Читать книгу Der Männerclub - Eike Horn - Страница 5
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ОглавлениеDer Kaffee hatte sich genug abgekühlt, was es mir ermöglichte die Tasse in einem Zug zu leeren. Danach ging ich gemütlich ging ins Bad und als ich in den Spiegel schaute, fragte ich mich, wieso er immer noch nicht zersprungen war. Morgens sah ich üblicher Weise aus wie ein Zombie. Meine dunkelblonden Haare waren total durch gestrubbelt, die Augen hatten dunkle Ränder und mein Gesicht wirkte total schlaff. Rasieren musste ich mich auch noch. Innerlich rollte ich mit den Augen und sprang erst mal unter die Dusche. Dann erst rasierte ich mich.
Als ich mit allen fertig war, zeigte die Uhr bereits 7.35 Uhr an. Ach du Scheiße! Wieso hatte es die Zeit montags immer so eilig? Schnell zog ich mir eine dunkelblaue Jeans und ein weißes Langarmshirt an. An der Wohnungstür schlüpfte ich in meine bequemen Turnschuhe und fertig war ich. Kaum hatte ich die Tür hinter mir zu geschlossen, flog ich förmlich die Treppen hinunter. Dabei hätte ich fast meinen Vermieter über den Haufen gerannt.
„Entschuldigung Herr Richter“, sagte ich gehetzt. „Ich habe es ein wenig eilig.“ Im Vorbeifliegen schaffte ich es noch „Guuuuten Morgen“ zu brüllen.
„Nicht schlimm“, sagte er in seinem unnachahmlichen, freundlichen Tonfall. „Ihnen auch einen guten Morgen und bitte, ich habe es schon so oft gesagt, sie dürfen mich Hans nennen.“
Ich drehte mich zu Hans um, als ich bei meinem Auto war. Er stand noch immer an der Haustür und lächelte. Bisher habe ich in meinem Leben keinen so herzlichen Rentner gesehen, wie Hans. Unbewusst lächelte ich zurück, denn sein Lächeln war ansteckend.
„Guten Morgen Hans“, rief ich aus Reflex ein zweites Mal. Das Hans betonte ich mit Absicht etwas mehr. „Ich wünsche ihnen einen schönen Tag.“
„Ich ihnen auch“, erwiderte er, als ich in mein Auto einstieg.
Von meiner Wohnung bis zur Autobahn, die mich nach Düsseldorf zur Arbeit brachte, brauchte ich nicht lange. Es sei denn, die Bauern aus der Gegend fuhren mit ihren Traktoren auf der Straße. Das machten sie gefühlt genau dann, wenn man es eilig hatte.
Auf der Autobahn sah das Ganze schon anders aus. Immer wieder Staus, die ich mir nicht erklären konnte.
Weil ich nur ein kleines Auto hatte, war es mir nicht möglich mit einem Affenzahn über den Asphalt zubrettern. Allerdings versuchte ich auf Grund dieser Tatsache, den anderen schnelleren Autofahrern nicht in die Quere zu kommen. Leider gelang mir das nicht immer. Montag war dann noch solch ein Tag, an dem sich einige nicht in ein Auto setzen sollten. Sie taten es zu meinem Leidwesen doch und hätte ich gewusst, was mich heute erwartet, wäre ich liebend gerne zu Hause geblieben.
Seit ein paar Minuten fuhr ich auf der Autobahn, die ich heute recht zügig erreichte, als ohne ersichtlichen Grund ein LKW die Spur wechselte. Und dann noch einer. Na super ein Elefantenrennen, dachte ich bei mir. Doch als eine dritter Brummi die Spur wechselte, traute ich meinen Augen nicht. Die Trucks überholten einen Mercedes! Nicht so eine alte Klapperkiste, sondern einen von der neueren Sorte. Ich traute meinen Augen nicht. Doch genau in dem Moment, als ich zum Überholen ansetzen wollte, der Fahrer fuhr wirklich langsam, beschleunigte dieser. Ich sag ja: Montag. Da ich noch nicht wirklich wach war und meine Lieblingsmusik von CD lief, rollte ich nur mit den Augen und vergaß den Mercedesfahrer recht schnell.
Den Rest der Strecke legte ich ohne weitere merkwürdige Verkehrsteilnehmer zurück und erreichte pünktlich den für mich reservierten Parkplatz.
Doch was mussten meine Augen wahrnehmen? Der Mercedes von der Autobahn, stand auf dem Parkplatz neben meinem Auto. Ich ahnte übles.
Voll negativer Vorfreude begab ich mich in das Bürogebäude, in dem die Firma, bei der ich arbeitete, ansässig war. Ich grüßte dem Mann an der Rezeption mit einer lockeren Handbewegung und ging zu den Aufzügen.
Nach kurzer Zeit erreichte der Aufzug die oberste Etage, in der sich unsere IT-Sicherheitsfirma befand. Ich holte einmal tief Luft. Wer weiß was mich gleich erwartete.
Meine Vorahnung gab mir Recht. Kaum hatte sich die Türen der Kabine geöffnet, konnte ich durch den Glaseingang, alle vor versammelt dem Empfangstresen stehen sehen. Axel Knuddels, unseren Chef, mit seiner Sekretärin Brigitte Schweiss, Benno Zimmer unser Azubi und Charly Blumenberg, der genau wie ich ein normaler Angestellter war. Ja unsere Firma war wirklich klein, stellte ich beiläufig fest. Und dann stand da noch jemand. Ein kleiner Mann mit Haarkranz um seiner Glatze. Er hatte zudem einen viel zu engen Anzug an. Ich vermute ja, dass der da jeden Morgen hinein springt. Wieso schafft es so ein kleiner Wicht nicht, sich einen besser passenden Anzug zu besorgen, schoss mir die Frage in den Kopf, bevor ich durch die Glastür ging.
„Schön das du da bist“, begrüßte mich Axel. Wir hatten schon immer einen familiären Umgang in der Firma, was dafür sorgte, dass alles leichter von der Hand ging.
„Da nun alle da sind, können wir ja nun anfangen“, fuhr er fort.
Ja was denn sonst! So zum Spaß sind wir nun nicht da, wollte ich gerade sagen, biss mir aber rechtzeitig auf die Zunge. Wieso war Axel so angespannt?
„Wie ihr alle wisst, haben wir nicht wenig zu tun“, erzählte er weiter.
Welch eine Feststellung, dachte ich mir.Wir waren eben sehr gut mit unseren Sicherheitslösungen und dadurch sehr gefragt. Besonders, seit dem bekannt geworden war, dass es einige Organisationen gibt, die es auf allerlei Firmendaten abgesehen haben.
„Dies ist natürlich auch anderen Mitbewerben aufgefallen und sie haben sich dann gefragt, wieso dies denn so sei?“, fuhr Axel monoton fort. „Nun ich habe mich lange da gegen gewehrt. Doch am Ende siegte bei mir die Vernunft.“ Axel schluckte merklich. „Neben mir steht Herr Eisig. Er wird ab sofort der neue Chef der Secure Web GmbH. Diese wird in die MultiWebNet Company eingegliedert. Ich werde meinen Posten in dieser Woche noch räumen. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg.“
Krach, das saß. Nun war die Katze aus dem Sack. Wir waren ab jetzt keine kleine unabhängige Firma mehr, sondern nur noch ein Teil in einem weltweit operierenden Unternehmen. Und das Axel seinen Chefposten aufgab, konnte ich mir nur mit einer dicken Abfindung erklären, die er erhalten haben musste.
Nach Axel ergriff Herr Eisig das Wort. „Guten Tag meine Herren.“
Auweia, ich musste mir ein lautes Lachen verkneifen. Nicht nur das Herr Eisig ein Presswurstwichtel war, der einen komischen Fahrstil pflegte, nein er klang auch noch wie eine Ente.
„Wie sie sicher wissen, gehört die MultiWebNet Company zu den weltweit größten Anbietern von Software aller Art. Nun wollen wir unsere Sicherheitssoftware auf ein neues Level heben und haben ihre Firma dafür ausgesucht. Wir sind von ihrem Know-How sehr beeindruckt.“ Während er sprach, wedelte Herr Eisig theatralisch mit seinen Armen. „Mit unseren finanziellen Mitteln und ihrem Wissen, werden wir auch auf diesem Gebiet bald zum Marktführer aufsteigen. Sie können sich sehr glücklich schätzen, dass wir sie ausgesucht haben!“
Na das war Ansichtssache.
„Wir werden ihre Verträge natürlich so übernehmen, wie sie derzeit sind. Jedoch erwarten wir absolutes Engagement von ihnen allen. Des Weiteren werden in Kürze weitere Mitarbeiter zu ihnen stoßen, sodass wir in naher Zukunft, unser Ziel der Weltmarktführerschaft bei Sicherheitssoftware erreichen werden. Ich freue mich schon sehr auf die Zusammenarbeit mit ihnen.“ Dabei beließ er es und verschwand mit Axel und Brigitte in das Chefbüro.
Das war es? Mehr gab es nichts zu sagen? Ich blickte in die Gesichter von Charly und Benno. Charly starrte in die Luft, während Benno schief lächelte. Erst als Herr Eisig gegen Die Scheibe klopfte, welche das Büro von unseren Arbeitsplätzen trennte und mit seinen Armen wild gestikulierte, gingen wir zu unseren Plätzen.
Ich schlenderte eigentlich mehr, als zu gehen und schaltete, an meinem Platz angekommen, den Computer an. Danach machte ich es mir auf meinen Sessel gemütlich.
Das Gute an einer Softwarefirma ist, dass die PCs nicht lange brauchen, um hoch zu fahren, denn man hat immer die neuste Technik zu Verfügung. Außerdem benutzten wir nicht diesen virenanfälligen Marktführer. Ich schaute über meinen Bildschirm und beobachtet Charly dabei, wie er Benno irgend etwas erklärte. Heute hatte Charly unseren sogenannten Bennotag, denn wir wechselten uns immer ab, Benno unser streng geheimes Wissen zu vermitteln.
Benno nickte mehrmals bei Charlys Erklärungen. Ob er alles verstanden hatte? Bis an meinen Platz drang nur noch Gebrabbel, dabei war das Büro, wo wir arbeiteten, nicht so groß. Nachdem er scheinbar fertig war Benno alles zu erklären, kam Charly zu mir an den Platz.
Charly war ein etwas kleiner, dicklicher, aber nicht fetter Mann. Okay ich bin mit meinen ein Meter achtzig jetzt auch nicht der Riese, aber glauben sie mir, Charly ist wirklich klein. Er hatte aber ein von Grund auf herzliches Wesen und seine Erscheinung machte ihn sehr sympathisch. Und mit seinen kurzen blonden Haaren und den Sommersprossen sah er wie ein Lausbub aus.
Mit seinen nicht ganz so kleinen Hinterteil setzte sich Charly auf die Ecke meines Schreibtisches. „Was hältst du von der ganzen Sache?“, kam er direkt zur Sache.
„Nicht wirklich viel. Warum hat Axel uns nicht davor gewarnt?“
„Vielleicht wollte der kleine Gnom das so.“ Charly zuckte mit den Schultern.
„Hm. Na ja ich hoffe er arbeitet nicht so wie er fährt“, meinte ich beiläufig.
„Hä, wie soll man das verstehen?“ Verwirrt sah Charly mich an.
„Ach vergiss es“, versuchte ich mich aus der Bredouille zu reden, doch es war zu spät. „Nein tut mir leid, aber das kann ich nicht vergessen. Erst sagst du etwas und dann soll ich es wieder vergessen? So läuft das Spiel aber nicht.“
Ich schaute Charly an und sah ehrliche Neugierde.
„Pass auf“, begann ich verschwörerisch. „Der kleine Mann fuhr eine ganze Zeit vor mir und als ich ihn überholen wollte, beschleunigte er. Aber vorher noch drei Brummis vorbeiziehen lassen.“
„Na wahrscheinlich fand er es zu peinlich, von einer Asphaltblase überholt zu werden.“ Charly grinste frech. Er hatte mal wieder mein Auto beleidigt. Das tat er in regelmäßigen Abständen gerne.
„Aber sich vorher von drei Lkws überholen lassen.“ Ich zeigte ihm einen Vogel.
„Herr Blumenberg!“
Es war die Presswurstwichtelente. Man die Stimme klang ja noch schlimmer, wenn Herr Eisig schrie. Charly zuckte zusammen.
„Sie werden nicht dafür bezahlt, damit sie mit ihrem fetten Arsch das Firmenmobiliar abreißen. Los an die Arbeit!“
Charly wollte etwas erwidern, doch ich gab ihm mit einem leichten Kopfschütteln zu verstehen, dass er sich zu nichts Dummes hinreißen lassen sollte. Später konnte man immer noch seinen Unmut äußern. Charly begab sich mürrisch zu seinen Platz und erklärte, für mich erneut unverständlich, Benno irgend etwas.
Eisig begab sich wieder in das Büro. Er wollte die Glastür zu knallen, doch wohl weislich war sie mit einem Softstop versehen worden.
Mein Blick wanderte des Öfteren von meinem Bildschirm zum Büro. Dort sah ich unseren neuen Chef weiter mit Axel reden, während Brigitte nur stumm da saß.
Eigentlich herrschte bei uns eine heitere und lockere Atmosphäre, nur heute verging der Arbeitstag monoton. Die Stimmung war nach dem Auftritt von Herrn Eisig im Keller und so hatte keiner auch nur das geringste Bedürfnis länger zu bleiben.
Um 15 Uhr oder auch etwas später, verließen Herr Eisig, Axel und Brigitte die Firma. Axel vermied es, uns in die Augen zu schauen. Er verabschiedete sich nicht mal. Brigitte hatte Tränen in den Augen. Was wohl in dem Büro besprochen wurde? Herr Eisig würdigte uns nicht eines Blickes. Ein Kotzbrocken wie er im Buche steht.
Kurze Zeit später hatten auch wir die Firma verlassen und waren auf den Firmenparkplatz. Benno verabschiedete sich schnell von uns. Er wollte zu einer ganz wichtigen Verabredung, wie er uns versicherte. Somit standen Charly und ich nun allein vor unseren Autos und schauten uns ratlos an.
„Was für ein Mist!“ brach es plötzlich aus Charly heraus. „Da haben wir wirklich Spaß an unserer Arbeit und dann kommt so ein kleiner Wichtigtuer mit Potenzprobleme daher. Dann meint der, den großen Macker zu spielen und das bei der geschätzten Größe eines Flohs.“ Charly zündete sich eine Zigarette an, bevor er weiter sprach. „Warum macht Axel das? Und hast du Brigitte gesehen. Total apathisch. Die verliert bestimmt ihren Job. Der will doch bestimmt irgend jemand haben, der ihm nur bis zur Brust geht.“
„Ich denke das wird schwer“ merkte ich sarkastisch an. „Die Größe kann doch gar nicht mehr unterboten werden.“ Sollte Brigitte allerdings gekündigt werden, würde der kleine Herr Eisig einen ganz großen Fehler machen, denn Brigitte war ein Organisationstalent. Durch sie versanken wir nie im Terminchaos. Außerdem, wer sollte dann am Empfangstresen sitzen? Bestimmt nicht Herr Eisig selber.
„Ich hab ja gedacht, ich wäre klein, aber der übertreibt es ja wirklich“, sagte Charly und grinste dabei. „Egal ich werde mal nach Hause fahren. Bin gespannt, was mich heute noch dort erwartet. Du weißt ja, ein Unglück kommt selten allein.“ Ich nickte mitfühlend.
Charly hatte es nicht leicht zu Hause. Seine Frau ging ihm fremd und hielt es nicht mal für nötig es zu verheimlichen. Und sie war ein Drachen. Einer von der ganz üblen Sorte. Ich hatte schon das zweifelhafte Vergnügen, Klara kennen zu lernen. Charly ging allerdings sehr gelassen mit der Situation um. Jeder andere hätte sich von der getrennt. Manchmal fragte ich mich, wieso er es nicht tat.
Ich schaute Charlys Auto eine Weile nach, bevor ich in mein eigenes einstieg. Auf dem Heimweg dachte ich über die derzeitige Situation in der Firma nach. Zum einen war es nicht schlecht, dass wir nun einen großen Konzern im Rücken hatten. Allerdings war ich nicht sicher, ob man uns nicht doch einfach abservieren würde, wenn man alles hatte, was wir uns erarbeitet hatten. Relativ gut fand ich, dass unsere derzeitigen Verträge übernommen wurden, aber musste man uns dann so einen wie Herr Eisig vor die Nase setzten? Ich grübelte die ganze Autofahrt darüber nach und eh ich mich versah, hatte ich mein Auto geparkt. Das ging aber schnell, stellte ich erstaunt fest.
Ich wollte gerade die Haustür aufschließen, da fing mich Michael ab. Scheinbar kam er auch gerade nach Hause. Michael war mein Anwalt und mein Freund und er lebte in dem gleichen Haus, wie ich. Eigentlich habe ich es ihm zu verdanken, dass ich meine jetzige Wohnung habe. Kennen gelernt haben wir uns kurz nach dem mich Elisabeth verlassen hatte.
In der ersten Woche, nach diesen Abend, durchlebte ich alles wie in einem Nebel. Ich funktionierte nur. Mehr nicht. Wenigstens machte ich mich auf die Suche nach einen Anwalt und hatte auch eine Woche später einen Termin. Scheidungen waren wohl ein profitables Geschäft.
In dieser Woche bemerkte ich etwas, womit ich damals nicht gerechnet hatte. Elisabeth fehlte mir nicht. Ehrlich gesagt, dachte ich nur an meine Tochter. Die Erkenntnis, dass Elisabeth Recht hatte überrollte mich wie eine Dampfwalze.
Die Kanzlei, bei der ich meinen Termin hatte, befand sich in einen von diesen schicken Bürogebäuden aus Glas. Meinen kleinen italienischen Zweitwagen, stellte ich in die dazugehörige Parkgarage ab. Elisabeth hatte sich den Kombi geschnappt und war damit zu ihren Eltern gefahren. Richtig wir hatten zwei Autos. Wir verdienten eben nicht schlecht.
Bei den Fahrstühlen musste ich auf die Firmenlogos schauen, um zu erfahren wo sich die Anwaltskanzlei Rapps und Kollegen befand, denn dort hatte ich meinen Termin.
Im Fahrstuhl lernte ich Michael dann auch das erste Mal kennen. Er kam genau in dem Moment an gehetzt, als sich die Aufzugtüren schlossen. Ich hielt ihm die Türen auf, damit er sich zu mir gesellen konnte.
Glücklicherweise kam ich an diesem Tag mal pünktlich von der Arbeit weg. Okay ich habe mich einfach verabschiedet. Ich wusste, dass Axel mich nicht kündigen würde. Außerdem zeigte er vollstes Verständnis für meine Situation.
Michael hatte damals einen schwarzen Pullover und eine Jeans an. Ich schätzte ihn auf Mitte Dreißig. Er ist mindestens einen Kopf größer und wirkte, obwohl er schlank ist, nicht schlaksig. Vielleicht lag es an seiner Kleidung, die hervorragend zu seinen dunklen Haaren passte, warum ich mich so in seinem Alter verschätzte, aber er sah so frisch und unverbraucht aus.
„Guten Tag. Welche Etage möchten Sie?“, fragte er mich. Es waren unsere ersten Worte die wir miteinander wechselten.
„Guten Tag“, gab ich zurück. „In die Neunte bitte.“
„Ah zu den Anwälten. Ich habe nur Gutes von denen gehört“, gab er zum Besten. Warum mussten Leute einfach ungefragt etwas kommentieren, dachte ich damals bei mir.
„Wo müssen Sie denn hin?“ fragte ich zurück, während der Fahrstuhl nach oben fuhr.
„Auch in die Neunte. Ich habe da heute noch einen Termin. Den hatte ich fast vergessen. Der Kaffee den ich getrunken habe, war aber auch zu lecker.“ Er grinste schief und drehte sich zu den Fahrstuhltüren.
Zumindest war ich nicht der Einzige mit Problemen und wenn noch jemand einen Termin in der Kanzlei hatte, dann sollten die Anwälte doch wirklich gut sein.
Ohne Zwischenstopp erreichten wir die neunte Etage und verließen die verspiegelte Kabine. Michael und ich durchschritten ein geräumiges Foyer. Ich erreichte die Glastüren der Kanzlei einen Schritt zu vor ihm und hielt ihm die Tür auf. Er bedankte sich freundlich und ging ohne Umschweife in eines der Büros.
Der ist wohl schon öfters hier gewesen, kam mir der Gedanke, bevor ich die Rezeption erreichte. Wieso ich nicht auf die Idee kam, er würde in der Kanzlei arbeiten, kann ich rückblickend nicht beantworten.
„Guten Tag. Ich habe heute um 16.15 Uhr einen Termin in ihrer Kanzlei vereinbart. Meine Name ist Dennis Hussmann“, erklärte ich an der Rezeption. Die Empfangsdame, die zu mir auf sah, war im mittleren Alters und hatte lange brünette Haare, die zu einem Pferdeschwanz gebunden waren. Auf ihrer knochigen Nase saß eine moderne ovale Brille. Nicht nur ihre Nase war knochig, sondern der Rest, den ich sah, auch. Konnte der mal jemand ein Butterbrot geben? Oder auch zwei?
„Ja Herr Hussmann. Dr. Richter wird sie gleich empfangen“, empfing sie mich freundlich. „Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten?“
Ein Doktor und dann hatte er auch noch den Namen Richter, wenn das mal nicht passend war. An manche Dinge erinnerte ich mich wirklich erschreckend genau.
Ich bestellte mir ein Wasser und kurze Zeit später holte mich Michael persönlich ab. Ich war vollkommen überrascht, dass es der Fahrstuhltyp war. Ob der mich gut vertreten konnte, wenn er schon fast den Termin vergaß, schoss es mir zu der Zeit durch den Kopf. Später erzählte ich Michael mal von meiner Naivität. Er lachte nur und beruhigte mich, in dem er mir sagte, dies wäre nur passiert, weil ich noch nicht ganz bei mir war.
„Wir haben uns ja schon begrüßt Herr Hussmann.“ Michael reichte mir seine Hand. „Michael Richter“, stellte er sich dennoch bei mir vor.
„Angenehm“, erwiderte ich.
„Bitte folgen Sie mir.“
Ich folgte Michael in sein Büro. Während er die gläserne Bürotür schloss, setzte ich mich auf einen der Lederstühle.
„Bitte entschuldigen Sie mein Auftreten. Leider passiert es mir schon mal, dass ich Termine vergesse. Aber wie sie sehen, bin ich doch noch pünktlich da.“ Nachdem sich auch Michael gesetzt hatte, bat er mich, meine Sachlage zu schildern.
„Hm“, machte er, als ich fertig war, „das könnte eventuell Schwierigkeiten geben. Haben sie schon ein Schreiben der Gegenseite?“
Ich schüttelte den Kopf
„Okay es wird schwierig. Also gut. Da wir nicht wissen, was die Gegenseite fordert, können wir erst mal nur ihre Seite regeln“ schlug Michael vor und so gingen wir alles durch. Vom Unterhalt für Zoé und Elisabeth, der Gütertrennung, der Umgangsregelung, einfach alles und dass bis zur Scheidung. Gerne hätte ich es gesehen, wenn Zoé bei mir gewohnt hätte, jedoch standen die Chancen dafür eher schlecht.
Michael hatte dafür einen anderen Plan. Zoé könne ja jedes Wochenende zu mir kommen, wenn sie es denn wollte. Um Elisabeth das schmackhaft zu machen, wollte er es mit freien Wochenende nach einer anstrengenden Woche mit Arbeit und Kindererziehung schmackhaft machen. Den Unterhalt für Zoé zahlte ich gerne. Anders sah es bei Elisabeth aus, doch Michael wollte es irgendwie regeln. Hat er zum Glück auch sehr gut hin bekommen. Den Kombi durfte Elisabeth schlussendlich behalten. Mir persönlich reichte auch das kleine Auto aus.
Ich hörte geduldig zu, beantwortete die Fragen so gut ich konnte und nach zwei Stunden waren wir fertig. Auf den Weg zur Bürotür, stellte mir Michael noch eine letzte Frage.
„Haben sie schon eine neue Wohnung für sich, Herr Hussmann?“ Es ist schon merkwürdig, wenn man von seinem Anwalt, solch eine Frage zu hören bekommt. Doch dieser war mit allen Wassern gewaschen und dachte auch an solche Dinge.
„Nein leider nicht. Es ist doch etwas schwieriger, als ich dachte. Düsseldorf ist doch etwas teuer, wenn man alleine ist.“ Die Sache war mir unangenehm, hatte ich doch angenommen, es wäre leichter eine neue Bleibe zu finden. Ich hatte es unterschätzt, wie die Preislage von Wohnungen war.
„Ist das wirklich so?“ Bei dieser Frage hob er leicht die linke Braue. Wieder so eine Situation, an die ich mich genau erinnere.
„Ich wohne etwas Auswärts“, erklärte Michael. „Von hier sind es um die vierzig Kilometer, aber von ihren Arbeitsplatz wird es nicht so weit sein.“ Er ging zurück zu seinem Platz und tippte etwas auf seiner Tastatur. „Ah gut. Es sind 32 Kilometer. Zufällig ist gerade in dem Haus, wo ich wohne, ein Zweizimmerapartment frei geworden. Eine sehr schöne und ruhige Gegend. Viel Grün und ein Supermarkt befindet sich auch in der Nähe. Ich kenne den Vermieter persönlich und könnte ein gutes Wort für sie einlegen.“
Obwohl es für mich wie ein Verkaufsgespräch gewirkt hatte, überlegte ich trotzdem nicht lange und schaute mir die Wohnung noch am selben Tag an.
Wie sich herausstellte, war der Vermieter gleichzeitig der Vater von Michael. Die Miete war, so vermute ich es zu mindestens, durch ein Gespräch von Michael mit seinem Vater, tatsächlich günstig. Einen Tag später hatte ich den Mietvertrag unterschrieben.
Die Wohnung befindet sich in einem Dreifamilienhaus im Dachgeschoss. Obwohl man es auch nicht Familienhaus nennen kann, denn eigentlich wohnt nur mein Anwalt und jetziger Freund mit seiner Frau und den drei Kindern, sowie seine Eltern dort. Okay es waren zwei Familien, wenn man es genau nimmt. Nur ich war alleine.
Von der Eingangstür meiner Wohnung erstreckt sich ein Flur, welcher in einem geräumigen, licht durchfluteten Wohnzimmer endete. Links befindet sich eine große Küche, in der der Vormieter seine Einbauküche zurück gelassen hatte. Es war eine moderne Küche mit quarzgenauen, glänzenden Fronten. Auch wenn es eine Menge Arbeit ist, die Fingerabdrücke wegzuwischen, gefiel sie mir sehr. Die zweite Tür auf der linken Seite des Flurs gehört zu dem Badezimmer, welches sogar eine große Badewanne beherbergte. Rechts befindet sich ein schmales Schlafzimmer. Egal, dachte ich mir, man sollte ja nur darin schlafen und ein Bett und ein Kleiderschrank passten dort alle mal rein. Vom Wohnzimmer aus kommt man auf eine Dachterrasse, die zum Innenhof lag. Ich liebte diese Wohnung auf den ersten Blick. Michael hatte nicht zu viel versprochen. Die Gegend war wirklich ruhig.
Drei Wochen später bezog ich meine neue Bleibe. Die ich erst spärlich einrichten konnte, weil ich nicht allzu viel mitnehmen wollte. Mit der Zeit jedoch wurde es nach und nach immer wohnlicher.
Auch wenn ich nicht am sprichwörtlichen Hungertuch nagte, versetzte mir die Rechnung der Kanzlei den nächsten Schock.
„Keine Sorge“, beruhigte mich Michael, „du darfst sie natürlich in Raten abbezahlen.“ Rechtsschutzversicherungen zahlten zu meinem Leidwesen keine Scheidungen. Was für Feiglinge! Ich arrangierte mich allerdings mit dieser Situation, so gut es ging.
Da ich während dieser Zeit jeden Abend mit meiner Tochter telefonierte, konnte ich Elisabeth recht schnell Bescheid geben. Sie klang erleichtert. Wahrscheinlich war es doch nicht so toll bei ihren Eltern.
Ich musste dann nicht lange auf den Brief von ihrem Anwalt warten. Weil mir nicht danach war, mich damit auseinander zusetzten (der nächste Schock wäre nicht ausgeblieben), erhielt Michael den Brief ohne Umwege. Der er im gleichen Haus wohnte, vereinfachte es die ganze Sache sehr. Es entstand ein reger Briefwechsel zwischen den Anwälten und am Ende durfte ich Zoé wirklich jedes Wochenende abholen. Das war die beste Nachricht. Der Rest bestand dann leider nur aus bezahlen. Auch für die Zeit wo Elisabeth bei ihren Eltern war. Das nennt man dann wohl elterliche Fürsorge. Schlussendlich war es nicht so viel, wie ich befürchtete hatte. Mit Michael war ich dann schnell beim Du.
„Hallo Dennis“, begrüßte er mich an der Haustür, als er mich erreichte und gab mir ein Schreiben.
„Was ist das?“ wollte ich wissen.
„Das ist der Scheidungstermin. Es ist zwar noch etwas hin, ich konnte aber durchsetzen, dass wir schon den Termin bekommen. Nicht das alle Richter im Urlaub sind.“ Er zwinkerte mir zu.
Ich schaute mir das Schreiben an. Der Termin war am 22.07. um 10.00 Uhr. Ein Jahr und zwei Wochen nach dem Elisabeth mir den Brief geschrieben hatte.
„Dennis? Alles gut bei dir?“ Mit seiner Frage riss mich Michael aus meinen Gedanken.
„Ja schon. War heute nur nicht so der tollste Tag in der Firma“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Er schaute mich verständnisvoll an.
„Was hältst du davon, wenn du heute Abend mit uns grillen würdest?“ Mit uns meinte Michael seine ganze Familie. „Dann könntest du alles erzählen und du weißt doch: Für alles gibt es eine Lösung.“ Michael klopfte mir auf die Schulter und öffnete die Haustür.
Was für ein Tag, dachte ich, als die Tür meiner Wohnung in das Schloss schnappte. Erschöpft überlegte ich mir, was ich tun sollte, bis der Grillabend begann. Ich entschied mich für eine Dusche. Das entspannte und erfrischt gleichzeitig.
Als ich mit Duschen fertig war, fühlte ich mich tatsächlich entspannter. Ich zog mir bequeme Sachen an und machte es mir auf meinem Sofa gemütlich. Vom Hof hörte ich die Kinder von Michael und seiner Frau Gabi fröhlich spielen. Kurze Zeit später klingelte es bei mir und vor der Tür stand Hans.
„Guten Abend, Dennis. Ich hoffe Michael hat auf meinen Rat gehört und dich eingeladen, heute mit uns den Abend zu verbringen.“
„Guten Abend. Ja das hat er. Es klang aber so, als wäre die Idee von ihm gewesen.“
„Dann werde ich wohl mit meinem Sohn ein ernstes Wörtchen Reden müssen“, sagte Hans keck und grinste dabei frech. „Guck nicht so entsetzt Dennis. War nur ein Scherz. Ich wurde nur beauftragt dich abzuholen.“ Mir fiel ein Stein von Herzen, wollte ich doch nicht schuld haben, wenn sich Michael mit seinem Vater stritte
„Ich wollte auch gerade herunter kommen. Gebe mir nur noch eine wenig Zeit, damit ich auch etwas für das leibliche Wohl beitragen kann.“
„Ach Unsinn“ wischte Hans meine Hilfsbereitschaft weg. „Es ist genug da und du wurdest eingeladen. Also los! Lassen wir den herrlichen Frühlingstag einfach ausklingen.“
Dabei lächelte Hans unentwegt und auch seine Stimme klang so unbeschwert heiter. Was nahm der Mann nur und konnte man das legal kaufen? Seine Heiterkeit war einfach ansteckend. Meine Wohnung verließ ich gut gelaunt und freute mich auf einen entspannten Abend.
Wenn man auf den Innenhof möchte, muss man durch einen langen Flur gehen. In diesem hatte Hans einen Kalender an die Wand genagelt. Bis heute weiß ich nicht wozu er gut sein soll. Man wusste zwar immer welcher Tag war, doch normal hängen Kalender in den eigenen vier Wänden. Immer wenn ich Hans darauf ansprach, winkte er nur ab. „Der hängt nur so da, damit alle immer wissen welcher Tag ist“, meinte er dann lapidar. Irgendwie vermutete ich mehr dahinter.
Heute aber war mir das egal und normalerweise schaue ich auch nicht auf den Kalender, nur heute viel er mir mehr durch das Datum auf. Es war der erste April. Welch eine Ironie. Vielleicht war der heutige Tag ein schlechter Aprilscherz, hoffte ich insgeheim. Leider starb die Hoffnung schon am zweiten April einen kurzen, schmerzvollen Tod.