Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8 - Elda Drake - Страница 8

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Kapitel 5

»Geht es dir nicht gut?« Fragend sah Pat Hetty an, die zum Frühstück nur Kaffee zu sich nahm und ein mickriges Brötchen gegessen hatte. Für jemanden, der grundsätzlich nicht unter drei Spiegeleiern und einem Berg geröstetem Speck mit Kartoffelkrusties vom Tisch aufstand, war dies dann doch ungewöhnlich.

Hetty schmunzelte und schüttelte den Kopf. »Ich hole das alles heute Abend nach. Aber ich werde leicht seekrank und da ist es besser, wenn ich nicht zu viel im Magen habe.«

Stirnrunzelnd versuchte Pat diese kryptische Bemerkung zu verstehen. Sie machten doch keine Schiffsreise, sondern fuhren heute nur zum Cape Tribulation.

Als sie im Auto saß und die detaillierte Straßenkarte studierte, ging ihr ein Licht auf. »Wir müssen auf eine Fähre!«

»Damit hast du den Jackpot gewonnen!« Hetty lachte. »Über den Daintree Fluss führt keine Brücke und deshalb ist Bootfahren angesagt.«

Während sie die letzten Kilometer zur Fähranlegestelle zurücklegten erzählte sie. »Das erste Mal, als ich hierhergekommen bin, hatte ich ziemliche Bedenken, wie das wohl mit meinem Camper funktionieren würde. Aber im Endeffekt war die Überfahrt dann das Kleinste meiner Probleme.«

Auch hier erging sie sich nicht in nähere Erklärungen, denn schließlich sollte Pat alles ganz neu erleben und nicht schon vorher wissen, was auf sie zukam.

Wobei die Aktion mit der Fähre wirklich simpel war. Das flache breite Boot war zwischen zwei Stahlseile gespannt, an denen es über den Fluss glitt. Man fuhr auf der einen Seite hinein und in Fahrtrichtung wieder hinaus. Das konnte wirklich jeder Fahranfänger. Doch trotzdem saß Hetty mit einem sehr flauen Gefühl im Magen hinter dem Lenkrad und konzentrierte ihren Blick auf das andere Ufer. Denn diese Fähre dümpelte. Und das mochte ihr Verdauungsorgan überhaupt nicht. Auch hatte man dauernd das gleiche dumme Gefühl, das man bekam, wenn man in einem stehenden Zug im Bahnhof saß und aus dem Fenster sah, während der auf dem Nebengleis plötzlich anfuhr. Das Gehirn konnte nicht mehr sagen, was sich bewegte und was nicht. Erleichtert startete sie den Motor, als ein lautes Rumsen verkündete, dass sie die andere Seite erreicht hatten.

Nachdem sie die ersten Meter gefahren war, warf sie Pat einen Seitenblick zu und deutete mit der Hand nach vorne, wo eine schmale gewundene Straße sichtbar wurde, die durch dichten Regenwald führte. »Jetzt wird es lustig!«

Die wünschte sich bald darauf, nicht soviel gefrühstückt zu haben. Ganz abgesehen davon, dass diese Straße hier einfach viel zu schmal für den Camper war und sie teilweise dachte, Hetty würde jeden Moment in den Graben fahren, waren da auch noch die Geschwindigkeitsblockaden. Die waren unter anderem deswegen vorhanden, weil hier die Kasuare, die in der Wildnis herumliefen, nicht das Opfer von rasenden Autos werden sollten. Diese Laufvögel hatten ungefähr die Größe von kleineren Emus, ein schwarzes Gefieder, das am Hals in ein kräftiges strahlendes Blau überging, wie ein Truthahn einen roten Hängesack unter dem Schnabel und einen Knochenhöcker auf dem Schädel. Nach Aussage der Fachleute sollte es nur noch eintausendvierhundert dieser Tiere in freier Wildbahn geben. Und die befanden sich eben vor allem in diesem Teil der oberen Ostküste.

Hetty deutete auf ein Warnschild. »Ihr habt ja inzwischen auch große Aufzuchtprogramme laufen, die für Nachwuchs sorgen, denn sie sollen schließlich nicht tatsächlich aussterben.«

Pat lachte. »Na ja, damit das nicht passiert, sorgen wir halt vor. Schließlich müssen einen Haufen der Pflanzensamen erst durch den Verdauungstrakt eines Kasuars laufen, um keimen zu können. Und wenn die nicht nachwachsen, sterben viele Sorten aus. Soviel habe ich in der Schule gelernt.«

Ein gelbes Schild mit einem schwarzen Dromedarhöcker wies jedes Mal rechtzeitig daraufhin, dass jetzt gleich wieder ein Boller kommen würde. Was auch nötig war, denn sonst hätte es einem mit Sicherheit unter der Fahrt die Vorderachse aus dem Wagen gerissen.

Hetty grinste, als sie abbremste und vorsichtig über ein besonders gemeines Exemplar hinüber rollte. »Diese Schweinebuckel! Die arbeiten mit allen Tricks. Und diese Betonschwellen mit eingelassenen Rundlingen und Felsbrocken kann man wirklich nicht überlisten.«

Pat nickte und biss die Zähne zusammen. Auch wenn es ein Allradfahrzeug war, der Radstand war für solche Schaukelfahrten nicht unbedingt geeignet. Wobei sie Kilometer für Kilometer den Fahrkünsten von Hetty noch mehr Anerkennung zollte. Denn die Straße wand sich in steilen Serpentinen bergauf und bergab, dabei hing sie mal in die eine, dann in die andere Richtung. Ganz davon zu schweigen, dass natürlich so etwas wie ein Bankett nicht vorhanden war und der Teerrand mit großen klaffenden Löchern für Abwechslung in der Geradeausfahrt sorgte.

Damit es richtig spaßig wurde, kamen zwischendrin immer wieder Stellen, die nur einspurig waren. Das waren meistens kurze Brücken über schmale Bachläufe, deren Wasserflächen teilweise zehn Meter darunter lagen. Es war äußerst beruhigend, dass zumindest ein Geländer vorhanden war. Pat unterdrückte ein Seufzen und versuchte einfach zu ignorieren, dass sich der australische Staat hier nur eine Betonkante mit zwanzig Zentimetern Höhe geleistet hatte. Tja, auf die Weise sorgte er dafür, dass sich hier die Fahrer wirklich am Riemen rissen und langsam über die Brücke fuhren. Man musste nicht viel Phantasie haben um sich auszumalen, was passieren würde, wenn man mit einem Vorderreifen über diese Kante kam.

Die Stimme von Hetty riss sie aus ihren Gedanken. »Habt ihr in Australien eigentlich auch eine Beschränkung von Gewichten? Ich habe noch nie so ein Schild gesehen.«

Pat starrte in die Richtung in die Hetty zeigte und unterdrückte heldenhaft den Wunsch einfach auszusteigen. Diese Brücke, falls man dieses Objekt vor ihnen so nennen konnte, bestand nämlich nur aus Holzbohlen, die reichlich willkürlich zusammengebastelt worden waren.

Als sie keine Antwort bekam, wandte Hetty den Kopf und beruhigte Pat, die eindeutig blass um die Nase war. »Keine Angst, hier fahren auch große Treckingbusse rüber, also hält dieses Teil auch meinen Hanomag aus.«

Sie grinste, während sie langsam und vorsichtig auf die andere Seite fuhr. »Nur würde ich halt gerne wissen, welches Gewicht dieses Teil verträgt. Aber vermutlich sagen sie sich, dass sowieso kein Roadtrain diese Straße rauffahren kann und den Rest packt das Ding anscheinend locker.«

Pat nickte und dachte daran, dass dies die einzige Straße war, die zum Cape führte. Also würden sie nochmal über diesen Holzverschlag fahren müssen. Sie unterdrückte ein Aufseufzen und warf einen Blick auf Hetty, die vergnügt hinter dem Lenker saß und anscheinend ihren Spaß an dieser Kamikazefahrt hatte. Tja, langsam aber sicher ging ihr auf, dass die Erzählungen ihrer Kollegen nicht übertrieben waren. Diese Frau wurde erst richtig munter, wenn es nicht mehr normal zuging.

Doch kurz darauf wurde sie für ihre Qualen entschädigt. Denn sie waren am Zielort angekommen und standen in einer Bucht, die einen wunderbar einsamen Standstrand aufwies und ansonsten einen atemberaubenden Ausblick. Am Horizont ballten sich Wolken zu einem Sturm zusammen, was den Frieden, der hier herrschte, einen Anflug von drohendem Unheil verpasste. Zikaden lärmten mit schrillem Gezirpe und einige unsichtbare Tauben riefen sich ihre Balzrufe zu. Das Meer wirkte spiegelglatt, nur ein einsames Motorboot brachte etwas Abwechslung in die eintönige Wasserfläche.

Hetty meinte. »Äußerst dekorativ, nicht wahr?«

Pat nickte und schaltete ihre Kamera ein, um ein paar Aufnahmen zu machen, während sich die Wolken immer schneller auftürmten. Ein donnerndes Grummeln deutete an, dass sie am besten aufbrechen sollten.

Als Pat besorgt die Stirn runzelte, zuckte Hetty mit den Schultern. »Das dauert noch. Jetzt machen wir noch eine schöne Regenwaldwanderung und dann fahren wir zum Mittagessen. Da kann es dann ruhig runter regnen und hinterher ist der Himmel wieder klar.«

Das Beste hatte Hetty sich bis zum Schluss aufgehoben. »Na, was sagst du zu diesem Anblick?«

Pat stand nur da und staunte. Sie hatten oben auf dem Alexandra-Lookout angehalten und schauten auf die Mündungsbucht des Daintree Rivers hinunter, der sich durch einen dichten Mangrovenwald zum Meer schlängelte. Weit entfernt am Horizont konnten sie die blauen Konturen von bewaldeten Inseln erkennen, die dem Festland vorgelagert waren. Vor ihnen war der Abhang mit Baumfarnen und Palmen bewachsen und tief unten im Tal gab es einige Zuckerrohrplantagen, die seltsam unwirklich in dieser einsamen Landschaft erschienen. Zikaden schrillten in den Bäumen und irgendwie entstand der Eindruck, hier wären sie ganz alleine am Ende der Welt. Was natürlich ein hoffnungsloser Wunschtraum war, der nach zehn Minuten Einsamkeit von einem Touristenauto, das in den Parkplatz einbog, zerstört wurde.

Hetty seufzte tief auf. »Das ist der Nachteil der Ostküste. Hier laufen viel zu viele Leute herum und diese Cape Tribulation ist anscheinend ein unbedingtes Must do!«

Pat sah zu, wie fünf Holländer laut schwatzend aus dem Auto stiegen, und stöhnte leise. »Ich mach noch schnell ein paar Bilder dann hauen wir ab.«

Als sie nach der Fährüberfahrt wieder zwischen Bananenplantagen und Zuckerrohrfeldern Richtung Campingplatz fuhren, meinte Hetty tröstend. »Aber Morgen wird es dann richtig einsam.«

Womit sie vollkommen richtig lag. Denn, nachdem sie nach Mt. Molloy hochgefahren waren, kam die Abbiegung zum Cook Highway und Hetty gab Gas.

Pat blickte stirnrunzelnd aus dem Fenster. »Wann haben die denn diese Straße so ausgebaut?«

Hetty grinste. »Keine Ahnung, aber hier dürfen wir sogar mit hundertzehn Stundenkilometern dahinbrausen. Als ich zum ersten Mal diese Strecke gefahren bin, habe ich die ganze Zeit den Kopf geschüttelt. Irgendwie haben die hier heroben verkehrte Welt.«

Die schnurgerade Straße führte durch lichten Eukalyptuswald und Warnschilder wiesen immer wieder daraufhin, dass hier Viehzucht betrieben wurde. Das bedeutete, gut aufzupassen, damit nicht plötzlich ein Rind auf der Motorhaube landete. Denn die Tiere grasten liebend gerne an den Straßenrändern, wo sich, durch die Mulden in denen das Regenwasser verspätet abfloss, das Grün etwas länger hielt. Und der Ausdruck „dumme Kuh“ kam nicht von ungefähr.

Falls so ein Rindvieh nämlich feststellte, die andere Seite der Straße wäre interessanter, dann ging es, ohne Rücksicht auf Verluste, los. Der Lerneffekt, dass einen der Kontakt mit einem Auto das Leben kostete, konnte sich natürlich anschließend nicht mehr weitervererben, was wohl auch erklärte, warum die Viecher einfach nie kapierten, dass man vor dem Überqueren erst mal gucken sollte ob die Strecke frei war.

Nach einer halben Stunde fragte Pat. »Fährt hier überhaupt mal jemand?«

Hetty lachte laut auf. »Das letzte Mal habe ich die Autos, die ich getroffen habe, an meinen zehn Fingern abzählen können. Anscheinend besteht kein großes Bedürfnis in der australischen Bevölkerung, nach Cooktown zu fahren. Und die Einwohner der Stadt wollen anscheinend auch nirgendwo anders hin. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass in den einschlägigen Straßenbeschreibungen der Campervermieter diese Straße, nach wie vor, als nicht befahrbar gilt. Zumindest ist alles, was über Daintree hinausgeht, eindeutig verboten.«

Ihre Beifahrerin schüttelte den Kopf. »Also, beim Cape verstehe ich das ja noch, aber hier könntest du doch bequem mit einem Roadtrain dahinfahren und hättest nicht die geringsten Schwierigkeiten.«

Hetty zuckte die Schultern. »Ich habe es schon vor einem Jahr in der Touristeninfo von Cooktown erzählt und der Mann dort war voll angefressen. Er hat gemeint, er würde denen gleich mal Bescheid stoßen. Aber ich habe schon ein paarmal mit Camperfahrern gesprochen, die gesagt haben, es steht nach wie vor drin und die sich deshalb nicht getraut haben, hier entlang zu fahren.«

Wo die Verleihfirmen die Schwierigkeiten sahen, war ihr auch dieses Mal nicht bewusst. Ein paar Floodways, aber die gab es im ganzen Land und schließlich war man hier in den Bergen, also floss das Wasser relativ rasch wieder ab. Denn auch in Down Under herrschte die Schwerkraft und irgendwo im Gelände gab es immer eine Stelle, die nach unten führte.

Vielleicht war aber der eigentlich Schuldige der australische Tourismusverband, der nicht wollte, dass ihm seine Touristen abhanden kamen. Pat sah sich irritiert um. Sie hatten am Black Mountain Lookout angehalten und schon ein kurzer Blick auf diese hohen Hügel, die aus schwarzen Felsbrocken geformt waren, verriet, dass hier etwas Außergewöhnliches war.

Hetty zeigte auf ein Schild. »Es sollen hier schon Menschen, Pferde und ganze Viehherden spurlos verschwunden sein. Und Piloten, die über diese Berge flogen, berichten von ungewöhnlichen Turbulenzen. Auch hört man hin und wieder grauenhafte Schreie und ein fürchterliches Krachen und Knacken. Und, als Oberpointe der Gerüchte soll es auch noch einen Tiger geben, der Vieh und Menschen anfällt.«

Als sie die perplexe Miene von Pat sah, lachte sie laut los. »Das hier ist anscheinend das australische Bermuda-Dreieck. Natürlich totaler Unfug, die Vorfälle lassen sich alle problemlos erklären. Denn diese Brocken hier sind die Überreste von ehemaligem Magmakegeln. Und durch die Erosion sind viele Kammern und Vertiefungen entstanden. Da kann es leicht passieren, dass man sich verirrt und wie du ja weißt, ohne Wasser hast du bei den Temperaturen hier nur eine kurze Überlebenschance. Eine Suche in diesem Labyrinth von Felsbrocken ist erstens halsbrecherisch und zweitens mit Sicherheit nicht von Erfolg gekrönt. Schätze, in dem Gebiet stolperst du ganz schnell über ausgebleichte Knochen. Also mich bringst du da nicht hinein.«

Pat schüttelte sich. »Ehrlich gesagt, finde ich das hier gruselig. Und ich kann mir auch etwas Schöneres vorstellen, als mir hier in diesem Felsbrockendschungel ein Bein zu brechen.«

Hetty nickte. »Dann sind wir uns einig. Aber die Aussicht ins Tal ist ganz nett.«

Da sie fast auf dem Gipfel eines Berges standen, konnten sie von hier aus zu beiden Seiten weit in die umliegende Landschaft blicken. Endlose lichte Eukalyptuswälder, zwischen denen Gras wuchs, das die wildlebenden Viehherden abfraßen, gingen in bewaldete Hügelketten über. Kein Haus, kein gar nichts weit und breit, nur die einsame Teerstraße die Cooktown mit dem Rest der Welt verband.

Eine halbe Stunde später murmelte Pat. »Die haben wirklich einen an der Klatsche!«

Hetty schmunzelte vor sich hin. Gut, den Kreisverkehr am Stadteingang hätten sie sich schenken können. Für diese Kreuzung hätte man noch nicht mal eine Ampel gebraucht, denn es kamen sowieso keine Autos. Allerdings fand sie die autobahnbreiten Straßen zwischen den spärlichen Häusern ganz praktisch. Und Parkplätze gab es auch genug. Wenn jetzt schnell mal ein paar tausend Touristen kommen würden – Cooktown war gerüstet.

Sie hielt am Hafen und sah Pat fragend an. »Wenn du Lust hast, gehen wir erst mal die ganzen alten Häuser ab und dann fahren wir ein Stückchen weiter und wandern zur Fink-Bay.«

Pat starrte die gepflegte Parkanlage an, die sich vor ihren Augen auftat und meinte fassungslos. »Mir ist alles recht.«

Natürlich war auch dieser Hafen wieder wunderschön gelegen. Hetty überlegte, ob es wohl irgendwo ein Verzeichnis gab, wie viele Buchten auf dem australischen Kontinent vorhanden waren. Die hier wäre im Ranking von zehn locker bei acht gelandet. Das hatte sich wohl auch Captain Cook gedacht, als er hier angelegt hatte. Der war Gründer dieser Ansiedlung und deshalb auch mit einem bronzenen Standbild auf einer der kurzgeschnittenen Rasenflächen verewigt.

Eine Stunde später hatten sie alles gesehen, was es auf dieser Stadtseite zu sehen gab. Alte Hotels mit Fassaden wie aus Westernfilmen, dazu noch ein paar noblere viktorianisch anmutende Häuser, das alte Krankenhaus und das Munitionsdepot. Natürlich die übliche Kanone und ein Militärdenkmal. Eine kurze Fahrt über eine, wiederum autobahnbreite, Straße brachte sie auf die andere Seite und zum botanischen Garten.

Als Pat anhob, fiel Hetty im Chor ein. »Die haben einen an der Klatsche!«

Diese Stadt wäre in Bayern mit Müh und Not als Dorf bezeichnet worden, hatte ungefähr dreihundert Einwohner und leistete sich einen botanischen Garten. Der war sogar richtig schön angelegt und hatte gleichzeitig ein ausführliches Informationszentrum für Cooktown zu bieten, das selbstverständlich auch noch eine Terrasse mit Cafeteria anbot, auf der alle Bewohner gleichzeitig Platz gehabt hätten. Zumindest hielten sich die Dimensionen der bepflanzten Anlage in Grenzen und schon nach einigen Minuten befanden sie sich auf dem schmalen Wanderpfad, der zur ersten Bay führte. Der Menschenandrang war fürchterlich. Außer dem Mann in der Info hatten sie noch niemanden zu Gesicht bekommen und auch am Strand war keine Menschenseele anzutreffen.

Pat deutete auf ein gelbes Schild, auf dem ein Krokodil abgebildet war. »Oje, hier gibt es Krokodile, vielleicht ist deshalb niemand unterwegs.«

Hetty zuckte die Schultern und grinste. »Ich glaube nach wie vor, die größte Gefahr in dieser Stadt befindet sich in ganz anderen Händen. Nämlich den Lenkern von diesen sehr amerikanisch anmutenden Elektrorollstühlen.«

Pat brach in schallendes Gelächter aus. Zugegebenermaßen hatte sie sich auch köstlich über die zahlreichen Elektrofahrzeuge amüsiert, in denen weißbärtige alte Herren und graulockige alte Damen thronten. Angezogen mit Bermudas, T-Shirt und Flip-Flops, auf dem Kopf einen Sonnenhut, vor den Augen eine riesige dunkle Sonnenbrille und mit Vollgas unterwegs zum nächsten Kaffeekränzchen. Cooktown war fest in runzeliger Hand. Die Erklärung dafür hatten sie in einem Gebäude gefunden, das ein Pendant zu einem deutschen Seniorenheim darstellte. So wie es aussah, gereichte diese tropische Umgebung den alten Leutchen zum Vorteil, denn sie hatten alle einen äußerst zufriedenen Ausdruck im Gesicht.

Während sie zur zweiten Bucht unterwegs waren, wies Hetty auf das andere Merkmal hin, das ihr in dieser Stadt aufgefallen war. »Hier gibt es wirklich noch die alten Pickups von früher. Inzwischen fahren ja die meisten Aussies diese modernen schicken Geländewagen. Aber hier sind noch die alten Blechkarren mit dem Hund auf der Ladefläche unterwegs. Alle mit einem sperrigen Frontspoiler, Antennen für den Funk und einem Schnorchel für die Wasserdurchquerung ausgerüstet.«

Pat fragte. »Kennst du den Geländewagen von Kai?«

Hetty bejahte. Dieses Teil war allerdings wohl die Oberklasse von dem, was man hier in Australien kriegen konnte. Das Fahrzeug war mit verchromten Frontspoiler, Schnorchel, Funk und allem sonstigen Drum und Dran ausgestattet. Natürlich hatte es eine pechschwarze Lackierung und ebensolche Ledersitze, schließlich gab es für Pats Chef nur eine Farbe, die er trug und die alle seine Habseligkeiten hatten und die war schwarz.

Wobei sie sich beim Anblick dieses Ungetüms gefragt hatte, wer wohl dafür sorgte, dass kein einziges Schmutzfleckchen auf der spiegelnden Oberfläche sichtbar war. Schulterzuckend hatte sie gemutmaßt, dass der Wagen wohl, genauso wie Kai, jeglichen Schmutz konsequent von sich wies, denn auch der hatte die verblüffende Eigenschaft, auch bei der dreckigsten Arbeit, hinterher keinerlei Spuren seiner Tätigkeit aufzuweisen.

Sie seufzte innerlich. Sogar im Kakadu hatte er nach zwei Tagen Tauchens und Ruderns immer noch ausgesehen, als ob er gerade vom Friseur gekommen wäre und sich kurz zuvor umgezogen hätte. Sie dagegen war das leibhaftige Abbild einer alten, vergammelten Strubbelhexe gewesen. Entsetzt hatte sie sich nach ihrer Rückkehr im Spiegel gemustert und erst einmal eine ausgiebige Dusche und Renovierungsphase eingeleitet.

Pat riss sie aus ihren Gedanken. »Und jetzt?«

Hetty wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Es liegt an dir. Entweder wir wandern hier den Weg weiter zum Leuchtturm hinauf. Der ist ziemlich steil und anstrengend. Oder wir gehen zurück zum Wagen, schalten die Klimaanlage ein und fahren hoch.«

Pat warf einen Blick auf ihre fast leere Wasserflasche. »Ich denke für heute bin ich genug gelaufen!«

Nachdem Hetty mit Vollgas die letzte Steigung überwunden hatte, parkten sie unterhalb der Hügelkuppe an der Treppe welche zum Gipfel hinauf führte. »Nehmen wir uns gleich unser Mittagessen mit. Dort oben gibt es Tische und die Aussicht ist wirklich einmalig.«

Der kleine weiße Leuchtturm mit roter Kappe war schön anzusehen, konnte aber mit dem Blick, der sich auf die Flussmündung und die große Bucht bot, nicht mithalten.

Pat zog ein Resümee. »Also ehrlich gesagt, hätte ich jetzt meine Schwierigkeiten, wenn ich sagen sollte, welche Aussicht mir bisher am besten gefallen hat. Jede ist supertoll, immer eine Bucht, aber doch irgendwie immer anders. Welche findest du am schönsten?«

Hetty brauchte nicht lange nachdenken. »Keine, das ist ja mein Problem in diesem Land. Es gibt so viele wunderbare Plätze, ich kann mich einfach nicht entscheiden.«

Pat nickte und packte die Sandwiches aus. »Und welche Stadt ist dir am liebsten?«

Hetty lachte. »Das ist einfach. Sydney natürlich. Da kann keine andere mithalten. Denn ich liebe einfach den Hafen. Wenn ich dort bin, fahre ich immer den ganzen Tag mit der Fähre spazieren. Und der Blick auf die Oper und die Harbour-Bridge ist einfach unvergleichlich.«

Mit leiser Wehmut dachte sie an ihren Aufenthalt in Kais Appartement zurück. Aufgrund einer Camperreparatur hatte sie dort einen Zwangsaufenthalt eingelegt und festgestellt, dass es wohl den schönsten Ausblick auf der Welt hatte. Denn von der bodentiefen Fensterfront des luxuriösen Appartements, konnte man gleichzeitig die Oper und die Brücke sehen.

Der einzige Nachteil ihres damaligen Aufenthalts war gewesen, dass Kai entgegen der Aussage von Chrissie, doch für drei Tage in die Stadt kam und in der Zeit natürlich auch in seinem Appartement wohnte. Das erzwungene Miteinander hatte ihr nur erneut bewiesen, dass dieser Mann viel zu sehr dem entsprach, was sie sich immer vorgestellt hatte, wenn sie doch mal der Gedanke überkam, wie der Mann ihres Lebens sein müsste.

Und Kai war, wie bei allen ihren Zusammentreffen, auch dieses Mal ihr gegenüber äußerst zuvorkommend gewesen und das hatte dafür gesorgt, dass die paar Ganglien, die nach wie vor dem Irrsinnsglauben anheim fielen, dass Kai an ihr Interesse haben könnte, wieder neue Nahrung bekamen.

Ihre Sarkasmusabteilung hatte diese Ideen allerdings mit einer einleuchtenden Schlussfolgerung beendet. »Er wurde halt gut erzogen und ist nett zu älteren Damen.«

Pat, die glücklicherweise nichts von ihren Gedankengängen wusste, lehnte sich aufseufzend zurück und fragte. »Wo übernachten wir heute eigentlich?«

Hetty deutete nach unten. »BIG4 ist überall! Die haben auch einen Pool und da wirst du mich so schnell nicht mehr herausbekommen.«

Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8

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