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Beschränkungen (Einheitsgedanken)

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Gibt es eine Welt außerhalb deines Wissens? Kannst du über das, was du weißt, hinausgehen? Du magst von einer Welt unabhängig vom Verstand ausgehen, doch wird das immer nur ein Konzept sein, unbewiesen und unbeweisbar. Deine eigene Erfahrung ist ihr Beweis, der nur für dich Gültigkeit besitzt. Wer könnte sonst noch deine Erfahrungen machen, wenn die andere Person nur so real ist, wie sie in deiner Erfahrung erscheint?

- Nisargadatta Maharaj


Unmittelbare Erfahrungen, so verschieden und ungleichartig sie auch sein mögen, können sich logischerweise nicht widersprechen. Wir wollen daher versuchen, ob wir nicht aus den folgenden beiden Prämissen den richtigen, widerspruchsfreien Schluss ziehen können:

Mein Körper funktioniert als reiner Mechanismus in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen.

Doch weiß ich auf Grund meiner unmittelbaren Erfahrung, daß ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe, die entscheidend und in höchstem Maße bedeutsam sein können; in diesem Falle übernehme ich die volle Verantwortung für sie.

Die einzig mögliche Folgerung aus diesen zwei Tatsachen ist die folgende: Ich –ich im weitesten Sinne des Wortes, d.h. jedes bewusst denkende geistige Wesen, das sich als ‚Ich‘ bezeichnet oder empfunden hat– ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die ‚Bewegung der Atome‘ in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet.“

- Erwin Schrödinger


Dieses Energiegefüge, in das dieser “mein“ Organismus eingebunden ist, das scheint die Welt zu sein von der Maya sprach. Die Welt mit der ich eins bin, die Welt die ich hervorbringe und die gleichzeitig mich hervorbringt. Die Welt, die durch diesen Organismus, also durch “mich“ zu einer mir eigenen Welt wird. Eine individuelle Welt, die nur für mich Gültigkeit hat, die nur für mich Realität besitzt. Eine Welt, die also von mir hervorgebracht und gesteuert wird, obwohl ich nichts dazu beizutragen scheine. In die ich mich früher wie eine Marionette hineinversetzt fühlte, von der ich jetzt aber weiß dass sie nur ein Produkt meiner Wahrnehmung ist. Aber was heißt hier “nur“; für mich ist dies die ganze Welt, all dies was Bestand für mich hat. Die Welt scheint also ein Wahrnehmungsobjekt zu sein, das dadurch erst wahr wird, indem es wahrgenommen wird. Außerhalb meiner Wahrnehmung kann ich ihr demnach keinerlei Realität zusprechen. Da scheint gar keine Welt außerhalb meiner Wahrnehmung zu existieren. Und unter dem Aspekt betrachtet macht auch Mayas Aussage Sinn: „Die Welt ist in dir, und du bist in der Welt“.

Dieses Feuer hier vor mir ist also nur ein Produkt meiner Wahrnehmung. Wenn ich nicht bald ein paar dieser trockenen Äste nachlege wird es erlöschen und sich aus meiner Welt verabschieden. Also wird es nicht nur durch meine Wahrnehmung, sondern auch durch mein Eingreifen zur Wirklichkeit. Ich gestalte meine Wirklichkeit. Oder ist es doch umgekehrt? Das Feuer drängt sich meiner Wahrnehmung auf um dadurch Realität zu erlangen? Es wärmt mich, spendet Licht und veranlasst mich es am Leben zu halten, indem ich Holz nachlege. Womit ich ihm einen Willen untergeschoben hätte. Das Feuer, das mich durch diese Wüste geführt hat, allen Strapazen trotzend und Hindernisse aus dem Weg räumend, um an dieser Stelle hier von mir entzündet zu werden. Wenn ich es woanders entzündet hätte, wäre es dann ein anderes Feuer?

Verwirrt lasse ich diese Überlegungen, die doch alle nur in neuen Vorstellungen münden, langsam auslaufen. Oder sie stellen sich von selbst ein, da dem Körper die nötige Energie für eine solche Gedankentätigkeit fehlt. Die Vitalität und der Verstand scheinen in enger Verbindung zu stehen, wenn sie nicht sogar, so wie die Welt und Ich, ebenfalls eins sind. Wenn es, wie in meinem Fall, dem Organismus an Vitalität mangelt, dann ist es auch mit der Verstandestätigkeit nicht weit her. Glücklicherweise benutzt der Organismus die letzten Reserven um sein Überleben zu sichern und nicht dazu an fragwürdigen Vorstellungswelten zu basteln.

Mit dem Gedanken, dass schon alles seine Richtigkeit haben wird, fallen mir die Augen zu. Das Bewusstsein ergreift die Gelegenheit und stiehlt sich leise davon, die ganze mich umgebende Welt gleich mit sich nehmend.


Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen habe, aber als ich erwache ist das Feuer noch munter am brennen. Es scheint sich sogar vergrößert zu haben, denn ich bin mir ziemlich sicher keine so dicken Äste aufgelegt zu haben. Verwirrt reibe ich mir die Augen und erfahre nach dem Auftauchen von Maya den zweiten Schock an diesem Tag. Mir direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Lagerfeuers, sitzt ein bärtiger Mann, mich freundlich anlächelnd. Der Schalk in seinen durch die Flammen golden leuchtenden Augen nimmt ihn sofort für mich ein und der erste Schreck beginnt sich schnell aufzulösen. Mich wundert nur wie einfach ich überrascht werden kann. Könnte ja sonstwer sein, der sich hier nachts herumtreibt.


Nein, ein „Sonstwer“ bin ich nicht, auch wenn ich mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher bin was das ist. Aber wer weiß was sich in deiner Vorstellungswelt für Typen herumtreiben. Deinem staunenden Blick nach scheinst du mich nicht zu erkennen, also will ich mich erst mal vorstellen. Ich glaube einen richtigen Namen hatte ich nie, oder ich habe ihn einfach vergessen, also nenne mich einfach... . Blöd, jetzt fällt mir natürlich nichts ein. So helfe mir doch ein wenig und suche einen Namen für mich aus, lass deiner Fantasie ruhig freien Lauf, einer scheint so gut wie der andere zu sein.


Unter Druck stehend scheint der Verstand Schwierigkeiten zu haben. Mit seiner von ihm selbst so hoch gehaltenen Spontanität ist es dann wohl nicht mehr so weit her. Doch warte, da fällt mir etwas ein, ich werde dich Hägar nennen. Nicht weil du mir so schrecklich erscheinst, sondern weil du mich so schrecklich erschreckt hast. Doch sag mir zuerst, bist du eine wirkliche Person oder nur eine Erscheinung, eine mir erscheinende Traumfigur?


Worin besteht denn der Unterschied? Aber zu deiner Beruhigung, ich bin so wirklich wie du selbst. Seit deinen Erfahrungen im Grenzland bist du wohl etwas sensibel in Bezug auf andere Personen geworden. Suchst du denn immer noch den wahren Menschen? Ich dachte mit diesem Thema wärst du durch.


Diese Umgebung hier provoziert wohl das Hochkommen von Erinnerungen an das Grenzland und den Grenzwächter, den ich dort verkörperte. Schau dich doch um, siehst du nicht diese ganzen wie geschlossene Schranken daliegenden Stämme? Seit ich hier sitze hat der unermüdliche Wind schon wieder zwei weitere geschlossen.


Du meinst wohl die Bidones, diese Agavenstämme die hier überall herumliegen. Das sind keine Schranken, das ist hervorragendes Baumaterial. Wegen denen bin ich übrigens hier, das Dach meiner Hütte ist stellenweise eingebrochen und da Holz hier ziemlich rar ist benutze ich sie als Dachbalken. Du hast witzige Ideen, Schranken... Obwohl mein Nachbar sie mal als solche benutzte um ein Gehege für sein Maultier zu bauen. Das Biest wollte sich laufend davonmachen, woran meine Maultierdame vielleicht nicht ganz unschuldig war. Ihm wurde aber ziemlich schnell klar dass sich ein Maultier nicht von diesen Stämmen aufhalten lässt. Es hat so lange darauf herumgekaut bis ein kleiner Druck zum Durchbrechen genügte.

Aber wie sieht es denn mit deiner Beschränktheit aus? Lässt du dich noch immer von deinen eigenen Schranken beschränken?


Ich kaue schon so lange darauf herum dass sie eigentlich jeden Moment von alleine zerbrechen müssten. Da bin ich wohl ebenso stur wie dein Maultier. Doch mich interessiert viel mehr weshalb du von meiner Vergangenheit als Grenzwächter weißt, woher du mich so gut zu kennen scheinst, obwohl an dich hier gar keine Erinnerung besteht. Wenn du nicht behaupten würdest, ebenso wirklich wie ich selbst zu sein, würde ich dich glatt für ein Fantasieprodukt meiner überreizten Sinne halten, als Vorstellung meiner Gedankenwelt.


Bist du denn nicht selbst auch nur eine Vorstellung deiner selbst? Wenn du dies in Betracht ziehst, und das musst du jetzt zwangsläufig, dann hätte meine Behauptung, so real wie du selbst zu sein, wieder Gültigkeit. Schau mal, wenn ich eine Vorstellung von dir bin und du eine Vorstellung von mir, was ist dann das Gemeinsame und was ist der Unterschied?


Da gibt es nicht viel zu überlegen. Die Vorstellung, also die Tätigkeit an sich ist das Gemeinsame, und der Inhalt der Vorstellung ist das Unterschiedliche. Beide sind wir also Vorstellungen, das haben wir gemeinsam, Und was wir gemeinsam haben, das eint uns auch. Der Punkt, aus dem du als Vorstellung von mir aus gehst und der Punkt, aus dem ich als Vorstellung von dir ausgehe, müsste dann ein und derselbe Punkt sein. Der Punkt, in dem “Ich“ und “Du“ getrennt werden, aber auch wieder zusammenfließen.


Grundlegende Sache, dieser Punkt. Der Ort, an dem “ich“ und “du“ entstehen, der Ort, an dem meine ganze Welt entsteht. Und natürlich ebenso deine Welt. All das Erscheinende erscheint aus diesem Punkt. Ich bin dieser Punkt, man kann auch sagen dieser Punkt ist das “Ich bin“. Dort bin ich der Grenzwächter, und dort bin ich der Stämme sammelnde Hägar. Für den Grenzwächter sind diese Stämme sich öffnende und schließende Schranken, für Hägar sind sie Baumaterial für seine Hütte. Obwohl wir beide in derselben Welt zu sein scheinen, befindet sich doch jeder in seiner eigenen Vorstellungswelt. Doch vor dieser Vorstellungswelt, da sind wir eins. Beide bringen wir sie aus uns hervor. Hier erscheint die Rolle des Hägar, die von dir ausgearbeitet und geformt wird. Dort erscheint die Gestalt des Grenzwächters, die von mir mit einem Erscheinungsbild und Eigenschaften versehen wird. Doch der in den Gestalten steckende ist derselbe, ich stehe mir also selbst gegenüber und du stehst dir gegenüber. Dieses angebliche Gegenüberstehen, seien es nun Personen wie “Hägar und der Grenzwächter“ oder andere objekthafte Dinge wie “der Wanderer und die Welt die er durchwandert“, ist also eine große Täuschung.

Und mit den Erfahrungen verhält es sich ebenso wie mit den Erscheinungen. Jeder von uns scheint seine eigenen Erfahrungen, die sich aus seinen Neigungen, Glaubensvorstellungen und Konzepten heraus entwickeln, zu machen. Unzählige Erfahrungswelten, die doch alle aus einem einzigen Sein entspringen. Unzählige Erfahrungen, die auch alle wieder in ein einziges Sein zurückfließen.


Und dieses einzige Sein, aus dem alles hervorkommt, ist das das übergeordnete Prinzip das wir Gott nennen? Dieser ominöse Punkt, der göttliche Funke der alles belebt und aus dem alles hervorkommt ist also....


...Reines Bewusstsein, Körperlos, das Ich bin.

Der Gottesbegriff im Judaismus, “Yhwh“, oder “Ich bin, was ich bin“. Das allumfassende Bewusstsein das es sich selbst ermöglicht zu wissen dass es existiert.

Dieser Punkt ist das Nichts, also eigentlich ein Nicht-Punkt, aus dem alles hervorkommt, der aber auch alles umschließt, umfasst. Der Ozean des Seins mit all seinen aufsteigenden Wellen die wieder in ihn zurückfallen.


Der Ozean, Ort meiner Sehnsucht. Die Erinnerung daran scheint hier langsam zu verblassen. Wurde ich, um bei dem Vergleich der Welle zu bleiben, zu weit an Land gespült um wieder zurückzufließen? Ein Auslaufmodell, das sich hier in dieser Wüste totläuft. Entschuldige Hägar, aber die Müdigkeit beginnt wieder mit aller Kraft an mir zu zerren. Mir fehlt im Moment die nötige Energie, um diesem Gedankenspiel die nötige Konzentration zu widmen.


Das ist in Ordnung, denn auch meine Augen werden mir schwer und verlangen nach einer Mütze voll Schlaf. Gewähren wir dem Körper das nach dem ihm verlangt und lassen den Mantel des Nicht-Seins über uns fallen.

Der Leuchtturmwächter

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