Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 17 und 18 - Elda Drake - Страница 5

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Kapitel 2

Trotz seiner Vorbehalte, verlief der Abend äußerst angenehm. Was allerdings kein großes Wunder war – schließlich saßen hier am Tisch lauter Menschen, die sich mochten. Hetty, Patrick und Hashimoto sorgten für die Unterhaltung und die Runde wurde immer vergnügter. Leider war die Klimaanlage des Lokals reichlich überlastet und verlor schließlich den Kampf um die Erzeugung eines Wohlfühlklimas gegen die hochsommerlichen Temperaturen, die auch noch in der Nacht hier in Brisbane herrschten.

Susi wedelte mit den Händen und stöhnte leise auf. »Ich geh mal eine Runde an die frische Luft, hier drin schwitze ich mich zu Tode.«

Hetty schloss sich ihr an und verkündete den Zurückbleibenden. »Wir sind bald wieder da!«

Auf der Suche nach Abkühlung sahen sie, dass die rückwärtige Türe des Lokals offen stand.

Hetty riskierte einen Blick nach draußen und meinte dann, während sie Susi winkte. »Hier sind wir genau richtig!«

Praktischerweise grenzte das Lokal an einen Sportplatz mit einer großen Rasenfläche, die von einer roten Tartanbahn umschlossen war. Draußen wehte ein laues Lüftchen und die angenehme Brise war genau das, was sie jetzt zur Abkühlung brauchten. Also zögerten sie nicht lange und traten ins Freie.

»Hier haben wir ja wohl genügend Auslauf!« Susi breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. »Mann ist mir heiß!«

Hetty sah ihr lachend zu und hob dann lauschend den Kopf. »Was ist denn da vorne los?«

Sie zeigte auf eine hell erleuchtete Sporthalle auf der anderen Seite des Platzes, aus der Musik zu hören war.

Susi stoppte ihre Drehbewegungen und schlug vor. »Schauen wir mal nach.«

Je näher sie kamen, desto lauter wurde die Musik. Eine offene Seitentüre lud einfach zum Spionieren ein und für was hatte der liebe Gott die Neugierde erschaffen, wenn man ihr nicht nachgab.

»Eine Tanzveranstaltung oder so etwas ähnliches«, mutmaßte Hetty.

»Heute sind wir aber wieder mal richtig auf Zack!« Die Sarkasmusabteilung schüttelte den Kopf. »Leute, die sich rhythmisch in Figuren bewegen und das zu melodischen Tönen – da hätte auch ein Trottel kapiert, dass hier kein Indoor-Football abläuft.«

Hetty ließ sich von diesem unqualifizierten Einwand nicht ablenken. Die Jungs von der Sparte hatten in der letzten Zeit viel zu wenig zu tun und maulten deshalb schon beim kleinsten Anlass los. Aber was sollte sie schon machen – ihr Leben mit Kai verlief in friedlichen, wohlgeordneten Bahnen und ohne jegliche Störungen – da gab es eben sonst nichts zu motzen.

Im Langzeitgedächtnis regte sich eine Ganglie und grübelte vor sich hin. Da war doch irgendetwas gewesen – jedes Mal, wenn Hetty so etwas von sich gab, war Unheil vorprogrammiert. Schulterzuckend schloss sie die Augen und begab sich erneut Richtung Tiefschlaf – was sollte denn heute schon großartig passieren.

Mittlerweile standen Hetty und Susi mit tappenden Füßen in der offenen Hallentüre und sahen zu, wie vor ihnen die Post abging.

»Die Musik ist echt gut!« Susi bekannte. »Ich tanze einfach wahnsinnig gerne.«

Hetty nickte. »Ich auch!«

Es war allerdings auch verführerisch. Eine Liveband stand auf der Bühne und spielte, was das Zeug hielt. Genau die Art Musik, die Hetty am liebsten mochte. Oldies, die von den Fünfzigern bis zur Discozeit reichten. Flott, aber tanzbar. Und die Sängerin der Band war einfach Spitzenklasse. Sie hatte genau die richtige Stimme, die für diese Art Musik gebraucht wurde. Susi und Hetty gaben unisono einen sehnsuchtsvollen Seufzer von sich und erschraken, als hinter ihnen eine männliche Stimme ertönte.

»Da kriegt man Lust zum mitmachen!« Patrick war ihnen nachgegangen und neben ihm stand Hashimoto, der nun ebenfalls einen Blick in die Halle warf, um nachzusehen, was da so abging.

Den fast unmerklichen Kopfnicker von Kai, hatte er gar nicht gebraucht, um Patrick zu folgen. Sicher war sicher. Und Kai konnte momentan nicht weg, da sich gerade ein Freund der Familie freudestrahlend auf ihn und Chrissie gestürzt hatte. So musste er jetzt zwangsgedrungen einen abendlichen Smalltalk über sich ergehen lassen. Hashimoto grinste. Lange würde Kai sicher nicht durchhalten. Der Meister der Zwei-Sätze-Taktik würde den Mann wohl bald abgefertigt haben.

Die Band machte eine Pause und einige der Tanzpaare bemerkten die anwesenden Zuschauer. Sie kamen zu ihnen an die Türe. »Wenn ihr wollt, dürft ihr gerne mittanzen, das hier ist eine offene Veranstaltung.«

Sie deuteten auf einen kleinen Tisch neben der Bühne, auf dem ein Pokal aufgebaut war und ein paar bunte Schleifen lagen. »In einer guten halben Stunde beginnt dann der Preistanz des Abends, die Startgebühr dafür ist allerdings ziemlich happig.«

Hetty verkniff sich die Bemerkung, dass hier im Türrahmen ein vielfacher Multimillionär mit seiner Frau stand und auch Patrick inzwischen über ein Vermögen verfügte, das sich mit Sicherheit im oberen sechsstelligen Bereich aufhielt. Ganz abgesehen davon, dass sein Schwiegervater und Hashimoto sich vom Bankkonto her, auf gleicher Augenhöhe bewegten. Sogar sie selbst hatte durch die verstorbene Conny reichlich Geld auf dem Konto und konnte sich zwar nicht unbedingt mit ihnen messen, allerdings brauchte sie schon längst nicht mehr zu überlegen, ob sie sich etwas leisten konnte, solange es nicht mehr als drei Nullen vor dem Komma kostete.

Stattdessen erwiderte sie. »So gut tanzen wir sicher nicht, dass wir bei einem richtigen Wettbewerb mitmachen können!«

Als die Musik wieder einsetzte, sah Hashimoto Patrick auffordernd an und zeigte in den Innenraum. »Na, dann gönnen wir den Ladies doch mal eine Runde.«

Hetty kannte Patrick jetzt schon so viele Jahre. Aber erst in dem Moment, als er sie auf die Tanzfläche führte, stellte sie verdutzt fest, dass sie noch nie miteinander getanzt hatten. Die Band stimmte einen flotten Evergreen an und die nächsten Minuten zeigten, dass Patrick ein hervorragender Tänzer war, der noch dazu genau im gleichen Tanzstil wie sie agierte. Auch Kai tanzte ausgezeichnet, doch er war kontrollierter in seinen Bewegungen und seinem Wesen gemäß, natürlich kein extrovertierter Tänzer. Mit Patrick zu tanzen, bedeutete mit einer Art gezähmten Wirbelsturm über die Tanzfläche zu fegen. Und, nachdem er festgestellt hatte, dass Hetty keine sonderlichen Probleme hatte, auch bei schwierigeren Schrittkombinationen mitzuhalten, legte er richtig los. Hetty genoss es von ganzem Herzen, wieder mal ohne Zurückhaltung aufdrehen zu können.

Sie strahlte Patrick an. »Du bist fantastisch!«

Der lächelte zurück und meinte, mit einem schelmischen Funkeln in seinen blauen Augen. »In jeder Beziehung?«

Hetty verdrehte die Augen. Das war wieder mal eine Anspielung an ihre frühere Affäre, da hatte sie das einmal zu ihm gesagt. Und der Junge hatte das gleiche Elefantengedächtnis, wie Kai. Der vergaß auch nie etwas.

»Du kannst es nicht lassen, oder?«

Patrick setzte sein umwerfendes Lächeln auf und strahlte sie an. »Ich muss schließlich meinen schlechten Ruf verteidigen!«

Hetty grinste zurück. »Also, ich kann dir nur sehr gute Noten geben!«

Hashimoto, der mit Susi ebenfalls eine mehr als gute Figur abgab, kniff die Augen zusammen, als er die beiden beobachtete. Die räumten die Tanzfläche ab. Er sah Susi an und nickte mit dem Kopf Richtung Patrick und Hetty. »Die können uns doch gar nicht meinen!«

Susi sah ihren Mann mit leuchtenden Augen an. »Denen zeigen wir es!«

Als nach drei Tänzen die Band erneut eine kurze Pause machte, winkte Hashimoto Patrick zu sich her. »Na, traust du dich?« Er zeigte auf den Pokal.

Die blauen Augen des Jungen blitzten ihn an. »Ich nehme jeden Kampf auf – das weißt du doch!«

Der Japaner musterte den selbstsicher dastehenden Jungen, der ihn herausfordernd anschaute. Jawohl, das wusste er zur Genüge. Patrick wagte es sogar, sich mit Kai anzulegen und dazu brauchte es den Mut von mehreren Männern. Wenn die beiden in der Trainingshalle miteinander kämpften, ging es immer sehr zur Sache. Hashimoto hatte schon etliche Male zugesehen und kopfschüttelnd bemerkt, dass die beiden Männer es anscheinend auch noch genossen, ihre harten Fights auszutragen.

Doch dann war ihm bewusst geworden, dass das für sie eine gute Möglichkeit war, die aufkommenden Aggressionen auf neutralem Gebiet abzureagieren. Und obwohl jeder schon schlimme Schläge hatte einstecken müssen, erweckten sie nach Beendigung des Kampfes nie den Eindruck, als ob das ein Thema wäre, über das man sprechen müsste. Schulterzuckend hatte er die Feststellung gemacht, dass sie, solange Hetty nicht dabei war, sehr gut miteinander konnten.

Als Kai ihn einmal fragte, ob er nicht auch einmal mit Patrick kämpfen wollte, hatte er dankend abgelehnt. Er konnte darauf verzichten, auch noch von Patrick auf die Matte gelegt zu werden. Da genügte ihm Kai als Trainingspartner voll und ganz. Und da Patrick es hin und wieder sogar schaffte Kai zu besiegen, würde er einen Teufel tun und für ihn den Sandsack abgeben.

Aber das hier war eine andere Baustelle. Hier bei diesem Kampf, würde er der Sieger bleiben. Hashimoto nickte und antwortete. »Also dann sehen wir zu, dass wir unsere Nummern kriegen.«

Die beiden Männer machten sich auf dem Weg zu dem Veranstalter, um die Startgebühr zu bezahlen und ließen die beiden Frauen einfach stehen.

Susi und Hetty sahen sich kopfschüttelnd an. »Die fragen uns noch nicht einmal, ob wir mitmachen wollen.«

Schmunzelnd bemerkte Susi. »Hashimoto fühlt sich in seiner Ehre gekränkt – er will immer der Beste sein und ihr habt ihm gerade gezeigt, wo der Hammer hängt.«

Hetty kicherte. »Tja, Patrick ist schwer zu halten, wenn man ihn mal los lässt.«

Der wissende Blick, den ihr Susi auf diese Bemerkung hin zuwarf, verriet ihr, dass die wohl eine Ahnung davon hatte, dass sie und Patrick nicht nur die Tanzfläche geteilt hatten. Vermutlich hatte ihr Hashimoto verraten, dass sie vor Patricks Hochzeit eine Affäre gehabt hatten. Was der Japaner sonst noch von Kai erfahren hatte, konnte sie nur vermuten. Doch als dessen bester Freund, war er wohl ziemlich gut informiert. Da er allerdings auch sehr verschwiegen war, würde er Susi vermutlich nur die sozusagen stubenreinen Informationen gegeben haben.

Mit dieser Vermutung hatte sie vollkommen recht. Und Hashimoto hatte Kai sogar gefragt, ob er Susi zumindest soweit informieren durfte, damit manche Dinge etwas klarer wurden.

Da Kai wusste, dass auch Susi nicht zur Tratschsucht neigte und das, was sie erfuhr, für sich behalten würde, hatte er zugestimmt, dabei allerdings betont. »Nur das vor der Hochzeit, der Rest ist tabu.«

Eine äußerst vergnügt klingende Stimme erklang in ihrem Rücken. »Wir haben uns schon königlich über den alten Reim amüsiert, der da anfängt: Der Bauer schickt den Jockel aus, um den Hafer zu schneiden, der Jockel schneid den Hafer nicht und kommt auch nicht zuhaus. Der Bauer schickt den Knecht hinaus, um den Jockel zu holen, der Knecht, der holt den Jockel nicht, der Jockel schneid den Hafer nicht ...«

George stand mit Molly, Chrissie und Kai hinter ihnen und grinste über das ganze Gesicht. »Wo bleibt ihr denn die ganze Zeit? Wolltet ihr euch vom Bezahlen der Zeche drücken?«

Hashimoto, der die Startnummern in der Hand hielt, trat zu ihnen heran. »Wir brauchen noch eine gute Stunde – ich habe Patrick und Hetty herausgefordert, beim Preistanzen gegen uns anzutreten.«

In dem Moment wurde ihm bewusst, dass er völlig vergessen hatte, dass hier ein Paar am Start war, welches aus verschiedenen Partnern zusammengesetzt war.

Eine freudsche Fehlleistung erster Güte und die lag darin begründet, dass die beiden so perfekt harmonierten. Leicht entsetzt stellte er fest, dass Patrick und Hetty tatsächlich wunderbar zusammen passen würden. Sogar der große Altersunterschied von fünfzehn Jahren fiel eigentlich nicht auf. Denn wenn Hetty so aufgedreht war, wie momentan, konnte man glauben, ein junges Mädchen vor sich zu haben. Und Patrick hatte inzwischen in seinem Auftreten eine Gelassenheit entwickelt, die in älter wirken ließ, als er tatsächlich war.

»Ähm ...« Seine Augen irrten zwischen Chrissie und seinem Freund hin und her und momentan fiel ihm nichts ein, wie er sich aus seiner unguten Lage befreien konnte. Allerdings wusste er, dass Patricks Frau nicht die geringste Ahnung von seiner seelischen Zwickmühle hatte, aber Kai würde ihm das hier irgendwann nochmal so richtig unter die Nase reiben, darauf konnte er wetten.

Jetzt aber erlöste er ihn aus seiner Verlegenheit und an seinem hochgezogenen rechten Mundwinkel, erkannte Hashimoto zu seiner Erleichterung, dass ihn die Sache offenbar amüsierte. »Kriegt man hier auch etwas zu trinken? Und wo sitzen die Zuschauer?«

Kurz darauf hatte er mit den anderen einen Tisch in Beschlag genommen und setzte sich in Positur. So wie es aussah, würde dieser Abend bedeutend interessanter werden, als er gedacht hatte. Kai lehnte sich erwartungsvoll zurück und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Es stand noch eine allgemeine Tanzrunde aus, dann würde der Wettbewerb beginnen.

Chrissie, die neben ihm saß, stupste ihn an. »Nur gut, dass Hetty mitmacht, bei den schnellen Tänzen habe ich immer meine Schwierigkeiten. Ganz abgesehen davon, dass ich es hasse, von allen Leuten beobachtet zu werden.«

Kai nickte und antwortete. »Das hat Hetty noch nie gestört – die liebt die Show.«

Allerdings sparte er sich einen Kommentar darüber, warum eine Frau, die fast zwanzig Jahre älter war als seine Ziehschwester, mehr Schwung hatte, als diese. Und in dem Moment wurde ihm wieder einmal bewusst, wie wenig dieses Ehepaar eigentlich harmonierte. Kurzzeitig fragte er sich, ob sie überhaupt noch Gemeinsamkeiten hatten. Er neigte nicht zum Sarkasmus, aber auf die Schnelle fiel ihm nur der Wohnort ein. Mühsam unterdrückte er ein Grinsen. Den Kalauer musste er bei Hashimoto demnächst mal anbringen, der würde sich kringeln.

Um sich abzulenken, richtete er sein Augenmerk auf die Tanzfläche. Schmunzelnd bemerkte er, dass Hashimoto zu kämpfen hatte, um gegen Patrick und Hetty bestehen zu können. Das war kein so großes Wunder, Patrick war schließlich äußerst sportlich und stand sogar mit ihm selbst auf annähernd gleicher Höhe. Wobei jeder von ihnen in einem anderen Bereich die etwas besseren Leistungen brachte.

Was er bei Schwimmen gewann, holte Patrick auf Zerberus, dem Hengst von Kai, den er inzwischen regelmäßig bewegte, reittechnisch heraus. Beim Kampfsport hatte er selbst leichte Vorteile, das lag allerdings unter anderem auch an seiner Spezialausbildung beim Militär. Und jetzt musste Kai zugeben, dass der Junge bedeutend besser tanzen konnte, als er. Der hatte ein Rhythmusgefühl und eine Ausdrucksstärke, die man wohl nur haben konnte, wenn man so ein emotionaler Typ war, wie er. Ganz abgesehen davon, dass er in seinem leger geschnittenen Anzug eine hervorragende Figur machte und äußerst attraktiv wirkte. Kai ließ seinen Blick über die anderen Zuschauer schweifen und bemerkte, dass bereits einige der anwesenden Frauen sehr interessierte Blicke auf Patrick warfen. Tja, gute Tänzer waren Mangelware und gutaussehende gute Tänzer rare Einzelstücke.

George raunte ihm zu. »Hast du Lust auf eine Wette?«

Kai sah ihn fragend an. »Auf wen willst du setzen?«

George grinste, während seine Frau kopfschüttelnd zuhörte. Ihr Mann war berüchtigt dafür, auf alles und jeden zu wetten. »Ausnahmsweise nicht auf Hetty. Denn auch, wenn sie und Patrick die schnellen Tänze ganz gut hinkriegen – im Programm steht ein richtiger Schleicher, daran werden sie scheitern. Da genügt es nicht, bloß gut zu tanzen, da müssen sie auch noch voll einen auf Gefühl machen.«

Er zeigte auf die Liste. Die ersten drei Tänze waren noch mit normalem Foxtrott zu bewältigen. Doch dann waren drei Musicalsongs aus Bernsteins West Side Story aufgeführt. Da war Jazz die Grundlage und eigentlich keine Schritttechnik die richtige.

Hetty liebte Musicals und dieses war neben „Annie get your Gun“ eindeutig ihr Favorit. Sie war Bernstein-Fan und falls der Fernseher irgendetwas von dem brachte, war sie nicht von der Glotze wegzukriegen. Und die West Side Story sang sie anschließend immer tagelang nach. Kai schmunzelte in sich hinein. Vom Text konnte sie sich meistens nur einen Satz merken, aber den konnte sie stundenlang wiederholen.

Als er das erste Mal so eine Gesangseinlage von ihr erlebt hatte, war sein amüsierter Kommentar gewesen. »Hast du deinen Mitreisenden eigentlich immer Schmerzensgeld zahlen müssen?«

Hetty war leicht verlegen geworden und hatte gemurmelt. »Ich weiß, ich höre mich an wie ein kranker Seehund.«

Er hatte sie in die Arme genommen und, bevor er sie küsste, gesagt. »Nur gut, dass ich ein Faible für solche Tiere habe.«

Und einige Zeit später hatte er hinzugefügt. »Weißt du noch, als wir in Sydney in der Oper waren?«

Das war noch zu der Zeit gewesen, als keiner von ihnen wusste, dass der andere ihn auch liebte. Als Hetty nickte, erklärte er. »Als wir heimgingen, hast du gesungen und getanzt und ich habe mir die ganze Zeit gedacht, wie wundervoll du bist.«

Ausführliche Liebesgeständnisse waren normalerweise nicht so seine Sache und Hetty hatte ihn kopfschüttelnd angesehen. »Es gefällt dir?«

Er hatte genickt und grinsend gemeint. »Auch wenn es sich fürchterlich anhört, aber ich finde es toll.«

Noch besser war dann die Belohnung gewesen, die auf diese Aussage folgte.

Ein Räuspern von George rief ihn wieder in die Gegenwart zurück. Der hatte verdutzt bemerkt, dass sein Chef vor sich hin lächelte und anscheinend nicht ganz bei der Sache war. Das wäre in den Zeiten vor Hetty einem absoluten Wunder gleich gekommen, aber inzwischen hatten sich die Leute schon daran gewöhnt, dass man auch bei Kai ab und an Zeichen von menschlichen Gefühlen erkennen konnte.

Kai streckte seine Hand aus. »Ok, ich setze auf Hetty und Patrick.«

Er lehnte sich zurück. Ein langsamer Schleicher – auf dem Blatt stand der Titel „Somewhere“. Hätte ihm George das nicht gesagt, wäre er sich nicht sicher gewesen. Schließlich war Hashimoto ein hervorragender Tänzer und würde es Patrick nicht leicht machen. Aber er hatte eine starke Ahnung, wie dieser Tanz ausfallen würde. Sein rechter Mundwinkel hob sich, als er ein erneutes Lächeln unterdrückte. Da ging er sogar jede Wette ein.

Den letzten Tanz vor dem Wettbewerb ließen Hetty und Patrick aus. Sie setzten sich an den Rand der Tanzfläche an einen leeren Platz und man konnte an den Fingerbewegungen auf dem Tisch erkennen, dass sie abstimmten, wie und was sie tanzen wollten. Kai vermutete, dass sie vor allem an den Bernstein-Nummern arbeiteten und war schon gespannt, was sie hier zeigen würden. So wie er Hetty kannte, würde es sicher nicht das Übliche sein.

»Meine Damen und Herren, ich bitte um ihre Aufmerksamkeit!« Der Conférencier stand, mit einem Mikrofon bewaffnet, mitten auf der Bühne und wedelte mit den Armen. »Wir beginnen jetzt mit dem Wettbewerb. Unsere Musikauswahl wird sich auf Themen aus einigen Musicals beschränken. Die Teilnehmer bitte auf die Tanzfläche, zum ersten Tanz!«

Zehn Paare hatten sich auf dieses Abenteuer eingelassen und stellten sich in Positur. Hetty und Patrick hatten eindeutig ihren Spaß an der Sache und parodierten mit einer sehr übertrieben dargestellten Grundaufstellung, die anderen Tanzpaare.

Molly kicherte. »Hoffentlich machen die nicht so weiter, sonst fall ich vor lauter Lachen unter den Tisch!«

Da war sie nicht die Einzige, in ihrer Gruppe. Alleine schon die Mimik der beiden und die gedrehte Kopfhaltung mit erhobenem Kinn, waren zum Schreien. Doch sobald die Musik einsetzte, war Schluss mit lustig und keiner konnte abstreiten, dass die zwei absolut professionell an die Sache herangingen. Allerdings nützten sie die kurzen Pausen, um ihre Späße zu machen und zogen das Publikum immer mehr in ihren Bann. Kai schmunzelte. Sie spielten Hashimoto klassisch an die Wand und zeigten ihm nicht nur beim Tanzen, wo der Hammer hing.

Nach den ersten zwei Tänzen war allen Zuschauern im Saal bewusst geworden, dass diese zwei Paare die Entscheidung unter sich austragen würden und die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich auf sie. Denn Hashimoto und Patrick hatten je einmal den ersten und zweiten Platz belegt. Momentan herrschte Gleichstand. Den nächsten Fox gewannen Susi und Hashimoto, was den beiden ein triumphierendes Lächeln entlockte. Aber nun wurde es spannend. Denn die Bernstein-Nummern konnte man nicht einfach locker nach üblichen Schrittfolgen tanzen, ab jetzt war Improvisation und Ausdruckstanz gefragt. Wie würden Patrick und Hetty das wohl bewältigen? Als die Band „I feel pretty“ anstimmte, lehnte sich Kai vor.

Molly murmelte ein leises. »Der Wahnsinn! Jetzt zeigt Hetty aber auf.«

Kai konnte ihr nur zustimmen. Wobei es ihn nicht nur faszinierte, wie Hetty um Patrick herumtanzte. Damit ihr Auftritt richtig wirkte, musste auch der Tanzpartner aus sich herausgehen. Und Patrick beherrschte es perfekt, den Spiegel darzustellen, der im Musical eigentlich das Gegenüber war. Er führte so zurückhaltend, dass man schon sehr genau hinschauen musste, um zu erkennen, wie gut abgestimmt die Vorstellung der beiden war. Hetty tanzte leicht wie eine Feder und ließ dabei den Rock ihres Kleid herumschwingen, so dass man sich wirklich vorstellen konnte, ein junges Mädchen zu sehen, das sich soeben Gedanken darüber machte, wie schön sie heute aussah und wie toll sie sich fühlte.

Als die Musik zum Ende kam, brandete begeisterter Applaus unter den Zuschauern auf. Hashimoto sah Susi schulterzuckend an. Da hatten sie keine Chance gehabt. Aber America entsprach wieder mehr ihrem Tanzstil – hier würden sie punkten. Doch als die ersten Stakkatotöne erklangen, konnte sogar Kai einen leisen Pfiff nicht zurückhalten. Was Patrick und Hetty zuvor gezeigt hatten, war anscheinend nur ein Warmtanzen gewesen. Jetzt drehten sie richtig auf.

George murmelte leicht frustriert. »Ich habe Patrick ja schon öfter tanzen gesehen, aber so habe ich ihn noch nie erlebt.«

Kai verfolgte eine Querpassage mit den Augen und unterdrückte ein Kopfschütteln. Wieso es den beiden dabei nicht die Füße wegzog, war ihm ein Rätsel. Gegen diesen Wirbelsturm, der da jetzt über die Tanzfläche fegte, war die Vorstellung von Hashimoto und Susi nur ein laues Lüftchen.

»Verflucht, kann dein Mann tanzen!« Er sah Chrissie an, die mit zufriedener Miene zusah und als der Tanz beendet war, genauso begeistert klatschte, wie alle anderen.

»Er und Hetty harmonieren hervorragend!« Chrissie nickte beifällig. »Sie passen auch von der Größe her wunderbar zusammen und so munter wie Hetty drauf ist, fällt überhaupt nicht auf, dass sie älter ist als er.«

George saß reichlich demoralisiert auf seinem Stuhl. Tja, das Einzige, was ihn jetzt noch retten konnte, war ein Unentschieden durch den nächsten Tanz, den Schleicher, auf den er alles gesetzt hatte. Dann würde vermutlich noch ein Stechen ausgetragen werden.

Kai kannte den Text des Liedes. Deshalb war er sich sicher gewesen, dass er die Wette gewinnen würde. Und er wurde nicht enttäuscht. Patrick und Hetty hatten sich für einen Walzerschritt entschieden. Das gepresste „Shit!“ das George von sich gab, machte klar, wer die Wette verloren hatte. Allerdings war das ein Ausdruck, den Kai in dem Moment am liebsten auch verwendet hätte. Denn die zwei legten soviel Gefühl in ihren Tanz, dass es ihm den Magen umdrehte. In diesem Augenblick dachten sie nicht daran, dass er oder der Rest der Welt existierten. Und er war der Einzige in dieser Runde, der ganz genau wusste, dass das, was er hier sah, jetzt nicht gespielt war.

Urplötzlich bekam er eine Ahnung davon, wie sich Patrick hin und wieder fühlen musste. Und das gab ihm auf einen Schlag seine Selbstsicherheit wieder zurück. Schließlich war er auf der Gewinnerseite und der Junge sollte sich heute ruhig austoben. Tanzen durfte er, soviel er wollte. Nicht umsonst handelte das Lied davon, dass es irgendwo, irgendwann eine Zeit und einen Platz geben würde, der ihnen gehörte. Doch am Schluss des Musicals wurde das gleiche Lied, für einen Toten gesungen, für den jede Chance verloren war. Genauso wie für den Mann, der hier mit seiner Freundin tanzte.

Die Schrittfolge wurde mit einer letzten Drehung zum Abschluss gebracht, die damit endete, dass Patrick Hetty über den Arm legte und er sich zu ihr hinunter beugte. Kai war sich sicher, dass er ihnen absichtlich den Rücken zudrehte, damit niemand mitbekam, wie er dreinsah. Unerfüllte Sehnsucht hatte normalerweise nicht gerade eine aufbauende Wirkung und der Liedtext konnte einem da schon die Tränen in die Augen treiben.

Die beiden blieben noch einige Sekunden starr in dieser Haltung und richteten sich erst auf, als die Zuschauer wie wild zu klatschen und zu pfeifen begannen. Als sie sich vor den Leuten verbeugten, bemerkte Kai verblüfft, dass Patrick keineswegs in irgendeiner Weise deprimiert wirkte, sondern im Gegenteil, nach wie vor, einen äußerst gutgelaunten und aufgedrehten Eindruck machte. Hetty und er lachten und feixten zu Hashimoto und Susi hinüber, die ihnen ebenfalls von ganzem Herzen Beifall spendeten.

Hashimoto trat zu Patrick und klopfte ihm auf die Schulter. »Gratuliere – da muss ich mich wohl geschlagen geben!«

Susi zog Hetty etwas auf die Seite und flüsterte ihr eine Frage ins Ohr. Als Kai sah, dass Hetty mit den Schultern zuckte, einen kurzen Blick auf ihren Tanzpartner warf und dann die beiden Frauen laut loslachten, dämmerte ihm ein leiser Verdacht, warum Patricks Augen so funkelten.

Chrissie gab Kai einen Stupser mit dem Ellbogen. »Die zwei können einfach eine Show abziehen, das muss ich ihnen lassen. Hetty schafft es doch immer wieder, Patrick mal etwas aus sich herauszulocken.«

Kai der gerade einen Schluck von seinem Weinglas genommen hatte, verschluckte sich und hustete krampfhaft. Patrick musste nicht gelockt werden, der hatte soeben Hetty vor aller Augen auf der Tanzfläche geküsst und das so raffiniert gedreht, dass nur ihr Tisch und Hashimoto das nicht hatte sehen können. Doch Susi war vom Blickwinkel her, so wie es aussah, begünstigt gewesen und hatte offenbar nachgefragt, ob sie richtig vermutete. Allerdings gestand sich Kai ein, dass ihn der Kuss nicht im Geringsten störte. Den hatte Patrick sich mit dieser Show wirklich verdient und zumindest hatte der ihn wieder aus der Trance gerissen. Das war um Längen besser, als wenn er wieder in seine, schon so oft gezeigte, unterdrückte Traurigkeit verfallen wäre. Kai war es viel lieber, wenn er einfach nur der clevere Gegner war, der ihm hin und wieder eine mitgab und gegen den er kämpfen konnte. Dann musste er kein Mitgefühl mit ihm haben. Denn er hatte den Jungen viel zu gerne, als dass ihm sein Kummer nicht nahe ging und das brachte ihn immer wieder ihn eine emotionale Zwickmühle.

Der Sieg musste natürlich gefeiert werden. George hielt sich, wie immer, mit dem Alkohol zurück. Abgesehen davon, dass er nichts vertrug, schätzte er Wein und Bier nicht sonderlich und trank mit Leidenschaft und Begeisterung seine Smoothies. Von den anderen blieb als einziger Kai relativ abstinent. Nat und ein paar seiner Männer hatten einen diffizilen Auftrag zu erledigen und er hatte mit ihnen vereinbart, dass sie im Notfall anrufen sollten. Deswegen war es nicht ratsam, zu viel zu trinken, schließlich konnte es sein, dass er heute noch seine volle Leistungsfähigkeit brauchte.

Als die Musiker erneut anstimmten, hörte er sich die ersten Takte an und forderte dann Hetty auf. »Komm, jetzt tanzen wir eine Runde.«

Hashimoto und Susi schlossen sich an, während die anderen zusahen. Patrick hatte Kai noch nie tanzen sehen und war ehrlich interessiert, wie der sich auf der Tanzfläche gab. Jemand, der so sportlich war wie er, konnte normalerweise auch kein schlechter Tänzer sein. Doch das, was der große Meister da jetzt vorführte, brachte ihn zum Schlucken. Kurzzeitig fragte er sich, wie er überhaupt auf die Idee gekommen war, sich tatsächlich zu überlegen, ob dieser Mann, der alles konnte, ausgerechnet beim Tanzen Schwächen zeigte.

Kai hatte nicht nur eine Köperhaltung, um die ihn jeder Profitänzer beneidet hätte, sondern führte auch noch mit einer fast schon aufreizenden lässigen Arroganz, die einen glauben ließ, dass für ihn auch schwierige Schrittkombinationen nur ein leichter Spaziergang waren. Dazu hatte er noch das perfekte Rhythmusgefühl und man hatte den Eindruck, die Musik wäre nur für seinen Bewegungsablauf geschrieben worden. Sogar beim Tanzen trat er mit einer Überlegenheit auf, als ob niemand ihn meinen könnte. Es war auch ganz klar zu erkennen, dass er führte und bestimmte, wie der Tanz ablief, obwohl er Hetty genügend Freiraum für Soloeinlagen ließ.

Chrissie fasste seine Gedanken in Worte. »Wenn man Kai beim Tanzen zusieht, ist man immer versucht hinzugehen und ihm eine zu scheuern, weil er einfach so verflucht großartig ist.«

Nachdem alle ausgiebig gelacht hatten, runzelte George die Stirn und meinte. »Es würde mich echt interessieren, ob die Wertung genauso ausgefallen wäre, wenn Kai mit Hetty gegen Hashimoto und Susi angetreten wäre.«

Chrissie zuckte mit den Schultern und schüttelte dann den Kopf. »Also ich glaube nicht. Patrick und Hetty haben alle mitgerissen, bei Kai und Hetty schaut man nur zu und denkt, es sieht toll aus.«

Ihr Mann nickte zustimmend. Auch wenn er nicht wusste, wie er und Hetty tatsächlich gewirkt hatten, aber die beiden da tanzten nur für sich, nicht für den Rest der Menschheit. Alle anderen waren Nebensache und Kai würde sich nie dazu herablassen, eine Show für das Publikum abzuziehen.

Dass Kai allerdings nicht davor zurückschreckte für ihn einige Tatsachen klarzulegen, wurde ihm bewusst, als die Band „To know him, is to love him“ anstimmte. Nun musste er zusehen, wie Hetty nur noch Augen für Kai hatte und die Welt vergaß. Und das leise schnalzende Geräusch, das Susi von sich gab und wohl nur von ihm gehört wurde, war genau der Kommentar, den er auch am liebsten abgegeben hätte, als Kai doch tatsächlich am Ende des Liedes, Hetty genauso wie er zuvor in die Beuge nahm und küsste. Nur, dass er sich bewusst so hindrehte, dass der ganze Tisch sehen konnte, was er da machte.

Die leichte Röte, die Hetty auf den Wangen hatte, als sie sich wieder zu ihnen setzen, war darin begründet, dass auch ihr nur zu klar war, was Kai damit ausdrücken wollte und die Schlussfolgerung naheliegend, dass er sehr wohl wusste, was zuvor geschehen war. Bei manchen Dingen ging Kai erstaunlich rigoros und unbarmherzig vor. Und sobald es darum ging Patrick in die Schranken zu weisen, kannte er kein Pardon.

Ein kurzer Blickwechsel mit dem Jungen zeigte, dass die Botschaft angekommen war und damit war für ihn das Thema vom Tisch. Wobei auch Patrick diese Episode mit einem leisen Schulterzucken abgehakt hatte. Er konnte diesen Abend trotzdem als Erfolg verbuchen und Kais dezenter Wink mit dem Zaunpfahl ging ihm nicht sonderlich nahe, denn trotz seiner Reaktion wusste er, dass er ihm den Kuss nicht übel nahm. Die Grenzen waren nur erneut abgesteckt worden und nun war es an der Zeit den restlichen Abend zu genießen und fröhlich den Gewinn des Pokals zu feiern.

Als Mitternacht gerade vorbei war, klingelte Mollys Handy. »Oje, ok, wir kommen.« Seufzend sah sie in die Runde. »Tut mir leid, wir müssen aufbrechen, die Kleine hat Fieber und fragt die ganze Zeit nach mir.«

Hashimoto sah Chrissie und Patrick an. »Aber ihr bleibt schon noch, oder?«

Patrick verneinte mit echtem Bedauern. »Wir sind mit den beiden mitgefahren, tut mir leid.«

Susi meinte. »Kai und Hetty übernachten bei uns, wir haben auch für euch genügend Platz. Und morgen könnt ihr dann gemeinsam zurückfahren.«

Chrissie schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, bin ich ganz schön müde, aber Patrick bleib du doch einfach hier. Ich übernachte bei Molly und morgen holst du mich dort ab.«

Der Einzige in der Runde, der tatsächlich wusste, aus welchen Grund seine Frau diesen äußerst generös wirkenden Vorschlag gemacht hatte, war Patrick. Chrissie würde einen Teufel tun und sich dem Problem aussetzen, mit ihm gemeinsam in einem Bett schlafen zu müssen. Und da sie nicht wusste, wie die Ausstattung von Hashimotos Gästezimmern war, ging sie auf Nummer sicher.

Patrick hatte, nachdem sie ihre Wochenbettdepression mit Hilfe des Psychologen und entsprechender Medikamente schließlich überwunden hatte, einige Male den vergeblichen Versuch unternommen, wieder ein normales Eheleben herzustellen. Doch er hatte feststellen müssen, dass die Distanz, die Chrissie bereits vor der Geburt von Simon, in körperlicher Hinsicht, zu ihm aufgebaut hatte, nach wie vor bestand. Sogar eine zärtliche Berührung ließ sie zusammenzucken und es tat weh, wenn er sah, dass sie eine abwehrende Bewegung unterdrückte. Nachdem von ihr mehrere Versuche eines klärenden Gespräches abgeblockt worden waren und er bemerkte, dass seine Frau begann ihm aus dem Weg zu gehen, hatte er aufgegeben. Sie bewohnten nun schon seit langer Zeit zwei getrennte Schlafzimmer und niemand ahnte, dass der Grund nicht in den angeblichen Schlafproblemen von Chrissie lag.

Diese Ehe war von Beginn an ein Fehler gewesen und wenn es Chrissie lieber war, wie Bruder und Schwester mit ihm zu leben – eigentlich war es ihm egal. So wie es aussah, war Chrissie anscheinend mit diesem Arrangement sehr glücklich und sie lebten inzwischen in einer Art freundschaftlicher Beziehung, in der jeder Partner so ziemlich seine eigenen Wege ging. Nach außen hin wahrten sie den Schein, und keiner der sie kannte, kam auf die Idee, dass er hier nur die Farce eines Ehelebens vor sich sah.

Wobei Chrissie an und für sich auch gerne in Gesellschaft ihres Mannes unterwegs war, denn sie wusste sehr wohl, dass viele Frauen sie um diesen attraktiven und mit vielen charakterlichen Vorzügen ausgestatteten Mann beneideten. Nur körperliche Nähe war nicht erwünscht und diese vermied sie, wo sie nur konnte. Was Patrick mittlerweile nicht mehr belastete, denn er hatte sich in der Hinsicht inzwischen entsprechend eingerichtet. Es gab genügend Frauen, die nur zu gerne bereit waren, ihm das zu geben, was ihm seine eigene vorenthielt und die auch kein Problem damit hatten, nur als Bettgenossinnen zu dienen.

Er hatte sich Kais Methode als Vorbild genommen und bevorzugte verheiratete Frauen, die waren verschwiegen und wollten nicht mehr, als eine ansprechende Abendunterhaltung. Und sein Herz gehörte sowieso Hetty, von daher war ihm alles einerlei. Doch zugegebenermaßen fühlte er sich trotzdem wieder einmal ein kleines bisschen verletzt, denn die Selbstverständlichkeit, mit der Chrissie annahm, dass er keinerlei Bedürfnisse hätte, störte ihn. Patrick zuckte innerlich mit den Schultern. Seine Frau hatte ihn nie richtig gekannt und auch nie versucht, ihn kennenzulernen.

Susi nahm den Ball begeistert auf und redete auf ihn ein. »Gut, dann bleibst du bei uns und wir können noch weiterfeiern!«

Als eine Stunde später Kais Handy ein leises Fiepen von sich gab, seufzte der auf. »Schätze, mein Einsatz ist gefragt.«

Womit er auch vollkommen recht hatte. Nat klang reichlich fertig und Hashimoto verzog grinsend seinen Mund, als er mitbekam, dass sich dessen Stimme teilweise überschlug. Seltsamerweise war ausgerechnet der körpermäßig Größte von ihrer Vierertruppe immer derjenige gewesen, den man am leichtesten aus der Ruhe bringen konnte.

Kai beendete das Gespräch, stand auf und sah Hetty entschuldigend an. »Ich muss los. Vor morgen Abend brauchst du nicht mit mir zu rechnen.«

Hashimoto nickte ihm zu und reichte ihm den Autoschlüssel. »Nimm meinen Wagen, wir fahren mit dem Taxi heim.«

Er stand ebenfalls auf und folgte Kai. »Ich hole nur noch unsere Sachen aus dem Auto.«

Als sie vor dem Wagen standen, verzog Kai den Mund. »Pass mir ja gut auf Patrick auf!«

Hashimoto grinste seinen Freund an. »Aber sicher doch! Der wird heute den Schlaf des Gerechten schlafen.«

Schmunzelnd fuhr Kai los. Der Japaner hatte einige Mixturen, die hervorragend wirkten. Die hatten ihnen früher schon öfters geholfen, wenn es darum ging, Leute außer Betrieb zu setzen und Hashimoto kannte keine falsche Scham sie einzusetzen, wenn es denn nötig war.

Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 17 und 18

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