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Kapitel Eins

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Katelyn

Wann ist es passiert? Zu welchem Zeitpunkt in meinem Leben habe ich sämtliche Kontrolle an Richard abgegeben? Wann habe ich aufgehört, Ich zu sein? Das sind die Fragen, die mir in dem Moment durch den Kopf gehen, in dem ich feststelle, dass mir nichts mehr geblieben ist. Meine Ehe nichts weiter als ein Schatten dessen ist, was sie sein sollte. Mir nichts mehr gehört und ich allein bin.

Ich sitze im Auto, aus dem Radio klärt Adele mich auf, dass sie es ist, und auf dem Fußweg, auf der anderen Straßenseite, steht mein Ehemann und hält eine Frau in den Armen. Ich beobachte schockiert, wie er sie küsst, sich von ihr verabschiedet und dann in die andere Richtung davongeht. Und jetzt, wo ich nicht nur ihr langes blondes Haar sehe, sondern auch ihr Gesicht, da erkenne ich sie. Sie ist unser Ex-Kindermädchen. Das Kindermädchen, das ganz plötzlich gekündigt hat, weil es eine andere Anstellung gefunden hat. Ich lache bitter auf und kämpfe gegen den Schock an, der mich befallen hat. Ihre neue Anstellung findet wohl im Bett meines Mannes statt.

Ich habe geahnt, dass Richard nicht treu sein könnte. Eine Frau fühlt so was, glaube ich. Zumindest war da seit Wochen dieses dumpfe Gefühl in meiner Brust. So eine Vorahnung, die mir sagen wollte, dass alles noch viel schlimmer ist, als ich dachte. Die Ampel, vor der ich stehe, ist grün, was ich nur bemerke, weil hinter mir plötzlich jemand hupt. Unser Kindermädchen schaut zur Seite und starrt mein Auto an, aber sie scheint mich nicht zu erkennen. Wahrscheinlich, weil der VW Beetle neu ist und sie nichts von ihm weiß. Ich gebe Gas und versuche jetzt, so schnell wie möglich hier wegzukommen. Mir ist die Situation so peinlich. Die Vorstellung, sie könnte mich entdecken und wüsste, dass ich sie mit meinem Mann gesehen habe, jagt ein Kribbeln über meinen Rücken. Warum sollte es mir peinlich sein, von ihr gesehen zu werden? Dafür gibt es keinen Grund. Sie hat etwas falsch gemacht, nicht ich. Ich muss nur mit ihrem Fehler irgendwie leben. Muss einen Weg finden, damit umzugehen. Sobald ich wieder klar denken kann. Im Moment kreisen nur die Bilder von ihm und ihr in meinem Kopf und das Gefühl des Verrats in meiner Brust. Ich fahre weg und suche gleichzeitig im Rückspiegel nach Richard, aber er ist nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich hat sein Fahrer ganz in der Nähe mit dem Wagen auf ihn gewartet.

Mein Blick huscht wieder zu Nancy, die eben in ein Taxi einsteigt. Ich sehe erleichtert nach vorne auf die Straße, aber jetzt versperren Tränen mir die Sicht. Alles, was ich noch sehen kann, sind die verschwommenen Umrisse eines schwarzen Autos, das viel zu nahe ist. Ich trete das Bremspedal erschrocken voll durch, als ich die roten Lichter bemerke. Es ist viel mehr ein Reflex, als eine bewusste Handlung. Mein Auto bleibt stehen, aber das vor mir nicht, es entfernt sich. Das bemerke ich noch, dann lässt ein lauter Knall und ein heftiger Ruck mich zusammenzucken. Wieder hupt jemand. Es dauert unendliche Augenblicke, bis mir bewusst wird, dass ich eben einen Autounfall hatte.

Ich wische die Tränen aus meinen Augen und drehe mich nach hinten um, wo ein schwarzer SUV an meiner Stoßstange zu kleben scheint. Meine Tür wird aufgerissen. Ich erstarre, als jemand sich zu mir runterbeugt und mich ansieht. Es ist ein attraktiver Mann, der mich besorgt mustert.

»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragt er und setzt ein vorsichtiges Lächeln auf. »Sind Sie verletzt?«

Ich sehe verloren in seine dunklen, fast schwarzen Augen, dann erwache ich aus meiner Trance und nicke mechanisch. »Ja, mir geht es gut.«

Geht es mir nicht. Ich denke keine Sekunde an den Unfall, in meinem Kopf kreisen immer nur die Bilder von meinem Mann mit dem jungen Kindermädchen. Der Unfall schafft es nicht in mein Bewusstsein. Obwohl er da ist. Eben passiert. Da stehen überall Menschen, die mich anstarren. Die Autos anstarren. Und mein Mann und Nancy sind eigentlich meilenweit weg. Aber ich bekomme sie nicht aus meinem Kopf. Ich schließe die Augen und versuche mich zu konzentrieren.

Frustriert sehe ich den Fremden an und dann bemerke ich seine Hand, die er mir entgegenstreckt. »Steigen Sie erstmal aus, dann sehen wir weiter.«

Ich nehme seine Hand und er hilft mir auf, dann stehe ich vor ihm, drehe mich zu meinem Wagen um und seufze. »Der war neu«, sage ich, ohne darüber nachzudenken.

»Es ist kaum was passiert«, beruhigt mich der Mann. »Ich bin Jax«, sagt er.

»Katelyn.« Ich fühle mich noch immer wie betäubt, aber langsam finde ich zurück in das Hier und Jetzt. Der Mann lächelt freundlich. Er hat einen Bartschatten. Eigentlich mag ich das nicht, aber es passt zur dunklen Lederjacke, die er trägt und zu seinen dunkelblauen Jeans, auch zum offenstehenden weißen Hemd.

»Warum haben Sie gebremst?«, will er mit gerunzelter Stirn wissen. »Sie sind auf die Eisen gegangen, als wäre Ihnen jemand vor das Auto gelaufen.«

Ich blinzle nervös. »Das Auto vor mir hat gebremst«, verteidige ich mich und lehne mich erschöpft gegen meinen weißen Beetle.

»Ja, ein bisschen, aber er hat keine Vollbremsung hingelegt.«

»Sie sind mir reingefahren«, entrüste ich mich und sehe wütend zu dem großen Mann mit den breiten Schultern auf. Er ist wirklich verdammt attraktiv. Dass er so gut aussieht, macht mich nur noch nervöser. Ich kann schlecht mit gutaussehenden Männern umgehen. Sie schüchtern mich schon immer ein. Vielleicht, weil ich selbst alles andere als perfekt bin. Ich bin klein, etwas pummelig und habe Brüste, die eine Frau von meinen Körpermaßen nun wirklich nicht haben sollte.

»Nur, weil ich nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.«

»Dann sind Sie wohl zu nahe aufgefahren«, entgegne ich vorsichtig.

Er legt den Kopf schief und nickt dann. Sein Blick bleibt mehrere Sekunden an meinen zitternden Händen hängen, die ich vor meinem Oberkörper immer wieder knete. Dann mustert er meinen Unterkörper, der unter dem dunkelblauen Bleistiftrock gut auszumachen ist. Ich versuche seine Musterung zu ignorieren, was mir wirklich schwerfällt, also räuspere ich mich, um seinen Blick von meinen fülligen Hüften zu bekommen.

»Sie haben recht. Tut mir leid«, gibt er nach. »Lassen Sie uns die Autos zur Seite fahren. Ich lade Sie erstmal auf einen Kaffee ein, dann können wir alles klären.«

»Ich weiß nicht, das geht nicht.« Ich weiche seinem fragenden Blick aus.

»Warum nicht?«

»Ich bin verheiratet.«

Jax lacht laut auf, was mich stocksteif werden lässt. »Ich lade Sie auf einen Kaffee ein, ich will nicht mit Ihnen schlafen.«

Ich schnappe nach Luft und spüre, wie Hitze in mein Gesicht schießt. Mein verzweifeltes Luftschnappen interpretiert der Mann wohl falsch, denn er legt eine Hand auf meine.

»So war das nicht gemeint. Sie sind eine sehr begehrenswerte Frau, ich würde jederzeit mit einer Frau wie Ihnen schlafen. Nur nicht im Moment.«

Ich schnappe wieder nach Luft. »Vergessen Sie es! Gehen wir einfach einen Kaffee trinken, um die Formalitäten zu klären.«

Ich laufe um mein Auto herum und begutachte die demolierte Stoßstange, dann steige ich in den Wagen. »Um die Ecke ist ein Café«, sage ich und beobachte ein Auto, das um uns herumfährt.

Jax grinst, wahrscheinlich wegen meines geschäftlichen Befehlstons, den ich gerade aufgelegt habe. Aber im Geschäftsmodus fühle ich mich immer sicherer. Auch Männern wie ihm gegenüber. Ein Geschäft zu führen, liegt mir wohl im Blut. Das ist etwas, was ich kann. Wo ich einfach funktioniere, weil ich damit aufgewachsen bin, anderen Menschen zu sagen, was sie tun sollen und was ich von ihnen erwarte. Mein Vater hat mich schon früh darin eingearbeitet, irgendwann seine Immobilienfirma zu übernehmen. Und schon sehr bald habe ich gelernt, einen bestimmten Tonfall anzuschlagen, wenn ich will, dass Männer mich ernst nehmen. Zur Übernahme seiner Firma durch mich ist es nie gekommen, weil Richard die Geschäftsführung nach dem Tod meiner Eltern übernommen hat. Schon ein Jahr nach meinem Collegeabschluss war ich nur noch Hausfrau und Ehefrau gewesen. Seit sieben langen Jahren. Außer Olivia gibt es nichts in meinem Leben, das mich erfüllt.

»Alles klar. Bis gleich.«

Verführt - Bis du mich tötest

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