Читать книгу Die Hessen und die andern deutschen Hilfstruppen im Kriege gross-britanniens gegen Amerika - Edward J. Lowell - Страница 12
Die Soldaten.
ОглавлениеDie Soldaten, welche die deutschen Fürsten an England vermieteten zur Unterdrückung der amerikanischen Revolution wurden auf verschiedene Weise zusammengebracht. In Hessen-Cassel war das Land in Distrikte eingeteilt gewesen, von welchen jeder eine bestimmte Anzahl Rekruten für ein bestimmtes Regiment zu stellen hatte. Die Offiziere waren indessen angehalten worden, soviel Fremde wie möglich der Armee zuzuführen, um die eigenen Distrikte zu schonen, deren Einwohner immer bei der Hand sein würden, wenn man ihrer im Notfall bedürfte. Es stand in den Armee-Vorschriften, dass diejenigen Regiments-Kommandeure oder Hauptleute sich am besten empfehlen würden, wenn sie versuchten, fremde Rekruten einzureihen. Die zwangsweise Rekruten-Aushebung war verboten, doch diese Bestimmung sollte wahrscheinlich nur auf die Eingeborenen Anwendung finden. Jedenfalls scheint es nicht die Thätigkeit der Werbeoffiziere vermindert zu haben, und in den kleineren Staaten hat wahrscheinlich ein solches Gesetz überhaupt nicht existiert. In Anspach durfte Niemand ohne Erlaubnis das Land verlassen oder heiraten. Es muss dabei erwähnt werden, dass in diesem Fall mit Land nicht Deutschland, sondern die Territorien des Markgrafen gemeint waren, und dass die Fremden, die der Landgraf angeworben haben wollte, die Unterthanen der benachbarten kleinen Fürsten waren. Werbeoffiziere waren über ganz Deutschland hin thätig. Lüderliche Kerle, Trunkenbolde, Vagabunden und Leute, die politische Umtriebe machten, wurden, wenn sie nicht über 60 Jahre alt, gesund und gut gewachsen waren, zwangsweise eingestellt. Mit dem Geschenk eines grossen, robusten Mannes empfahl sich ein Fürst dem andern in der angenehmsten Weise; in jedem Regiment waren viele Deserteure von anderen Staaten. Zusammen mit dieser gemischten Gesellschaft diente der ehrliche deutsche Bauernbursche. Es muss noch erwähnt werden, dass die Regimenter, die nach Amerika geschickt wurden, aus einem bessern Material bestanden, wie die Regimenter zu gewöhnlicher Zeit. —
Johann Gottfried Seume, welcher später einige Bedeutung als Schriftsteller erlangte, war ein Opfer des Werbesystems und hat eine Beschreibung seiner Erlebnisse hinterlassen. Seume war Student der Theologie in Leipzig, doch nachdem ihm religiöse Zweifel gekommen waren, welche seine Freunde — wie er wusste — verletzen würden, machte er sich zu Fuss auf den Weg nach Paris, mit einem Säbel an der Seite, mit einigen Hemden und Bänden der Klassiker in der Reisetasche und ungefähr 9 Thalern. Seine Reise sollte indessen eine andere Richtung nehmen. »Den dritten Abend übernachtete ich in Vach,« schreibt er, »und hier übernahm trotz allen Protest der Landgraf von Kassel, der damalige grosse Menschenmakler, durch seine Werber die Besorgung meiner ferneren Nachtquartiere nach Ziegenhain-Kassel und weiter nach der neuen Welt. Man brachte mich als Halbarrestanten nach der Festung Ziegenhain, wo der Jammergefährten aus allen Gegenden schon viele lagen, um mit dem nächsten Frühjahr nach Faucitts Besichtigung nach Amerika zu gehen. Ich ergab mich in mein Schicksal und suchte das Beste daraus zu machen, so schlecht es auch war. Wir lagen lange in Ziegenhain, ehe die gehörige Anzahl der Rekruten vom Pfluge und dem Heerwege und aus den Werbestädten zusammengebracht wurde. Die Geschichte dieser Periode ist bekannt genug: niemand war damals vor den Handlangern des Seelenverkäufers sicher; Überredung, List, Betrug, Gewalt, alles galt. Man fragte nicht nach den Mitteln zu dem verdammlichen Zwecke. Fremde aller Art wurden angehalten, eingesteckt, fortgeschickt. Mir zerriss man meine akademische Inskription, als das einzige Instrument meiner Legitimierung. Am Ende ärgerte ich mich weiter nicht; leben muss man überall: wo so viele durchkommen, wirst du es auch: über den Ozean zu schwimmen war für einen jungen Kerl einladend genug und zu sehen gab es jenseits auch etwas. So dachte ich. Während unseres Aufenthalts in Ziegenhain brauchte mich der alte General Gore zum Schreiben und behandelte mich mit vieler Freundlichkeit. Hier war denn ein wahres Quodlibet von Menschenseelen zusammengeschichtet, gute und schlechte, und andere, die abwechselnd beides waren. Meine Kameraden waren noch ein verlaufener Musensohn aus Jena, ein bankerotter Kaufmann aus Wien, ein Posamentierer aus Hannover, ein abgesetzter Postschreiber aus Gotha, ein Mönch aus Würzburg, ein Oberamtmann aus Meiningen, ein preussischer Husarenwachtmeister, ein kassierter hessischer Major von der Festung und andere von ähnlichem Stempel. Man kann denken, dass es an Unterhaltung nicht fehlen konnte; und eine blosse Skizze von dem Leben der Herren müsste eine unterhaltende, lehrreiche Lektüre sein. Da es den meisten gegangen war wie mir, oder noch schlimmer, entspann sich bald ein grosses Komplott zu unser aller Befreiung.«
Es wurde Seume angeboten, Rädelsführer der Verschwörer zu sein, doch auf den Rat eines alten Feldwebels hin schlug er dies ehrenvolle Amt aus. »Man wollte um Mitternacht auf ein Zeichen ausziehen, der Wache stürmend die Gewehre wegnehmen, was sich widersetzte niederstechen, das Zeughaus erbrechen, die Kanonen vernageln, das Gouvernementshaus verriegeln und 1500 Mann stark zum Thore hinaus marschieren. In drei Stunden wären wir über der Grenze gewesen.« Jedoch das Komplott wurde verraten, die Rädelsführer wurden verhaftet, unter ihnen Seume. Er wurde aber bald wieder freigelassen, da niemand etwas gegen ihn aussagen konnte und besonders weil es zu viele geworden wären, die hätten bestraft werden müssen. »Der Prozess begann,« sagt er, »zwei wurden zum Galgen verurteilt, worunter ich unfehlbar gewesen sein würde, hätte mich nicht der alte preussische Feldwebel gerettet. Die Übrigen mussten in grosser Anzahl Gassen laufen, von sechsunddreissig Malen herab bis zu zwölfen. Es war eine grässliche Schlächterei. Die Galgenkandidaten erhielten zwar nach der Todesangst unter dem Galgen Gnade, mussten aber sechsunddreissig Mal Gassen laufen und kamen auf Gnade des Fürsten nach Cassel in die Eisen. Auf unbestimmte Zeit und auf Gnade in die Eisen waren damals gleichbedeutende Ausdrücke und hiessen so viel als »ewig ohne Erlösung.« Wenigstens war die Gnade des Fürsten ein Fall, von dem niemand etwas wissen wollte. Mehr als dreissig wurden auf diese Weise grausam gezüchtigt, und Viele, unter denen auch ich war, kamen bloss deswegen durch, weil eine zu grosse Menge von Mitwissern hätte bestraft werden müssen. Einige kamen beim Abmarsch wieder los, aus Gründen, die sich leicht erraten lassen: denn ein Kerl, der in Cassel in den Eisen geht, wird von den Engländern nicht bezahlt.«
Bei Truppen, wie diese es waren, waren Desertionen natürlicherweise etwas gewöhnliches. Der Militärdienst war gefürchtet, und in kleineren Staaten hätte eine gelungene Flucht den Deserteur nach wenigen Meilen über die Grenze gebracht. Das Volk sympathisierte mit ihm und würde ihm geholfen haben, wenn hierauf nicht schwere Bestrafung gestanden hätte. Dies war indess nicht nötig. Wenn in Württemberg Allarm geschlagen wurde, musste sofort die ganze Gemeinde ausrücken und 24 Stunden lang die Strassen, Fusspfade und Brücken besetzen, bis der Flüchtling gefangen war. Wenn er entschlüpfte, so musste der Ort einen Ersatzmann stellen, der ebenso gross war wie der Deserteur, und die Söhne der ersten Männer des Ortes wurden in erster Linie genommen. Dieser Befehl musste jeden Monat einmal von der Kanzel verlesen werden. Wer einem Deserteur behülflich war, verlor die Bürgerrechte, wurde zu Zwangsarbeit verurteilt und im Gefängnis gepeitscht. Die Gesetze in Hessen-Cassel scheinen etwas weniger grausam gewesen zu sein. Bauern, die einen Deserteur festnahmen, bekamen einen Dukaten; aber wenn ein Deserteur ein Dorf passierte, ohne festgenommen zu werden, so musste das Dorf für ihn bezahlen. Jeder Soldat, der sich über eine Meile von seiner Garnison entfernte, musste mit einem Pass versehen sein, und alle Personen, welche ihm auf eine grössere Entfernung von zu Hause begegneten, sollten ihn danach fragen. Ein charakteristischer Fall ereignete sich 1738. Ein preussischer Werbeoffizier und die Frau eines preussischen Soldaten verleiteten einen Anspacher Soldaten zu desertieren um sich in die preussische Armee einreihen zu lassen. Sie wurden durch die Anspacher Behörde aufgefangen. Die Frau wurde gehängt; der Offizier musste bei der Exekution zugegen sein und wurde dann in die Festung eingesperrt. Der Deserteur scheint mit dem Leben davongekommen zu sein, da er ein wertvolles Verkaufsobject war.
Wenn der Rekrut in die Liste eingeschrieben war, musste der Offizier oder Unteroffizier ihn in die Garnison bringen. Dies gab natürlich Gelegenheit zum Entfliehen; Kapp führt aus einem Buch, das 1805 in Berlin gedruckt ist, die Vorsichtsmassregeln an, welche gegen diese Gefahr anzuwenden waren. Der Unteroffizier, der den Rekruten begleitet, muss Säbel und Pistolen tragen. Er muss den Rekruten vor sich her marschieren, ihn aber niemals zu nahe an sich herankommen lassen und ihm ankündigen, dass jeder verdächtige Schritt ihm das Leben kosten kann. Grosse Städte muss er vermeiden, ebenso Orte, wo der Rekrut vorher gedient hat. Es ist auch wünschenswert, den Ort zu vermeiden, wo der Rekrut geboren ist. Sie müssen die Nacht in einem Wirtshaus zubringen, dessen Besitzer Werbeoffizieren gut gesinnt ist. Der Rekrut und Offizier müssen sich beide auskleiden, und ihre Kleider sind vom Wirt aufzuheben. Wirtshäuser, wo Rekruten einquartiert werden, müssen besondere Räume dafür haben, möglichst eine Treppe hoch und mit vergitterten Fenstern. Die ganze Nacht muss ein Licht brennen, und der Unteroffizier muss seine Waffen dem Wirt abgeben, damit sie der Rekrut nicht wegnehmen und gegen ihn gebrauchen kann in der Nacht. Des Morgens bekommt er sie zurück, sieht nach der Ladung und dem Pulver auf der Pfanne, zieht sich an und ist reisefertig, bevor der Rekrut seine Kleider bekommt. Der Rekrut betritt ein Haus oder eine Stube zuerst; er verlässt es zuletzt. Bei den Mahlzeiten sitzt er mit dem Rücken an der Wand. Erscheint er verdächtig, fliehen zu wollen, so müssen ihm die Hosenträger und -knöpfe abgeschnitten werden, so dass er die Hosen mit der Hand halten muss.
Ein guter Hund, der für dies Geschäft dressiert ist, wird für den Unteroffizier sehr zweckmässig sein. Wenn ein Unteroffizier unglücklicherweise gezwungen ist, einen Rekruten zu töten oder zu verwunden, so muss er eine Bescheinigung von der Ortsbehörde beibringen. Aber kein Dokument kann die Flucht eines Rekruten entschuldigen, ein Vorfall, der in Preussen als ganz unmöglich gar nicht der Erwähnung wert gehalten wird.
Die Leute, die zusammengebracht waren für den Dienst in Amerika, waren vom militärischen Standpunkt aus von sehr verschiedenem Wert. Sie wurden alle von einer englischen Kommission in den Seehäfen in Empfang genommen und vor der Einschiffung gemustert, gewöhnlich durch Oberst Faucitt, welcher die Verträge abgeschlossen hatte; während einige der Regimenter als vorzüglich befunden wurden, zeigte es sich, dass andere zum Teil aus alten Leuten und aus Knaben bestanden, die den Strapazen nicht gewachsen waren. Einige von den Soldaten wurden infolge dessen verworfen, besonders in den letzten Jahren des Krieges, als es in vielen Städten schwieriger wurde, gute Leute zu bekommen.
Es ist nach dem Quellenmaterial schwer zu beurteilen, welche Chancen ein gemeiner Soldat hatte zu avancieren. Seume schreibt, dass er Aussicht auf Avancement hatte, die aber durch die Beendigung des Krieges zerstört wurde, da in Friedenszeiten einer, der nicht adelig war, es nicht weiter als bis zum Feldwebel bringen konnte. Kapp behauptet, die Offiziere gehörten meistens dem niederen Adel an. Die Rangliste der hessischen Offiziere von 1779 weist dies nicht aus. Es zeigt sich, dass zu dieser Zeit mehr als die Hälfte der Offiziere nicht adelig war.
Wir kommen zum Schluss zur Charakterisierung der Offiziere. Ihre Bildung beschränkte sich im Allgemeinen auf ein gewisses Mass von Fertigkeit im Schreiben und auf ein wenig barbarisches Französisch. Sie verstanden weder die Ursache, aus welcher die Amerikaner kämpften, noch vor allen Dingen die Sprache, in welcher die verschiedenen Staatsmänner ihre Ansprüche geltend machten. Doch, wenn sie viel mehr verstanden hätten, als es der Fall war, sie wären auf der Seite königlicher Vorrechte den Rechten des Volkes gegenüber gewesen. Ich weiss mich keines Falles zu erinnern, in dem nur ein an diesem Krieg beteiligter Offizier einen Ausdruck gebraucht hätte, der eine Übereinstimmung mit der geistigen freiheitlichen Bewegung des 18. Jahrhunderts gezeigt hätte. Einmal finden wir sie von dem Despotismus des Kongresses sprechend. Diese absurde Idee war ihnen wahrscheinlich durch die Engländer eingeflösst worden und war von der anti-amerikanischen Presse in Deutschland aufgenommen worden. Es lässt sich schwerlich bezweifeln, dass viele der Offiziere sowohl als Soldaten mit Vergnügen ihrer Thätigkeit in Amerika entgegensahen, schon um die Eintönigkeit des Garnisondienstes zu unterbrechen.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass viele der Soldaten, meist solche, die in Gefangenschaft geraten waren, Bürger der Republik wurden, welche sie helfen sollten zu unterdrücken.