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4.

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Als ich aufwachte, wäre ich gerne sofort wieder eingeschlafen. Es war einer der Morgen, an denen man nicht aufstehen wollte. Das lag garantiert am Wein. Den anderen erging es scheinbar nicht besser. Paul bemühte sich erst gar nicht aufzustehen, um in die Schule zu gehen und Charly, der schlimmer aussah als ich mich fühlte, machte auch keine Anstalten, dies zu ändern. Nicht einmal Tina sah ich. Sie blieb gleich mit liegen. Welch ein Leben! Da beneidete ich die Jugend. Ohne zwingende Verpflichtung, konnte diese auch mal den Tag verschlafen.

Charly und mir war dieser Luxus nicht vergönnt, also machten wir uns notgedrungen für die Arbeit fertig.

Im Auto bereute ich es dann komplett, bei Charly übernachtet zu haben, denn er reizte seine Fahrkünste bis auf äußerste aus. Er wechselte öfter, als mir lieb war, die Spur, schnitt nicht nur einmal andere Verkehrsteilnehmer und ich fragte mich unwillkürlich, ob er wusste wo sich die Bremse befand. Aus Angst um mein Leben versuchte ich erst gar nicht ein Gespräch anzufangen, sondern schickte stattdessen einige Stoßgebete in den Himmel. Es schien zu helfen, denn wir kamen ohne einen Kratzer an. Ich holte erst einmal tief Luft, als ich die Wagentür hinter mir geschlossen hatte. „Sag mal, fährst du immer so liberal?“ Charly grinste breit über meine Frage. „Ach komm“, verteidigte er sich. „Die fahren hier doch alle so. Ist dir nicht aufgefallen, wie oft ich geschnitten worden bin?“

„Ist dir nicht aufgefallen, wie oft du an gehupt wurdest?“

„Die meinten mich?“ Charly spielte das Unschuldslamm in Perfektion. Ich warf ihm einen mahnenden Blick zu, doch er ignorierte ihn. „Außerdem ist es nicht das erste Mal, dass du mit gefahren bist und du hast dich noch nie beschwert.“

„Klar habe ich es nicht. Da konntest du auch, wie die meisten Anderen, vernünftig fahren.“

Kurz darauf hatten wir unseren Arbeitsplatz erreicht, doch die Eingangstür war verschlossen. „Was soll das denn jetzt?“, fragte Charly verärgert. „Die wollen wohl unbedingt, dass wir nicht fertig werden!“

„Die paar Überstunden mehr oder weniger werden wir auch überleben“, kommentierte ich knapp, weil ich mich darüber nicht ärgern wollte.

„Überstunden, die sie freiwillig machen!“ Frau Meyer kam gerade vom Treppenaufgang und versuchte allem Anschein mir den Wind aus den Segeln zu nehmen, was eindeutig nach hinten los ging. „Dann sollten sie nächstes mal früher da sein“, erwiderte ich scharf. „Und der Fahrstuhl ist schneller als die Treppe.“

„Die Treppe hält aber fit, Herr Hussmann.“ Frau Meyers Augen huschten kurz zu Charly. „Vielleicht sollte Herr Blumenberg diese auch benutzen. Sie können ihn ja gerne begleiten. Zu zweit macht Fitness mehr Spaß, habe ich mir sagen lassen.“

Diese Frau war echt das Letzte. Charlys Blick war total versteinert, doch das schien Frau Meyer nicht weiter zu stören. Statt dessen schaute sie ihn nun von oben bis unten an.

Mit zuckersüßer Stimme meinte sie dann: „Ja Herr Blumenberg, ein bisschen Sport würde ihnen wirklich nicht schaden.“

Das reichte mir jetzt! „Schließen sie die Tür auf Frau Meyer, denn entgegen ihrer Annahme, müssen sie die Überstunden bezahlen und das wollen sie dem guten Herr Eisig nicht antun, oder?“

Frau Meyer kam sehr nah auf mich zu, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und zischte mich wie eine Schlange an. „Übertreiben sie es nicht! Ich bin ihre Chefin und ich kann sie ganz leicht raus schmeißen!“ Ich blickte, ohne ein Blinzeln, in ihre Augen doch ich sah nicht die kalte Grausamkeit, die sie uns vormachte. Viel mehr war es ein warmherziger, weicher und wunderschöner Blick, der mich um ein Haar vergessen ließ, dass ich wirklich wütend auf Frau Meyer war.

„Das können sie nicht!“, zischte ich nach einer gefühlten Ewigkeit zurück. „Und sollten sie es doch wagen, kenne ich einen sehr guten Anwalt!“ Wir starrten uns weiter an, bis Charly sich einmischte.

„Könnten sie bitte jetzt die Tür aufmachen, Frau Meyer?“, fragte er matt. Fast tat es mir leid, nicht mehr in ihre Augen zu sehen. Frau Meyer drehte sich von mir weg und schloss die Tür auf. Ohne uns noch eines Blickes zu würdigen, ging sie in ihr Büro. Auch heute passte ihr Hosenanzug perfekt, stellte ich beiläufig fest.

„Kannst du mir bitte verraten was das gerade war?“, fragte mich Charly, als wir unsere Jacken aufhingen.

„Was meinst du?“

Charly schaute mich an wie ein Auto. „Ihr habt euch die ganze Zeit angestarrt und ich dachte ihr fallt euch gleich an.“

„Viel hat nicht gefehlt und ich wäre ihr an die Gurgel gegangen.“

„Für mich sah das etwas anders aus. So als ob ihr übereinander herfallt und euch hemmungslos abknutscht“, piesackte mich Charly.

„Erzähl bitte keinen Blödsinn“, versuchte ich von meinen Gefühlen abzulenken.

„Du wirst es ja besser wissen. Danke für deinen Einsatz, aber sie hat doch Recht. Ein wenig Fitness kann mir wirklich nicht schaden.“ Demonstrativ kniff er sich in die Seite.

„Dann lass uns jeden Morgen die Treppe hoch joggen“, schlug ich vor und dachte dabei an Frau Meyer.

Obwohl Charly von der Idee begeistert war, meinte er den restlichen Arbeitstag immer wieder, dass er es sich noch überlege. Das war mir allerdings ziemlich egal, denn am nächste Tag begannen wir damit nicht mehr den Fahrstuhl zu nehmen, wenn wir nach oben zur Arbeit mussten.

Mit der Umstellung des Systems kamen wir schnell voran. Entweder waren wir besser, als es uns bewusst war oder die MultiWebNet Company benutzte sehr einfache Programme.

„Die Leute müssen ja hypnotisiert worden sein, wenn sie so einen Schrott benutzen“, war Charlys Kommentar dazu. Ich enthielt mich einfach halber seiner Meinung.

Durch die Verzögerung von heute Morgen, machten wir etwas später Feierabend. Frau Meyer kam nicht ein einziges Mal aus dem Büro, um uns zusammen zu falten und ich hegte die Hoffnung, dass sie mit unserer Arbeit zufrieden war.

Auf den Parkplatz verabschiedete ich mich von Charly und machte mich auf den Heimweg.

Der April hatte nun mit aller Macht zugeschlagen und zeigte seine wechselhafte Stimmung. Es hatte wieder zu regnen begonnen.

Zu Hause schmiss ich meine Jacke einfach auf die Flurkommode und ließ mich dann auf mein schwarz-graues Sofa fallen. Klamm heimlich und ohne es zu bemerken hatten sich Kopfschmerzen herangeschlichen, die mich quälten wie die damaligen Inquisitoren. Leider half da auch keine Massage der Schläfen und so griff ich zu einer Schmerztablette. Recht schnell waren meine Kopfschmerzen verschwunden. Ich hatte mich für zwei Minuten hin gesetzt, da meldete sich der große Hunger. Frustriert ging ich in die Küche und warf einen Blick in den Kühlschrank. Vom Wochenende war nichts über geblieben. Sollte ich was bestellen oder doch noch etwas einkaufen? Ich entschied mich für das Erstere, also wählte ich die Nummer des örtlichen All-in-One-Lieferdienst. Am anderen Ende klingelte es dreimal, bis eine schwer zu verstehende, männliche Stimme ran ging.

„Scheumasia Lifferserwisch (Eurasia Lieferservice). Was kann ich für sie tun“

„Ja guten Abend. Hussmann mein Name und ich hätte gerne die 98.“ Gut das ich mir die Flyer vom Eurasia Lieferservice aufhob.

„Ah ja die Pekingente. Wohin geht das?“

„In den Fasanenweg 18. Bei Hussmann.“

„Ah ja. Fasanenweg 18 zu Stussmann.“

„Ah nein. Mein Name ist Hussmann.“

„Ah ja. Habe verstanden. Dauerte so halbe Stunde.“ Ich wollte mich noch bedanken, leider legte der nette, scheinbar nicht ganz helle Mitarbeiter auf.

Während ich überlegte, ob der gute Mann mich wirklich verstanden hatte, klingelte mein Telefon. Es war meine Mutter. Sie rief mich immer mittwochs an. Das hatten wir vereinbart, nachdem meine Eltern nach Ibiza ausgewandert waren. Dort hatten sie eine sehr gut laufende Boutique eröffneten. Vorher besaßen sie ein Modegeschäft auf der Düsseldorfer Königsallee. Dreißig Jahre führten sie dieses erfolgreich, dann hatten sie von den Launen der Menschen genug und verkauften alles, um mit dem Geld auf Ibiza neu durchzustarten. Scheinbar waren die Leute auf Ibiza besser gelaunt, denn ich hörte meine Mutter nie klagen und auch mein Vater war stets gut gelaunt.

„Hallo Mama“, begrüßte ich sie knapp.

„Hallo mein Lieblingssohn. Wie geht es dir?“ Sie sagte immer mein Lieblingssohn, dabei war ich ihr einziger Sohn. Ich hatte noch zwei Schwestern, die sich entschieden hatten nach Berlin zu ziehen. Sie meinten, es wäre da einfach hipper, als in Düsseldorf. Ich kann das jetzt nicht so bestätigen, denn jedes Mal wenn ich zu Besuch war, waren irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen wegen hochrangigen Politikern zu Gange. Mal abgesehen von der miefigen Luft, die dort herrschte. Jedoch waren meine Schwestern glücklich mit Berlinern verheiratet und das wird wohl der wahre Grund sein, warum sie nun in der Hauptstadt wohnten.

„Mir geht es gut“, sagte ich, nur um dann mit der Tür ins Haus zu fallen. „Allerdings läuft es auf Arbeit derzeit nicht so. Wir haben einen neuen Chef bekommen und seine Assistentin ist zum Abgewöhnen“, erklärte ich ihr weiter.

„Oh das höre ich aber nicht gerne. Wieso habt ihr denn einen neuen Chef?“

„Axel hat die Firma verkauft, weil es, wie er sagte, zu viel für ihn geworden war.“ Zwar schrieb Axel es mir nur, aber das musste meine Mutter nicht wissen.

Sie seufzte kurz bevor sie weiter sprach. „Das tut mir leid Dennis. Lass dich einfach nicht unter kriegen, okay? Wie geht es denn meiner Enkelin?“

„Zoé geht es sehr gut. In der Schule kommt sie weiterhin sehr gut mit. Einzig die Abschiede scheinen ihr immer schwerer zu fallen“, erzählte ich.

„Also an der Front gibt es auch nichts Neues.“ Meine Mutter betrachtete die Sache mit Zoé und Elisabeth auch nach so langer Zeit immer noch als eine Art Krieg. Gut das sie keinen Waffenschein hatte. Sie war nämlich sehr wütend, als Elisabeth sich von mir trennte.

„Und hast du schon eine neue Freundin? Dein Vater macht sich Sorgen. Du würdest noch einrosten, sagt er und hängt mir damit ständig in den Ohren.“ Immer wieder die gleiche Leier, dachte ich mir, sagte es ihr aber nicht.

„Nein habe ich nicht“, sagte ich gedehnt, weil mich die Fragerei nervte. „Warum sollte ich auch. So wie es jetzt ist, habe ich am wenigsten Probleme und kann mich ganz um meine Tochter kümmern.“

„Das hast du vor Elisabeth auch gesagt und schau, wie lange es gedauert hat, bis ihr euch getrennt habt.“

„Klar habe ich es gesagt.“ Auch wenn ich da andere Gründe genannt hatte. „Wie du aber gemerkt hast, ist die Ehe gescheitert.“

„Nicht immer scheidet einen der Tod.“ Meine Mutter war immer so direkt. Mir wurde das Thema allerdings zu viel. „Wie läuft es denn bei euch?“, fragte ich, um vom Thema abzulenken.

„Bei uns ist alles wunderbar. Die Boutique ist eine Goldgrube und dein Vater will nächstes Jahr ein Ferienhaus kaufe und es vermieten.“

„Hat er sich immer noch nicht von dieser Idee verabschiedet? Ich dachte du wolltest es ihm ausreden.“

„Wollte ich ja auch. Jetzt haben wir aber so viel Geld auf Seite legen können, da konnte ich nicht mehr nein sagen.“

„Ihr werdet schon wissen, was ihr macht. Bis jetzt sind eure Pläne alle aufgegangen. Ich wünsche euch viel Glück dabei.“

„Das solltest du uns auch wünschen. Immerhin kannst du dann mit deiner neuen Freundin und deiner Tochter günstig Urlaub machen.“ Es war zum Mäuse melken. Da versuche ich vom Thema abzulenken und sie schafft es doch, wieder darauf zurückzukommen. Immer das Gleiche.

„Mama ich habe keine Freundin.“

„Das weiß ich doch mein Junge, aber was nicht ist kann ja noch werden.“ Ich konnte förmlich spüren wie sie mir zu zwinkerte. Im Hintergrund konnte ich meinen Vater etwas rufen hören. „Dennis ich muss auflegen. Dein Vater braucht meine speziellen Fähigkeiten.“ Die Zwei waren für Alter einfach unersättlich.

„Ich hab dich lieb Mama und sag Papa, dass ich ihn auch lieb habe“, verabschiedete ich mich.

„Das werde ich machen mein Sohn. Ich habe dich auch lieb. Bis nächste Woche.“

„Bis nächste Woche Mama.“ Dann legte sie auf.

Die halbe Stunde, in der mein Essen geliefert werden sollte, entpuppte sich leider als eine ganze und ich fragte mich, was so schwer ist dem Kunden am Telefon zu sagen, wie lange es wirklich dauert. Immerhin bekam ich meine Essen und es war auch noch heiß. Nur der Name war falsch. Von wegen habe verstanden. Auf der Rechnung stand tatsächlich Stussmann. Der Lieferant schaute mich an und entschuldigte sich für den Mitarbeiter. Das ich auch eine halbe Stunde länger warten musste, sagte ich ihm nicht. Das Essen war zwar von jeder Kochkunst entfernt, es schmeckte mir allerdings doch.

Während sich mein Bauch füllte, fiel mir die E-Mail von Axel wieder ein. Hatte er nicht geschrieben, er würde mir in einem Brief etwas schicken? Ich beeilte mich mit dem Essen und als ich fertig war, ging ich runter, um in meinem Briefkasten nachzusehen. Tatsächlich hatte ich Post von Axel bekommen. Ich nahm den Brief aus dem Kasten und rannte die Stufen zu meiner Wohnung hinauf. Die Tür fiel gerade so ins Schloss, bevor ich den Brief mit zittrigen Händen öffnete.

Mir war gar nicht bewusst, wie aufgeregt ich war. In dem Briefumschlag war ein unbeschriebenes, weißes und gefaltetes Blatt. Und darin war eine Speicherkarte. Meine Neugierde war geweckt, also machte ich meinen Laptop an, um zu schauen, was denn auf der Speicherkarte gespeichert war.

Was sich auf der Karte befand, verstand ich anfangs nicht. Ich klickte mich ohne Ziel durch verschiedene Ordner, bis ich auf ein Dokument stieß, welches mir die Sprache verschlug. Axel hatte mir den Programmcode für sein E-Mail-Programm mit der Post zukommen lassen. War er denn von allen guten Geistern verlassen? Okay er hat seine Firma an einen Konzern verkauft, der Würmer mit zu großem Ego, als Mitarbeiter angestellt hat. Aber das hier war etwas, womit man Geld machen kann. Ein Programm, das man nicht ausspähen kann und Axel verschickt es mit der Post.

Ich starrte immer noch wie gebannt auf den Bildschirm, als es klingelte. Mit einem Schreck zuckte ich zusammen und fragte mich wer das sein könnte. Vor der Tür stand Michael.

„Magst was trinken?“, fragte er mich direkt. Ich braucht nicht lange überlegen und stimmte zu. Kurze darauf saßen wir in Michaels Wohnzimmer auf zwei sehr gemütlichen, großen Sesseln. Auf einem kleinen Glastisch standen unsere Gläser, die mit sehr gutem Rotwein gefüllt waren. Der Rotwein war sogar noch besser, als der von Charly.

„Wo ist Gabi?“, wunderte ich mich.

„Ist schon zu Bett gegangen. Sie hatte einen anstrengenden Tag. Irgendetwas in der Schule.“

Mein Blick wanderte zur antiken Uhr, die mit im Wohnzimmer stand. Es war gerade nach 21 Uhr. Wenn Gabi so früh zu Bett ging, musste ihr Tag wirklich anstrengend gewesen sein.

„Unsere Kanzlei hat heute eine E-Mail von deiner Sicherheitsfirma erhalten“, sagte Michael ganz beiläufig

„Und was stand drin?“

„Das ihnen unsere Sicherheit sehr am Herzen liegt und es in den nächsten Tagen zu Wartungsarbeiten kommt. Danach würde alles viel sicherer sein.“

Der Tag war wirklich voller Überraschungen, befand ich.

„Wenn sie mal da den Mund nicht zu voll nehmen“, kommentierte ich das Ganze nüchtern.

Michael hob eine Braue. „Wie meinst du das?“

„Wir stellen derzeit alles um, aber das geht so leicht, man könnte meinen, alle Programme wurden von Kindern entwickelt.“

„Ihr seid doch für alle Sicherheitsangelegenheiten zuständig. Da mache ich mir keine Sorge.“

Ich hob mein Glas und prostete ihm zu. „Danke für dein Vertrauen.“

Der Wein wurde mit jedem Schluck besser und ich merkte wie meine Gedanken anfingen zu fliegen.

„Das macht mir auch keine Sorge“, fing ich zu erklären an. „Allerdings vertraue ich der ganzen Situation nicht. Herr Eisig, unser neuer Chef, ist ein richtiges Ekel und seine Assistentin ist auch nicht besser. Sie versuchen uns Steine in den Weg zu legen. Wollen uns bestimmt aus der Firma haben, wenn alles fertig ist.“

„Mach dir darum keine Sorge, Dennis. Wir sind nicht umsonst eine der führenden Kanzleien. Sie haben eure Verträge doch übernommen?“ Ich nickte zustimmend auf Michaels Frage.

„Dann ist doch alles erstmal halb so schlimm. Wenn die meinen, euch raus schmeißen zu wollen, hauen wir eine dicke Abfindung raus.“ Michael grinste selbstsicher.

„Wie hast du es eigentlich geschafft, den Scheidungstermin so früh festzumachen?“, wechselte ich abrupt das Thema. Mir gefiel die Vorstellung überhaupt nicht, keinen Job mehr zu haben. Michael veranlasste es noch breiter zu grinsen.

„Wie gesagt, wir sind eine der Besten. Und ich habe da den Einen oder Anderen, zu dem ich gute Kontakte pflege. Ein wenig klüngeln gehört leider auch zum Geschäft.“

Ich war verblüfft. Jeder vermutete wohl, wie es in der Justizbranche zu geht, es aber bestätigt zu bekommen, ist doch etwas anderes. Ich konnte es akzeptieren, half es doch in meinem Fall.

Michael musste meinen kleinen Schock bemerkt haben.

„Es ist halb so schlimm. Man arbeitet einfach damit“, beruhigte er mich.

„Wozu haben wir denn dann Gesetze, wenn doch jeder rumtricksen kann?“

„Dennis, alles ist auch nicht möglich. Man muss nur die Feinheiten kennen und eben ein paar Beziehungen haben. Denk jetzt aber bitte nicht, Verbrecher würden ungeschoren davon kommen. Die bekommt man auch nicht mit guten Kontakten frei.“

„Dann gibt es doch noch Gerechtigkeit?“, atmete ich auf.

„Mehr als du denkst.“ Michaels Blick wanderte zur Uhr. „Es ist spät geworden.“ Auch ich schaute nun zur Uhr und musste Michael in Gedanken zustimmen, war es doch tatsächlich spät geworden und ich fragte mich wohin die Zeit geblieben war.

„Ich sollte ins Bett gehen“, sagte ich dann. „Charly und ich haben heute beschlossen, jeden Morgen die Treppe zu unserer Firma zu nehmen. Da möchte ich doch gerne ausgeschlafen sein.“ Etwas träge erhob ich mich aus dem Sessel und merkte dabei, dass mir leicht schwindlig war. Dabei hatte ich nicht mehr getrunken, als sonst. Der Wein musste etwas ganz besonderes sein. Michael brachte mich zur Tür und verabschiedete mich mit einem freundschaftlichen Schulterklopfen. Ich beeilte mich schnell ins Bett zu kommen, denn die Müdigkeit brach jetzt mit ihrer ganzen Macht durch. Duschen konnte ich auch morgen früh noch. Nach dem Zähneputzen fiel ich todmüde ins Bett und schlief sofort ein.

Ein Geräusch ließ mich meine Augen wieder öffnen. Ich schaute mich um. Über mir war das Blätterdach einer Buche, die auf einer Wiese stand. Es war ein herrlicher Sommertag und ich musste eingeschlafen sein. Der Schlaf tat mir sehr gut, weshalb ich mich beim Aufstehen sehr leicht fühlte.

„Hallo Papa.“

Ich drehte mich um und sah in die blauen Augen meiner Tochter. Sie lächelte mich an. Plötzlich drehte sie sich um und rannte fort zu einem nahe gelegenen Hügel. Da ich nicht erkennen konnte, was dort war, folgte ich ihr. Leider fühlten sich meine Schritte nicht mehr leicht an, sondern bleischwer. So kam ich nur langsam voran. Mit jedem Schritt den ich machte, wurde ich langsamer. Was war hier los? Nach kurzer Zeit waren meine Beine so schwer, weshalb ich mich nicht mehr bewegen konnte. Ich sah mich um, konnte Zoé aber nicht entdecken. Bei dem Versuch sie zu rufen, versagte meine Stimme.

Ein tiefes Gefühl der Traurigkeit durchströmte mich. Auf einmal flogen Schmetterlinge um mich herum. Erst waren es ganz wenige. Es wurden aber mit jeder Sekunde mehr, sodass ich bald nichts mehr außer Schmetterlinge sah. Bewegen konnte ich mich immer noch nicht. Nachdem die Schmetterlinge eine ganze Weile um mich herum getanzt waren, flogen sie von mir fort und versammelten sich ungefähr zehn Meter von mir entfernt. Mir war es nicht möglich zu erkennen, was sie dort machten. Dann waren sie verschwunden. An dem Punkt wo sie sich versammelt hatten stand nun eine Frau mit roten Locken.

Hätte ich sprechen können, hätte es mir spätestens jetzt die Sprache verschlagen. Die Frau war niemand geringeres als Frau Meyer. Diesmal hatte sie aber keinen ihrer Hosenanzüge an, sondern trug hautenges Latex.

Ich wollte mir die Augen reiben, meine Hände reagierten leider genauso wenig, wie meine Beine. An Flucht war auch nicht zu denken und so war sie nach wenigen Schritten bei mir.

„Na Herr Hussmann, kommen sie nicht weg?“ Ihr Stimme war eiskalt und doch verführerisch zu gleich. Sie lief um mich herum und ließ dabei ihre Finger über mich gleiten. Ich merkte ihren Atem an meinem Ohr.

„Sie Ärmster. Nun habe ich sie ganz in meiner Gewalt“, hauchte sie nun. Ihre Hände umfassten mein Gesicht und sie küsste mich. Selbst wenn ich mich wehren könnte, hätte ich es nicht getan. Der Kuss war unglaublich. Ich schloss meine Augen, um ihn mehr genießen zu können.

An mein Ohr drang, erst ganz leise, ein merkwürdiges Lachen. Es wurde immer lauter. Ich öffnete meine Augen und wäre am liebsten weg gesprungen, aber es ging immer noch nicht. Vor mir stand eine Ziege und mir wurde klar, wen ich da geküsste hatte. Das Lachen, welches wie eine Gegacker klang, kam von Herrn Eisig. Neben ihn stand Frau Meyer und grinste über das ganze Gesicht.

Die Ziege musterte mich. Ihr Blick veränderte sich zu einem hungrigen Starren. Ich wollte auf meine Hände schauen, doch ich sah keine mehr und als ich an mir hinunter sah, erschrak ich. Aus mir war ein Grashalm geworden. Jetzt stieg in mir Panik auf und sie vergrößerte sich, nachdem ich bemerkt hatte, wie klein ich geworden war. Ich fühlte wie die Ziege das Gras vor mir abfraß. Sie würde mich gleich erreicht haben und ich konnte nicht weg. Ich wollte schreien, nur als Grashalm kann man nicht schreien. Weg rennen war auch nicht möglich. Ich hörte Herr Eisig immer noch lachen und auch Frau Meyer schien sich nicht mehr beherrschen zu können. Sie lachte auch.

Die Sonne verfinsterte sich, aber es waren keine Wolken, die dafür verantwortlich waren. Es war das Ziegenmaul, welches sich mir unaufhaltsam näherte. Ich hatte nun einen sehr guten Blick. Die Ziege musste unbedingt zu einem Zahnarzt. Was einem so alles einfällt, kurz bevor man gefressen wird. Ich spürte wie mich die Zunge der Ziege packte und mich durch fuhr eine Schmerz. Dann war nichts mehr.

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