachen machen. Vielleicht können wir sie überreden, uns die Paparazzi auf den Hals zu schicken, wenn wir im Supermarkt einkaufen. Ist ja nicht so, als ob unsere Beziehung nur aus schicken Kreuzfahrten und dem Besuch von Spendengalas besteht.«

»Machst du denn noch was anderes?«, frage ich. »So als reicher Treuhandfonds-Sprössling ohne Job …«

»Ich hab einen Job. Ich gehe nur nie hin. Warum auch, wenn sie mich nicht bezahlen?«

»Hier sehen Sie den Mitarbeiter des Jahres.«

»Interessiert es dich, was das für ein ›Job‹ ist?« Er zeichnet Anführungszeichen in die Luft. »Ich arbeite in Dads Wahlkampfbüro. Offiziell bin ich einer seiner Strategen, aber das bedeutet nur, dass ich meine Zeit zusammen mit einem Haufen Spießer in einem Besprechungszimmer absitze. Die Typen glauben, sie wüssten, wie es in der Welt zugeht. Aber abends verschwinden sie nach Hause, genießen ihre schicken Häuser und dicken Bankkonten und ignorieren die Obdachlosen auf der Straße, an denen sie täglich vorbeilaufen. Jedes Mal, wenn ich eine Idee vorstelle, wird sie abgetan, weil ich nur der Sohn vom Chef bin und keine Erfahrung habe. Mein Abschluss in Politikwissenschaften zählt rein gar nichts.« Hilflosigkeit spiegelt sich in seinen Augen wider, und zum ersten Mal erkenne ich einen Anflug von Bescheidenheit in ihm.

»Du möchtest Politiker werden?«, erkundige ich mich.

»So in der Art.« Irgendetwas in seiner Stimme erregt in mir den Verdacht, dass er lügt oder dass es ihm zumindest egal ist, ob er im Weißen Haus landet. »Ursprünglich war das mal mein Plan. Inzwischen sieht die Sache ein bisschen anders aus.«

»Mehr willst du mir nicht verraten?«

»Das Treuhandfondsleben besteht nicht nur aus eitel Sonnenschein.« Zum ersten Mal wirkt er verletzlich, und sofort ist mir unbehaglich zumute. Wie soll ich jetzt darauf reagieren?

»Immer noch besser, als in Tennessee im Wohnwagen mit fünf Geschwistern aufzuwachsen, deren Eltern nie wissen, wie sie alle satt kriegen sollen.« Das war wohl kaum die passende Reaktion, du Blödmann.

Schon hat Noah wieder sein arrogantes Grinsen aufgesetzt. »Du bist aus Tennessee? Das ist also der Akzent, der durchschimmert, wenn du dich ärgerst.«

»Hab mir selber beigebracht, wie man sich gebildet ausdrückt und so.« Ich spreche jedes Wort so aus, wie ich es zu Hause tun würde.

»Warum denn das? Ein Südstaatenakzent ist doch heiß. Viel heißer als der New Yorker.« Er versucht, wie ein New Yorker aus Manhattan zu klingen, hört sich aber eher an wie einer aus der Bronx.

»Mein Akzent erinnert mich immer an die Hinterwäldler, mit denen ich aufgewachsen bin.«

Noah lehnt sich an die Schiebetür zum Balkon. »Sehr schön, wir erfahren etwas übereinander. Wie war das so, mit fünf … Brüdern und Schwestern aufzuwachsen?«

»Zwei Brüder, drei Schwestern. Charlene ist einundzwanzig, Jethro neunzehn, Daisy sechzehn, Fern vierzehn und Wade zwölf.«

Noah quittiert das mit einem Pfiff. »Deine Eltern haben wohl noch nie was von Verhütung gehört?«

Das bringt mich zum Lachen. »Platzt du immer mit allem heraus, was dir durch den Kopf geht?«

»Äh, ja. Tut mir leid.«

»Braucht dir nicht leidzutun. Du hast ja recht. Mom und Dad hätten nach mir keine weiteren Kinder kriegen sollen. Es gibt Menschen, die sollten sich nicht fortpflanzen, und meine Eltern gehören eindeutig dazu. Sie stehen nicht ganz oben auf der Liste – sie haben uns nicht geschlagen, sie haben dafür gesorgt, dass wir was zum Anziehen und zum Essen hatten, und sie waren keine Monster, aber sie waren … einfach nie für uns da. Football ist das einzige Thema, über das Dad und ich uns je unterhalten haben.«

»Wussten sie, dass du schwul bist, bevor die Presse dich geoutet hat?«

Das weiß ich selbst nicht so genau. »Auf der Highschool gab es einen Typen, mit dem ich ab und zu rumgemacht hab. Wir dachten, wir wären vorsichtig, aber im Nachhinein glaube ich, dass Mom und Dad es die ganze Zeit über gewusst haben. Als ich fürs College weggegangen bin, haben sie mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht zurückzukommen brauche. Ich hatte ein Vollstipendium für die Olmstead und hab mir einen Sommerjob gesucht, damit ich die Unterkunft bezahlen konnte und in den Ferien nicht nach Hause musste. Im zweiten Collegejahr wurde ich dann gedraftet.«

»Und wann hast du deine Familie zum letzten Mal gesehen?«

»An dem Tag, an dem ich nach New York ging. Ich war seitdem nie wieder dort, und sie können sich einen Besuch nicht leisten. Ich hab immer mit meinen Geschwistern telefoniert, aber jetzt darf ich nicht mal mehr anrufen. Solange nur meine Eltern wussten, dass ich schwul bin, konnten sie es ignorieren. Das ging aber nicht mehr, als sämtliche Zeitungen und das Internet voll mit Fotos von mir waren.«

»Das ist echt uncool«, stellt Noah leise fest.

»Das ist mein Hintergrund.« Ich spiele es runter, als wäre es keine große Sache. Dabei hab ich mich so lange bemüht, Dad ein einziges Mal zu der Aussage zu bewegen, er wäre stolz auf mich. Schon möglich, dass ich einem Klischee hinterhergejagt bin, aber ich hab mich dem Football mit Haut und Haaren verschrieben, weil ich dachte, dass meine Eltern mich dann akzeptieren.

Zwischendurch gab es immer wieder Phasen, in denen ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt gern Football spiele. Doch als ich an die OU kam und meine Eltern mir keinen Druck mehr machen konnten, wurde mir klar, dass ich ohne den Football nicht leben kann. Er liegt mir im Blut. Von dem Moment an hab ich nur noch für mich gespielt.

Noah stößt sich von der Tür ab und schiebt sich in dem engen Raum an mir vorbei zur Minibar. »Ich nehme mir noch ein Bier. Möchtest du auch eins?«

»Nein, ich hab den anderen so gut wie zugesagt, dass wir uns an der Zigarrenbar mit ihnen treffen.«

Er hält mit ausgestrecktem Arm inne. »Zigarren und Scotch. Noch besser.«

* * *

Damon wirkt frustriert. Nach ein paar Drinks an der Zigarrenbar ist er uns zu unserer Kabine gefolgt, um sicherzugehen, dass wir auf das Interview vorbereitet sind, das morgen direkt nach dem Anlegen geplant ist. Es läuft jedoch nicht gerade gut, was wir einem gewissen überheblichen Klugscheißer zu verdanken haben, der einfach nichts ernst nehmen kann.

Grundlegende Dinge, wo wir uns begegnet sind und was wir am College studiert haben, sitzen bereits, doch Noah muss wohl am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom leiden, denn es ist nahezu unmöglich, ihn dazu zu bewegen, sich mal eine Zeit lang zu konzentrieren.

»Na gut, versuchen wir es mit etwas Einfachem«, schlägt Damon vor. »Was macht Matt gern in seiner Freizeit?«

»Ich schätze, dass er sich in Nachtclubs einen blasen lässt, ist nicht die richtige Antwort?«

Ich lasse mich seufzend rückwärts aufs Bett fallen. »Ich geb’s auf. Ist er immer so?« Keine Ahnung, warum ich überhaupt frage, wo ich doch längst weiß, dass die Antwort Ja lautet.

»Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit dir, du Blödmann«, sagt Damon zu Noah und ignoriert meinen Einwurf. »Wenn normale Menschen verliebt sind, wollen sie jede freie Minute miteinander verbringen. Sportler haben kaum Freizeit, also lautet die Antwort, dass er so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen will.«

»So ein Käse«, wendet Noah ein.

»Aber genau den Käse müssen wir der Öffentlichkeit verkaufen.« Damon versucht vergeblich, nicht laut zu werden.

»Cheddar oder Schweizer Käse?«

Daraufhin steht Damon auf. »Meiner Erfahrung nach braucht man es gar nicht erst weiter zu versuchen, wenn Noah so drauf ist. Tut mir leid, Matt. Ich hab mich bemüht.«

»Du mich auch!«, rufe ich ihm hinterher, als er die Kabine verlässt.

»Wie unprofessionell«, bemerkt Noah. »Aber wenigstens hat es funktioniert. Auf was hast du jetzt Lust? Sollen wir irgendwo noch was trinken? Oder eine Kleinigkeit essen? Wie könnten uns auch die lahme Zaubershow ansehen …«

Ich setze mich auf und starre ihn ungläubig an. »Du hast den ganzen Mist nur von dir gegeben, weil du keine Lust hast, langweilige Fragen zu beantworten?«

Er lächelt mich an. »Gern geschehen.«

»Aber wir müssen doch über uns Bescheid wissen.«

»Nein, müssen wir nicht. Wir improvisieren einfach. Die stellen eh keine schwierigen Fragen.«

»Und wenn wir bei einer Lüge erwischt werden? Oder einer etwas nicht über den anderen weiß?«

»Wir sind doch angeblich ganz frisch verliebt«, erklärt Noah. »Wir müssen denen nicht verkaufen, dass wir Seelenverwandte sind und schon immer waren. Ist doch ganz normal, dass wir noch nicht jedes kleine Detail übereinander wissen.«

»Was, wenn sie mich etwas über deine Familie fragen?«

Seine Augen, die normalerweise lebhaft blitzen, wirken plötzlich leer. »Ich beantworte alle politischen Fragen. Darauf wurde ich mein Leben lang vorbereitet.«

»Ich aber nicht. Was, wenn ich es vermassle?«

»Dann meldest du dich arbeitslos.« Das sollte ein Witz sein, doch ich bin dafür überhaupt nicht in der Stimmung. Noah muss das mitgekriegt haben, denn er entschuldigt sich sofort. »Du musst dir keine Sorgen machen. Schließlich ist es nur ein einziges Interview, und das Magazin liest sowieso kaum jemand.«

Darüber kann ich nur spöttisch lachen. »Das ist Schwachsinn, und das wissen wir beide. Ein einziges Foto hat meine Karriere zerstört. Aber um den Schaden zu beheben, sind verdammt viele positive Pressemeldungen nötig.«

Mit dem tiefsten Seufzer, den die Menschheit je gehört hat, greift sich Noah ein neues Bier aus den unerschöpflichen Tiefen der Minibar. Beim Personal vom Zimmerservice muss es sich um die reinsten Ninjas handeln, so schnell und lautlos, wie sie den kleinen Kühlschrank nachfüllen, sobald wir das Zimmer verlassen.

»Also gut«, gibt Noah sich geschlagen. »Dann langweilen wir uns eben gegenseitig zu Tode und erzählen uns so viel wie möglich übereinander. Aber wenn wir das schon machen, sollten wir uns dabei wenigstens amüsieren.«

»Erträgst du meine Anwesenheit eigentlich nur mit einem Drink in der Hand?«

»Nein, aber das macht sie erträglicher.«

»Wow, danke«, grummele ich. »Merke: Was macht Noah gern in seiner Freizeit? Er trinkt.«

Noah lehnt sich an die Wand unserer kleinen Kabine und nimmt einen tiefen Zug aus seiner Bierflasche. »Ich hätte noch eine andere Idee, wie wir mehr Spaß dabei haben könnten. Aber die wird dir noch weniger gefallen.«

Ich muss nicht mal fragen, was er damit meint. Der hungrige Blick, mit dem er mich mustert, verrät bereits alles, und ich werde diese Anspielung keiner Antwort würdigen.

Stattdessen stehe ich vom Bett auf, das mir plötzlich viel zu einladend erscheint. Ich möchte Noah küssen, mich an ihn pressen und … »Wahrscheinlich hast du recht. Das hier führt zu nichts. Wir gehen zu dieser Zaubershow.«

Noahs selbstzufriedener Gesichtsausdruck entgeht mir nicht. Ich habe ihm anscheinend direkt in die Hände gespielt. Er hat keine Lust auf dieses blöde Vorbereitungsgespräch und hat sowohl bei Damon als auch bei mir genau die richtigen Knöpfe gedrückt, damit wir ihn in Ruhe lassen.

Ich weiß nicht, ob ich sauer oder beeindruckt sein soll.

Trick Play - Touchdown ins Herz

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