Читать книгу Ausstieg / Glücksspieler / Gefährliche Erben - Drei Romane in einem Band - Elfi Hartenstein - Страница 18
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ОглавлениеLou Feldmann setzte sich an einen Tisch im Besucherraum des Frauengefängnisses. Und fragte sich – nicht zum ersten Mal –, ob er selbst es aushalten könnte, eingeschlossen zu sein. Regeln ausgeliefert, die Bestrafung zum Ziel hatten und vom Sicherheitsdenken bestimmt und von Ordnungsfundamentalisten durchgesetzt wurden.
Remy Straub wurde hereingeführt. Feldmann nickte der Schließerin, einer attraktiven dunkelhaarigen Frau Mitte dreißig, zu. Sie verstand und entfernte sich.
Remy Straub setzte sich zögernd ihm gegenüber an den Tisch.
„Wie geht’s Ihnen?“, fragte Lou.
Remy ließ sich viel Zeit mit der Antwort. „Seitdem ich auf der Straße gelebt habe, sind Wohnungen für mich wie Gefängnisse. Auf der Straße gibt es keine geschlossenen Türen. Man kann nachts oder irgendwann einfach aufstehen und sich davonmachen.“
„Bereuen Sie inzwischen, dass Sie bei Ihrem toten Freund sitzen geblieben sind anstatt einfach abzuhauen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das war ich ihm schuldig. Nicht nur weil ich ihm diesen Stoff besorgt habe, der ihn umgebracht hat.“
„Aus Liebe.“
„Aus Liebe.“
Man sieht ihr an, dass sie nicht lügt, dachte Feldmann. Zumindest nicht, wenn es um ihren Freund geht. Laut sagte er: „Haben Sie inzwischen einen anderen Anwalt oder möchten Sie, dass ich mich darum kümmere?“
Remy Straub schüttelte den Kopf. Sie hob die Augenbrauen, betrachtete ihr Gegenüber und schwieg eine Weile vor sich hin. Dann fragte sie: „Warum wollen Sie das tun? Oder andere Frage: Was wollen Sie von mir?“
Jetzt war es Feldmann, der zögerte zu antworten. „Sie haben völlig Recht, wenn Sie einem Bullen nicht trauen“, sagte er schließlich.
„Also was wollen Sie? Mit mir ficken?“
Lou Feldmann lachte trocken auf. Diese junge Frau sagte, was sie dachte. Offenbar hatte sie ihre Erfahrungen gemacht. „Sie wissen genau, dass Sie attraktiv sind“, sagte er. „Und vielleicht sind Sie mein Typ. Das heißt trotzdem nicht, dass ich mit Ihnen ins Bett will.“
„Dann sagen Sie mir verdammt noch mal, was Sie von mir wollen.“ Ihrer Stimme war anzuhören, dass sie Mühe hatte, gelassen zu wirken. Wie gelassen sie wirklich war, was an ihr tatsächlich Ruhe widerspiegelte, was nur Pose war, konnte Feldmann noch nicht einschätzen.
„Frau Straub“, sagte er fest, „ich nehme an, Sie wissen, dass ich bei der Mordkommission bin. Ich ermittle in einem Mordfall, und zwar einen Mord an einer Frau, die Sie kennen. Elena Iwanowa.“
„Muss ich die kennen?“
„Sie haben für sie gearbeitet.“
Remy Straub stand abrupt auf, ging ein paar Schritte, stützte sich an der Wand ab, schlug ihre Stirn dagegen, fest genug, dass es einen dumpfen Laut gab, drehte sich zu Feldmann um. „Sie haben mir doch selbst gesagt, ich soll meinen Mund halten.“
„Da wusste ich noch nicht, dass Sie mit Frau Iwanowa zu tun hatten.“
Remy Straub schüttelte langsam und stur den Kopf. Was immer passiert war, sie wollte nicht reden.
„Setzen Sie sich wieder hin“, sagte Feldmann geduldig, „ich brauche von Ihnen Informationen. Ich will nicht, dass Sie sich selber belasten. Aber vielleicht können Sie mir ein paar Hinweise geben, die mich weiterbringen.“
Remy lehnte sich gegen die Wand und blieb stumm.
Als Feldmann sagte: „Wenn Sie mir helfen, helfe ich Ihnen“, hob sie den Kopf. „Geben Sie mir das schriftlich?“
„Nein. Doch ich versichere Ihnen, dass ich für Sie tun werde, was ich tun kann.“
Sie seufzte. „Ich traue keinem Bullen. Aber Sie haben mich bei meinem toten Miro sitzen lassen. Vielleicht bin ich Ihnen dafür etwas schuldig.“
„Nein. Das sind Sie nicht. Sie sind mir nichts schuldig.“
Remy Straub ließ Feldmann nicht aus den Augen, als sie sich wieder an den Tisch setzte. Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte, aber sie wusste, dass sie keine andere Chance hatte. „Ich will hier raus.“
„Ich kann Ihnen nichts versprechen“, sagte Feldmann.
Remy Straub sah ihn an. Sie war verwundert. Misstrauisch. Skeptisch. „Sie sind ein komischer Bulle“, sagte sie. „Andere würden mir für meine Aussage alles versprechen. Oder verhindern, dass ich den Mund aufmache.“
„Sie haben für Frau Iwanowa die Buchhaltung gemacht“, sagte Feldmann. „Haben Sie auch die Abrechnungen gemacht für die Frauen, die für sie arbeiteten?“
„Diese Frauen haben für sich selbst gearbeitet.“
„Frau Iwanowa war aber nicht ihre Steuerberaterin. Und ich will wissen, warum sie sterben musste. Ging es um Revierkämpfe? Oder vielleicht um Schutzgeld, das sie nicht bezahlen wollte?“
Remy Straub zögerte, dann gab sie sich einen Ruck. „Die waren scharf auf ihren Hostessenservice. Elena hatte nur Frauen im Angebot, die freiwillig arbeiteten. Hausfrauen, Studentinnen, alleinerziehende Mütter, denen Hartz IV nicht ausreichte ... Es gibt viele Freier, die mit den Ostimporten nichts zu tun haben wollen. Und Elena machte einen guten Umsatz und sie nahm für ihre Vermittlung nicht mehr als auch Schauspieler oder Künstler an ihre Agenten zahlen müssen. Sie stand zu ihren Frauen. Sie hätte sie niemals verkauft.“
„Der neue Besitzer oder Pächter des Café Lilo heißt Sergej Medwed. Kennen Sie ihn?“
„Ich schätze, er gehört zur Russenmafia. Die setzen die Kneipenpächter und andere Geschäftsleute mächtig unter Druck. Soviel ich gehört habe, gibt es nur einen einzigen Menschen, der sich denen mit Erfolg widersetzt hat. Ein Grieche.“
„Hat er einen Namen?“
„Sicher. Aber ich kenne ihn nicht.“
Feldmann stand auf. „Danke erst einmal. Ich werde mir Ihre Akte ansehen und dann überlegen, was ich für Sie tun kann. Diese Einbrüche – man unterstellt Ihnen Kontakte zum organisierten Verbrechen ...”
Remy Straub atmete einmal tief ein und aus, bevor sie antwortete. „Sie sollten nicht alles glauben, was Ihre Kollegen vorgeben, um mich festzusetzen. Auch Sie dürfen keinem von denen trauen. Ich habe vielleicht mal Schmiere gestanden. Aber wenn ich Geld brauchte oder Miro dringend Stoff, hab ich in Elenas Hostessenservice gearbeitet.“
Feldmann nickte.
Die hübsche Schließerin musste direkt hinter der Tür gewartet haben, so dass sie fast zeitgleich mit Feldmanns Klopfen den Raum betrat, um Remy Straub wieder abzuholen. Grußlos und ohne das kleinste Lächeln.