Читать книгу Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8 - Elda Drake - Страница 9

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Kapitel 6

»Eins, ... zwei ..., drei, vier ...« Schmunzelnd fuhr Hetty mit flotten hundertzehn Stundenkilometern vor sich hin, während Pat sich die Zeit vertrieb, die Autos zu zählen, denen sie begegneten. Nachdem sie Mt. Molloy passiert hatten, kam nun endlich ein Gebiet in Sicht, das für ihre Mitfahrerin neu war. Denn ab jetzt ging es Richtung Atherton Tablelands.

»Magst du Erdnüsse?«

Pat sah Hetty irritiert an. »Wieso?«

Die deutete nach vorne. »Da kommt jetzt dann gleich ein Erdnussladen, da kannst du mehr Nüsse kaufen, als du im Leben essen kannst.«

Der kurze Zwischenstopp bei dem kleinen Laden bestätigte, dass Erdnuss nicht gleich Erdnuss war. Denn hier gab es Erdnüsse in allen Geschmacksrichtungen. Karamellisiert, hot, mit Pfeffer, mit sonstwas und auch ganz ohne alles. Damit einem die Entscheidung leichter fiel, durfte man sich durchprobieren. Ein Paradies für jemanden, der an einer Nussallergie litt. Zumindest, nachdem er den Sekundentod gestorben war und falls er nichts Böses im Leben angestellt hatte.

So schwankte auch Pat zwischen Himmel und Hölle und konnte sich einfach nicht entscheiden, was sie nun kaufen sollte. Hetty nahm einen Beutel der „nackigen“ sprich, von denen die noch nicht mal Salz draufhatten und ohne Schale in der Plastikhülle ruhten. Die waren am haltbarsten, rauchten nicht aus und abgesehen davon, mochte sie ansonsten nur die welche man in Deutschland „gebrannt“ nannte, und zwar die karamellisierten. Doch da sie sich da nicht bremsen konnte und das Zeug sich sehr schnell an den Hüften oder wie bei ihr an der Taille anlegte, die sowieso schon dauernd ums Überleben kämpfte, blieb sie abstinent.

Pat kehrte schließlich mit etlichen verschiedenen Sorten zum Camper zurück und schimpfte. »Wenn du mich nochmal in so einen Fresstempel bringst, dann Gnade dir Gott. Jetzt habe ich Erdnüsse für den Rest meines Lebens.«

Hetty grinste. »Ich wollte nur deine Willensstärke prüfen!«

Pat lachte. »Wie ein Grashalm im Wind, sobald es um Futter geht, kann ich nicht Nein sagen.«

Bald darauf durfte sie erneut Ja sagen. Nämlich zu der Frage von Hetty, ob es dieser Baum denn wert gewesen war, hierher zu fahren. Pat hatte staunend den Kopf in den Nacken gelegt und sah zu dem wohl größten Fig-Tree auf, den es in ganz Australien zu finden gab. Den hatten sie zuvor auf einem breiten Boardwalk umkreist und staunend gelesen, dass dieses Teil hier ganze vierzig Meter Umfang hatte. Der Kathedral-Fig-Tree hieß deshalb so, weil er an eine Kathedrale erinnerte. An einer Stelle war eine Ausbuchtung und man konnte auf dem Gehweg bis ganz zum Baum gehen und sich fotografieren lassen. Was in Hettys Augen ein Foto für den Papierkorb war, denn außer diesen komischen Aststrängen konnte man eh nichts ausmachen. Vor allem nicht die Größe dieses Teils.

Wobei es ihr immer noch nicht ganz verständlich war, ob das Ding da wirklich ein richtiger Baum war. Auf einer großen Schautafel wurde genau erklärt wie so ein Fig-Tree entstand. Und da lag für sie schon das erste Problem. Statt dass er im Boden wuchs, wurde der Samen des Baumes von Vögeln auf den Ästen irgendeines anderen harmlosen Tropenbaumes hinterlassen. Dann begann das Teil auszutreiben und schickte lange Pfahlwurzeln gegen den Boden. Wenn die dann in der Erde verankert waren, wuchs das Ding weiter zur Seite. Mit der Zeit verschlang es dann auf die Art den Baum der ursprünglich als Ausgangsort gedient hatte und nahm dem alle Nahrung weg, was dann zur Folge hatte, dass der abstarb und verschwand.

Wie immer wenn es um solche Dinge ging, hatte Hetty interessiert zugehört, als ihr das erklärt wurde und dann im nächsten Moment natürlich alle genauen Daten vergessen. Es gab aber auch genügend Fig-Trees die einfach ganz normal im Boden ihre Wurzeln schlugen und ohne Anwesenheit eines anderen Baumes ihr Dasein fristeten. Dann hatten sie immer diese seltsam aus der Erde ragenden Wurzelkeile, die hoch und schmal vom Stamm aus in die Erde führten. Seltsame Bäume. Aber gleichzeitig wunderschön und faszinierend.

Dieses Exemplar hier hatte Äste die leicht einen halben Meter dick waren und fast waagerecht ausgestreckt, ewig weit in den umgebenden Wald hineinreichten. Denn so ein Fig-Tree unterwarf sich anscheinend auch nicht den Gesetzen der Schwerkraft. Ihrer Meinung nach hätten die Teile schon längst abbrechen müssen. Vor allem, weil in manchen dieser Äste auch noch Symbionten lebten, die zwei, drei Meter große dicke, knotige Inseln bildeten, aus denen Farne und ähnliches Zeug herauswuchs. Spätestens hier hätte die Erdanziehung ein Machtwort sprechen müssen.

Aber nein, hier unter diesem Baum wäre Newton der Apfel nicht auf den Kopf gefallen. In Down Under galten andere Gesetze. Hetty warf einen letzten Blick auf dieses Unikum, als sie Pat zurück zum Camper folgte. Auf alle Fälle war dieser Baum imponierend und sie fuhr jedes Mal, wenn sie an diesem Abschnitt der Ostküste war, hier vorbei um zu schauen, ob er noch lebte.

Einige Kilometer weiter standen sie kurz darauf vor dem zweiten Aspiranten für Unglaublichkeit – dem Curtain-Fig-Tree. Also dem Vorhang-Baum. Den Namen hatte er bekommen, da seine Pfahlwurzeln wie ein Vorhang runter hingen. Hetty zuckte die Schultern. Taten sie eigentlich immer. Es gab keinen richtigen Stamm, nur diese Stelzen. Aber hier bei diesem Exemplar besonders schön angeordnet, fast wie auf einer Gardinenstange. Der Baum war geformt wie ein riesiges Dreieck und wirkte eher wie eine Skulptur eines leicht ausgetickten Künstlers als naturgewachsen.

Pat hatte vergeblich versucht anständige Fotos von den Riesenbäumen zu machen. Sie konnte einfach nicht weit genug zurück gehen, um alles komplett draufzukriegen. Schließlich hatte ihr Hetty den Tipp gegeben, doch einfach die Filmtaste ihrer Kamera zu drücken und dann einen Schwenk zu fahren. Sie selbst hatte sich, vor einigen Monaten einfach ein Handtuch mitgenommen und auf den Boden gelegt. Das waren dann genau die Zentimeter die sie noch gebraucht hatte, um zumindest soviel Baum auf ein Foto zu bekommen, dass sie neidvolle Blicke für ihre Bilder erntete.

»Zeigst du mir heute mal deine Fotos?« Pat sah sie fragend an.

Kai hatte ihr erzählt, dass Hetty über eine große Auswahl ausgezeichneter Aufnahmen verfügte. Er hatte allerdings nicht dazu gesagt, dass er die Digitalisierung der ehemaligen Farbfotos bezahlt hatte. Das war seine „Provision“ an Hetty gewesen, als sie ihr Abenteuer im Kakadu überstanden hatten. Dies war die einzige Reise, von der beide eigentlich fast gar nichts erzählten, denn hier lagen im wahrsten Sinne des Wortes einige Leichen begraben. Die waren das Resultat eines eigentlich harmlos beginnenden Bootausflugs. Sie und Kai hatten beschlossen, die Toten ruhen zu lassen. Die drei Tage, die sie damals dort zwangsgedrungen zusammen verbringen mussten, hatten dann endgültig die Basis für ihre Freundschaft gelegt. Wozu natürlich auch beitrug, dass Hetty dabei Kai das zweite Mal vor dem Tod bewahrt hatte. Eines war damals für beide absolut klar geworden – im Notfall stand jeder für den anderen bedingungslos unter Einsatz seines eigenen Lebens zur Verfügung.

Während Pat sich in Lobeshymnen über die Aufnahmen von Hetty erging, war die mit ihren Gedanken wieder einmal bei Kai. Der wusste genau, dass sie keine Geschenke mochte und nichts mehr hasste, als Almosen anzunehmen. Das hielt ihn allerdings in keinster Weise davon ab, ihre Rechnungen zu bezahlen, wenn er es schaffte diese vor ihr in die Finger zu kriegen. Beim ersten Mal hatte er sogar einen Flug nach Alice auf sich genommen um Paul, ihrem Automechaniker, seine Kreditkartennummer zu geben und ihm zu erklären, dass er ihren Camper wieder instandsetzen sollte.

Gut, durch ihre Hilfe hatte er einen Fall lösen können, der ihm viel Geld einbrachte, also hatte sie das angenommen. Die Fotos waren als Dank dafür gedacht, dass er nicht Krokodilfutter geworden war. Und die schweineteure Digitalkamera, die Mister Brown der Besitzer des Studios mit eingepackt hatte, bezeichnete er auf der beiliegenden Karte als Gefahrenzulage. Hetty schmunzelte. Allerdings nicht wegen des Krokodils. Wie lange Kai nach einer Karte mit der Abbildung eines Goldfisches gesucht hatte, konnte sie nur ahnen. Aber sie war sich sicher, dass er einen Heidenspaß daran gehabt hatte. Denn er hatte sich königlich über ihre Fischphobie amüsiert. Kopfschüttelnd hatte er registriert, dass sie sich ohne mit der Wimper zu zucken mit Krokodilen, Mördern und sonstigen gefährlichen Dingen anlegte, aber Angst vor dem kleinsten Fischlein hatte. Und darauf spielte er mit diesem einzigen Wort an, das auf der Karte vermerkt war.

Das nächste Mal hatte er sie einfach ärgern wollen, nachdem sie sich geweigert hatte, einen Kaffee auf seine Rechnung anschreiben zu lassen. Sie lächelte. Die teure Überholung und Reparatur des Campers hatte er übernommen, aber Kurt musste ihr den Cappuccino aufrechnen, den sie beim Abschied auf seiner Terrasse getrunken hatte. Das war einfach typisch für Kai. Er tat nichts lieber, als sie zu hochzunehmen. Und für jemanden, den die ganze Welt als unzugänglich und ewig ernst ansah, hatte er an seinen Aktionen, wie er seinen Willen gegen Hetty durchsetzen konnte, anscheinend jede Menge Spaß.

Das war dann allerdings für viele Tage das letzte Mal, dass sie sich unnütze Gedanken über einen Mann machen konnte, der für sie sowieso nicht in Frage kam.

Denn Pat hatte ihre Aussage ernst genommen, dass sie einen Menschen brauchte der sie antrieb und begann mit dem Sportprogramm. Dafür hatte sie sich, in dem Touristencenter für die Gegend, einen Wanderführer besorgt, der die Hardcorevariante dessen war, was Hetty unter angemessenen Trackingtouren verstand.

Als die bei der ersten Wanderung entsetzt vor der Hinweistafel stehengeblieben war, die anzeigte dass hier neben vielen Höhenmetern auch eine ewig lange Wegstrecke vorhanden war, hatte Pat nur gelacht. »Ach stell dich nicht so an. Das kriegst du schon hin. Du brauchst nur jemanden, der dich etwas antreibt!«

Dieser Spruch verfolgte Hetty inzwischen sogar im Schlaf. Wobei sie zugeben musste, sie hatte noch nie in ihrem Leben so gut geschlafen. Nach dem Abendessen und einem Gläschen Rotwein kroch sie erschöpft ins Bett und krallte sich in ihr Kopfkissen. Eine Zehntelsekunde später war sie auch schon weggetreten und schnarchte traumlos vor sich hin. Denn sogar jede einzelne Gehirnzelle winkte ab, wenn die Frage auftauchte, ob man noch arbeiten sollte.

Die Mulgacamper Romane Band 7 und 8

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