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Kapitel 7

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Es war früher Morgen. Violetta und ich hatten uns in meinem Fitnessraum getroffen. Seit kurzem stand dort ein kleiner Boxring. Darin standen wir jetzt und tobten uns aus. Na ja, Violetta tobte sich aus. Ich wich ihren Schlägen aus und brachte gelegentlich eine lockere Führhand, schließlich ging es darum, dass Violetta etwas lernte und nicht darum, dass ich sie als blutenden Sandsack benutzte. Ich lehnte mich in die Seile zurück und machte die Doppeldeckung zu. Sofort begann Violetta mit wilden Haken gegen meinen Kopf und gegen meine Rippen zu schlagen. Ich lächelte. Unglaublich, wie viel sie schon nach so kurzer Zeit des Trainings austeilen kann. Sie ist halt doch ein kleiner Wadenbeißer! Ein paar lockere Führhände meinerseits stoppten Violettas Schlaghagel. Der Schweiß lief ihr durchs Gesicht und sie japste nach Luft. Ich konnte sehen, dass ihre Arme immer müder wurden. Grinsend erhöhte ich das Tempo und erwischte sie mit ein paar spielerischen Schlägen. Sie verkürzte die Distanz und umklammerte mich. Ich befreite meine Hände und schlug ihr leicht in den Magen. Sie zuckte zusammen und umklammerte mich noch fester. Uups, dachte ich. Das war wohl ein bisschen feste. Ich löste mich aus ihrer Umklammerung und trat zurück. “Das war´s für heute“, sagte ich ein wenig undeutlich wegen des Zahnschutzes in meinem Mund. Sie nickte und zog sich die Boxhandschuhe aus. Aufmerksam musterte ich sie. “Alles klar? Habe ich dir wehgetan?“ Sie schüttelte den Kopf. “Nein, alles gut. Ich bin nur ausgepowert!“ “Das beruhigt mich!“, sagte ich lächelnd, stieg unter den Ringseilen hindurch und ging noch an den Sandsack. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Violettas Blick.

Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und beobachtete, wie Oskar auf den Sandsack einprügelte. Meine Güte!, dachte sie. Er ist verdammt fit! Bevor er mit mir trainiert hat, hatte er schon zwei Stunden selber Sport gemacht! Sein T-Shirt war klatschnass und die Schweißperlen liefen seine Stirn hinunter. Unwillkürlich musste Violetta an seine muskulösen, warmen Arme denken, als sie gerade miteinander gerungen hatten. Er fühlt sich anders an, als andere Leute, dachte sie. Man konnte die enorme Kraft spüren und das, obwohl er sehr darauf bedacht war, mich nicht zu verletzen. Bisher hatte ich mir gar keine Vorstellung davon gemacht, wie stark er wirklich ist. Als würde man einen warmen, muskelbepackten Baum umarmen. Nicht menschlich. Und obwohl er so schwitzt, riecht er gut, dachte sie und ihre Wangen röteten sich. Oskar schaute sie nun mit gerunzelter Stirn an. “Ist wirklich alles gut? Du bist ganz rot im Gesicht.“ “A-A-Alles bestens“, erwiderte sie hastig. “Ist nur die Anstrengung. Nichts weiter.“ Oskar zog sich nun auch die Handschuhe aus. Seine Hände waren breit und stark. Einige Finger waren krumm von alten Knochenbrüchen und die Haut war vernarbt, so wie eigentlich der Rest von ihm auch. Violetta blinzelte heftig, um die Erinnerungen loszuwerden, an die wenigen Gelegenheiten, wo sie Oskars Narben hatte begutachten können. In der Zwischenzeit warf Oskar seine Handschuhe in eine Ecke und atmete geräuschvoll aus. “Also ich weiß nicht, was du jetzt machst, aber ich gehe duschen und danach was essen.“ “Ich komme mit“, sagte sie. “Äääähm also nicht mit unter die Dusche... also nicht mit dir unter ein und die selbe Dusche... Natürlich gehe ich nach dem Sport duschen, aber halt alleine... Äääähm ja. Du verstehst, was ich meine.“ “Ich glaube schon“, sagte er gedehnt. “Aber drauf wetten würde ich nicht.“ Violetta überlegte gerade fieberhaft, was sie darauf nun erwidern sollte, um sich aus dieser peinlichen Lage zu befreien, als Oskar überrascht aufschaute. “Jemand klingelt an der Tür. Ich gehe mal lieber nachsehen.“ Und schon lief er los.

Irritiert verließ ich den Fitnessraum, lief durchs Haus und steuerte auf die Haustür zu. Violettas Schritte folgten mir. Bevor ich die Tür überhaupt geöffnet hatte, stieg mir der Werwolfgeruch in die Nase. Genervt öffnete ich die Tür und davor stand tatsächlich Alina. Sie schaute uns überrascht an. “Oh, Entschuldigung. Habe ich euch beim Sex gestört? Ihr riecht zumindest nach dem Schweiß des jeweils Anderen.“ Ich blinzelte ungläubig. “Wie bitte?!“ Violetta neben mir lachte. Verärgert schüttelte ich den Kopf. “Nicht das es dich etwas anginge, aber wir haben nur Sport gemacht. Was willst du?“ “Wir waren für heute verabredet“, erwiderte sie. “Wegen der verschwundenen Kinder, erinnerst du dich nicht mehr?!“ “Doch“, sagte ich. “Aber ich dachte nicht, dass du zu so einer unchristlichen Stunde hier auftauchen würdest!“ “Entschuldigung“, sagte sie. “Heißt das, ich soll jetzt wieder gehen?!“ Ich grummelte. “Nein, komm rein. Du kannst dir schon mal die neuen Informationen ansehen und dich auf den neusten Stand bringen. Ich zeige dir den Weg.“ Höflich trat ich beiseite und ließ sie herein. Ich wandte mich an Violetta. “Geh ruhig duschen, während ich unserem Gast den Weg zeige.“ Sie nickte und verschwand nach oben zu ihrem Zimmer, welches ein extra Badezimmer hatte. In der Zwischenzeit führte ich Alina ins Wohnzimmer und zeigte ihr die Unterlagen. Sie war sichtlich beeindruckt. “Das alles hast du innerhalb eines Tages rausgekriegt?!“, fragte sie und machte große Augen. “Du bist wirklich so gut, wie die Leute sagen!“ Ich zuckte mit den Schultern. “Mag sein.“ Kurzerhand reichte ich ihr ein paar Zettel auf denen das Wesentliche zusammengefasst stand. Sie nahm sie entgegen und las aufmerksam. “Woher hast du das alles?“, fragte sie verblüfft. Ich grinste. “Berufsgeheimnis.“ “Jetzt im Ernst“, sagte sie. “Das sieht aus, wie Sachen, die nur in Polizeiakten stehen können!“ “Korrekt“, erwiderte ich. “Daher ist der meiste Kram auch.“ “Wie kommst du da dran?!“ Ich verdrehte die Augen. “Können wir die Fragestunde jetzt bitte beenden und uns auf das Wesentliche konzentrieren? Sei doch einfach froh, dass ich an die Unterlagen gekommen bin. Über das >Wie?< brauchst du dir keine Gedanken machen.“ Kurz musterte sie mich eindringlich, doch dann nickte sie und las weiter. Ich wischte mir einige Schweißperlen von der Stirn und zupfte mein T-Shirt zurecht. Einige Zeit verging, dann schaute Alina von den Papieren auf. “Was habt ihr eigentlich gerade für einen Sport gemacht?“ “Boxen.“ “Oh, darf ich auch mal mitmachen?“ Ich schnaubte. “Glaub mir, dass willst du nicht!“ Alina machte ein verdutztes Gesicht. In dem Moment kam Violetta herein. Sie trug nun ein schwarzes langärmliges T-Shirt mit Totenkopf drauf, schwarze Jeans und schwarze Socken. Geschminkt war sie nicht. Ihre Haare waren noch feucht und glänzten im Licht. “Hi“, sagte sie. “Oskar, willst du jetzt eben duschen gehen, bevor wir richtig loslegen?“ Kurz zögerte ich. Es widerstrebte mir nach wie vor Violetta mit der fremden Werwölfin alleine zu lassen, aber ich wollte auch nicht, wie ein überfürsorglicher Spinner wirken... Mal abgesehen davon, dass ich nicht den ganzen Tag, wie ein schwitziges Stinktier rumlaufen wollte. Violetta kann schon auf sich aufpassen, dachte ich und stand auf. Innerlich seufzte ich und nickte. “Sicher. Ich brauche auch nicht lange.“ Rasch verließ ich den Raum, holte mir ein paar Klamotten aus meinem Schlafzimmer und ging ins Bad. Dort sprang ich unter die Dusche und schrubbte mich eilig ab. Nach drei Minuten war ich fertig, trocknete mich ab und schlüpfte in ein weißes Hemd, Jeans und Lederschuhen. Danach lief ich eilig zurück ins Wohnzimmer, wo zu meiner großen Erleichterung alles so war, wie vorher. Es lagen keine Körperteile herum und die Wände waren nicht mit Blut und Eingeweiden besprenkelt. Violetta und Alina saßen nebeneinander auf der Couch und lasen gemeinsam in den Unterlagen. Ich gesellte mich zu ihnen. Sie schauten beide auf. Alina räusperte sich. “Also was schlägst du vor? Wo fangen wir an?“ “Bei dem letzten verschwundenen Kind“, erwiderte ich. “Da ist die Spur noch am frischesten. Wir sprechen mit den Eltern, schauen uns in der Wohnung um und suchen nach allem, was auch nur ein bisschen verdächtig aussieht. Mit unseren Spürnasen finden wir vielleicht etwas, was die Polizei übersehen hat. Danach sehen wir weiter.“ Alina runzelte die Stirn. “Das klingt ja alles schön und gut, aber wie sollen wir die Familie dazu bringen mit uns zu reden? Wir können ja schlecht einfach klingeln, oder? Wir sind ja schließlich nicht von der Polizei.“ “Dann tun wir halt so, als ob“, erwiderte ich amüsiert. “Ihr braucht nur ein paar schicke Klamotten und ein Passbild. Gefälschte Dienstmarken und Dienstausweise habe ich vorrätig. Das ist kein Problem.“ Violetta und Alina sahen mich beide erstaunt an. Ich runzelte die Stirn. “Habe ich irgendwas verpasst? Warum guckt ihr mich so an?“ Violetta schmunzelte. “Ist das nicht offensichtlich? Wofür hast du gefälschte Polizeimarken?“ “Für Fälle, wie diesen“, erwiderte ich irritiert. “Sicher nicht zur Dekoration, falls du das meinst. Das sind halt so nützliche Dinge, die sich im Laufe der Jahre ansammeln, wenn man in meinem Geschäftsfeld tätig ist. Also habt ihr ein paar Bilder? Wenn nicht, müssen wir noch welche machen gehen.“ Die beiden tauschten einen Blick aus, dann schüttelten beide den Kopf. Gleichzeitig sagten sie: “Wir haben keine.“ “No problemo“, erwiderte ich. “Das kriegen wir hin. Dann legen wir halt noch einen kleinen Zwischenstopp ein.“

Böser Zauber

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