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Gefühlsduseleien
ОглавлениеDas Denken hat für sich selbst ein eigenes Schicksal kreiert. Es ist sehr erfolgreich darin gewesen, für sich selbst eine getrennte, parallele Existenz zu erschaffen. Indem es das Unbekannte, das Jenseits, das Unsterbliche postuliert, hat es für sich eine Möglichkeit geschaffen, weiter zu existieren.
- U.G.Krishnamurti
Ich entdeckte, dass ich litt, wenn ich meinen Gedanken glaubte, dass ich jedoch nicht litt, wenn ich ihnen nicht glaubte und dass dies für jedes menschliche Wesen zutrifft. So einfach ist Freiheit. Ich habe entdeckt, dass Leiden freiwillig ist. Ich habe eine Freude in mir gefunden, die nie mehr verschwunden ist, nicht für einen einzigen Moment. Diese Freude ist in uns allen, immer.
- Byron Katie
Ein schneller Rundumblick offenbart Holz und anderes trockenes Brennmaterial in üppiger Fülle. Mit den Händen und einem flachen Stein beginne ich eine flache Kuhle freizuschaufeln, um sie anschließend mit einem lockeren Steinkreis einzufassen. Nicht dass die ganze Aktion noch in einen Buschbrand ausartet, was bei der hier herrschenden Trockenheit leicht passieren könnte. Die Berge vor mir nehmen eine rote Färbung an und mit meinen frisch reparierten Schuhen müsste es problemlos möglich sein, sie vor der morgigen Mittagshitze zu erreichen. Mal davon ausgegangen dass es einen nächsten Morgen für mich gibt.
Wie schnell sich das Gefühl der Resignation in Zuversicht wandeln kann. Vor kurzem noch zum Aufgeben bereit, den Tod als letzten Gast willkommen heißend. Und jetzt? Sich der Herausforderung Leben ein weiteres mal stellen, eine weitere Runde auf dem Karussell anstreben, den letzten Funken Hoffnung nähren und zu einem Feuer entfachen. Ein etwas gequältes Lächeln stiehlt sich auf die trockenen und rissigen Lippen als das wirkliche Feuer entzündet wird, welches auch sofort munter zu brennen beginnt.
Gefühle. Seit die Identifikation mit den Gefühlen und damit einhergehend der Versuch ihrer Manipulation weggefallen ist, kann viel zwangloser damit umgegangen werden. Da gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen gut und schlecht. Das Gefühl der Resignation ist nicht schlechter als das Gefühl der Zuversicht. Es sind einfach zwei unterschiedliche Gefühle, die auftauchen und auch wieder vergehen. Vielleicht sind sie ja nicht einmal unterschiedlich und nur die Benennungen erheben sie in den Stand einer Eigenmächtigkeit. Schlussendlich ist es doch nur eine sich in diesem Organismus bemerkbar machende Energie, die, je nach Konditionierung, interpretiert wird. Die Auswirkungen mögen unterschiedlich sein, doch die Energie ist eine einzige. Was in einem Organismus das Gefühl der Hilflosigkeit auslöst, mag in einem anderen den Kampfessmut entfachen. Was zu einer bestimmten Zeit das Gefühl der Stagnation hervorruft, kann zu einer anderen Zeit auch neugieriges Voranschreiten veranlassen.
Nehmen wir als Beispiel einfach mal den Chronisten hier, der sich Edi Mann nennt. Sein Job in der Firma droht wegrationalisiert zu werden. Edi, eher der selbstbewusste Typ, sieht dies als willkommenes Zeichen und reicht von sich aus die Kündigung ein. Er kassiert eine satte Abfindung und sieht gelassen der Zukunft entgegen. Sein einziges Problem ist sich zu entscheiden, in welche Projekte er das Geld und seine ihm nun so unverhofft zur Verfügung stehende freie Zeit investieren soll.
Dieser Edi Mann wird in eine imaginäre Kiste gesteckt und diese kräftig geschüttelt. Nicht gerührt, nur geschüttelt. Beim öffnen erscheint Dan Mine, der ebenfalls von der Kündigung bedroht ist. Dan findet die Entscheidung Edi´s zwar mutig, über sein eigenes weitere Vorgehen muss er aber erst mal gründlich nachdenken. Trotz seiner Unzufriedenheit mit dem momentanen Job macht er sich Sorgen darüber, ob er nicht schon zu alt für einen Neuanfang ist. Nicht dass er sich als ein Sorgenkind betrachten würde, aber Dan macht sich viele Sorgen.
Bemühen wir nochmal die Kiste, aus der nach erneutem schütteln Anne Dim herausklettert. Anne, eine Kollegin von Edi und Dan, reagiert auf den drohenden Jobverlust sehr emotional und ruft erst mal ihre momentan beste Freundin an um Frust abzuladen. Alles stürzt wieder einmal über ihr zusammen; der Freund hat vermutlich eine andere, der Streit mit den Nachbarn droht zu eskalieren, die neue Frisur sieht scheiße aus und jetzt auch noch dies. Typisch, denkt sie, warum kann bei mir nicht auch mal was gut laufen?
Die Kiste öffnet sich ein weiteres Mal und heraus schreitet Niemand. In derselben Firma wie Edi, Dan und Anne steht auch er vor dem Jobverlust. Niemand, offensichtlich kaum von den Ereignissen beeinflusst, nimmt den weiteren Verlauf des Geschehens in die eigene Hand. Alles ist so wie es sein soll.
Anne, enttäuscht von ihrer Freundin, schnappt sich Dan und überschüttet ihn mit ihrem Frust, ihren Sorgen und Problemen. Dan, im Geheimen in Anne verliebt, übernimmt das ganze Paket um es gedanklich zu bearbeiten. Seine Lösungsmöglichkeiten bespricht er mit Edi, da er für sich selbst unfähig ist eine Entscheidung zu treffen. Edi, dem dies mittlerweile am Arsch vorbeigeht weil es nicht mehr sein Thema ist, hört gar nicht richtig zu und stellt auf Durchzug zu Niemand. Niemand nimmt sich der Sache an und alles wird gut. Denn Niemand kann etwas daran ändern. Niemand ist da wenn er gebraucht wird.
Anne will ihre düsteren und schlechten Gedanken “abstellen“. Dan “macht“ sich Gedanken um die Zukunft. Edi “denkt“ dass zu viel denken nicht gut ist. Niemand lässt die Gedanken kommen und gehen.
Anne ist ihren Gefühlen und Emotionen ausgeliefert. Dan will sie kontrollieren. Edi, sorglos wie er ist, lebt sie aus. Und da ist Niemand, der sich damit identifiziert.
Hey Süßer, machst du jetzt einen auf Philosoph? Du brauchst hier nicht irgendwelche fiktiven Gestalten hervorzaubern um unser Anliegen zu erklären. Ich kann dir etwas auf die Sprünge helfen, ganz auf die althergebrachte und natürliche Art und Weise. Darin bin ich die Meisterin, Maya, die Impulsgeberin, Maya, die Unberechenbare, Maya, die das Ruder in der Hand hält und dich durchs Leben steuert. Deine konfusen Gedanken wirken sich nur störend aus in dieser gefühlsgesteuerten Welt. Deine Erklärungsversuche stürzen dich nur in Verwirrung und Leiden. Also tu dir selbst einen Gefallen und höre auf damit. Obwohl dein Eigensinn ab und zu auch sehr amüsante Blüten trägt, so stellt er doch das Hindernis dar, dich selbst zur wirklichen Entfaltung zu bringen. Oder dich zur Entfaltung bringen zu lassen.
Maya, die Meisterin der Illusion. Dein Auftreten scheint untrennbar mit dem Leiden verbunden zu sein. Wieder einmal habe ich mich zwischen den Schichten deiner Schleierwelten verloren, ließ mich in eine ausweglos erscheinende Situation drängen. Und wenn es deine sogenannten steuernden Impulse waren, denen ich zu folgen gezwungen bin, dann hast du mich hierher in dieses Tal des Todes geführt. Schönen Dank auch kann ich da nur sagen. Doch damit ist jetzt Schluss, ich habe einen Weg gefunden um mich selbst zu befreien. Ab jetzt wird das Leben in die eigene Hand genommen und die negativen Erscheinungen in positive gewandelt. Auf deine Impulse kann hier verzichtet werden.
Dein Sarkasmus steht dir nicht gut zu Gesicht. Ich bin wohl für die Welt verantwortlich und dafür wie du dich darin bewegst, aber nicht für dein Leiden. Dafür bist du selbst zuständig, das legst du dir selber auf durch deine pausenlose Gedankentätigkeit. Anstatt den Impulsen zu vertrauen, die ich dir in Form von Gefühlen vermittle, reflektierst du das Geschehen und machst etwas eigenes daraus. Ist schon paradox, du hältst meine Welt für eine Scheinwelt, aber in deiner eigenen Vorstellungswelt, die nur als Gedankenwelt in dir Bestand hat, bewegst du dich als wäre es die Wirklichkeit.
Vielleicht mag es für dich so aussehen als ob ich immer zusammen mit dem Leiden auftrete. Aber ich bin immer da, nur in der restlichen Zeit bemerkst du wohl meine Anwesenheit, mein steuerndes Eingreifen nicht. Bei dir angenehmen Gefühlen erkennst du dich selbst als Auslöser, nur von den dir unangenehmen distanzierst du dich und suchst einen äußeren Auslöser. Einen Schuldigen für deine eigene angenommene Unzulänglichkeit. Da ist dann das sogenannte Schicksal schnell zur Hand, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann.
Ist ja auch viel einfacher als sich selbst verantwortlich zu fühlen. Du hast schon recht, eigentlich sind die richtig unangenehmen Gefühle die wirklich wichtigen, denn sie zwingen zu einer Richtungsänderung, die sich im Nachhinein oft als längst überfällig herausstellt. Es ist nur so dass wir Menschen es nicht wahrhaben wollen von deiner Launenhaftigkeit abhängig zu sein. Wir wollen oder können nicht einsehen keinerlei Einfluss auf das Geschehen zu haben, das Boot nicht selbst durchs Meer des Lebens zu steuern.
Aber da ist nichts Launenhaftes an meinem Wirken. Wenn ich sage, der Körper ist gefühlsgesteuert, dann denkst du gleich an die offensichtlichen Wahrnehmungen wie Wut, Furcht, Glück etc. Aber auch zu allen anderen Zeiten bin ich durch die steuernden Gefühle anwesend, zum Beispiel in Form von Aufregung oder Ermüdung, Wohlsein oder Krankheit, Spannung oder Entspannung, Harmonie oder Dissonanz... . All dies sind verschiedene Benennungen der einen Energie, die alles durchströmt, alles bewegt, alles im Gleichgewicht hält. Das meiste davon geschieht natürlich ohne dir bewusst zu sein. Was auch absolut nicht nötig ist, denn es würde dich nur noch mehr in Verwirrung stürzen..
Es gibt mehr als genug Personen, die eine Wichtigkeit dafür entwickelt haben, sich all der Energieströme bewusst zu werden. Sie verbringen ihre Zeit mit Aufmerksamkeitsübungen und allerlei ähnlichen Dingen. Oder sie versuchen, die Welt mit ihrer angeblichen Liebe zu überschwemmen. Auch dies ist Teil des Spiels, es ist nicht mehr oder weniger wichtig als alles andere Tun. Der Trugschluss oder die Gefährlichkeit an all diesen Bemühungen besteht nun darin, dass dies meist mit einem ausgeprägten Selbstsinn verbunden ist. Die Gefühle und Emotionen werden zu etwas eigenem gemacht. Es wird versucht, mittels einer Gedankentätigkeit darauf Einfluss zu nehmen, was oftmals zu erheiternden Ergebnissen führt. Erheiternd für mich, selten für das scheinbare Individuum, welches das Geschehen auf sich selbst bezieht.
Gefühle können nicht einfach bestellt werden. Der Versuch, ein bestimmtes Gefühl hervorzurufen, ist nur Selbstbetrug. Gefühle stellen sich spontan ein, die künstlich erzeugten enden zwangsläufig in einer Sackgasse.
Diese Energie, nenne sie wegen mir den alles belebenden Geist, das bin ich. Immer auf Ausgleich bestrebt, im ganzen betrachtet sich immer im Gleichgewicht befindend. Und auch du selbst bist diese Energie, was du aber erst erkennst, wenn du den Mut aufbringst dich von deinem Eigensinn zu distanzieren. Ja ja, ich weiß, wer sollte das tun? Das ist das Paradoxe und für euch Menschen so schwer zu verstehende an der ganzen Geschichte. Ein kleiner Ratschlag am Rande, weil du doch immer so scharf auf diese bist: Lehne dich zurück, entspann dich, genieße die Zeit hier auf der Erde. Sonst ist nichts für dich zu tun.
Du hast gut reden. Von einem Gleichgewicht fühle ich mich im Moment weit entfernt. Zwei Mal hast du mich heute schon persönlich beehrt, wirst du mir das dritte Mal als Todesengel erscheinen? Willst du mich hinweg nehmen von deiner Welt, werde ich hier sterben? Ich bin so weit, wenn du willst komme ich auch gleich mit dir. Genug der Strapazen, einen weiteren Tag würde dieser Körper sowieso nicht überleben.
Die Furcht vor dem Tod ist lange schon überwunden, alles Weitere wäre nur eine Verlängerung der Qual. Aber was hier jetzt aufkommt ist Ärger und Wut darüber, ein Spielball deiner Launen zu sein. Du lässt mir die Illusion der Entscheidungsfreiheit und machst dir einen Spaß daraus, mich nach deinem Gutdünken über dein Spielfeld zu rollen...
Doch schon ist die Wut wieder verraucht und eine tiefe Traurigkeit ob der Hilflosigkeit bleibt zurück. Für uns Menschen ist dein Spiel nicht wirklich lustig...
Was ist das jetzt, Selbstmitleid? Ein Ekel vor mir selbst, vor meinen Reaktionen auf die in mir aufsteigenden Gefühle...
Gerade noch Scham, jetzt aber schon Überraschung darüber, nichts dafür oder dagegen tun zu können. Und die Freude des Erkennens, daß da auch Genuss ist, oder zumindest sein kann...
Und jetzt plötzlich dieses Glücksgefühl, alles ist perfekt, alles ist so wie es sein soll, nichts könnte verändert oder verbessert werden. Eine tiefe Liebe der Welt und dir gegenüber, selbstlose Hingabe und Verschmelzung mit etwas Einmaligem, mit etwas Heiligem. Jetzt sterben, denn niemals kann es besser werden. Oder habe ich bereits die Schwelle des Todes überschritten?
Dein Lachen lässt dieses Glücksgefühl verblassen und schon kommt auch der Ärger darüber dieses Gefühl nicht halten zu können. Maya, ich bitte dich ja selten um etwas, aber lass mich...
Hör auf, dieses Betteln ist unser nicht würdig. Du wurdest eben durch die Bandbreite der Gefühle geführt, mittels denen ich die Organismen steure und somit die Welt gestalte.
Dein Eigensinn stürzt dich aus dem Paradies und versucht uns zu trennen. Dein Eigensinn, der sich eine Vorstellungswelt gestaltet, der das Geschehen selbst in die Hand nehmen will. Doch er ist die Illusion, er ist es der dich Wege beschreiten lässt, wo es keine Wege gibt, er ist es der dich in die Irre führt. Vielleicht mag dir mein Eingreifen manchmal hart und ungerecht erscheinen, doch um gegen diesen Eigenwillen anzukommen müssen meist schwere Geschütze aufgefahren werden. Und vergiss nicht, es sind deine eigenen Waffen die du gegen dich einsetzt, denn du und ich sind eins.
Dein Eigenwille versucht dir einzureden, ich, Maya, wäre die Illusion. Aber in dieser Welt, auch wenn es eine Erscheinungswelt ist, bin ich, die Hervorbringende, das einzig Reale. Ich bin die alles ins Leben bringende, die Gestalterin. Und noch einmal, weil es dir anscheinend partout nicht in den Schädel will: Ich bin du, wir sind eins. All dies bin ich und all dies bist du.
Wenn ich dich richtig verstehe dann kann dieser Organismus also von sich aus nichts in die Wege leiten. Da ist nichts persönliches in seinem Handeln. All sein Tun sind nur Reaktionen auf äußere oder innere Stimulanzen.
So ist es. Wobei es keinen Unterschied macht, ob die Veranlassung zu irgendwas von innen oder außen kommt. Dir als Grenzgänger müsste eigentlich klar sein, dass die Grenze zwischen Innen und Außen nicht nur fließend ist, sondern sich bei näherer Betrachtung als nicht-existent herausstellt. Du hast dich doch lange genug im Grenzland aufgehalten um diese Tatsache selbst herauszufinden.
Meine Gefühle sind also immer Indikatoren über den Zustand des mich umgebenden Energiefeldes. Sehe ich das so richtig? Und die Reaktion darauf sind meine Emotionen, die wiederum Einfluss auf dieses Energiefeld nehmen, mich sozusagen mit ihm interagieren lassen.
Bis auf die Tatsache, dass dich dieses Energiefeld nicht umgibt sondern du eins mit ihm bist, könnte man dies so sagen. Emotion ist die nach außen in die Umwelt gerichtete impulsgebende Energie, Gefühl die für den Organismus bestimmte informierende Energie. Mittels des Gefühls ist die Welt mit dem Organismus verbunden, damit wirkt sie auf ihn ein. Mittels der Emotion ist der Organismus mit der Welt verbunden, damit wirkt er auf sie ein. Wenn da niemand im Wege steht und der Organismus selbständig auf die steuernde Energie reagieren kann, dann verläuft das ganze scheinbare Geschehen in einem harmonischen und widerstandslosen Rahmen ab.
Um auf das Geschehen im Hier und Jetzt zurückzukommen: Die Resignation, die sich vorhin in dir breitmachte, ließ den Organismus in einen notwendigen Ruhezustand gleiten, während das darauffolgende Gefühl der Zuversicht ihn wieder nach neuen Ideen und Zeichen Ausschau halten ließ. Genau so wie es sein soll, keine Notwendigkeit eines steuernd eingreifenden Ichs, welches doch nur Störungen in diesem harmonischen Energiegefüge hervorruft.
Die aufsteigende Energie, die den Organismus zu einer Handlung veranlasst, wird also, sobald sie wahrgenommen wird, als ein Gefühl bezeichnet. Die Reaktion des Organismus auf die Energie wirkt sich daraufhin als Emotion aus. Emotion, E-motion, Energie in Bewegung. Eine scheinbar nach außen gerichtete Bewegung, in die Welt hinein. Doch die Energie ist dieselbe, eine Energie. Ankommend oder aufsteigend als Gefühl bezeichnet, abfließend oder sich auflösend als Emotion. Der Organismus ist also nicht mehr als ein energetisches Umspannwerk. Es besteht also vermutlich wenig bis überhaupt kein Spielraum für das Individuum, da seine Programmierung, die sich aus genetischen und konditionellen Elementen zusammensetzt, die Reaktionen fest im Griff hat.
Hört hört, da spricht der Wissenschaftler aus ihm. Bei unserer nächsten Begegnung werde ich mir wohl einen konservativeren Anstrich geben müssen. Vielleicht ein bisschen ernsthafter und strenger, du scheinst das mehr zu würdigen als einen spielerischen Umgang mit den Problematiken. Aber stimmt schon, die Emotionen unterliegen, wie du aus eigener Erfahrung weißt, nicht deiner Kontrolle. Sie sind biologisch vorgegebene Prozesse, die von angeborenen Strukturen abhängig sind. Wenn überhaupt etwas kannst du höchstens ihren Ausdruck beeinflussen, der kulturell und persönlich verschieden ausfallen kann und es natürlich auch tut.
Im Unterschied zum Organismus, der gefühlsgesteuert ist, ist das Ich gedankengesteuert. Man kann sogar so weit gehen, daß man den Organismus als ein Gefühl betrachtet und das Ich als einen Gedanken. Wenn der Ich-Gedanke stark ist, wird dies immer zu Diskrepanzen und Schwierigkeiten führen, weil dieser störend in das natürliche Geschehen einzugreifen versucht. Er will die Kontrolle übernehmen, er will bestimmen in welche Richtung es geht. Was aber höchst kontraproduktiv ist, denn die Emotionen unterstützen den Organismus darin, am Leben zu bleiben. Wenn auf eine Einflussnahme verzichtet wird bleibt eine natürliche Harmonie zurück, eine Vollkommenheit, an der nichts verbessert werden könnte. Doch auf das ewige Paradox zurückzukommen: Wer sollte auf diesen Ich-Gedanken verzichten?
Wahrscheinlich derselbe der daran festhält. Aber jetzt mal abgesehen von dieser ganzen Gefühlsduselei hier, wie kommt es eigentlich dass du mir hier persönlich erscheinst wenn wir doch in Wirklichkeit eins sind wie du behauptest?
Ich erscheine dir persönlich weil du selbst an deiner Persönlichkeit festhältst. Für dich bin ich Person, für den Künstler Inspiration, für den Religiösen Gott, für den Wissenschaftler die Neugier, für den Ungläubigen das Schicksal. Für jeden bin ich etwas anderes, und doch für alle die Gleiche.
Um aber bei den Gefühlen zu bleiben, für einen reibungslosen Ablauf braucht es die Person nicht, die sich dem Organismus Mensch übergestülpt hat. Durch das Fühlen der Emotionen lernt der Organismus, er entwickelt sich sozusagen weiter. Aber das geschieht von allein, dazu braucht es keine kontrollierende Person die sich dazwischen stellt.
Dann ist die illusionäre Person, an der wir Menschen so zwanghaft hängen, nur zu deiner Belustigung tauglich?
Ha, das ist ein schönes Schlusswort für heute. Und wenn du schon meinst irgendwas tun zu müssen, dann würde ich dir empfehlen das Vertrauen nicht zu verlieren. Alles ist so wie es sein soll und könnte gar nicht anders sein. Abschließend noch ein letzter Ratschlag: Höre auf dich so zwanghaft mit dem Tod zu beschäftigen. Schau dich um, du wirst ihn hier in meiner Welt nicht finden. Denn es gibt ihn nicht. Hier gibt es nur Leben, das der ständigen Wandlung unterworfen ist. Den Tod gibt es nur in deiner Gedankenwelt, und niemand zwingt dich darin zu leben.