Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8 - Elda Drake - Страница 6
ОглавлениеKapitel 3
Nach dem Aufstehen war allerdings zuerst das angekündigte Pfannkuchenfrühstück am Schwimmingpool zu bewältigen. Was sich als nicht zu einfache Aufgabe erwies, denn nachdem sie Klebezettel mit ihrem Namen und ihrer Herkunft beschriftet und sich an einen der Plastiktische am Pool gesetzt hatten, wurde ihnen von den netten Pfannkuchenproduzenten umgehend ein paar gutgelungene Exemplare auf die mitgebrachten Teller geschaufelt.
Einer der Männer, der mit Leidenschaft und Begeisterung die nächste Ration zum Backen auf die große Herdplatte verteilte, deutete auf die Abstellfläche des aufgebauten Anhängers, auf der große Behälter und zahlreiche Töpfe verteilt waren. »Da könnt ihr euch den Kaffee holen und die Soßen!«
Hetty wickelte sich ihren ersten Pfannkuchen mit nur ganz wenig Zucker. Sie hatte es nicht so mit Süßigkeiten und die Mehlspeise reichte ihr, an und für sich schon aus, um die nächste Zeit nur noch an Fleisch zu denken.
Während sie einen Bissen abschnitt, meinte sie. »Das ist eine richtig nette Aktion, die sie da immer veranstalten. Ich habe das schon auf mehreren Plätzen erlebt. Durch die Namensschilder kommen die Leute gleich besser in Kontakt und BIG4 will schließlich zufriedene Kunden.«
Sie grinste. »Du weißt ja, für einen Aussie ist ein guter Platz, der Platz, an dem er eine nette Unterhaltung hat und viele Leute zum Reden trifft.«
Pat lachte. »Jupp, und dann am besten noch einen großen Barbecuegrill, einen warmen Pool, gute Fischgründe und ein Jetty zum Motorboot reinschubsen.«
Ja, genau das war es, was den australischen Lebensstil ausmachte. Mehr brauchten sie nicht zum Glücklich sein. Fasziniert hatte Hetty oft genug beobachtet, mit welcher Freude die einheimischen Camper unterwegs waren. Auch wenn die australische Wirtschaft an und für sich brummte, was sie natürlich den ganzen Bodenschätzen zu verdanken hatte auf denen der Kontinent saß, waren sie doch keine Großverdiener.
Die meisten Familien hatten zwar ihr eigenes Haus, aber so ein ebenerdiges Holzgebäude kostete auch nicht die Welt. Wer es sich leisten konnte besaß ein Motorboot oder ein Segelschiff und die Ärmeren gaben sich damit zufrieden, einfach nur ihren Sommerurlaub in irgendeinem anderen Teil des Kontinents zu verbringen. Und da dieser mit recht unterschiedlichen Klimazonen und deswegen mit äußerst differenzierten Landschaften ausgestattet war, konnten sie ohne viel Aufwand in einer völlig anderen Umgebung Urlaub machen.
Hetty hatte schon so viele, wirklich zufrieden wirkende Familien getroffen, die im Prinzip nur tausend Kilometer von ihrem Heimatort entfernt waren. Die hatten nicht das Bedürfnis täglich in einem Restaurant zu essen, sondern waren unter Tags mit ihren Kindern am Pool oder mit der Angel beim Fischen und Abends wurde dann ein großes Barbecue am Küchencenter veranstaltet. Wenn sie daran dachte, welche hohen Ansprüche der Durchschnittsdeutsche an seinen Jahresurlaub stellte und dass eine Flugreise auf alle Fälle drin sein musste, dann war sie heilfroh, nicht mehr diesem Klientel angehören zu müssen.
Glücklicherweise hatte sie eine unverhoffte Erbschaft gemacht, die es ihr ermöglichte, hier in diesem Land ihrem Traum nachzugehen und mit einem Camper durch die Gegend zu fahren. Das hatte sie dem plötzlichen Tod mehrerer ihrer Nachbarn zu verdanken, denen nichts besseres eingefallen war als ihr das ganze Geld, das sie hatten, zu hinterlassen.
Wie üblich, wenn sie ihrer gedachte, hob Hetty ihr Glas oder dieses Mal die Kaffeetasse und sprach innerlich ein von Herzen kommendes. »Dankeschön!« aus.
»Dürfen wir uns zu euch setzen?« Die rhetorische Frage wurde von einem älteren australischen Ehepaar gestellt, das gleich darauf interessiert die Herkunftsangabe auf den Namensschildern musterte. »Ah, sie kommen aus Deutschland?«
Die nächste Viertelstunde durfte Hetty wieder einmal ihre zweitliebste Geschichte zum Besten geben, die, die davon handelte, warum sie weit vor ihrem Rentendatum schon nach Australien gekommen war. Ihre Lieblingsstory war nach wie vor diejenige, bei der es darum ging, warum Sssissi in ihrem Camper das Dauerasyl bekommen hatte. Was vermutlich auch daran lag, dass sie dabei zum ersten Mal Kai begegnet war.
»Womit wir wieder mal beim Thema wären. Leute, wir wollen ihn doch vergessen!« Der Verstand verdrehte die Augen.
Seine Besitzerin hatte anscheinend einen starken Hang zum Masochismus, denn selbstverständlich kam von der Sarkasmusabteilung wieder ein blöder Einwurf. »Alte Frauen erinnern sich halt gerne an die Vergangenheit!«
Hetty seufzte innerlich auf und erklärte dann den interessierten Australiern, dass sie sich ihr Einkommen damit aufbesserte, dass sie gegen eine Kostenbeteiligung immer wieder mal Frauen als Reisepartner mitnahm und Pat ihre derzeitige Begleiterin war.
Jetzt war das Ehepaar mit der Berichterstattung an der Reihe. »Wir haben hier eine Unit für uns gekauft und wohnen als Dauercamper hier. Dieser Platz ist so wunderbar praktisch gelegen und hat so schöne Anlagen.«
Pat fragte. »Wie teuer ist eigentlich so ein Minihaus?«
Die Frau meinte. »Also für das Haus haben wir gute zwanzigtausend Dollar zahlen müssen und dann kostet es in der Woche noch hundertzwanzig Dollar Nebenkosten.«
Hetty nickte. Das war wirklich eine günstige Alternative, um das Rentendasein zu verbringen. Allerdings wäre das für sie keine Lösung gewesen, dafür war sie viel zu gerne unterwegs. Dauernd an einem Ort zu bleiben, das war gar nicht ihr Ding. Und so schön der Platz hier war, spätestens nach ein paar Tagen bekam sie immer das Kribbeln und wollte weiter.
Nachdem sie reichlich vollgefressen wieder am Camper angelangten, fragte Pat. »Du hast zu Chrissie gesagt, du bräuchtest etwas Training. Was hast du dir da eigentlich so vorgestellt?«
Hetty tätschelte ihren Bauch, der gerade versuchte einen Stapel der superguten, aber schwer im Magen liegenden Pfannkuchen zu verdauen und meinte. »Also ich schwimme jeden Tag und hin und wieder kann ich mich zum Joggen überwinden. Wie du schon mitgekriegt hast, wandere ich ganz gerne.«
Sie verzog den Mund. »Aber je mehr ich auf den Rippen habe desto fauler werde ich und wenn mich niemand antreibt, dann kriege ich meinen Hintern kaum noch aus dem Stuhl.«
Pat lachte. »Du willst also so eine Art Sklaventreiber, na ja, das dürfte kein Problem sein, denn ich habe bei dem schlimmsten Schinder gelernt, den du in Australien finden kannst.«
Hetty grinste. »Ich habe von George schon gehört, dass er sein Ausbildungsprogramm umgestellt hat, nachdem ich einmal bei einem Training teilgenommen hatte.«
»Ah, der Lehrfilm. Den habe ich aber noch nicht gesehen. Was wird denn da eigentlich gezeigt?«
»Etwas, das deinen Boss einen Haufen Geld gekostet hat – er hat nämlich zwei Wetten hintereinander verloren.«
»Jetzt mach es nicht so spannend, was gibt es da zu sehen?« Pat beugte sich neugierig vor.
Hetty deutete mit dem Finger auf sich. »Mich und neunundzwanzig Männer auf dem Trainingsgelände für Paintball-Gewehre. Als ich zum ersten Mal bei Chrissie auf der Farm zu Besuch war, bin ich an einem Tag mit Kai in seine Firma gefahren als er ein Schießtraining angeordnet hatte. Da ich gerne schieße, habe ich da natürlich mitgemacht. George hat gegen seinen Boss auf mich gewettet – und gewonnen. Dann haben sie gemeint, ich sollte mich doch auch noch auf dem Parcour beweisen.
War natürlich völliger Blödsinn – aber es hat mich einfach gereizt. Habe mir so eine Art Guerillataktik zugelegt und einen nach dem anderen ausgeschaltet. Als nur noch Tom übrig war, hat George noch eine Wette abgelassen. Und ein paar Minuten später hatte er eine kostenlose Hochzeitsreise, die auch noch eine Woche länger dauern durfte. Denn ich habe Tom fachgerecht ausgetrickst und deshalb gewonnen. Seitdem ist George mein größter Fan.«
Hetty schmunzelte. »Ganz abgesehen davon, dass er seine Frau deswegen kennengelernt hat, weil sie und ich auf meiner zweiten Camperfahrt in Turbulenzen verwickelt waren und er und Kai wieder mal Notfallkommando gespielt haben.«
Pat starrte sie mit offenem Mund an. Sie war sich sicher, dass Hetty keinen Spaß machte. Schließlich hatte sie noch das Gespräch mit ihren Kollegen im Ohr.
Jetzt verstand sie die Zusammenhänge. »Aber wie hast du das nur geschafft? Du bist doch überhaupt nicht trainiert. Mich haben sie immer schon nach ein paar Minuten erledigt gehabt.«
Die nette, kleine, harmlos wirkende Frau lächelte sie an und ihre grünen Augen hatten ein sonderbares Funkeln, als sie antwortete. »Ach, ich bin ganz gut im Überleben.«
Als sie am Nachmittag an der Promenade von Cairns am Meer entlang gingen, griff Pat das Thema wieder auf. »Warum hast du eigentlich eine Schlange im Camper. Wie kommst du zu der? Kai hat gesagt, ich soll dich einfach nach deiner Lieblingsgeschichte fragen.«
Typisch Kai! Statt die Story selbst zu erzählen, schob er grundsätzlich alles von sich, was mehr als zweier zusammenhängender Sätze bedurft hätte. Aber die Wortkargheit war eben auch eine seiner herausragenden Merkmale. Wobei sie ehrlicherweise zugeben musste, dass er mit allen seinen Eigenschaften in der obersten Liga angesiedelt war. Mit seinem knappen 1.90 Metern, schmalen Hüften, breiten Schultern und athletischem Körperbau, hatte ihn der liebe Gott, oder wahrscheinlicher eher dessen Rivale, mit einem Körper ausgestattet, an dem wirklich nichts auszusetzen war. Dazu noch eines der schönsten Gesichter, die Hetty jemals gesehen hatte, mit den blauesten Augen der Welt und pechschwarzen halblangen Haaren.
Dass jemand, der so aussah, natürlich mit einem Selbstbewusstsein auftrat, bei dem man das Kotzen kriegen konnte, war mehr als verständlich. Sogar die feine Narbe, die sich über seine linke Wange zog, konnte seine Wirkung nicht beeinträchtigen. Nein, das gab ihm noch zusätzlich den Touch des Verwegenen. Neben seinem umwerfenden Aussehen hatte er in Hettys Augen nur zwei weitere gravierende Fehler: Er war reich und er war jung. Viel jünger als sie selber. Sie seufzte – und das war eigentlich das einzige wirkliche, aber dafür riesige Problem, das sie mit Kai hatte.
Aber Pat wartete auf die Geschichte und sie begann zu erzählen, wie sie Chrissie, die ihr erster Fahrgast gewesen war, von den Entführern gerettet hatte. Und wie dann Kai sie in letzter Minute vor dem Erschießen bewahrt hatte und dann wieder die Umkehr des Ganzen, als sie dann Jack mit einem gezielten Schuss getötet hatte, damit er seinerseits Kai nicht erschoss. Es war ein fürchterliches Kuddelmuddel gewesen, bei dem sich die Ereignisse überschlagen hatten.
Das Ergebnis für Hetty war, dass sie der Schlange, die ihren Entführer gebissen und damit getötet hatte, in ihrem Camper Asyl gewährte. Denn die war bei der Aktion so schwer verletzt worden, dass sie in freier Wildbahn nicht mehr lebensfähig gewesen wäre. Und dass Kai sie immer Prinzessin nannte, in Erinnerung an ihre Phantastereien im Delirium, als er sie verletzt zum Wagen getragen hatte. Da hatte sie, als sie die Augen aufschlug und Kai das erste Mal sah, momentan gedacht, nun wäre doch der Traumprinz gekommen, an den sie nie geglaubt hatte.
Inzwischen hatte er das Lebensretten des Öfteren wiederholen müssen und auch sie hatte sich noch einmal revanchieren können. Mit den Jahren war so eine, etwas sonderbar geartete, Freundschaft zwischen ihnen entstanden. Denn seltsamerweise verstanden sie sich ausnehmend gut und der introvertierte Kai wurde in ihrer Gegenwart für seine Verhältnisse sogar ziemlich redselig.
Trotzdem war es Hetty lieber, ihn möglichst weit weg zu wissen – nach der Devise „Und führe mich nicht in Versuchung“! Auch wenn er sicher kein Interesse an ihr haben konnte, waren die Gedanken doch frei und ihre Phantasie jedes Mal reichlich rege beschäftigt, wenn sie ihn in Natura sah. Denn seit sie ihn getroffen hatte, wusste sie ganz genau, wie der Mann ihres Lebens beschaffen sein musste und das war gar nicht gut für ihr Seelenleben.
Glücklicherweise erlöste sie Pat aus ihren gedanklichen Verirrungen, in die sie nach dem Ende ihrer Geschichte wieder mal geraten war.
»Der Wahnsinn! Da habe ich ja ganz harmlose Einsätze gehabt. Aber so etwas passiert einem auch nur einmal im Leben.«
Das brachte Hetty zum Lachen. »Du wirst es nicht glauben, aber manches was ich in den letzten Jahren erlebt habe, ist sogar noch extremer!«
Pat sah sie mit großen Augen an. »Wie meinst du das?«
Hetty zuckte die Schultern. »Ach, explodierende Erzminen, Mausoleen, und vier Tage Fledermaushöhle. Es wird mir nie langweilig.«
Nachdem sie versprochen hatte, dass sie diese Geschichten die nächsten Tage alle mal erzählen würde, gingen sie eine Weile schweigend weiter. Auch wenn Hetty gerne redete, aber hin und wieder wollte sie auch ihre Ruhe haben.
Und Pat hatte momentan genug zum Überlegen. Also hatte Kai nicht übertrieben, als er gesagt hatte, dass sich bei Hetty immer alles etwas anders entwickelte, als gedacht. Wobei ihr Chef eigentlich nie etwas übertrieb, aber seine Ermahnungen hatten sich so skurril angehört, dass sie einfach nicht glauben konnte, was er sagte. Sogar jetzt hatte sie noch ein Problem damit, das Gehörte mit der kleinen Gestalt neben ihr in Verbindung zu bringen. Sie schüttelte den Kopf. Dieses Mal würde sicher nichts passieren, sie machten schließlich nur eine ganz harmlose Fahrt die Ostküste entlang, was konnte da schon schief gehen.