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Der Wecker klingelte mit nervtötendem Schrrrrt, Schrrrrt. Nur langsam kroch das Geräusch in mein Bewusstsein und als es dort an kam, entschied es sich auch nur langsam aus dem tiefen Schlaf zurück in die Wirklichkeit zu kriechen. Meine Hand begann im Dunkeln nach dem Wecker zu suchen. Als ich ihn endlich gefunden hatte, rutschte der Wecker durch meine Berührung vom Nachtschränkchen und landete mit einem ungesunden Krachen auf dem Boden. Völlig unbeeindruckt von seinem Sturz, machte er weiter Schrrrrt, Schrrrrt. Das hatte mir noch gefehlt, denn jetzt musste ich auch noch am Boden nach dem fiesen Ding tasten. Nachdem ich ihn endlich unter dem Bett gefunden hatte, stellte ich den Wecker zurück auf seinen Platz und schaltete ihn endlich aus.

Gequält schaute ich auf die Uhr. Mittlerweile war es 6.30 Uhr. Den Wecker hatte ich so eingestellt, dass er ab 6.20 Uhr schrrrrte. Ein Morgenmuffel wie ich brauchte verdammt lange Zeit, um in die Gänge zu kommen. Und dann war auch noch Montagmorgen und ich fühlte mich nach dem Wochenende mehr gerädert als sonst.

Verschlafen schaltete ich die Nachttischlampe ein und musste erst mal die Augen zu kneifen. Das Licht kam mir greller vor, als es in Wirklichkeit war. Als meine Augen sich endlich an die Helligkeit gewöhnt hatten, schlug ich meine Schlafdecke zurück und kroch mühsam aus dem Bett. Meine Muskeln schrien, dermaßen unentspannt waren sie. Noch im Halbschlaf zog ich das Rollo hoch, um endlich das Tageslicht in mein Schlafzimmer zu lassen und trottete dann gemächlich in die Küche. Morgens brauchte ich meinen Kaffee, wie wohl neunzig Prozent der deutschen Bevölkerung auch. Oder waren es weniger? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen.

Nachdem ich die Kaffeepads in die Kaffeemaschine getan und den Knopf betätigt hatte, rauschte die dunkle Flüssigkeit mit den Summen der Maschine in die große Tasse. Der gewohnt gute Duft des heißen Kaffees stieg mir in die Nase und weckte ein wenig meine Lebensgeister.

Ich setzte mich an den kleinen Esstisch, der in meiner Küche stand und schaute aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade auf. Ein erneut schöner Frühlingstag kündigte sich an. Es war der Fünfte in folge und man musste froh sein, so früh im Frühling schon solche angenehmen Tage zu bekommen.

Deswegen war ich auch so gerädert. Natürlich nicht wegen des Frühlings, sondern wegen meiner acht jährigen Tochter, die jedes Wochenende zu mir kommt. Gestern waren wir mehr als die Hälfte des Tages auf Inlinern unterwegs. Auf halber Strecke machten wir ein gemütliches Picknick, mit Bananen, Karotten und selbst gemachte Frikadellen. Dazu hatten wir ein Baguette und Tomaten-Frischkäse-Dipp.

Genussvoll nippte ich an meinem Kaffee, während ich in den Erinnerungen schwelgte. Mmh tat das gut. Leider verbrannte ich mir beim zweiten Schluck die Zunge. Er war einfach noch zu heiß, um ihn in einem Zug zu trinken. Man sollte es einführen, Kaffee intravenös zu geben, auch wenn man sich dann um den Genuss brachte.

Wieder schweifte mein Blick zum Fenster. Die Bäume an der Straße wiegten sanft im Wind. Schade dass noch keine Knospen zu erkennen waren, obwohl der Frühling dieses Jahr sehr früh ins Land zog.

Hier saß ich nun mit meinen 35 Jahren und meiner Meinung nach, hatte ich schon einiges in meinen Leben erlebt. Inklusive meiner ersten gescheiterten Ehe. Seit gut acht Monate lebte ich von meiner noch Ehefrau, Elisabeth, getrennt.

Einmal mehr kamen mir die Erinnerungen der letzten Jahre hoch. Das geschah in letzter Zeit immer öfter. Einige dieser Erinnerungen waren sehr genau, andere dagegen nur noch verschwommene Bilder. Warum das so war, konnte ich mir nicht erklären. Auch nicht, weshalb sie mir in regelmäßigen Abständen in den Kopf kamen. Vielleicht lag es daran, dass ich mit allem endgültig abgeschlossen hatte. Wer weiß das schon?

Alles fing vor ungefähr 10 Jahren mit Elisabeth an, denn da lernten wir uns kennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen neuen Job in einer kleinen IT-Sicherheitsfirma in Düsseldorf angefangen. Dummer Weise bekam ich ausgerechnet in der Probezeit, eine saftige Erkältung. Da wollte ich es mir nicht erlauben, krank zu feiern.

So schleppte ich meine müden, kranken Knochen nach einem gerade so überstandenen Arbeitstag in die nächstbeste Apotheke, die sich zu meinem Glück bei mir um die Ecke befand. Es war so zu sagen meine Stammapotheke. Kaum hatte ich die Apotheke betreten, sah ich, dass Elisabeth Dienst hatte. An jenem schicksalhaften Tag hatte sie Spätschicht. Obwohl meine Augen durch die Erkältung geschwollen waren und ich deshalb kaum etwas richtig erkennen konnte, erkannte ich Elisabeth sofort, während die anderen Mitarbeiter mir nicht sonderlich auffielen. Aus einer Laune heraus, die ich mir bis heute nicht erklären kann, stellte ich mich in der Schlange an, die zu Elisabeth führte. Ausgerechnet an diesem Tag, wo es mir so schlecht ging, war die Apotheke voll. Hatte etwas von Murphys Gesetz.

Elisabeth sah, meiner damaligen Meinung nach, verdammt gut aus. Und wenn es mal ruhiger war, unterhielten wir uns recht häufig. Man könnte meinen ich wäre ein Medizinjunkie gewesen. Wir waren, wie man so schön sagt, auf einer Wellenlänge. Durch die Gespräche kamen wir uns näher und ich muss gestehen, dass ich sie wirklich sehr sympathisch fand. Mehr jedoch nicht, wie ich mir immer wieder einbildete.

„Ich bräuchte was gegen Erkältung“, flüsterte ich heiser, als ich an der Reihe war. Meine Stimme hatte damals auch schon bessere Zeiten hinter sich gehabt.

Elisabeth sah mich bedauernswert von ihrem Platz hinter dem Tresen an. Erstaunlich wie gut ich mich an ihren Blick noch erinnere. Sie machte ein Gesicht, welches tausend Bände sprach. Ungefähr so, als würde sie mich höchst persönlich auf einer Trage, in ein Krankenhaus bringen wollen.

„Du sahst aber schon mal besser aus“, sagte sie erschrocken zu mir. „Besser du suchst einen Arzt auf.“

In diesem Augenblick musste es um mich geschehen sein, denn es wirkte für mich, als würde ich die Stimme eines Engels hören. Das könnte natürlich auch an meiner Erkältung gelegen haben. Meine Ohren waren durch die Erkältung auch nicht die Besten.

„Für einen Arztbesuch habe ich leider keine Zeit“, krächzte ich hervor.

„Das ist nicht gut, aber ich kann dir das und das empfehlen“, beratschlagte Elisabeth mich. Dabei zeigte sie mir zwei Medikamente, die man oft in der Werbung sah.

„Wenn du die regelmäßig einnimmst und dann noch heiße Zitrone mehrmals am Tag trinkst, wird es dir schnell besser gehen.“

Ich bedankte mich so gut ich konnte. Dann kam der Moment, welcher die nächsten Jahre meines Lebens bestimmen sollte. Für mich ist es selbst heute nicht ganz nachvollziehbar warum ich es tat, da ich zu der damaligen Zeit mein Single leben in vollen Zügen genoss. Flirten ja, mehr allerdings nicht. Meine Gedanken mussten einfach von der Erkältung benebelt gewesen sein. Ja das war eine gute Erklärung.

„Ich muss morgen wieder fit für die Arbeit sein“, presste ich mühsam heraus. „Würdest du denn zu mir nach Hause kommen und für mich die heiße Zitrone machen?“ Mit richtig viel Mitleid in der Stimme schob ich noch ein „Bitte“ hinterher.

Elisabeth sah mich mit ihren wundervollen blauen Augen an. Je länger ich sie dabei an sah, bemerkte ich, wie sehr mich Elisabeth verzaubert hatte. Daran war nicht nur ihr schulter langes, dunkles Haar, welches ihr Gesicht mit den weichen, weiblichen Konturen umrahmte, mit Schuld, sondern auch ihre Augen, die hinter einer eleganten, eckigen Brille zu mir sahen.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie etwas sagte und ich rechnete innerlich mit einer Abfuhr.

„Das macht 13,78€ und deine Adresse bitte.“ Dabei sah mich Elisabeth freundlich an. „Und ich müsste wissen, wo ich klingeln soll“, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu. Erst da fiel mir ein, dass wir uns immer nur mit unseren Vornamen angesprochen hatten.

Ich muss gestehen, ich war ziemlich überrascht von Elisabeths Reaktion, denn an jenem Tag hatte ich mich nicht wirklich zurechtgemacht und sah eher wie ein verlotterter Streunerv aus. Obwohl sie wusste ja wie ich aussah, wenn ich gesund war. Und vielleicht wollte Elisabeth genau diesen Zustand auch wieder haben.

Sie gab mir einen Zettel und einen Stift und ich schrieb Elisabeth meinen Namen und meine Adresse auf. Danach bezahlte ich und verabschiedete mich.

Das kurze Stück zurück zu meine Wohnung nahm ich nur in Trance wahr, weshalb ich mich nicht erinnern kann, wie ich es geschafft hatte. Ich weiß nur noch, als ich endlich die Tür hinter mir zugemacht hatte, dass ich mich auf mein Sofa plumpen lies. Danach musste ich sofort eingeschlafen sein.

Die genauen Erinnerungen setzen wieder da ein, als ich durch meine Klingel geweckt wurde. Ich hatte wohl durch meine Erkältung total vergessen, was ich in der Apotheke getan hatte. Oder ich hielt es für einen Fiebertraum. Müde schleppte ich mich also zur Tür und drückte auf den Summer. Als es kurz danach klopfte, schaute ich durch den Spion. Vor freudiger Überraschung blieb mir fast das Herz stehen. Ich öffnete die Tür und vor mir stand meine zukünftige Ex-Frau, auch wenn ich es damals noch nicht ahnte.

Elisabeth schaffte es, mich innerhalb von zwölf Stunden wieder fit zu bekommen und ich konnte am nächsten Morgen voller Tatendrang zur Arbeit.

Nach mehreren Rendezvous waren wir ein Paar und drei Monaten später zogen wir in eine gemeinsame Wohnung.

Für mich war es eine schöne Zeit und da es für mich die perfekte Beziehung war, machte ich ihr ein Jahr später einen Antrag. Wir verbrachten einen unserer Urlaube in Schweden, in einer Blockhütte an einem wunderschönen See.

Nach drei Tagen, als sie tief und fest schlief, was sie wirklich sehr oft tat, stahl ich mich aus unserer Hütte und bereitet alles vor.

Am nächsten Morgen bereitet ich zuerst ein opulentes Frühstück vor und brachte es ihr ans Bett. Elisabeth sah so entzückend aus, wenn sie wach wurde. Wir verbrachten noch sehr viel Zeit im und um dem Bett, bevor wir uns anzogen. Danach nahm ich Elisabeth an der Hand und führte sie hinunter zum See.

Ihr Gesicht war einmalig, als sie das Herz aus Steinen und Rosen sah. Ich kniete mich in die Mitte des Herzens und hielt um ihre Hand an. Unter Tränen und völlig gerührt, sagte sie ja.

Als wir uns später auf einen Hochzeitstermin einigten, wussten wir noch nicht, dass Elisabeth schwanger war.

Zwei Monate später kam ich nach einem wieder viel zu langen Arbeitstag nach Hause. In der kleinen Firma, wo ich arbeite, hatten wir immer mehr zu tun, sodass es ab und zu Überstunden kam. Noch waren sie selten, doch dies änderte sich im Laufe der Zeit.

Meine Entschuldigung, die ich auf den Lippen für die Verspätung hatte, stürzte zurück wo sie hergekommen war. Der Strauß Blumen, den ich in der Hand hielt, wollte unter Garantie sofort verwelken, denn Elisabeth saß am Esstisch und sah mich mit todernstem Gesicht an.

„Setzt dich“, sagte sie kalt. Die Blumen hatten sich hinter meinen Rücken versteckt.

„Engel, es tut mir leid. Heute war wieder ….“, weiter kam ich nicht.

„Spare dir deine Entschuldigung und setzt dich hin!“

Ich gehorchte ihr.

„Wir haben ein Problem und zwar ein sehr Ernstes. Wir können wohl nicht heiraten“, sagte Elisabeth mit ernsten Gesicht.

Ich war schockiert. Das konnte doch nicht ihr ernst sein, dachte ich bei mir. Ich schaute in ihre Augen und diese sprachen eine ganz andere Sprache, denn sie leuchten. In jenem Moment verstand ich die Welt nicht mehr. Aber Frauen waren ja bekanntlich ein Buch mit mehr als nur sieben Siegeln.

Mit ihrer rechten Hand, die Elisabeth die ganze Zeit unter den Tisch hatte, schob sie etwas längliches, weißes über den Tisch.

Es war ein Schwangerschaftstest. Ich schaute auf den Test und mir war sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Da strahlte Elisabeth wie ein Honigkuchenpferd und plötzlich war alles egal. Die Blumen, die Überstunden, einfach alles. Wir vielen uns in die Arme und dachten auch nicht weiter über den Hochzeitstermin nach. Der viel nämlich genau auf den errechneten Geburtstermin. Das Schicksal meinte es jedoch gut mit uns, denn unsere Tochter wurde zwei Wochen früher geboren und so musste nur das Hochzeitskleid umgenäht werden. Wir heirateten eben zu dritt.

Alles schien perfekt zu sein. Unsere Tochter Zoé wuchs und gedieh. Ihr fehlte es an nichts, außer vielleicht einem Geschwisterchen, aber wir entschieden uns dagegen. Beide wollten wir weiter arbeiten. Wir versuchten Zoé nicht zu sehr verwöhnten, was allerdings nicht immer gelang. Sie sollten mal in ihre Augen schauen, bei Dingen die sie haben möchte. Es ist nämlich sehr schwer, Zoé einen Wunsch abzuschlagen. Ich war sehr zufrieden mit meinem Leben, bis auf die Überstunden, die nun üblich waren.

Doch dann kam der schicksalhafte Abend, der mein Leben radikal änderte.

Schnell schüttelte ich meinen Kopf, um die unschönen Erinnerungen auszublenden. Immerhin hatte ich jetzt ein neues Leben und das sollte ich genießen.

Der Männerclub

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