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Angepasstes Verhalten reduzieren

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Drei elterliche Verhaltensweisen fördern übermäßige Anpassung beim Kind: Wenn man selbst Außengesteuertheit vorlebt, wenn man sein Kind unter Druck setzt und wenn man seinem Kind nichts zutraut.

Wenn man selbst Außengesteuertheit vorlebt

Wir sollten nicht vergessen, dass unsere Art, auf äußere Einflüsse zu reagieren, für unsere Kinder in mehrfacher Hinsicht ein Beispiel ist. Die Art unseres Handelns, Fühlens und Denkens entscheidet über das Selbstgefühl unserer Kinder, da sie durch uns lernen, wie man in der Außenwelt zurechtkommt: Mit uns verknüpfen sie ihre Zukunftsvorstellungen. Das kann einem ziemlich Angst machen. Und da die meisten von uns bis zu einem gewissen Grad außengesteuert sind, suchen auch wir Bestätigung bei anderen. Wenn wir also nicht aufpassen, geben wir mit unserem Verhalten ein Beispiel übermäßiger Anpassung ab.

Zuviel Anpassung dem „richtigen Image“ zuliebe

Unsere Kinder erfassen mit Leichtigkeit die leisesten Anzeichen von Außengesteuertheit. Wenn wir uns zum Beispiel ständig abkämpfen, um uns sozial besser zu stellen und nach oben zu kommen, werden unsere Kinder das bemerken. Wir schuften täglich rund um die Uhr, damit wir durch ständige Neuanschaffungen unseren Erfolg beweisen können. Wir versuchen, die richtigen Dinge zu sagen, die richtige Kleidung zu tragen, die richtige Ausstattung zu besitzen, den richtigen Job zu ergattern, den richtigen Status zu haben, im richtigen Augenblick die Ellenbogen zu benützen, alles nur, um im Konkurrenzkampf ums soziale Ansehen der Sieger zu sein. Unsere Kinder durchschauen unser Verhalten ganz genau. Und da sie oft nur unser erweitertes Ich darstellen, lassen wir sie entsprechend mitmarschieren.

Wie können wir also diese ungesunden Verhaltensweisen stoppen und uns aus dieser Tretmühle befreien? Wir könnten versuchen, unser Tun zu hinterfragen, und so oft wie möglich nach unseren Motiven forschen: Tun wir dies, weil wir es für richtig halten, oder nur deswegen, weil wir gesellschaftliches Ansehen gewinnen wollen? Wir sollten diesen inneren Dialog auch hin und wieder laut führen und vor unseren Kindern unsere Pläne und Motive erwägen. Indem wir sie an unseren Entscheidungsfindungen teilhaben lassen, beflügelt das ihren eigenen inneren Dialog. Sie lernen eigenständig Betrachtungen und Abwägungen durchzuführen.

Überbewertung bedingter Anerkennung

Vielleicht ist es unser größtes Anpassungsmotiv, dass wir uns zu sehr von bedingter Liebe und Anerkennung abhängig machen. Diese Abhängigkeit wird zum Beispiel deutlich, wenn wir uns nach Strich und Faden fertig machen, nur weil wir in der Arbeit in einer Kleinigkeit versagt haben. Wir glauben dann, überhaupt keine Liebe verdient zu haben, weil wir bestimmte Erwartungen, die wir selbst oder andere an uns stellen, nicht erfüllt haben. Wenn unsere Kinder mitbekommen, wie wir uns selbst herabsetzen, vermitteln wir ihnen den Eindruck, wir seien Ausgestoßene oder Verlierer, die keine Liebe verdienen. Wie sollten sie dann nicht zu dem Schluss kommen, dass die äußeren Einflüsse mächtiger sind, als ihr inneres Wesen?

Um keine solchen unterschwelligen Botschaften mehr zu vermitteln, sollten wir Selbstherabsetzungen möglichst vermeiden. Statt etwa zu sagen: „Warum habe ich Idiotin dem Chef nicht bloß ein teureres Geburtstagsgeschenk gemacht. Jetzt ist Cindy befördert worden und nicht ich!“ wäre es wesentlich günstiger, wenn wir sagen: „Mensch, ich habe wirklich mit der Beförderung gerechnet. Aber immerhin habe ich mein Bestes gegeben, und das war gut so. Sicher ergibt sich bald etwas anderes. Ich werde weiter mein Möglichstes tun.“ Auf diese Weise werden unsere Kinder merken, dass wir uns an das halten, was wir gut gemacht haben, statt uns an dem zu orientieren, was andere von uns halten. In anderen Worten, sie werden lernen, über das nachzudenken, was in ihrer Macht steht, statt sich über Dinge zu ärgern, die nicht in ihrer Macht stehen.

Zu hohes Anspruchsdenken

Wenn wir ein zu hohes Anspruchsdenken haben, lehrt das unsere Kinder ebenfalls, sich an Äußerlichkeiten zu orientieren. Und das betrifft auch ihre Einschätzung anderer Menschen und die Frage, wie sie sich ihnen gegenüber verhalten sollen. Haben wir zum Beispiel für einen älteren Nachbarn das Mittagessen mitgekocht, solange dessen Frau im Krankenhaus war, und schimpfen wir dann vor unseren Kindern, der alte Opa hätte nicht einmal danke gesagt, schließen sie aus dieser Bemerkung, dass gute Taten vergolten werden müssen. Sie fangen dann an, ihre Liebe und ihre Freundlichkeitsbezeugungen mit der Anerkennung abzurechnen, die sie erhalten.

Und aus diesem Anspruchsdenken wird langsam eine Anspruchshaltung. Die wirtschaftliche Schieflage in unseren Land beruht größtenteils auf einer überzogenen Anspruchshaltung ihrer Bürger. Es werden massenhaft ungerechtfertigte Privilegien abgeleitet. Und obwohl manche Forderungen gerechtfertigt sind und verteidigt werden müssen, sind es viele nicht, wie kostenloses Parken, Arbeitsplatzgarantie, billige Krankenversicherung, etc. Wenn unsere Kinder immer wieder diese Beschwerden hören, eignen auch sie sich eine Anspruchshaltung an. Sie entwickeln einen fordernden Lebensstil. Wir brauchen uns dann nicht zu wundern, wenn sie etwa verlangen, dass wir ihnen das Benzin und die Versicherung ihres Auto bezahlen. Und das mit der größten Selbstverständlichkeit.

Das überzogene Anspruchsdenken ist für den Geiz und die Korruption, die sich in der Gesellschaft mehr und mehr bemerkbar machen, wesentlich mitverantwortlich. Wir müssen unseren Kindern klarmachen, dass wir allein Anspruch auf unser Leben und unsere schöpferische Kraft haben, woraus sich alles andere ableitet. So können wir zum Beispiel Robert fragen, warum er für die Beaufsichtigung seiner jüngeren Geschwister bezahlt werden möchte, da wir zum Elternabend müssen. Gehen wir dann mit ihm die Gründe durch, wird er bald einsehen, dass er eine Verpflichtung mit einer Verdienstgelegenheit verwechselt hat.

Und was hat das mit Außengesteuertheit und Selbstbestimmung zu tun? Eine Menge! Das Anspruchsdenken nährt in unseren Kindern den Glauben, ihr Selbstwert hänge von anderen ab und sei an Äußerlichkeiten messbar. Damit keine solche Haltung in ihnen entstehen kann, sollten wir möglichst keine Erwartungen an unsere Freundlichkeit und Liebe knüpfen. Bemühen wir uns also um grundsätzliche Freundlichkeit und Zuvorkommenheit! Auf diese Weise werden unsere Kinder langsam begreifen, dass ehrliche Arbeit und gute Taten an sich lohnend sind und alles, was sie für ein gesundes Selbstwertgefühl brauchen, in ihnen selbst liegt.

Falscher Umgang mit Gefühlen

Wir alle gehen hin und wieder vor unseren Kindern falsch mit unseren Gefühlen um und geben dadurch ein schlechtes Beispiel ab. Zum einen leugnen wir bisweilen Traurigkeit, Enttäuschung, Schuldgefühle, Verlegenheit und Wut. Wenn Mutti partout keine Träne über Onkel Jacks Tod vergießen will, interpretiert ihr Kind Trauer als „ein schlechtes, verbotenes Gefühl.“ Zum anderen geben wir unseren Kindern ein schlechtes Beispiel im Umgang mit Gefühlen, wenn wir sie falsch adressieren. Wenn Vati in einer schrecklichen Laune heimkommt, weil er Stress in der Arbeit hatte, und dann diesen Ärger an seinem Kind auslässt, erhält dieses die Botschaft, dass es für die Gefühle anderer verantwortlich ist, ja vielleicht sogar Schuld an ihnen ist. Und wenn wir an negativen Gefühlen wie Ärger oder Kummer lange Zeit festhalten, ohne sie zu verarbeiten, ist das ebenfalls kein gutes Beispiel. Werden negative Gefühle gehegt, lernen unsere Kindern daraus, dass es für unangenehme Gefühle keine Lösung gibt und man sich damit eben abfinden muss.

Unser fehlerhafter Umgang mit Gefühlen fördert im doppelten Sinn die kindliche Außengesteuertheit. Erstens hilft es unseren Kindern, eine dickhäutigere Fassade aufzubauen, hinter der sie ihr wahres Selbst verbergen. Zweitens gibt es ihnen zu verstehen, dass Gefühle, jene wichtigen Kommunikationsmittel, zugunsten äußerer Einflüsse verändert, verdrängt oder geleugnet gehören. Dadurch werden unsere Kinder zur Unterwürfigkeit erzogen. Es lenkt ihre Aufmerksamkeit nach außen und lässt innere Kommunikationsformen verkümmern.

Wir sollten also versuchen, unsere Gefühle in einer gesunden Weise auszudrücken. Wir sollten versuchen, sie möglichst nicht zu unterdrücken, um Kritik und Lächerlichkeit zu vermeiden. Und wir sollten versuchen, sie dadurch zu entschärfen, dass wir nicht ewig an ihnen festhalten. Stellen Sie sich Emotionen wie eine Kiste frischen Fisch vor. Es ist o.k., die Fische zu kochen und zu essen, dazu sind sie schließlich da. (Sicher werden Sie irgendeinen Fisch finden, der mit dieser Aussage nicht einverstanden ist.) Aber die Reste sollten nicht zulange aufbewahrt werden, sonst fangen sie bald zu stinken an! Nehmen Sie sich ihrer an und lassen sie los. Wenn sie zu stinken anfangen, müssen wir sie dem armen Onkel Harry nicht vorwurfsvoll vor die Nase halten und behaupten, es sei sein Fisch! Wir sollten mit unseren Gefühlen (unserem Fisch) verantwortlich umgehen.

Wenn Kinder zu sehr unter Druck gesetzt werden

Ein zweite Erziehungsfehler ist, dass wir unsere Kinder oft zu sehr unter Druck setzen. Nichts trägt mehr zur Außengesteuertheit und Schwächung ihres Selbstvertrauens bei, als wenn wir Bedingungen an unsere Liebe knüpfen.

Liebe in Antwort auf wunschgemäßes Verhalten ist bedingte Liebe. Wir äußern unsere Liebe oft nur, wenn wir von unseren Kindern angetan sind, statt dies auch in Zeiten zu tun, wenn sie es am meisten brauchen. Sehen wir uns einige Formen bedingter Liebe an, bevor wir uns fragen, wie wir diese schlechten Angewohnheiten einstellen können.

Eingeschränkte Wertschätzung

Wir teilen unsere Liebe oft eingeschränkt mit, indem wir etwa sagen „Sei ein Schatz und hilf mir“, oder „Du bist ein Schatz, aber vorhin warst du wirklich ein wenig frech“. Diese „Wertungen“ legen unsere Liebe quasi an die Leine, an der sie herbeigezogen werden kann. Unsere Kinder müssen daher annehmen, sie müssten sich unseren Wünschen entsprechend verhalten, damit sie von uns geliebt und anerkannt werden. Ist dies einmal verankert, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie dies anderen gegenüber genauso machen. Damit unsere bedingungslose Liebe deutlich wird, sollten wir daher möglichst auf Zusätze verzichten, die unseren Kindern sagen, wir hätten sie mehr geliebt, wenn ...

Wenn nur Sonnenseiten verlangt werden

Oft scheinen wir unseren Kindern nur für Höchstleistungen ausdrücklich unsere Anerkennung zu zollen. Zum Beispiel klopfen wir ihnen anerkennend auf die Schulter, wenn sie ins Tennisteam kommen oder lauter Einsen im Zeugnis haben. Wir hängen ihre besten Arbeiten an die Kühlschranktür und schmeißen alles andere nicht ganz so Perfekte in den Müll. Kurz, wir loben unsere Kinder in den höchsten Tönen oder gar nicht. Damit geben wir ihnen zu verstehen, dass sie unsere Liebe nur verdienen, wenn sie unsere Ideale erfüllen!

Doch wir sollten unsere uneingeschränkte Liebe deutlich machen. Unsere Kinder brauchen herzliche Zuwendung unabhängig von ihren Noten, Meinungen oder momentanen Kleidungsvorlieben. Wir könnten Tommy sagen, wie gern wir ihn haben, wenn er nach einem langen schwierigen Schultag ganz missmutig heimkommt. Wir könnten Alice herzlich umarmen, weil sie im Alleingang ihr Volleyballteam angefeuert hatte, das haushoch verlor. Wir könnten auch das 2+ Diktat an die Kühlschranktür hängen, wenn Peter besonders viel dafür geübt hat.

Vielleicht sollten wir auch weniger auf Worte und mehr auf Taten setzen. Wenn wir unseren Kindern durch Taten „Ich liebe dich“ sagen, ist das so, als sprächen wir durch ein Megaphon. Es ist einfach ein Knüller. So könnten wir mit ihnen gemeinsam in einem Malbuch Bilder ausmalen. Wir könnten ihrer Pausenbrottüte einen kleinen Grußzettel beilegen. Auch eine wortlose kurze Umarmung ohne besonderen Grund vermag Kindern deutlich zu machen, wie sehr wir sie lieben.

Wir machen sehr schnell den Fehler, uns nur auf die Rollen zu konzentrieren, die unsere Kinder einmal spielen sollen, statt sie als die Personen zu akzeptieren, die sie gerade sind. Es ist o.k., sie in ihrem Fleiß und Ehrgeiz zu bestätigen. Aber sie nur dafür zu loben, weil sie Neurochirurg werden, eine gute Note in der nächsten Physikschulaufgabe bekommen, oder Klassensprecher oder Klassensprecherin werden wollen, und sich dafür kräftig ins Zeug legen, ist nicht o.k. Wir sollten ihnen auch zu verstehen geben, dass sie an sich schon außergewöhnlich sind. Bethany, 13, sagt: „Ich weiß, dass mich meine Mutti so liebt, wie ich bin, und nicht nur ein Wunschbild von mir. Dadurch traue ich mir viel mehr zu.“

Manchmal sitze ich gerne mit meinen Kindern zusammen und sage ihnen jeweils, wie wunderbar sie sind und wie gern ich ihre Mutter bin. Voller Freude zähle ich dann auf, warum ich sie für so besonders halte, welche bemerkenswerten Talente sie haben, welche Hürden sie bereits genommen haben und so weiter. Bedenken Sie also stets: Vorbehaltlos lieben wir unsere Kinder dann, wenn wir sie so lieben, wie sie sind, und nicht, wie wir sie gerne hätten.

Wenn Kindern nichts zugetraut wird

Ein anderer weit verbreiteter Erziehungsfehler ist, dass wir unseren Kindern zu wenig oder gar nichts zutrauen. Dieser Mangel an Vertrauen bringt unsere Kinder dazu, mehr auf äußere Signale zu achten als auf innere. Sehen wir uns zu dieser Problematik einige Beispiele an und wie sich solche Fehler beheben lassen.

Repression

Oft wird Kindern von Geburt an unterschwellig Untauglichkeit signalisiert. Sie werden für unterlegen und hilflos gehalten, so dass sie zu dem Schluss kommen, Eltern und andere Autoritätspersonen seien dazu da, ihre Mängel auszugleichen. Schreit ein Baby, nehmen wir es etwa in den Arm, wiegen es und sagen: „Pst! nicht weinen“. Obwohl das gut gemeint ist, beschneiden wir damit seinen Ausdruckswillen, in einer Entwicklungsphase, in der Schreien das einzige ihm zur Verfügung stehende Mittel ist, sich auszudrücken, es sei denn, man will vollgeschissene Windeln mit zählen.

Und der subtile Unterdrückungsmechanismus setzt sich fort. Trotz aller Missbilligung und Versagensunterstellung bleiben unsere Kinder erstaunlich selbstbewusst, bis sie sieben oder acht Jahre alt sind. Noch gibt es für sie nichts außerhalb ihrer Reichweite und nichts, was sie nicht verdienten. Ein großes Feuer ist schließlich nicht so schnell gelöscht!

Manchmal halten wir diese kindliche Wesensart für Egoismus. Wobei schon einige die Vorstellung abschreckt, so sehr wird in unserer Gesellschaft der Egoismus als Untugend angesehen. Oft befürchten wir, unsere Kinder könnten durch ihre Ichbezogenheit scheitern. Wir haben Angst, dass ihre Selbstbestimmung sie weniger umgänglich macht und sie dadurch keine nützlichen Mitglieder der Gesellschaft werden. Mir macht allein die Vorstellung, meine Kinder könnten in der Öffentlichkeit einmal völlig aus dem Rahmen fallen, eine Gänsehaut. Gott behüte, dass andere von mir denken könnten, ich würde meine Kinder „verderben“ oder ich wäre eine schlechte Zuchtmeisterin, weil dann alle Welt sähe, was für eine schlechte Mutter ich bin. Und wie beschwichtigen wir solche Ängste? Leider vermitteln wir unseren Kindern gewöhnlich den Eindruck, dass ihre Direktheit und ihr Erkundungsdrang falsch – ja sogar egoistisch und verwegen seien. So klopfen wir beispielsweise unseren Kindern rasch auf die Finger, wenn sie staunend nach einer Kerzenflamme greifen, statt sie unter Aufsicht selbst herausfinden zu lassen, dass die Flamme heiß ist und sie sich daran verbrennen können. Kinder sollten eigene Erfahrungen sammeln dürfen und nicht nur auf den Erfahrungen anderer aufbauen müssen.

Hierzu fällt mir ein Artikel ein, über einen afrikanischen Stamm, bei dem Kinder sehr frei erzogen werden. Wenn die Frauen Wäsche waschen, dürfen die Kleinsten mit am Ufer plantschen. Die Kinder dürfen ohne weiteres mit so gefährlichen Gegenständen wie Macheten hantieren, die wir unsere Kinder kaum anschauen und geschweige denn anfassen ließen! Interessanterweise kommt es dabei zu erstaunlich wenig Unfällen, etwa dass ein Kind ertrinkt. Wahrscheinlich liegt es an unserer Schwarzseherei. Wenn wir überall nur Gefahren sehen, statt unsere Kindern praktisch aufzuklären, wird auch oft etwas passieren. Durch das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiungen werden oft die schlimmsten Alpträume wahr.

Mit unseren Befürchtungen halten wir also nicht selten unsere Kinder schon von klein auf vom eigenen Denken und Tun ab. Sie werden von elterlicher oder anderweitiger Autorität abhängig, da sie irgendwann aufhören, selbst nach Antworten zu suchen. Andererseits können sie schon bald die leisesten Anzeichen der Zustimmung und Ablehnung lesen, um möglichst gefällig zu reagieren.

Elterliche Gewalt und Vorherrschaft

Man hat Eltern Jahrhunderte lang weisgemacht, die mit Abstand beste Form der Erziehung sei die autoritäre. Doch wir machen einen Fehler, wenn wir aus unseren Kindern partout, und sei es mit Gewalt, gute Erwachsene machen wollen, statt sie zu eigenen Entscheidungen zu ermutigen. Wir setzen mit unseren autoritären Vorschriften fort, worunter auch wir zu leiden hatten: die Fremdbestimmung.

Kindern wird gesellschaftskonformes Denken und Verhalten aus zweierlei Gründen anerzogen. Erstens will man sie vor Spott, Kritik und Außenseitertum bewahren. Man möchte seine Kinder glücklich und erfolgreich in der Gesellschaft integriert sehen. Zweitens benützen manche Eltern ihre Kinder dazu, eigene Defizite auszugleichen. Sie wollen mit ihren Kindern vor allem angeben. So kommt es, dass Eltern ihre Kinder unbewusst zur Entwicklung eines falschen Selbst ermutigen. Auch wenn ein solches äußeres Selbst den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht wird, die Kinder selbst macht es unglücklich. Und es verwirrt sie. Fragen wir uns also, wie sich solche erzieherischen Angewohnheiten überwinden lassen. Es gibt drei Seiten elterlicher Gängelung:

 „Sei nicht so garstig!“

 „Überlass das Denken mir“ [auch bekannt als „Vater (Mutter) weiß es am besten“].

 „Ich weiß, was am besten für dich ist.“

„Sei nicht so garstig!“

Wahrscheinlich die raffinierteste Art der Bevormundung, weil Kinder oft keine Gängelung darin sehen. Sie arbeitet mit versteckten Formen der Schuld, der Aufopferung und der Schande. Und sie lockt mit bedingter Anerkennung und Zuneigung. Heidi, 15, sagt: „Mein Vater möchte, dass ich lauter Einsen schreibe. Bei einer Zwei fühle ich mich schon unglaublich schlecht. In der sechsten Klasse hatte ich einmal eine Fünf und er behandelte mich wie die letzte Idiotin.“ Die folgenden Bemerkungen illustrieren das sehr gut:

„Wenn du mich wirklich gern hättest, mein Schatz, würdest du dich in der Schule mehr anstrengen.“ (Schuld)

„Also gut. Ich werde dir dein Pausenbrot für morgen machen. Ich bin ja überhaupt diejenige, die ständig alles macht. Zu Diensten, der Herr.“ (Aufopferung)

„Was heißt, du hast deine Chemieschulaufgabe versaut? Verdammt noch mal, deine Eltern sind Chemiker! Was für eine Schande für die Familie!“ (Schande)

Das mögen drastische Beispiele sein, doch wenn wir einmal genauer hinhören, was wir zu unseren Kindern sagen, werden wir durchaus ähnliche Strukturen erkennen:

„Kannst du wirklich nicht ein bisschen früher aufstehen? Jedes Mal habe ich den Stress mit dem Berufsverkehr, wenn du den Bus versäumst. Das verdirbt mir den ganzen Tag.“ (Schuld)

„Möglicherweise kündigen sie mir jetzt, aber das ist mir egal. Bevor ich eine schlechte Mutter bin und alle deine Softballturniere versäume, lasse ich es lieber darauf ankommen.“ (Aufopferung)

„Du hast eine Drei im Diktat? Mensch, das ist bisher deine schlechteste Note. Waren die anderen alle besser als du?“ (Schande)

Selbst in diesen relativ milden Fällen wird das Selbstbewusstsein des Kindes unterhöhlt. Eine der gebräuchlichsten Bemerkungen, die ein Gefühl der Schuld oder der Scham hervorrufen, ist: „Ich bin so enttäuscht von dir“. Sie scheint so harmlos zu sein. Wir alle machen sie. Doch sie motiviert unsere Kinder mehr zur Anpassung als zur Selbständigkeit. Wir sollten daher sehr darauf achten, was wir sagen, und uns jedes Mal fragen: „Motiviere ich zur Anpassung oder zur Selbständigkeit, wenn ich das jetzt sage?“

„Überlass das Denken mir“ (oder „Vater [bzw. Mutter] weiß es am besten“)

Es ist ein alter Fehler, wenn Eltern für ihre Kinder denken und ihnen auf diese Art vorschreiben, wie sie zu fühlen und sich zu verhalten haben. Dazu einige Kommentare von Kindern:

„Meine Eltern weisen immer auf meine Schwächen hin.“

„Sie mischen sich ständig in alles ein. Das macht mich wahnsinnig. Wenn sie mich nur mehr selber machen ließen. Mensch, ich kann das auf meine Weise, ohne alles durcheinander zu bringen, so wie sie das befürchten.“

„O Gott, manchmal fühle ich mich wie unter einem Mikroskop. Ich gehe dann in mein Zimmer hoch und mache die Tür hinter mir zu, um meine Ruhe zu haben.“

„Meine Mutter und mein Vater behandeln mich manchmal so, als hätte ich keinen Verstand. Vielleicht denken sie, ich könne ihn noch nicht benützen. Überhaupt, manchmal sind eher sie selbst schwer von Kapee.“

„Ich wünschte, meine Eltern würden sich nicht dauernd in mein Leben einmischen.“

Hier sind sechs Arten, auf die Eltern Kindern vorschreiben, wie sie zu denken, fühlen und handeln haben. Obwohl wir diese Angewohnheiten nicht über Nacht ablegen können, sollten wir doch versuchen, sie so weit wie möglich zu vermeiden.

 Kritik

 Vorschnelle Bewertungen

 Tadel und irrationale Strafen

 Indoktrinierung

 Übermäßige Kontrolle

 Überfürsorglichkeit

1. Kritik

Kritik bedeutet, dass man Fehler an jemand aufdeckt. Sie ist o.k., wenn sie Positives bewirkt. Tut sie das nicht, sollte man besser darauf verzichten. Auch Meckerei (leicht versteckte Kritik) ist keineswegs harmlos. Sie bringt jedes einigermaßen intelligente Kind auf die Palme. Beides sind Bewertungsformen, die dem Kind signalisieren, dass es sich gerade in einer unerwünschten Richtung entwickelt. Wir leiten mit unserer Kritik und Meckerei unsere Kinder dazu an, sich eher über ihre Schwächen als über ihre Stärken zu definieren.

Kinder werden durch die „destruktive“ Kritik ihrer Eltern oder einer anderen Autorität zu Selbsteinschätzungen gebracht, durch die sie sich selbst entfremden. Wir sollten uns deshalb vor jeder Kritik fragen, ob sie mehr schadet als nützt. Es gibt soviel, das wir besser nicht sagen sollten.

2. Vorschnelle Bewertungen

Vorschnelle Bewertungen können die kindliche Selbstbestimmung sehr behindern. Oft versuchen wir mit dieser Kritik unsere Kinder von unserer Überlegenheit zu überzeugen, aus Angst sie würden sonst später die gesellschaftlichen Erwartungen nicht erfüllen können. In anderen Worten, wir zwingen Kindern durch Urteile und Bewertungen unsere eigenen Beobachtungen und Schlüsse auf. Auch dieser Trick schmeckt nach bedingter Liebe. Wir alle machen solche Bemerkungen. Sicher können Sie sich an Ähnliches erinnern.

„Bei deiner Lernschwäche wirst du es einmal sehr schwer im Leben haben.“

„Dein Schulrektor wird es nicht fassen können!“

„Organische Chemie ist ein schlimmes Fach.“

„Du kannst nichts dafür, du bist einfach ungelenk.“

Bestätigungen können ebenfalls versteckte Kritik enthalten. Hier einige Beispiele.

„Ist o.k., ich war in der Mittelstufe auch nur mit meiner Frisur beschäftigt.“

„Keine Sorge, als Kind hatte ich dieselben Rechtschreibprobleme.“

Durch solche Bemerkung geben wir unseren Kindern zu verstehen, sie seien o.k., weil sie genauso sind wie wir. Wir fordern von ihnen sozusagen ein Komplettremake ihres Selbst. Stattdessen sollten wir ihnen klar machen, dass unsere Bewertungen Meinungen darstellen und keine ehernen Gesetze. Wir müssen auf der Hut sein und hinhören, was wir sagen. Wir sollten unsere Kinder grundsätzlich zum Selberdenken anregen.

3. Tadel und irrationale Strafen

Auch Tadelei ist ein hervorragendes Mittel, aus selbstbewussten Kindern außengesteuerte Waschlappen zu machen. Sie ist gesteigerte Kritik. Während wir Kinder durch einfache Kritik über Fehler aufklären, werfen wir ihnen diese beim Tadel vor. Tadelei spiegelt oft unsere negativen Gefühle wider, besonders Zorn und Enttäuschung. Hier zwei Beispiele solcher negativen Bemerkungen:

„Sprich ja nicht mehr in diesem Ton zu mir, Bürschchen!“

„Es ist unfasslich, wie faul du bist. Nicht einmal den Müll hast du raus gebracht.“

Irrationale Strafen setzen der destruktiven Tadelei dann noch die Krone auf. Etwa wenn Kindern eine Tracht Prügel verpasst wird, weil sie nicht die Wahrheit gesagt haben, oder sie zur Strafe hundert Mal schreiben müssen „Ich will meinen Eltern gehorchen“ oder sie ohne Abendessen ins Bett geschickt werden, weil sie beim Hausaufgaben machen herumgetrödelt haben. Solche Strafen stärken nur die Rachegelüste der Kinder und tragen wenig zu einer Verhaltensänderung bei. Auf Strafen in Form logischer Konsequenzen, die nicht entwürdigend sind, wird später in diesem Buch eingegangen. Hier sei nur soviel gesagt, dass irrationale Strafen nutzlos sind und ihre willkürliche autoritäre Durchsetzung der Selbstständigkeit des Kindes schadet. Zwar fügen sich Kinder normalerweise rasch und tun das Befohlene, aber nicht, weil sie es einsehen, sondern aus Angst vor noch schlimmeren Strafen. Der „Respekt“, den sie diesermaßen den Eltern erweisen ist dann gewissermaßen pure Schau.

4. Indoktrinierung

Sie ist weit verbreitet. Während die anderen Formen der Bevormundung das Denken indirekt beeinflussen, tut dies die Indoktrinierung direkt. Hier einige typische Beispiele:

„Auf diese gute Referatsnote musst du einfach stolz sein.“

„Schäm dich! Dein Bruder hat den Fußballkurs problemlos geschafft!“

„Wie peinlich, dass du so etwas vor der Klasse gesagt hast.“

Wir schreiben mit solchen Äußerungen unseren Kindern vor, was sie denken sollen. Nach einiger Zeit fragen sie sich dann gar nicht mehr erst, was sie selbst denken und fühlen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man sich folgendermaßen ausdrückte:

„Toll, eine Supereins. Du hast dich ja auch gut auf dein Referat vorbereitet. Wie fühlst du dich jetzt?“

„Oh, du hast den Fußballkurs nicht geschafft? Dabei hast du dir doch so viel Mühe gegeben. Wie kommst du damit zurecht? Wirst du den Kurs wiederholen?“

„Wie deinen Klassenkameraden wohl zumute war, als du das gesagt hast? Wie könntest du die Sache wieder in Ordnung bringen?“

Auf diese Weise werden Kinder zum Nachdenken angeregt. Sie dürfen selbst eine Lösung finden und werden nicht durch die Formulierung zur Übernahme einer fremden Meinung gezwungen.

5. Übermäßige Kontrolle

Damit unsere Kinder gut funktionieren, greifen wir oft auf Zwangsmaßnahmen zurück. Wir festigen ihr äußeres Selbst, indem wir sie zum Beispiel herum dirigieren, körperlich züchtigen, Drohungen äußern und ihnen Ultimaten stellen.

Wenn wir Herum dirigieren, mischen wir uns übermäßig in das Leben unserer Kinder ein, ganz so wie bei Gepetto und Pinocchio. Hier einige Beispiele mit Alternativen:

„Vergiss deinen Rucksack nicht“ statt „Der Bus kommt gleich. Hast du irgendetwas vergessen?“

„Setz deinen Helm auf, wenn du rausgehen und Fahrrad fahren willst!“ statt “Fahrradfahren ohne Helm ist gefährlich.“

„Zieh deine Jacke an. Es ist eiskalt draußen!“ statt „Die Temperatur soll heute Nachmittag auf minus Zwanzig Grad fallen.“

„Mach dich gleich nach dem Essen an die Hausaufgaben“ statt die Kinder selbst darauf kommen zu lassen. Wenn sie ständig daran erinnert werden müssen, ihre Hausaufgaben zu machen, liegt das Hauptproblem sicher ganz wo anders!

„Denk daran, Jerry anzurufen, und bitte ihn, dir die Diktatliste zuzufaxen“ statt sie am andern Morgen beim Diktat die Folgen spüren zu lassen.

Man sieht, oft fallen einem Anweisungen leichter. Doch ist es wesentlich besser, Kindern informative Anstöße zum eigenen Denken zu geben und auch einmal zuzulassen, dass sie die Folgen schlechter Entscheidungen zu spüren bekommen.

Körperstrafen sind alarmierend weit verbreitet, vielleicht deswegen, weil unsere Terminkalender meist übervoll sind und Zeitdruck herrscht. Viele Eltern finden, dass zu einer guten Erziehung auch hin und wieder eine Tracht Prügel gehört. Anderen rutscht einfach die Hand aus, weil sie in manchen Stresssituationen keine andere Möglichkeit sehen. Beides wirkt sich negativ aus. Erstens führt es den Kindern Gewalt als praktikable Lösung vor Augen. Zweitens gibt es ihnen zu verstehen, dass sie minderwertige Personen sind, die unterdrückt und beherrscht werden dürfen. Das nährt in ihnen einen Minderwertigkeitskomplex. Wenn wir ausrasten und es doch einmal eine Ohrfeige setzt, sollten wir uns bei den Kindern sofort entschuldigen und zwar ohne dies durch irgendwelche Zusätze herunterzuspielen, wie „Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, aber du hast so einen Lärm gemacht, dass ich nicht anders konnte.“

In unserer Gesellschaft sind die verheerenden Auswirkungen körperlicher Züchtigung nicht zu übersehen. Körperverletzung, Vandalismus, Raub oder Totschlag - die Jugendkriminalität hat in beängstigendem Ausmaß zugenommen. Außerdem sind die Motive hinter den Gewaltverbrechen immer trivialer geworden. Man erinnere sich nur, dass kürzlich ein älterer Rollstuhlfahrer von einem Achtjährigen wegen fünfzehn Cent erschossen wurde. Viele fragen sich vielleicht: „Was hat sich der Junge dabei gedacht?“ Er hat sich gar nichts dabei gedacht. Das ist es ja gerade. Er hat einfach abgedrückt, ohne groß über andere mögliche Lösungen nachzudenken. Er war in allgemeinen Auffassungen befangen, weil er keine Eigenverantwortung mehr kannte. Ihm war weder bewusst, dass er ungerechtfertigte Ansprüche durchzusetzen versuchte, noch, dass er Gewaltverherrlichung betrieb. In anderen Worten, er handelte außengesteuert statt eigenverantwortlich.

Eltern können auch mit Drohungen und Ultimaten viel Macht ausüben. Hier einige Beispiele:

„Wenn du nicht sofort die Zigarette ausmachst, bekommst du einen Monat Ausgehverbot!“

„Ich warne dich zum letzten Mal. Wenn deine Noten im nächsten Halbjahr nicht besser werden, ist das Auto weg. Du kannst dann meinetwegen mit dem Skateboard in die Schule fahren!“

„Noch eine solche freche Antwort und es setzt was.“

Auch hier handelt es sich, wie schon bei den Körperstrafen, um Einschüchterungsmethoden. Die Kinder fügen sich aus Angst und nicht aus Einsicht. Wir müssen bei der Erziehung unserer Kinder stets darauf achten, dass wir ihnen genug Raum zum Nachdenken lassen. Sie entwickeln erst Eigenverantwortung, wenn sie aus eigener Einsicht handeln und Entscheidungen fällen. Eigenverantwortung will gelernt sein, sie fällt einem nicht in den Schoß.

6. Überfürsorglichkeit

In unserer Gesellschaft scheint es nur mit Vollgas vorwärts zu gehen. Ist man im Stress, findet man es oft einfacher, die Angelegenheiten der Kinder selbst zu erledigen. Wie oft kommt es vor, dass ich das Frühstücksgeschirr der Kinder abspüle, abends die Schulkleider zurecht lege, oder mit Müttern telefoniere, nur um herauszufinden, wo es etwa einen ganz bestimmten Schlüsselanhänger zu kaufen gibt, den einer von ihnen am Rucksack eines Mitschülers so toll fand. Wie oft wische ich die Milch auf, die sie verschüttet haben, oder rufe in der Schule an, um zu fragen, ob beim Eignungstest Taschenrechner erlaubt sind. Es ist nicht so, dass dies meine Kinder nicht selbst erledigen könnten. Sicher würde es sie selbstbewusster machen und ihre Geschicklichkeit im Problemlösen fördern. Aber oft erscheint es so viel einfacher, die Angelegenheiten der Kinder selbst zu erledigen, weil das schneller geht, und die Aussicht lockt, dass ich mich nicht mehr weiter darum kümmern muss. Außerdem war mir ihr Gemeckere und Geschmolle oft ein Gräuel. Das zog an meinen extravertierten Strippen. Der Gedanke, ich könnte vor mir selbst und anderen als unfähige unaufmerksame Mutter dastehen, war mir unerträglich.

Viele Eltern gehen so weit, dass sie für ihre Kinder neben Kleidung, Hobbies und Sportarten sogar die Freunde aussuchen. Einige sind ängstlich darauf bedacht, ihren Kleinen Entscheidungen zu ersparen, unter deren Folgen sie leiden könnten. Anderen macht allein schon der Gedanke Bauchschmerzen, dass die Entscheidungen ihrer Kinder sie als schlechte Eltern dastehen lassen. Also denken, fühlen und handeln sie für sie. Wenn Kinder keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, entwickeln sie kaum ein Urteilsvermögen, was ihnen später sehr schadet. Denn je älter sie werden, um so teurer müssen sie ihre Fehlentscheidungen bezahlen.

Hier zwei Beispiele eklatanter Überfürsorglichkeit, und wie sich geeigneter reagieren ließe:

Wenn ein Kind ankommt und sagt: „Mutti, ich brauche dich. Ich muss wegen meiner Verspätung genau an dem Tag nachsitzen, wo wir unser wichtigstes Fußballspiel haben! Sprich doch bitte mit dem Lehrer!“ Dann würde ich nur antworten: „So nicht, mein Junge. Du bist klug genug, um für dich selbst zu sprechen. Fußballspiel hin oder her.“

Und wenn dieser Hilferuf kommt: „Vati, sei doch ein echter Kumpel und tippe mir mein Referat! Hier sind die Aufzeichnungen. Ich würde es ja selbst machen, aber ich habe heute Abend eine Verabredung mit Cindy. Ich möchte sie nicht versetzen, weißt du!“ Dann käme zurück: „Ich bin wirklich hilfsbereit mein Lieber, aber ich habe dich tippen gesehen. Das flutscht nur so. Soll ich Cindy anrufen und ihr sagen, dass du später kommst, damit du schon einmal loslegen kannst?“

Kurz, manche Eltern sind überfürsorglich, weil sie es nicht sehen können, wenn ihre Kinder leiden. Andere sind es, um nicht schlecht angesehen zu werden. Wieder andere sind es, weil sie den Unmut fürchten, wenn ihre Kinder Fehler machen. Wie auch immer, Überfürsorglichkeit ist in der Erziehung allgemein üblich. Und da den Kindern durch solche Bemutterung sehr viel Denkarbeit abgenommen wird, können sie sich viel leichter in einem falschen Selbst verheddern bzw. sich in Äußerlichkeiten verfangen. Diese Kinder werden in der Überzeugung groß, dass es keine verlässlichen inneren Antworten gibt, weil sie niemals die Chance bekommen, überhaupt in sich hineinzuschauen.

Ich weiß, was am besten für dich ist!“

Hier sind vor allem drei Unarten zu nennen, die bei der Erziehung Tabu sein sollten. Erstens, wir sollten Kinder nicht zur Anpassung auffordern. Zweitens, wir sollten sie nicht mit anderen vergleichen. Drittens, wir sollten ihre Eigenschaften nicht verallgemeinern. Schauen wir uns dies genauer an.

1. Wenn zur Anpassung gedrängt wird

Eine Fünfzehnjährige sagte im Interview: „Ich habe eine Klassenkameradin, deren Mutter vorschreibt, was sie anziehen soll, mit wem sie sich treffen soll und so weiter. Sie hat Angst, dass ihre Tochter sonst nicht gemocht wird und sie dadurch als schlechte Mutter dastehen würde.“ Klar wollen wir Eltern nicht schief angesehen werden, und warum sollten wir das dann nicht auch für unsere Kinder zu verhindern suchen? Aber das ist nicht der einzige Grund. Manchmal wissen wir einfach nicht wohin mit der Überschwenglichkeit und Kreativität unangepasster, selbstbewusster Kinder, und das ist uns unheimlich. Wenn sie den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen, könnten wir als unfähige Eltern angesehen werden, die nicht erziehen können. Und wir fürchten, dass unsere kleinen Nonkonformisten später nicht zurechtkommen draußen in der weiten Welt. Diese Enttäuschung wollen wir uns und ihnen ersparen.

Ich finde jedoch, es sollte Eltern egal sein, ob ihre Kinder gelbe Socken, rote Shorts und ein lila T-Shirt in der Schule tragen wollen. Und wenn Kinder ein Pferd mit einer blauen Mähne malen wollen, sollte es ihnen nicht nur erlaubt werden, sondern sie sollten sogar dazu ermutigt werden. Sicher, ich finde es oft schauderhaft, in welcher Kleiderkombination meine Kinder in die Schule düsen. Doch dürften meine Bedenken eher von der Angst herrühren, als nachlässige Mutter zu gelten, als vom Zweifel an der Fähigkeit meiner Kinder.

Hier einige Beispiele, wie wir unsere Kinder zur Anpassung drängen:

„Bist du verrückt? Keiner trägt Armeestiefel zu Shorts.“

„So kannst du nicht ausgehen; du siehst aus wie eine Witzfigur.“

„Meine Güte, du hörst ja gar keine Backstreet Boys Musik mehr. Sind sie jetzt total out?“

„Das Paisleymuster passt überhaupt nicht zum Karo. Zieh doch ein einfarbiges Shirt an.“

Wir müssen uns vor Äußerungen, die unsere Kinder zur Anpassung drängen, sehr in Acht nehmen. Wir sollten ihre Kreativität und individuelle Ausdrucksweise akzeptieren, statt ständig zu versuchen, sie in ein Muster zu pressen. Wenn wir sie in ihrem individuellen Geschmack zu sehr beschneiden, gewöhnen wir sie bloß daran, sich nur an Äußerlichkeiten zu orientieren. Vielleicht befindet sich ja ein wirkliches Juwel in Ihrer Obhut. Einige der faszinierendsten Persönlichkeiten, die Großes für die Menschheit geleistet haben, waren echte Exzentriker. Denken Sie nur an Albert Einstein und Georgia O’Keeffe. Diese „Spinner“ sind doch gute Vorbilder, oder?

2. Das Anstellen von Vergleichen

Einige Eltern halten es für eine gute Methode, Kinder mit anderen zu vergleichen. Auch dies ist wieder eine Zuckerbrotmethode. Folgende Beispiele stammen aus Gesprächen mit Eltern:

„Warum willst du nicht den Fußballkurs machen, so wie die anderen auch?“

„Ich habe erfahren, dass Billy von nebenan lauter Einsen im Zeugnis hat. Wenn er das schafft, kannst du das auch. Du brauchst dir nur ein wenig Mühe zu geben!“

Da gibt es kein Wenn und Aber: Solche Vergleiche untergraben das Selbstwertgefühl der Kinder massiv. Im Grunde geben Eltern ihren Kindern damit zu verstehen, dass sie enttäuscht über sie sind. Die Kinder trauen es sich dann schließlich nicht mehr, zu sich selbst zu stehen. Sie lernen, sich auf Äußerlichkeiten zu verlassen und beurteilen sich hauptsächlich nach den Maßstäben anderer. In anderen Worten, sie sind dann fremdbestimmt.

Besser ist es, wenn wir unsere Kinder an ihren eigenen Leistungen messen, statt sie mit anderen Leuten zu vergleichen. Das stellt ihnen frei, inwiefern sie sich weiter verändern wollen. Sie nehmen sich dann selbst zum Maßstab und finden zu einer realistischen Selbsteinschätzung – ein wesentliches Merkmal eigenverantwortlicher Menschen.

3. Generalisierungen

Nichts haftet mehr als Generalisierungen und Etikettierungen, von Fliegenfängern einmal abgesehen. Sie bringen Kinder dazu, Vorurteile über sich zu entwickeln. Dabei ist unwichtig, ob es sich um richtige oder unrichtige Beobachtungen handelt. Sie müssen ja darauf reinfallen. Schließlich sind wir die Größeren und Klügeren! Hier einige Beispiele.

„Schatz, du bist einfach ein Langsamleser, da kann man nichts machen.“

„Du bist der Schlauste in der Familie.“

„Also, wenn du etwas anfasst, geht es in die Brüche. Mister Destruktiv!“

Solche Etikettierungen geben zukünftigen Ausflüchten und Rechtfertigungen Nahrung. Ein Kind hat zugegeben: „Meine Eltern nennen mich manchmal fett und faul, und das nütze ich als Entschuldigung aus, wenn ich mich vor etwas drücken will. Ich geb‘ ihnen dann zu verstehen: he, so bin ich eben, was kann ich dafür!“ Etikettierungen verwirren Kinder. Sie machen es ihnen schwer, zu sich selbst zu finden.

Und dann gibt es Verallgemeinerungen:

„Immer verlierst du alles! Sei froh, dass dein Kopf festsitzt, sonst würdest du den auch noch verlieren!“

„Los, komm schon! Trödle doch nicht immer so herum!“

„Du kannst aber auch gar nichts richtig machen.“

Verallgemeinerungen enthalten meistens Wörter wie „immer“ und „nie“. Sie nehmen den Kindern jeden Schwung, sich anders zu verhalten. Sie haben dann das Gefühl, es handle sich um Eigenschaften, gegen die sie nichts ausrichten können und deshalb bräuchten sie sich gar nicht weiter bemühen. Im Grunde nimmt es ihnen die Mühe ab, sich zu fragen, wer sie sind. Selbstbestimmte Kinder gehen von sich selbst aus. Ihr Selbstwertgefühl nährt sich aus keiner fixen Idee, sondern leitet sich aus tatsächlichen Leistungen, Sinnerfahrungen, Begabungen, Wünschen und Interessen ab. Sie tragen individuell zur Gemeinschaft bei.

Starke Kinder

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